Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 170

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Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundes­regierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minu­ten dauern.

Ich bitte nun Herrn Abgeordneten Dr. Einem als Einbringer des Verlangens, die Debat­te zu eröffnen. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.08.36

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es geht auch jetzt um eine durchaus ernste Frage, und es ist bezeichnend, dass der Herr Bundeskanzler nicht hier ist, sondern sich durch den Herrn Staatssekretär vertreten lässt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist bezeichnend!)

Lassen Sie mich kurz die Geschichte darstellen: Der Herr Bundeskanzler fährt, wie das seiner Funktion entspricht, nach Brüssel und diskutiert dort im Europäischen Rat mit anderen Staats- und Regierungschefs die wichtigen Fragen Europas, und dann ent­scheiden die Herren und Damen dort irgendetwas. Dann kommt der Herr Bundes­kanzler nach Österreich zurück und ist offenbar für nichts von dem, was er dort beraten und entschieden hat, zuständig. Ich bekomme auf 24 von 28 Fragen, was er denn zu veranlassen gedenkt auf Basis der Beschlüsse, die er selbst in Brüssel getroffen hat, die Antwort, er sei leider nicht zuständig.

Es war aber sonst keiner dort! Es ist der Herr Bundeskanzler, der im Europäischen Rat allein entscheidungsberechtigt ist und dort die Republik Österreich vertritt.

Dann denken wir uns, es wäre vielleicht sinnvoll, wir reden mit dem Herrn Bundes­kanzler darüber, weil es sich doch eigentlich nur um einen Irrtum handeln kann, dass er zwar in Brüssel dafür zuständig ist, 40 Beschlüsse zur Neuorientierung der Lissa­bon-Strategien zu fassen, aber sobald er hier ist, für nichts mehr zuständig ist, sodass er nicht mehr antworten kann – und dann kommt er nicht, dann schickt er den Herrn Staatssekretär. (Abg. Dr. Gusenbauer: Der nicht dort war!) Der erstens nicht dort war und der zweitens natürlich auch für nichts zuständig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das die Art der Wahrnehmung europäischer Politik in Österreich ist, dann brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass die Menschen enttäuscht sind über das, was dort geschieht, und über das, was nicht geschieht. Denn das Hauptproblem bei der Lissabon-Strategie besteht auch darin, dass die Dinge, die dort beschlossen werden, in den nationalen Staaten umzu­setzen sind und dass das offensichtlich nicht geschieht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt fünf Jahre her, dass die Lissabon-Strategie beschlossen wurde, nämlich im Frühjahr 2000. Das Ziel der Lissabon-Strategie war es, Europa bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt werden zu lassen, zu einem Wirt­schaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und bes­seren Arbeitsplätzen für einen größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen, und gleich­zeitig dem Umweltschutz verpflichtet ist. (Unruhe im Saal.)

Ich weiß, dass es für Sie viel interessanter ist, fotografiert zu werden (Abg. Brosz: Ist schon vorbei!), aber ich denke, es wäre auch interessant, die Frage mit zu bedenken, warum Lissabon nicht vom Fleck kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde dann von den Staats- und Regierungschefs eine hochrangige Kommission eingesetzt, die Wim-Kok-Kommission, die einen Bericht darüber vorgelegt hat, warum Lissabon nicht vom Fleck kommt. Und darin heißt es im Wesentlichen, dass zwar die


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