Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 88

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur letzten Runde während der Fernsehübertragung. Ich werde Frau Abgeordneter Csörgits 4 Minuten Redezeit geben und die 1 Minute abziehen, die Herr Abgeordneter Schieder überzogen hat; die weiteren Abgeordneten haben 5 Minuten.

Frau Abgeordnete Csörgits, Sie sind am Wort. (Abg. Schieder begibt sich zum Präsi­dium und spricht dort mit Präsidentin Mag. Prammer. – Ironische Heiterkeit bei Abge­ordneten der ÖVP.)

 


12.40.58

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich kann Herrn Staats­sekretär Winkler nur Recht geben, wenn er sagt, dass es wichtig ist, Begeisterung und Solidarität in Europa mitzubringen, aber ich glaube, gerade im Zusammenhang mit einer europäischen Solidarität ist es auch wichtig und entscheidend, dem Bereich Be­kämpfung der Arbeitslosigkeit, dem Bereich Bekämpfung des Abbaues sozialer Errun­genschaften entschieden entgegenzutreten.

Ich bin sehr froh darüber, dass heute in vielen Diskussionsbeiträgen, und zwar sowohl des Herrn Bundeskanzlers als auch der Frau Außenministerin, auch auf die soziale Dimension in Europa hingewiesen wurde, habe allerdings den Eindruck – und ich möchte das anhand von zwei Beispielen belegen –, dass hier zwar geredet wird, aber in Brüssel das Tun dann oft anders ausschaut. Und genau dieser Unterschied, meine Damen und Herren, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, macht die Bevölkerung unsicher.

Was meine ich damit konkret? – Als ersten Punkt beziehe ich mich auf die Vorlage der EU-Dienstleistungsrichtlinie mit dem Herkunftsprinzip. Was heißt das? Ich möchte das anhand eines Beispieles erklären: Ein Arbeitgeber hat zum Beispiel die Möglich­keit, in Ungarn eine Tochtergesellschaft zu gründen, und kann Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Österreich, unabhängig welcher Nation, in dieser Tochtergesell­schaft anstellen – und kann sie natürlich in Österreich verleihen. Allerdings gelten dann die Regeln des Arbeitsgesetzes – um bei diesem Beispiel zu bleiben – von Ungarn; ebenso die Konsumentenschutzbestimmungen Ungarns. Es gelten auch viele andere Gesetze aus Ungarn, eben wegen des Herkunftsprinzips.

Das bedeutet, dass jene Errungenschaften, die wir als Österreicher und Österreiche­rinnen, insbesondere die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie erkämpft haben, unterwandert werden. Man schafft damit zwei Klassen von Arbeitnehmern! Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht sozial – und das verstehe ich nicht unter einer sozialen Dimension in Europa! (Beifall bei der SPÖ.)

Da, Herr Bundeskanzler, möchte ich schon auch feststellen, dass der Herr Bundes­minister für Arbeit und Wirtschaft in seinem Wirtschaftsbericht 2005 darauf hinweist, dass für ihn eine Dienstleistungsrichtlinie nur dann Wirkung habe, wenn das Her­kunftslandprinzip enthalten ist. Ich unterschreibe das schon, Herr Bundeskanzler, wenn Sie sagen: Wettbewerb bedeutet Fortschritt!, möchte allerdings für unsere Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer einen fairen Wettbewerb haben! Wir sollten uns nicht nach den Kriterien jener Länder richten, wo die Menschen noch nicht so gute Arbeits­bedingungen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Das zweite Beispiel: die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union. Ganz kurz: Für den Bereich der Europäischen Union möchte man alle Regeln bezüglich Höchstgrenze aufheben. Bedauerlicherweise ist da die österreichische Bundesregierung – und da ganz besonders Herr Bundesminister Bartenstein – ein Scharfmacher in Europa. (Abg. Mag. Molterer: Was heißt „Scharfmacher“? Was ist ein „Scharfmacher“ in der Union?)

 


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