Stenographisches Protokoll

81. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 21. Oktober 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

81. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode       Donnerstag, 21. Oktober 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 21. Oktober 2004: 9.03 – 14.51 Uhr

*****

Tagesordnung

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Natio­nalrates betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 5

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ............................................................................................................ 6

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 49

Antrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Dr. Günther Kräuter, Kollegin­nen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersu­chung von Vorgängen im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben, gemäß § 33 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung ............................................................................................................... 86

Bekanntgabe ................................................................................................................... 70

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 70

Redner:

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 92

Walter Murauer ............................................................................................................. 94

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 96

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 97

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 99

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 100


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 2

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 5

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Wald­ner vom Amt sowie Ernennung von Frau Dr. Ursula Plassnik zur Bundesminis­terin für auswärtige Angelegenheiten ................................ 100

Ausschüsse

Zuweisung ........................................................................................................................ 5

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Novellierung des Asylgesetzes (461/A) (E)                                                                49

Begründung: Dr. Helene Partik-Pablé .......................................................................... 52

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ........................................................................... 56

Debatte:

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 59

Günter Kößl .................................................................................................................. 61

Mag. Walter Posch ....................................................................................................... 62

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 65

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 68

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 70

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 71

Karl Öllinger .................................................................................................................. 73

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 76

Christoph Kainz ............................................................................................................ 77

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 79

Dieter Brosz .................................................................................................................. 80

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 82

Werner Miedl ................................................................................................................. 83

Otto Pendl ..................................................................................................................... 84

Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 461/A (E) betreffend No­vellierung des Asylgesetzes (E 73) .............................................................................................................................. 85

Verhandlungen

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes ............................................................... 6

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ....................................................................... 6

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsord­nung                   5

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer .................................................................................................. 9

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 12

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 16

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 20

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ...................................................................... 24

Peter Schieder .............................................................................................................. 28


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 3

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 29

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 31

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 33

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................... 35

Petra Bayr ..................................................................................................................... 36

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 38

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 39

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 41

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 43

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 44

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 46

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 47

Eingebracht wurden

Bürgerinitiative .............................................................................................................. 5

Bürgerinitiative betreffend „Die Verhinderung der S 7 südlich der Lafnitz“ (Ord­nungsnummer 20)

Anträge der Abgeordneten

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Novellierung des Asylgesetzes (461/A) (E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung des neuen Programms für die Ländliche Entwicklung für den Zeitraum 2007 bis 2013 (462/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswär­tige Angelegenheiten betreffend Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen PartnerIn­nen im diplomatischen Dienst (2216/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend zu befürchtende Schließung von Wiener Post­ämtern (2217/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Delogierungen (2218/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Schließungen von Postämtern im Burgenland (2219/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend AMA-Machbar­keitsstudie zu gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmitteln (2220/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend AMA-Machbarkeitsstudie zu gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmitteln (2221/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Neubau der Hochleistungsstrecke Tauernbahn (2222/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 4

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Befristete Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forst­wirtschaft 2004“ (2223/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Befristete Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirt­schaft 2004“ (2224/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausschreibung der Funktion der Leitung der Sektion III „Innovation & Telekommunikation“ im Bundesministerium für Verkehr, Inno­vation und Technologie (2225/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Initiativen des Umweltministe­riums zu Stadtökologie in Wien: NATUR findet Stadt (2226/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend offene Fragen zur Tätigkeit der Bundesbeschaffungs-Gesellschaft m.b.H. (BBG) (2227/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Englischunterricht in der Volksschule Schladming (2228/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Be­cher, Kolleginnen und Kollegen (2062/AB zu 2101/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2009/AB zu 2023/J) (Zu 2009/AB zu 2023/J)



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle zur 81. Sitzung des Nationalrates. Die Sitzung ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 78. Sitzung vom 13. Oktober 2004 sowie der 79. und 80. Sitzung vom 14. Oktober 2004 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ledolter, Dr. Stummvoll, Ing. Gartleh­ner, Lackner, Mag. Muttonen und Mag. Weinzinger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Ent­schließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht:

Vizekanzler Hubert Gorbach wird durch Bundesminister Mag. Herbert Haupt vertreten.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer wird durch Bundesministerin Maria Rauch-Kallat vertreten.

*****

Der Herr Bundeskanzler hat seine Absicht bekannt gegeben, eine Erklärung betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes abzugeben. Es liegt ein Verlangen von fünf Abgeordneten vor, über diese Erklärung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfrage: 2216/J.

2. Anfragebeantwortung: 2062/AB.

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 2009/AB.

B) Zuweisungen:

Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 6

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 20 betreffend „Die Verhinderung der S7 südlich der Lafnitz“.

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrags

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Klub der Freiheitlichen hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 461/A (E) der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Asylge­setzes dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung des Dringlichen Antrags frühes­tens drei Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, also um 12.05 Uhr, erfolgen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Dauer und Gestaltung der Debatte erzielt. Folgende Redezeitordnung wurde für die Debatte in der Zeit von 9.05 Uhr bis 12 Uhr, die vom ORF übertragen wird, festgelegt:

Erklärung des Bundeskanzlers, der 10 Minuten Redezeit in Aussicht genommen hat, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 15 Minuten, sodann die Wort­meldung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit 20 Minuten, in wei­terer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 7 Minuten Redezeit, anschließend Wortmeldung eines weiteren Regierungsmitgliedes mit 7 Minuten Redezeit, ferner je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten und schließlich abermals je eine Wort­meldung pro Fraktion mit je 5 Minuten Redezeit.

Die Erklärung des Bundeskanzlers und die Wortmeldung der Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten sollen insgesamt 30 Minuten nicht überschreiten. Vor Beginn der letzten Runde wird die verbleibende Redezeit vom Vorsitz führenden Präsidenten gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.

Über diese Einteilung entscheidet das Hohe Haus. Wir kommen daher zur Abstim­mung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag der Präsidialkonferenz ihre Zu­stimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige An­nahme dieses Vorschlages fest. Wir gehen daher so vor.

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Erklärung des Bundeskanz­lers gemäß § 19 Abs. 2 GOG betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitglie­des. Im Anschluss daran wird entsprechend dem Verlangen eine Debatte stattfinden.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe seiner Erklärung das Wort.

 


9.07

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident, ich darf sehr herzlich zu dieser Feinplanung und Feinabstimmung gratulieren. Ich bin nämlich ge-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 7

rade darauf aufmerksam gemacht worden: Die heutige Debatte findet am Tag der Heili­gen Ursula statt; sie hat also Namenstag. Hier sind zwei Ursulas (in Richtung Staats­sekretärin Haubner und Bundesministerin Dr. Plassnik) links und rechts von mir. Das hat natürlich niemand gewusst, ist aber eine gute Koinzidenz. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf zunächst an dieser Stelle Franz Fischler ein großes Dankeschön sagen, der in wenigen Tagen seine Arbeit, seine großartige Arbeit für Europa und damit auch für uns Österreicher beenden wird. Er war zehn Jahre lang unser Kommissar in Europa, hat wichtigste Aufgaben geleistet; vor allem hat er die europäische Landwirtschaft weiter entwickelt und überlebensfähig gemacht. Er hat in seiner Zeit die wohl schwierigste Kri­se in der europäischen Agrarpolitik erfolgreich gemeistert, nämlich die BSE-Krise, bei der Millionen von Rindern geschlachtet werden mussten – allein in Österreich einige Zehntausende –, er hat die Folgen dieser Krise sehr gut von Europa weghalten kön­nen.

Österreich und die europäischen Bauern verdanken ihm, dass er auf WTO-Ebene das europäische Agrarmodell überlebensfähig gemacht hat. Die umweltorientierte Entwick­lung des ländlichen Raumes geht auf Franz Fischler zurück. Heute sind immerhin 140 000 europäische landwirtschaftliche Betriebe auf Biobetrieb umgestellt, 18 000 davon allein in Österreich. Nochmals: ein herzliches Dankeschön an Franz Fischler für seine Leistungen für Europa und für uns! (Allgemeiner Beifall.)

Ebenso danke ich der ausgeschiedenen Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner. Das haben wir ja schon Ende September getan; damals war allerdings das Hearing im Europäischen Parlament noch nicht abgeschlossen, das dann einige Tage später, am 5. Oktober, durchgeführt wurde. Dr. Ferrero-Waldner hat dort wirklich brilliert, hat eine erstklassige Figur gemacht, indem sie Argumente gebracht hat, die die Abgeordneten aus allen Fraktionen überzeugt haben. Ich möchte ihr an dieser Stelle alle guten Wün­sche für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit mitgeben, denn sie wird immerhin in den nächsten Jahren die gesamten Außenbeziehungen Europas, damit wiederum für unse­ren Kontinent und letztlich auch für Österreich, leiten. Daher: Alles Gute, Benita, auf diesem Weg! (Allgemeiner Beifall.)

Manche sagen ja immer, dass Österreich in Europa zu wenig zu melden hat. Ich darf vielleicht einen ganz kurzen Abriss darüber geben, was sich allein in den letzten Tagen hier in Wien abgespielt hat.

Der erste Auslandsbesuch – „Auslandsbesuch“ ist falsch, eigentlich war es der erste Besuch innerhalb der europäischen Familie – führte José Manuel Barroso nach Öster­reich. Der erste Besuch des spanischen Präsidenten des Europäischen Parlaments Josep Borrell fand diese Woche in Wien statt. Er hat das österreichische Parlament besucht, hat mit Parlamentariern diskutiert, hat mit mir, mit dem Bundespräsidenten und mit allen, die in Österreich Außenpolitik und Europapolitik machen, Gespräche geführt. Und es waren wichtige Gespräche, weil damit ja auch das Verständnis für unsere Anliegen, für unsere Vision von Europa gefördert wurde.

Am Montag war der koreanische Premierminister Lee in Wien. Das war der erste Be­such überhaupt, den ein koreanischer Premierminister Wien abgestattet hat. Und wir hatten in diesen Tagen – Dienstag, Mittwoch und heute – den historischen Besuch, den ersten Besuch des israelischen Staatspräsidenten Katzav hier in Wien – ein bewe­gender Besuch, der, so glaube ich, alle Tiefen und alle Möglichkeiten ausgelotet und in einer guten Art und Weise auch Differenzen angesprochen hat. Ich bin stolz darauf, dass dieser Besuch so abgewickelt wurde. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben, dass man auch nach außen zeigt, dass Österreich zu seiner Vergangenheit,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 8

Geschichte, aber vor allem Gegenwart und Zukunft steht, dass wir gemeinsam etwas in der Welt bewegen wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Heute Nachmittag kommt der dänische Ministerpräsident nach Wien, um bestimmte Haltungen abzustimmen. Ich war vor einigen Tagen in Finnland und in Deutschland, um vor allem auch die Positionen in der Türkei-Frage und betreffend die kommende EU-Präsidentschaft abzustimmen.

Wir hatten in diesen Tagen intensive Gespräche, Telefonkonferenzen, rund um Süd­tirol. Ich möchte Herrn Nationalratspräsidenten Dr. Andreas Khol ein großes Kompli­ment machen: Er hat nämlich hier als Netzwerker fungiert und den Kontakt mit dem italienischen Parlament und mit den Südtiroler Freunden – zugleich ich den Kontakt mit Berlusconi – so sichergestellt, dass wir innerhalb von Stunden die Krise, die entstehen hätte können, abgefangen haben. Das ist Europa, und Österreich klinkt sich hier ein! Wir sind nicht das größte, wir sind nicht das wichtigste, aber wir sind ein wichtiges und würdiges Mitglied in dieser europäischen Familie – und wir sind das gerne, liebe Freunde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zum Wechsel im Außenministerium. – Ich habe vorige Woche Frau Dr. Ursula Plassnik gefragt, ob sie bereit wäre, die Funktion eines österreichischen Außenminis­ters für die nächsten Jahre, für diese Legislaturperiode wahrzunehmen.

Ich glaube, dass Frau Dr. Plassnik, bisher Botschafterin in Bern, hervorragend für diese Funktion qualifiziert ist. Sie hat in Wien studiert und hat danach das Collège d’Europe in Brügge absolviert. Sie hat ein Bankpraktikum in der CA, in der Credit­anstalt-Bankverein, gemacht. Sie hat ab 1981 im Außenministerium gearbeitet, war vor allem in die gesamte KSZE-Problematik intensivst eingebunden; sie war bei den Dele­gationen und beim Folgetreffen dabei. Sie hat in der österreichischen Vertretung im Europarat gearbeitet. Viele Abgeordnete, die schon länger im Haus sind, kennen sie ja noch aus dieser Zeit. Sie war drei Jahre lang, von 1990 bis 1993, karenziert, um im EFTA-Sekretariat zu arbeiten, hat daher auch die multilaterale Zusammenarbeit gut kennen gelernt. Anschließend hat sie bei einer internationalen Stiftung in St. Gallen gearbeitet und war dann im Außenministerium Leiterin der Abteilung Allgemeiner Rat und Europäischer Rat, bis sie 1997 Kabinettchefin im Außenministerium und später im Bundeskanzleramt geworden ist.

Ursula Plassnik bringt daher eine Fülle von Kompetenzen, Erfahrung, Wissen und vor allem viele persönliche Aktivitäten und Voraussetzungen für dieses Amt mit. Ich würde Sie ersuchen, diesem Vorschlag, genauso wie der Bundespräsident, zuzustimmen, ihr einen Vertrauensvorschuss, einen Kooperationsvorschuss mit auf den Weg zu geben, denn wir müssen in Europa, in der Welt mit einer Stimme sprechen, wenn wir gehört werden wollen.

Ich verdanke meinen beiden Kabinettchefinnen Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Ur­sula Plassnik die Hinwendung zu beziehungsweise das Aufmerksammachen auf Martin Luther. Ich verdanke ihnen die Kenntnis eines Zitats, das ich am Schluss nennen möchte:

„Die größte Ehre, die man einem Menschen antun kann, ist die, dass man Vertrauen zu ihm habe.“

Geben Sie Ursula Plassnik dieses Vertrauen! – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

9.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausfüh­rungen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 9

Bevor ich dem ersten Redner, Herrn Dr. Gusenbauer, das Wort erteile, begrüße ich zwei ehemalige Außenminister auf der Tribüne: Alt-Bundespräsidenten Kurt Waldheim und Alt-Vizekanzler Alois Mock. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall sowie Beifall von der Regierungsbank.)

Ich möchte aus gegebenem Anlass auch darauf hinweisen, dass ich die Verwendung von Laptops als Propagandamittel hier im Plenum in Zukunft als Ordnungswidrigkeit betrachten werde. (Abg. Großruck: Herr Broukal! – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wo steht das? – Abg. Dr. Wittmann: Wo steht das in der Geschäftsordnung?)

Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer ist am Wort. 15 Minuten Redzeit. – Bitte.

 


9.16

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Präsentation einer neuen Außenministerin ist eine gute Gelegenheit, über Fragen der Außenpolitik, über Fragen gemeinsamer Außenpolitik und auch darüber zu diskutieren, wo gemeinsame Zielsetzungen zu erkennen sind. Ich bin der Auffassung – und hier teile ich die Auffas­sung des Bundeskanzlers –, dass es gerade für ein kleines Land unerhört wichtig ist, dass es, unabhängig davon, wer gerade in der Regierung ist, eine kontinuierliche und verlässliche Außenpolitik gibt. Es ist gerade für ein kleines Land wichtig, dass eine klare außenpolitische Linie über einen langen Zeitraum erkennbar ist. Daher ist Außen­politik vielleicht mehr als andere politische Bereiche Gegenstand von parteien-, regie­rungs- und oppositionsübergreifendem Konsens.

Ich bin der Meinung, dass immer dann, wenn es einen außenpolitischen Konsens ge­geben hat, der über alle Fraktionen reichte, die österreichische Außenpolitik erfolgreich war. Und ich hoffe, Frau Bundesministerin, dass Sie Ihren Beitrag dazu leisten werden, dass die österreichische Außenpolitik eine gemeinsame ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es steht eine Reihe von Fragen auf der Tagesordnung, die Sie bereits in den nächsten Wochen und Monaten betreffen und beschäftigen werden. Zum einen die Frage: Wohin geht Europa? und zum anderen: Welche Vorstellungen haben wir von der künftigen Politik in Europa? – Wir haben gerade nach den Wahlen zum Europäischen Parlament auch hier im Hause darüber diskutiert, dass die Distanz zwischen den Bürgern und den europäischen Institutionen offensichtlich eine größere wird, weil sich sehr viele Men­schen nicht im europäischen Projekt wiederfinden. Das muss Anlass sein, darüber nachzudenken, wie man den Abstand zwischen Europa und den Menschen in Europa verkleinern kann.

Einer der wesentlichen Punkte dabei scheint mir zu sein, dass viele Teile des europäi­schen Versprechens noch nicht eingelöst sind. Eines wurde eingelöst: Europa ist heute eine Zone von Frieden und Stabilität. Viele europäische Staaten haben eine gemein­same Währung realisiert. Viele europäische Staaten haben den Schengen-Raum reali­siert und damit auch eine gemeinsame Politik der inneren Sicherheit. Aber das, was bis zum heutigen Tag noch nicht gelungen ist, ist, eine gemeinsame europäische Wirt­schaftspolitik zu entwickeln, die auch die Voraussetzung dafür bildet, dass ein soziales Europa realisiert werden kann.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass nur dann, wenn die Europäische Union imstande ist, die Lebensbedürfnisse der Menschen in Europa in geeigneter Weise zu berücksichtigen, dieser große Spalt zwischen den euro­päischen Institutionen und den Menschen in Europa überwunden werden kann. Daher ist das soziale Europa der Schlüssel, die Identifikation der Menschen mit dem europäi­schen Projekt zu stärken – und genau da sollten Sie auch einen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 10

Meine Damen und Herren! Wir haben am 1. Mai dieses Jahres einen historischen Schritt vollzogen: Die Europäische Union wurde von einer Union der 15 auf eine Union der 25 erweitert. Das ist ein Schritt, der auf dem Papier stattgefunden hat und nun Schritt für Schritt in die Realität umgesetzt werden soll, und die Europäische Union der 25 soll in Zukunft zumindest genauso gelebt werden wie die Union der 15. Aber wir wissen – nicht nur aus der Betroffenheit der Bürger, sondern auch aus eigener Erfah­rung –, dass noch viel unternommen werden muss, damit diese Union der 25 wirklich gut funktioniert.

Eine Grundvoraussetzung dafür wird sein, dass die Europäische Verfassung, die ja bereits beschlossen wurde, auch in allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert wird. Wir müssen aber mit einiger Sorge zur Kenntnis nehmen, dass es eine Reihe von Mitglied­staaten gibt, bei welchen es bei weitem nicht sicher ist, dass diese Verfassung auch tatsächlich auf die Zustimmung der Parlamente oder der Bürger treffen wird.

Ich glaube, dass Österreich einen guten Schritt damit setzt, dass wir diese Europäische Verfassung hier im Hohen Haus ratifizieren. Damit setzen wir nämlich ein klares Zei­chen, dass Österreich bereit ist, dieser Union der 25 auch eine funktionsfähige Grund­lage zu geben.

Aber es wird an Ihnen – nicht nur an Ihnen, aber auch an Ihnen, Frau Außenministe­rin – liegen, im Gespräch und in den Verhandlungen mit den Kolleginnen und Kollegen einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Europäische Verfassung möglichst rasch in Kraft gesetzt wird, denn nur dann wird das Europa der 25 auch ein gelebtes Europa in der neuen Europäischen Union sein. – Wir sagen ja zur Europäischen Verfassung, aber wir wollen, dass es eine gemeinsame Europäische Verfassung gibt und dass sie möglichst rasch von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gerade scheidende österreichische EU-Kommissar Franz Fischler hat im Sommer dieses Jahres einen sehr bedeutsamen Brief an die anderen Mitglieder der scheidenden EU-Kommission geschrieben. Neben vielen Erwägungen, die er darin um die Frage „Wie kann Europa sein künftiges Ver­hältnis zur Türkei regeln?“ anstellt, stellt er am Schluss seines Briefes eine Kernfrage, nämlich: Ist es die Kernaufgabe Europas, sich zu erweitern, oder ist es die Kernauf­gabe der Europäischen Union, sich selbst zu stärken, um als gestärkte Union nicht nur in der Welt, sondern auch gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern auftreten zu können? – Und er kommt zu folgender klarer Auffassung: Die Stärkung der EU der 25 ist das Kerngeschäft der Europäischen Union vor jeder weiter stattfindenden Erwei­terung.

Ich bin der Meinung, Franz Fischler hat Recht! Wenn wir wollen, dass die EU eine stärkere Verankerung bei den Bürgerinnen und Bürgern hat, wenn wir wollen, dass die Europäische Union tatsächlich die Zielsetzungen erfüllen kann, die wir mit ihr verbin­den, dann ist die Stärkung der Europäischen Union die Hauptaufgabe, die wir in den nächsten Jahren anzugehen haben.

Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage: Wie regeln wir unser Verhältnis zu jenen Staaten, die teilweise in Europa und teilweise außerhalb Europas liegen? – Da stellt sich schon die Frage, ob die einzige Möglichkeit darin besteht, dass jedes europäische Land Mitglied der Europäischen Union wird. Können wir uns vorstellen, dass es einmal eine Europäische Union gibt, die vom Atlantik bis Wladiwostok geht? Können wir uns vorstellen, dass all die europäischen Staaten, die heute besser oder schlechter einen politischen Transformationsprozess durchmachen, Mitglied der Europäischen Union sind und wir gleichzeitig erreichen, dass diese Europäische Union in sich gestärkt wird?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 11

Ich teile da die Argumentation von Franz Fischler, der sagt: Man kann ein erfolgreiches Projekt auch überdehnen, mit der Folge, dass man damit die Wirksamkeit und die Funktionalität des gesamten Projekts gefährdet.

Daher, sehr verehrte Frau Außenministerin, sind wir der Auffassung, dass es neben einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union auch eine andere Form einer Koopera­tion beziehungsweise eines Vertragswerkes mit jenen europäischen Staaten geben muss, die eben nicht Mitglied der Europäischen Union sind, um mit ihnen ein gutes Verhältnis zu haben, um mit ihnen die Kooperation zu verstärken, aber gleichzeitig zu verhindern, dass das europäische Projekt dabei gefährdet wird. Die Verhandlungen mit der Türkei wären ein gutes – ein gutes! – Beispiel, ein solches Vertragswerk zu entwi­ckeln, das dann auch eine Grundlage sein kann für andere europäische Staaten, wenn sie entsprechende politische und ökonomische Reformen vollziehen.

Sehr verehrte Frau Außenministerin! Ich habe mit Interesse vernommen, dass Sie der Meinung sind, dass der Ausgang der Verhandlungen, die im Dezember beginnen, ein offener sein wird.

Aber es gibt auch viele Menschen, die glauben – und ich meine: mit einem gewissen Recht –, dass, wenn die Verhandlungen einmal begonnen haben, am Ende mit Sicher­heit der Beitritt steht – weil es eigentlich noch nie Verhandlungen, die auch den Beitritt eingeschlossen haben, gegeben hat, die letztendlich nicht zum Beitritt geführt hätten. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Rauch-Kallat.) Bei Norwegen war es so, dass es die Norweger dann abgelehnt haben, aber es hat einen fertigen Beitrittsvertrag gegeben, Frau Bundesministerin. Die Norweger haben eben dann entschieden, nicht beizutreten. – Wie gesagt, alle Verhandlungen mit der Zielsetzung eines Beitritts haben zu einem Abschluss der Beitrittsverhandlungen geführt.

Wenn heute gesagt wird, das sei ein Projekt für die nächsten 20 Jahre, dann muss ich dem entgegenhalten: Man sieht im Kommissionsbericht, dass eigentlich in Aussicht ge­nommen wird, dass bereits bei der nächsten Finanzvorschau im Jahr 2014 die Türkei als Mitglied aufgenommen werden kann. Wenn man den Bericht der Kommission und die ersten Stellungnahmen aus dem Europäischen Parlament verfolgt, dann stellt man fest: Es gibt manche, die der Meinung sind, diese Verhandlungen sollten nur vier oder sechs Jahre dauern, um dann zu einem Abschluss gebracht zu werden. Daher ist es, glaube ich, gerade in Verantwortung um die Zukunft der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung, dass es für europäische Staaten im Dialog auch eine Alter­native zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union gibt. Wir sollten das ernst nehmen, was Franz Fischler allen ausgerichtet hat, nämlich: Die Stärkung der Europäischen Union ist das allererste Ziel! – Wir Sozialdemokraten teilen diese Zielsetzung. (Beifall bei der SPÖ.)

Gemeinsame Außenpolitik heißt, Frau Bundesministerin, dass wir in wesentlichen Fragen von Krieg und Frieden versuchen, eine gemeinsame Position in Österreich zu entwickeln. Ich verhehle nicht, dass ich einigermaßen irritiert war durch die Aussagen, die im Zuge des Irak-Krieges von Seiten der Bundesregierung getroffen wurden. Wenn unsere scheidende Außenministerin zum Irak-Krieg seinerzeit gesagt hat: Wir stehen in der Mitte!, dann muss ich sagen: So verstehen die Österreicherinnen und Österreicher die Neutralität nicht! Denn: Neutralität heißt nicht, in der Mitte zu stehen, sondern heißt, glasklar kriegerische Auseinandersetzungen, die keine Deckung durch den Weltsicher­heitsrat der UNO haben, abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Und das erwarte ich mir auch als Grundlage für die künftige Politik.

Österreich hat gerade auf Grund seiner Neutralität mit dem Bekenntnis, an keinen Krie­gen teilnehmen zu wollen, mit dem Bekenntnis, keine Stationierung fremder Truppen auf seinem Territorium zu dulden, und mit der Verpflichtung, keinem Militärpakt beizu-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 12

treten, die Verpflichtung, auch bei Fragen kriegerischer Handlungen eine ganz klare Haltung zu beziehen. Ich glaube, wir würden der Welt keinen guten Dienst erweisen, wenn die Rolle der Vereinten Nationen, die darüber zu entscheiden haben, ob es ein berechtigter Einsatz von Waffengewalt ist oder nicht, in den Hintergrund gedrängt würde.

Ich glaube, dass gemeinsame Außenpolitik den offenen Dialog hier im Parlament, aber auch das Stehen zu den Fundamenten dessen, was gemeinsame Außenpolitik in Ös­terreich immer bedeutet hat, voraussetzt, und das schließt auch die internationale Posi­tionierung unserer Neutralitätspolitik mit ein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat um einen Vertrauensvorschuss für die Frau Außenministe­rin ersucht, und ich bin der Auffassung: Dieser Vertrauensvorschuss steht Ihnen zu! Ich habe keinen Grund, anzunehmen, dass Sie für dieses Amt nicht ausreichend qualifi­ziert wären, und ich habe auch keinen Grund, anzunehmen, dass Sie nicht nach bes­tem Wissen und Gewissen versuchen werden, dieses Amt auch auszuüben. Daher sa­ge ich Ihnen mit aller Deutlichkeit: Wenn Sie sich zu den Prinzipien einer gemeinsamen österreichischen Außenpolitik bekennen, wenn Sie gemeinsame österreichische Außenpolitik als eine parteiübergreifende Angelegenheit betrachten und versuchen, nicht nur Regierungsaußenpolitik, sondern gesamtösterreichische Außenpolitik zu machen, dann steht Ihnen dieser Vertrauensvorschuss zu. – Sie bekommen ihn von der SPÖ. Es wird an Ihnen liegen, diesen Vertrauensvorschuss auch zu rechtfertigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Wort gelangt nunmehr Abgeordneter Mag. Molterer. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


9.32

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung, vor allem aber Frau Dr. Ursula Plass­nik, die neue Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten! Österreichs Außen­politik ist in guten Händen, Österreichs Außenpolitik ist in den Händen von Dr. Ursula Plassnik.

Meine Damen und Herren! Dr. Ursula Plassnik ist eine kompetente Frau, eine gelernte Diplomatin, die seit vielen Jahren an den Schnittstellen sitzt, dort, wo tatsächlich Außenpolitik gestaltet wird. Ursula Plassnik ist eine gebildete Frau, eine Frau, die Breite hat, Breite in dem, was man an Grundlage braucht, um politisch positiv zu ge­stalten. Ursula Plassnik ist eine dynamische Frau ... (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Herr Schieder, haben Sie Probleme mit der Breite? (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Nein, Sie haben abgenommen. Entschuldigung, Sie haben sie nicht mehr! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Dr. Ursula Plassnik ist eine dynamische Frau (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), eine Frau, die Entscheidungen trifft, eine Frau, die Mut zur Entscheidung hat. Und Frau Dr. Ursula Plassnik ist eine sensible Persönlichkeit, eine Persönlichkeit, die das Gespür hat, welche Sorgen die Menschen haben. Und Frau Dr. Ursula Plassnik ist eine unkonventionelle Frau, eine Frau, die Neues in die Politik bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Ursula Plassnik hat daher die Voraussetzungen dafür, dass das eintritt, was ich gesagt habe, nämlich: Österreichs Außenpolitik ist in guten Händen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 13

Ich stehe nicht an, Herr Abgeordneter Schieder, wenn Sie sich persönlich von dem ver­letzt gefühlt haben, was ich gesagt habe (Abg. Schieder: Nein, hören Sie auf!) – Ihre Fraktion ist das offensichtlich –, mich dafür zu entschuldigen, weil ich es einfach für nicht richtig halten würde, mich nicht zu entschuldigen, wenn Sie es als negativ emp­funden hätten. (Abg. Schieder: Nein! Ich wollte nur von guten Manieren sprechen!)

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Ursula Plassnik steht an der Spitze des Außen­amtes, eines Ressorts, das tatsächlich eine Vielzahl von hoch qualifizierten und guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat. Das Außenamt ist ein Schlüsselressort, und Österreich ist durch dieses Außenamt in der Welt gut vertreten. An der Spitze dieses Amtes steht nun Ursula Plassnik. Sie wird an der Spitze des Außenamtes stehend die Außenpolitik Österreichs, die Außenpolitik der Republik Österreich führen und gestal­ten – führen und gestalten, meine Damen und Herren.

Gerade für Österreich, für ein Land mit dieser Geschichte, für ein Land mit dieser geo­politischen Situation, ist die Außenpolitik immer etwas Essentielles gewesen, vielleicht nicht immer etwas Spektakuläres, aber immer etwas Essentielles. Und gerade in der Außenpolitik haben sich in den letzten Jahrzehnten tief greifende Veränderungen erge­ben. Ich meine, dass wir eine Diskussion am heutigen Tag auch zum Anlass nehmen sollten, auf diese Veränderungen der außenpolitischen Rahmenbedingungen für unser Heimatland hinzuweisen.

Über viele Jahrzehnte war Österreich ein Land zwischen zwei Blöcken, ein Land zwi­schen zwei großen Machtblöcken – und es herrschte Kalter Krieg; das müssen wir in Erinnerung rufen, weil viele junge Menschen das gar nicht mehr wissen –, ein Land, das große Krisen zu bewältigen hatte. Denken Sie an das Jahr 1956, denken Sie an das Jahr 1968! Österreich hat diese Krisen bravourös gemeistert.

Österreich hat immer eine Brückenfunktion gehabt, eine Brückenfunktion zwischen diesen Blöcken. Österreich hat es geschafft, auch zu seinen Nachbarn in schwierigen Zeiten gute Kontakte zu haben, offizielle Kontakte, aber Österreich war es auch immer ein Anliegen, inoffizielle Kontakte zu haben, Kontakte zu Menschen, die in diesen Regi­men, in den kommunistisch diktierten Regimen als Dissidenten gelebt haben. Und heute können wir sagen: Diese Investition österreichischer Politiker hat sich gelohnt, denn die damaligen Dissidenten sitzen heute an den wesentlichen Stellen in diesen unseren Nachbarländern, wo demokratisch entschieden wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für Österreich, für unser Heimatland hat es – und das ist meine feste Überzeugung – in den letzten 15 Jahren zwei Entwicklungen gegeben, die grundlegend neue Spiel­regeln für die Republik Österreich als große Chance geboten haben. Da ist einmal das Jahr 1987, wo Österreich nach langer Diskussion – und ich sage: endlich! – den An­trag auf Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union gestellt hat, untrennbar verbunden mit den Namen Mock, Busek, Vranitzky.

Aber es hat etwas Zweites gegeben, und das war das Jahr 1989. Der Fall der Berliner Mauer, das Fallen des Eisernen Vorhanges haben Österreich genauso verändert wie die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union. Und wir können heute sagen, meine Damen und Herren, dass Österreich diese beiden Dinge, Antrag zur Europäischen Union und das Jahr 1989, genutzt hat, denn nur aus diesen beiden Ereignissen ist die Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union und die Erweiterung der Euro­päischen Union erklärbar. Beides große Chancen für unser Land! Und ich kann heute sagen, wir können heute sagen: Österreich hat diese Chance genützt! Österreich hat die Chance Europa genützt – und Österreich hat die Chance Erweiterung genützt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 14

Ich danke daher an dieser Stelle Benita Ferrero-Waldner und Franz Fischler, weil bei­des untrennbar mit diesen zwei Persönlichkeiten verbunden ist.

Benita Ferrero-Waldner wird als Kommissarin der Europäischen Union großartige Ar­beit leisten. Ich sage auch heute noch, wie ich es schon mehrmals gesagt habe, dass ich es bedauere, dass es nicht möglich gewesen ist, in diesem Hohen Haus einen einstimmigen Beschluss für die Nominierung von Benita Ferrero-Waldner zustande zu bringen. Ihr Auftreten in Brüssel, ihr Auftreten beim Hearing hat bewiesen, dass unser Vertrauen gerechtfertigt war, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und ich denke, dass es Ihnen gut anstehen würde, heute zu sagen, dass Sie damals einen Fehler gemacht haben.

Ebenso bedanke ich mich bei Franz Fischler, der in dieser Funktion ein großer Euro­päer geworden ist und Europa ganz massiv und wesentlich gestaltet hat.

Aber die Außenpolitik bleibt nicht stehen, und unsere neue Außenministerin Frau Dr. Ursula Plassnik wird vor einer ganzen Reihe von großen Aufgaben stehen, große Aufgaben bewältigen müssen, im Interesse unserer Heimat, im Interesse unserer Republik Österreich.

Was sind diese Aufgabenstellungen? Ich denke, es ist auch gut, dass wir offen anspre­chen, welche Herausforderungen damit auf unser Land zukommen, weil Veränderung in der Außenpolitik ebenso ein gestaltendes Prinzip sein muss wie in allen anderen politischen Bereichen.

Veränderungen auf globaler Ebene: Die globalen Diskussionen sind heute von der großen Frage „Kampf gegen den Terror“ gekennzeichnet, und auch ein kleines Land wie Österreich wird und muss seinen Beitrag dazu leisten.

Die internationale Diskussion ist auch von der Frage „Wie können wir dazu beitragen, Konfliktherde zu entschärfen?“ gekennzeichnet. Gar nicht so weit weg von uns, meine Damen und Herren, gibt es Konfliktherde.

Die österreichische Außenpolitik muss davon gekennzeichnet sein, dass wir aktiv an allen Maßnahmen zur Friedenserhaltung beitragen. Die österreichische Außenpolitik ist und wird auch in Zukunft vom Kampf gegen die Armut, von einem offensiven Engage­ment in der Entwicklungshilfe, bei den Menschenrechten, aber genauso bei Nachhaltig­keit und Umwelt gekennzeichnet sein.

Frau Dr. Ursula Plassnik als neue österreichische Außenministerin wird in der Welt für Österreich und damit im Gesamtinteresse unseres Landes erfolgreich arbeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Europa haben wir viel im Hinblick darauf zu tun, das Projekt Europa noch mehr in den Herzen der Menschen zu verankern. Das gehört dazu. Ich denke, dass es wichtig ist, zu erkennen, dass jetzt die Erweiterung der Europäischen Union um die zehn neuen Mitgliedsländer verkraftet werden muss. Die EU muss sich konsolidieren, weil bereits die nächsten großen Projekte anstehen, die Österreich unterstützt und die Ös­terreich will – Bulgarien, Rumänien, Kroatien.

Was aber bei der europäischen Integration notwendig ist, ist, die Menschen bei diesem Prozess „mitzunehmen“. Weil ich Frau Dr. Ursula Plassnik sehr, sehr lange und gut kenne, weiß ich, dass sie die Kraft und die Fähigkeit hat, zu bewirken, dass die Men­schen auf dem Weg der Integration in Europa mitgehen, und damit Europa in den Her­zen der Menschen zu verankern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Projekt Europa muss aber auch innen gestärkt werden, und zwar indem die Sicher­heitsanliegen in Europa auch im politischen Sinne gestärkt werden. Die Instrumente für


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 15

die Sicherheit Europas müssen ausgebaut werden, genauso wie die Instrumente für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes oder auch die Instrumente im Bereich der Ge­meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Aber Europa wird nicht vollständig sein, wenn wir nicht auch die Frage der Arbeits­plätze, der Wirtschaftsentwicklung und der sozialen Dimension als gleichrangige Ziele erkennen und umsetzen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir müssen dabei etwas beachten – und ich sage das sehr offen auch zu Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer –: Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir Europa für die eine oder andere populistische Überlegung gebrauchen!

Ich habe angesichts dessen, was Sie heute zur Türkei gesagt haben, die große Sorge, dass dieses Risiko besteht. Warum? – Wer verantwortungsvoll die Vertiefung Europas will, der muss aber gleichzeitig die Offenheit haben, Verhandlungen auch mit jenen Ländern zu führen, die seit 30 Jahren diese Verhandlungsoption ... (Abg. Dr. Van der Bellen: 40!) – oder 40 Jahren diese Verhandlungsoption immer angeboten erhalten haben.

In Sorge um die Anliegen der Menschen einerseits, in Sorge um die Situation und in Kenntnis der Situation in der Türkei andererseits sowie in Sorge um die Fähigkeit der Europäischen Union, ob ein Beitritt in dieser Dimension bewältigt werden kann, sage ich, sagen wir ja zu Verhandlungen, halten aber – und müssen das tun! – den Ausgang offen.

Es wäre nicht korrekt, würden wir heute sagen: Wir schlagen die Türen zu!, denn zuge­schlagene Türen, meine Damen und Herren, sind ein Risiko für uns. (Abg. Gradwohl: Wer hat denn davon geredet?) Und ich will kein Risiko für Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich stehen in Österreich eine ganze Reihe von Aufgabenstellungen an, bei denen Sie, Frau Bundesministerin, unsere volle Unterstützung haben, weil ich weiß, dass es auch Ihre Anliegen sind.

Die Europäische Verfassung muss ratifiziert werden, weil die Europäische Verfassung eine ganze Reihe von großen, positiven Perspektiven für unser Land bietet.

Die regionale Partnerschaft ist unser gemeinsames Anliegen, weil Österreich damit in der Mitte dieses neu entstehenden Europas, das wir seit der Erweiterung haben, stär­ker wird.

Die EU-Präsidentschaft wird für Österreich eine große Chance sein. Und sie ist bei Ihnen, Frau Außenministerin, in den besten Händen – in genauso guten Händen wie die multilateralen Anliegen, die ein Land wie Österreich haben muss, um auf Dauer Sitz von wichtigen Einrichtungen der Vereinten Nationen zu sein.

Die wichtigste Aufgabe, die wir gemeinsam haben und an die Sie, Frau Bundesministe­rin – das weiß ich –, mit vollem Herzen und mit vollem Engagement herangehen wer­den, ist, den Bürgerinnen und Bürgern, den Österreicherinnen und Österreichern die Sicherheit und die Gewissheit mitzugeben, dass die europäische Integration und die volle Teilnahme Österreichs an den internationalen Entwicklungen das Beste für unser Land ist.

Sie, Frau Außenministerin, haben sich ein Motto gestellt, ich habe das in einem Inter­view gelesen. Dieses Motto lautet: Österreichs Position in Europa und der Welt stär­ken! – Ausgestattet mit Ihrer Kraft, Frau Dr. Plassnik, und gestärkt durch unser Ver­trauen wird das gelingen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 16

Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Molterer reicht Bundesministerin Dr. Plassnik die Hand.)

9.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort. (Abg. Dr. Van der Bellen: Ich?) Auch seine Redezeit beträgt 15 Minuten.

 


9.47

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Ich wusste gar nicht, dass ich als Kontra-Redner gemeldet bin, denn an und für sich sind wir gar nicht gegen die neue Außenministerin. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der ÖVP und der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Steibl. – Abg. Dr. Niederwieser: Aber ge­gen den Molterer!)

Ein paar kritische Worte werde ich schon sagen, aber es ist am ersten Tag des Amts­antritts zu früh, die neue Außenministerin, Frau Dr. Plassnik, zu kritisieren, vor allem, da wir ihre erste Rede noch gar nicht gehört haben. Das passt ja überhaupt nicht „zur Regie“.

Ich möchte zu Beginn feststellen, dass dieser Tag nicht nur deswegen bemerkenswert ist, weil wir eine neue Außenministerin haben – der auch die Grünen selbstverständlich viel Glück und Erfolg wünschen! –, sondern dieser Tag auch bemerkenswert ist, weil das meiner Erinnerung nach die erste Regierungsumbildung seit Installierung von Schwarz-Blau ist, der keine akute Krise vorausgeht. (Zwischenruf des Abg. Dipl.‑Ing. Scheuch.)

Alle anderen Regierungsumbildungen liefen folgendermaßen ab: Der alte Minister, die alte Ministerin war großartig, die neue wird noch großartiger sein – und im Übrigen starten wir durch! – Ausnahmslos war das so! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das jetzt ein Lob?)

Diesmal ist das aber nicht so. Wir haben keine akute Krise in der Außenpolitik. Wir haben verschiedene akute Krisen in der Innenpolitik – vielleicht darf ich das kurz erwähnen: vom Budget angefangen über die Krise der Universitäten; der Verfassungs­gerichtshof hebt eine Maßnahme, ein Gesetz nach dem anderen, das von Schwarz-Blau beschlossen worden ist, auf; die ÖBBler sollen hinkünftig offenbar schon mit 40 in Frühpension gehen (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ) und so weiter; da gibt es also Krisen genug. – In der Außenpolitik hingegen gibt es sie, in dieser Form zumin­dest, nicht!

Ich muss aber schon sagen, Herr Bundeskanzler: Ob heute der Tag der Heiligen Ursu­la oder der Tag des Heiligen Nepomuk ist – vielleicht gibt es auch einen Heiligen Wolf­gang, ich weiß es nicht ... (Ja-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ja? Gibt es? (Abg. Großruck: 31. Oktober!) – Aha, sehr interessant! (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nächste Woche!) Jedenfalls halte ich das für völlig unerheblich, heute und auch an jedem anderen Tag des Jahres. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: ... Christen nicht!)

Was aber nicht unerheblich und in gewisser Weise ein gutes Omen – wenn man aber­gläubisch sein will – für die Ministerschaft von Frau Dr. Plassnik ist: dass gerade in die­sen Tagen ein höchst wichtiger Staatsbesuch in Österreich stattfindet – da stimme ich allen meinen Vorrednern zu, insbesondere auch Bundeskanzler Schüssel –, nämlich der Besuch des israelischen Staatspräsidenten. Zum ersten Mal in der Geschichte, zum ersten Mal seit der Staatsgründung Israels, wenn ich mich nicht täusche, erfolgt ein solcher Besuch in Österreich! (Beifall bei den Grünen und der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 17

Fast drei Monate haben wir jetzt gewartet, wie die Nachfolge von Frau Dr. Ferrero-Waldner heißen wird. Wie heißt das im Lateinischen – der Herr Bundeskanzler hat mich jetzt irgendwie angesteckt –: Habemus papam! Wir haben eine neue Außenminis­terin! (Abg. Scheibner: Wie heißt das jetzt auf Latein?) – Ich weiß nicht, wie das auf Lateinisch heißt.

Jedenfalls: Wir haben einen neue Außenministerin. Bundeskanzler Schüssel hat sich fast drei Monate Zeit gelassen, die Nachfolge von Frau Ferrero-Waldner zu benennen. Ich halte das für falsch, denn es ist in diesen Monaten ein gewisses Vakuum entstan­den. Andere Staaten haben diese Frage anders gelöst: Wenn ein Minister, insbeson­dere ein Außenminister, in die Kommission nachrückt, sehr gut, aber dann wurde das Außenministerium umgehend neu besetzt. Das sei nur noch einmal angemerkt.

Ich tue mir jetzt ein bisschen schwer. Ich habe zu Beginn angedeutet, Frau Ministerin Plassnik heute schon fair zu behandeln, denn wir kennen Frau Dr. Plassnik natürlich, aber aus einem ganz anderen Kontext. Als Außenpolitikerin hält sie heute hier im Par­lament ihre erste Rede. Wir, die Grünen, kennen Frau Dr. Plassnik zum Beispiel auch aus den Regierungsverhandlungen 2003 mit der ÖVP – und ich stehe gar nicht an, zu sagen: Wir haben aus diesen Wochen und diesem damaligen Kontext die besten Erin­nerungen an Frau Dr. Plassnik. (Der Redner wendet sich an die Abgeordneten der ÖVP.) Applaus ist ganz erwünscht! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Neudeck.) – Dankeschön!

Ja, wir haben von damals her die besten Erinnerungen, aber ich wollte damit – jetzt bin ich schon wieder bei diesen fatalen Metaphern – nicht vorzeitig Weihrauch abbrennen.

Was ist jetzt die außenpolitische Linie der neuen Frau Ministerin? – Wir sind sehr gespannt auf Ihre erste Rede, denn trotz Ihrer Erfahrung, die Sie natürlich zweifellos haben: Ihre bisherige Rolle war keine in der Öffentlichkeit, keine im Parlament, keine in der breiteren Öffentlichkeit. Mit gutem Recht haben Sie, Frau Dr. Plassnik, mediale Kontakte gemieden, solange Sie eben Kabinettschefin des Bundeskanzler waren; die­se waren ja auch nicht Ihre Aufgabe. Und ich finde es auch gar nicht fair, zu sagen, wie ich in einigen Kommentaren gelesen habe, dass die Nähe zu Bundeskanzler Schüssel jetzt in gewisser Weise ein „Handicap“ sei. – Eine Kabinettschefin muss ja wohl Loyali­tät zu ihrem Minister, zu ihrem Bundeskanzler haben, selbstverständlich! Das war damals, Frau Dr. Plassnik. – Die Rolle als Außenministerin wird natürlich nach völlig anderen Gesichtspunkten zu beurteilen sein. (Zwischenruf des Abg. Kopf.)

Wir werden Ihrer Rede mit großem Interesse zuhören, Frau Ministerin. Vorweg kann ich nur ein paar Punkte nennen, die ich mir wünsche. Ich wünsche mir, dass, so weit es geht, eine gemeinsame Linie in der Außenpolitik gesucht wird: mit den Oppositions­parteien, aber auch mit der breiteren Öffentlichkeit, wenn ich das so formulieren darf.

Ich finde, die österreichische Außenpolitik war in der Vergangenheit in einigen wich­tigen Punkten nicht hinreichend darauf orientiert, den so genannten „Menschen drau­ßen“ – eigentlich hasse ich diesen Ausdruck –, also all jenen, die nicht Mitglied des Hohen Hauses sind, Positionen zu erklären und für Verständnis zu werben, was Linie der Außenpolitik Österreichs ist.

Dass man sich zum Beispiel fragt, ob eine Volksabstimmung über die EU-Erweiterung von 15 auf 25 Länder positiv ausgegangen wäre – dessen kann man sich nicht ganz sicher sein –, weist darauf hin, dass wir schwere Defizite in der Vermittlung solch wich­tiger außenpolitischer Fragen haben. Es ist nicht zuletzt Rolle der Außenministerin, solche Dinge zu erklären, für Positionen zu werben, jedoch auf eine Art – finde ich jedenfalls –, in der das Pro und Kontra nebeneinander gestellt und unterm Strich dann eine Gewichtung durchgeführt wird – und nicht so, wie das in Österreich vor der Volks-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 18

abstimmung 1994 über den EU-Beitritt mit der großen Propagandamaschine gemacht wurde, denn das rächt sich früher oder später!

Auch in der Türkei-Frage, finde ich, kann man viel offensiver sein, Frau Bundesministe­rin Dr. Plassnik, als ich Ihren letzten Interviews entnommen habe. Da bin ich keines­falls auf einer Linie mit Kollegen Gusenbauer und der SPÖ (Abg. Großruck: ... auch nicht?), denn: Die Grünen sagen ja zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen im Sinne des Kommissionsvorschlages, eines Kommissionsvorschlages, der ohnedies so viele Kautelen enthält, dass man sich fragt, ob das alles notwendig gewesen ist.

Wir sagen auch ja zum Beitritt der Türkei (Abg. Scheibner: Seit wann?), wenn – und die Klarheit über diese „Wenns“ ist auch eine politische Vermittlungsarbeit – die EU imstande ist, diese Erweiterung zu verdauen, wenn gleichzeitig und parallel mit diesen Verhandlungen die Verhandlungen mit Rumänien, Bulgarien, vermutlich auch Kroatien, zu einem Abschluss gebracht werden – und: wenn nicht darauf vergessen wird, dass es noch weitere Balkanländer gibt, die selbstverständlich, wenn sie das wollen, Mitglied der EU werden können und sollen, so etwa Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien. (Abg. Großruck: Albanien! – Ruf bei der SPÖ: Serbien!) Nochmals: Wenn diese Län­der das wollen.

Das sollten die Prioritäten der europäischen Außenpolitik sein – und das kann man, glaube ich, den Vertretern der Türkei auch klar sagen. (Beifall bei den Grünen.)

Das größte Wenn ist selbstverständlich, dass die Türkei die Beitrittsbedingungen er­füllt. Ich meine, die Türkei sollte gleich behandelt werden wie andere Beitrittskandida­ten – und nicht mit extra erfundenen Kriterien überschüttet werden. Insoweit – und nur insoweit – ist das Ergebnis bei diesen Verhandlungen offen; es ist nicht a priori offen. Aber: Wenn man kein Verhandlungsziel hat, worüber verhandelt man dann eigentlich?! Das finde ich schon an der Grenze des Schwindels, was da zu suggerieren versucht wird. (Abg. Scheibner: Schwindel ist, dass man vor der Wahl etwas anderes sagt als nach der Wahl!)

Man muss klar sagen: Ja, ein EU-Beitritt der Türkei kommt – in sehr ferner Zeit wahr­scheinlich, das wird schon dauern – zustande, wenn, wenn, wenn ... (Abg. Mag. Molte­rer: ... sagt der Kommissionsbericht!) Aber von Haus aus zu sagen, das Ergebnis ist völlig offen, das finde ich an der Grenze. (Abg. Mag. Molterer: Offener Ausgang!) – Auch die Kommission, ungeachtet der Vornamen der Kommissare, ist nicht heilig und nicht immun gegen Kritik, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)

Mich würde auch interessieren, Frau Außenministerin, wie Sie zu den bisherigen Erfol­gen und Misserfolgen in der Außenpolitik stehen. Sie werden das wahrscheinlich nicht alles heute erklären können, jedoch vielleicht im Laufe der kommenden Monate, so zum Beispiel, wie Sie die Frage sehen, ob die Vertretung österreichischer Interessen in Brüssel wirklich optimal gelaufen ist – oder ob sich nicht nach zehn Jahren EU-Mit­gliedschaft Österreichs Defizite herausgestellt haben.

Waren beziehungsweise sind etwa die Positionen unseres Landes in der Schwerver­kehrspolitik – Stichwort: Transit –, in EURATOM-Fragen oder in der Frage gentech­nisch manipulierten Saatgutes in der Landwirtschaft und so weiter wirklich so exotisch, dass sie sozusagen von Haus aus hoffnungslos unterlegen sind? Wenn ja, dann kann man das auch klar sagen! Oder haben wir Fehler gemacht im Lobbying? Sind andere Staaten bei der Vertretung ihrer jeweils anderen Interessen erfolgreicher gewesen? Falls ja: Warum war das so, was sollten wir da ändern?

Abschließend: Naturgemäß reden wir hier sehr viel über EU-Politik – es ist das ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit der neuen Außenministerin; keine Frage –, aber


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 19

Außenpolitik ist natürlich nicht nur EU-Politik. Kollege Gusenbauer hat schon mit Recht darauf hingewiesen, dass wir uns in Fragen wie etwa bezüglich des Irak-Krieges mehr Klarheit und eine schärfere Position von der damaligen Außenministerin Ferrero-Wald­ner erwartet hätten – und nicht einen nebulosen „Weg der Mitte“, der niemanden zufrie­den stellen kann (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ), auch nicht diejenigen – davon wird es auch welche geben, sogar in Österreich –, die den Irak-Krieg der USA befürwortet haben. Diese Position hat niemandem etwas gebracht – und schon gar nicht der Reputation der österreichischen Außenpolitik. (Abg. Groß­ruck: ... beste Kommissarin geworden!)

Ich habe einen Aspekt herausgegriffen, Herr Kollege, das wird wohl noch erlaubt sein! Selbst Sie werden wohl – ungeachtet des heutigen Namenstages – kein Seligspre­chungsverfahren einleiten wollen, oder? (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Großruck reagiert mit Schulterzucken. – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schieder.) Und wenn, ist es, glaube ich, sogar in der katholischen Kirche üblich, dass man damit ungefähr 80 Jahre lang wartet. (Heiter­keit. – Abg. Mandak: Zuerst müssen Wunder passieren! – Abg. Öllinger: Wunder brauchen wir noch!)

In diesen Fragen wünschen wir uns von Ihnen, Frau Außenministerin Dr. Plassnik, klare Positionen, und ich erwähne in diesem Zusammenhang noch einmal die Frage des Irak-Krieges, weil es natürlich im Interesse insbesondere kleiner Nationen liegt, dass das Völkerrecht, dass die Satzung der Vereinten Nationen beachtet werden. Bei großen Nationen mag das anders sein; leider sehen wir ja in den letzten Jahren, wie das zum Teil gehandhabt wird. Im Interesse kleiner Nationen liegt es jedenfalls, dass die Grundregeln des Völkerrechts geachtet werden.

Last but not least, Frau Außenministerin: Die Grünen erwarten sich von Ihnen wesent­lich mehr Impulse in der Entwicklungszusammenarbeit, als Österreich das in den ver­gangenen Jahren geschafft hat. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist nicht so, dass Frau Ferrero-Waldner kein Interesse daran gezeigt hätte. Ganz im Gegenteil: Sie hat ein persönliches Interesse an diesen Fragen gehabt, aber sie hat sich – offenbar – nicht durchsetzen können in diesen Fragen. Es gibt nun einmal eine EU-Vorgabe – Gott sei Dank! –, wonach wenigstens 0,33 Prozent des BIP für die Ent­wicklungszusammenarbeit eingesetzt werden sollen. Frau Kollegin Lunacek macht mich nahezu täglich darauf aufmerksam, dass Österreich von diesem Ziel leider noch weit entfernt ist. Wir werden uns ordentlich anstrengen müssen, diese EU-Vorgabe – also gar nicht einmal sozusagen eine österreichische Erfindung, sondern eine Vorgabe seitens der EU – bis zum Jahr 2006 zu erfüllen. Wenn Sie im Budget für das nächste Jahr nicht etwas ändern können, Frau Ministerin, wenn Sie hier nicht noch in letzter Sekunde Maßnahmen treffen können, dann ist für 2006 ein ordentliches Oha ange­setzt!

Wir wünschen Ihnen alles Gute (Abg. Dolinschek: Und viel Erfolg!), viel Erfolg, im Interesse von uns allen (Abg. Großruck: Und alles Gute zum Namenstag!), vor allem in den Zielen, die auch wir anstreben. Ich kann Ihnen nicht schlechthin jeden Erfolg wünschen, es könnte ja sein, dass wir einmal ein Ziel nicht gemeinsam tragen können, aber das werden Sie verstehen, nicht wahr? Ich traue Ihnen durchaus zu, diese Er­folge, die wir Ihnen wünschen, auch heimzufahren, einzufahren. Weihrauch ist nicht angesagt, aber von allen Regierungsumbildungen, die ich bisher erlebt habe, ist diese eine jener, bezüglich derer ich am optimistischsten bin, dass sie eine gute Maßnahme war. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

 


10.02


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 20

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.02

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Außenministerin! Selbstverständlich gratuliert auch meine Frak­tion, gratulieren die Freiheitlichen Ihnen ganz herzlich zu dieser Nominierung und Be­stellung zur Außenministerin – ein ganz, ganz wichtiges Amt! Wir wissen, dass Sie nicht nur Fachwissen, sondern auch politisches Verständnis mitbringen und auch Durchsetzungskraft, die ich schon in Ausübung Ihrer früheren Funktion kennen lernen durfte, manchmal auch musste. Damals als Koalitionspartner hätte ich mir manchmal gewünscht, dass Sie weniger Durchsetzungskraft und Verteidigungsfähigkeit – in dem Fall: Ihres Bundeskanzlers – gehabt hätten, aber für diese neue Funktion ist das si­cherlich eine gute Voraussetzung. Ich weiß, dass Sie die österreichischen Interessen ebenso dynamisch vertreten werden, Frau Dr. Plassnik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es begleitet Sie ebenso das Lob der Opposition und auch deren Ansage, einen Kon­sens in der Außenpolitik mittragen zu wollen. Wunderbar! Hoffentlich können wir das alle gemeinsam auch in die Realität umsetzen, denn in der Vergangenheit – und ich denke, das ist nicht an Frau Außenministerin Ferrero-Waldner gelegen – haben wir diesen Konsens in der Außenpolitik sehr oft vermissen müssen. Es wäre wichtig, dass Österreich nach außen nicht nur in der Regierung, sondern auch im Parlament mit einer Sprache spricht. Nur dann können wir unsere Interessen und unsere Ziele auch entsprechend dynamisch umsetzen.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ja zu diesem Konsens! Reden wir immer darüber, auch über heikle Punkte! Versuchen wir, gemeinsame Lösungen zu finden! Dann müs­sen wir uns aber auch alle enthalten, wenn es darum geht, außenpolitische Instru­mente, sicherheitspolitische Instrumente – Sie haben die Neutralität angesprochen – dazu zu verwenden, man könnte auch sagen, zu missbrauchen, um in der Öffentlich­keit falsche Voraussetzungen zu schaffen, vielleicht auch Ängste zu schüren und ein falsches Bild von der Realität zu schaffen.

Es gibt in Österreich niemanden, auch keinen Politiker, der unser Land in irgendeinen Krieg führen möchte. Es gibt in Österreich niemanden, der die außenpolitische und sicherheitspolitische Position, die Österreich seit vielen, vielen Jahren hat, ernsthaft in Frage stellt. (Abg. Mag. Wurm: Mottenkiste!) Frau Kollegin, Sie wissen ganz genau, dass das in der Vergangenheit auch von Ihrer Fraktion oft so dargestellt worden ist (Abg. Schieder: In ein Bündnis!), dass man die außen- und sicherheitspolitische Dis­kussion in Wahlkämpfe mit einbezogen hat. (Abg. Schieder: In ein Bündnis wollten manche Österreich führen, nicht in einen Krieg!) Ja, aber das heißt nicht: in einen Krieg führen, Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Aber in ein Bündnis, und das ist auch unvereinbar! – Abg. Mag. Molterer: Josef Cap!) Ganz genau.

Sie wissen ganz genau, dass sich die Europäische Union in vielen Bereichen in Rich­tung Sicherheitspolitik auch mancher dieser Instrumente bedient, wo Sie auch zu­gestimmt haben. (Abg. Schieder: Manche wollen in die Nato!) Selbst wenn man das will, Herr Kollege Schieder, bedeutet das noch lange nicht, dass sich Österreich an Kriegen beteiligen soll und will. (Abg. Schieder: Nein, aber dass es nicht neutral ist!) Das haben Sie aber doch oft in der Wahldiskussion so dargestellt.

Darum geht es, meine Damen und Herren, man sollte hier sehr sensibel und vorsichtig sein.

Ja auch zu Ihrer Idee oder zu Ihrer Forderung, dass selbstverständlich die UNO, die Vereinten Nationen, oberste Instanz in den Entscheidungen darüber sein sollen, wann,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 21

wie und wo es etwa militärische Interventionen der Staatengemeinschaft geben soll. Ich frage mich aber: Warum haben Sie in Ihrer Zeit als Regierungspartei nicht genau das in der österreichischen Bundesverfassung verankert? Sie haben das nicht ge­macht, denn laut österreichischer Bundesverfassung wäre es theoretisch möglich, dass sich Österreich an Kampfhandlungen auch ohne Sanktionierung der Vereinten Natio­nen beteiligt. Darüber sollten Sie auch einmal sprechen, warum man damals, als man die Möglichkeit gehabt hat, das zu verankern, das nicht gemacht hat, aber heute hier diese Forderung aufstellt.

Wir sind dafür! Auch wir glauben – und deshalb war auch unsere Kritik beim Irak-Krieg sehr heftig –, dass es nicht sein darf und nicht sein kann, dass ein Land der Welt, auch wenn es noch so stark ist, darüber entscheidet, wo, wann und wie militärische Interven­tionen stattzufinden haben. Das muss auf internationaler Ebene entschieden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Außenministerin! Wir werden diese starke Vertretung brauchen, vor allem inner­halb der Europäischen Union, und wir hoffen, dass Sie in erster Linie die Interessen Österreichs in der Europäischen Union und gegenüber der Europäischen Union vertre­ten werden und nicht in erster Linie darüber nachdenken werden, wie man denn die Ideen aus Brüssel, die Projekte der Brüsseler Bürokratie hier in Österreich so rasch wie möglich, quasi in Musterschülermanier, umsetzen und vielleicht sogar vorwegnehmen könnte.

Ich denke, das ist notwendig. Vor allem im Interesse der Bürgernähe der Europäischen Union muss man signalisieren, dass diese Europäische Union für die Bürger, für die Menschen in Europa da zu sein hat und nicht – umgekehrt – dass wir für Brüssel, für die Bürokratien da zu sein haben. Das müssen auch Sie, Frau Außenministerin, vertre­ten und auch darstellen!

Es wird sinnvoll und notwendig sein – ein positiver Aspekt der letzten Erweiterung! –, dass man mit den neuen Mitgliedsländern, die von ihrer Größe, von ihrer Bevölke­rungszahl her alle kleinere und mittlere Länder der Europäischen Union sind, Koali­tionen bildet, Sachkoalitionen, um in Brüssel auch stark auftreten zu können, denn es kann nicht sein, dass es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Europäischen Union gibt: hier die wenigen Großen, Einflussreichen und dort die vielen Kleineren, die nur das nachvollziehen müssen, was die Großen schon vorweg entschieden haben. – Das erwarten wir von einer aktiven Europapolitik der österreichischen Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich weiß, Frau Außenministerin, dass Sie Ihre persönliche Meinung nicht durch Spea­king notes von irgendwelchen Beamten ersetzen lassen, sondern dass Sie in den EU-Gremien dynamisch das sagen werden, was Sie auch wirklich denken.

Die Erweiterung ist angesprochen worden. Wir haben jetzt die größte Erweiterungs­runde in der Geschichte der Europäischen Union formal umgesetzt, und jetzt wird schon wieder über die nächste und übernächste Erweiterung heftig diskutiert, anstatt wirklich zu überlegen: Wo sind noch Defizite der letzten Erweiterungsrunde? Es hat ja Fortschrittsberichte gegeben, die diese Defizite alle aufgelistet haben. Das jetzt Umge­setzte soll einmal ein Erfolg werden – es soll nicht überlegt werden: Was wird in zehn, 15 oder 20 Jahren der Fall sein?

Ein Wort zur Türkei. Ich bin nicht der Meinung, dass man deshalb, weil die Euro­päische Union in ihrer Türkeipolitik in den letzten 20, 30 Jahren Fehler gemacht hat, unehrlich gewesen ist, diese Fehler und diese Unehrlichkeit unbedingt auch weiterhin zementieren muss. Es war nicht die Europäische Union des 21. Jahrhunderts, die diese Gespräche geführt hat, Herr Kollege Van der Bellen. Das war eine Wirtschafts­gemeinschaft, die vor 30 Jahren diese Gespräche begonnen hat. Das sind ganz, ganz


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 22

andere Voraussetzungen als die politische Union, die die Europäische Union jetzt darstellt.

Hier geht es auch um ein Wertesystem, hier geht es um ein politisches System, hier geht es um ein Rechtssystem, das wir betrachten müssen, und da müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Türkei nicht schlechter und nicht besser, aber anders ist als das, was wir uns in der Europäischen Union unter all diesen Werten und Voraus­setzungen vorstellen. Das muss man offen und ehrlich zur Kenntnis bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat wenig Sinn, zu sagen: Wir wissen das zwar alle, aber wir wollen es nicht sagen, denn das ist unangenehm, das führt vielleicht zu Konflikten und was auch immer, des­halb schieben wir alles auf die lange Bank. Durch diese Beitrittsverhandlungen haben wir wieder zehn, 15, 20 Jahre lang Luft, und dann braucht auch nichts zu passieren. – Ehrlicher wäre es gewesen, zu sagen: Ein Beitritt wird nicht funktionieren, aber die Türkei ist für uns wichtig.

Das ist auch Realität: Die Türkei ist ein sehr sensibler Bereich, ein wichtiges Land für Europa, eine Schnittstelle zwischen Regionen, auch eine Schnittstelle zwischen Wer­tesystemen, und zwar einer Krisenregion, die in Zukunft wahrscheinlich noch sensibler sein wird, als wir das jetzt noch zur Kenntnis nehmen. Da wird die Türkei ein wichtiger Partner für Europa sein müssen.

Darüber würde ich gerne mit der Türkei verhandeln, und zwar nicht 20 Jahre lang, son­dern rasch verhandeln, wie wir die Beziehungen zwischen Europa und der Türkei so festigen, dass diese Türkei auch ein strategischer Partner für Europa ist, dass sie ein wirtschaftlicher Partner, dass sie ein kultureller Partner ist – aber eben nicht mit der Vorgabe, als Vollmitglied der Europäischen Union gelten zu müssen. Das wäre ehr­liche Außenpolitik, das wäre ehrliche Europapolitik auch im Sinne der Sache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Man kann über Alternativen nachdenken – Sie, Herr Kol­lege Schieder, haben die NATO angesprochen –, aber man muss auch überlegen, wie man Länder, die nicht Mitglied dieses Bündnisses werden können oder wollen, trotz­dem einbindet, weil das gemeinsame Ziel, Sicherheit zu geben, so wichtig ist. Da war man vorbildhaft mit der Partnerschaft für den Frieden. Und genau diese Partnerschaft, eine Partnerschaft für Europa, könnte ich mir vorstellen, um genau diesen Effekt zu erzielen: gemeinsam Europapolitik zu machen, gemeinsam Friedenspolitik zu machen, gemeinsam Wirtschaftspolitik zu machen, ohne aber die Nachteile einer Vollmitglied­schaft in Kauf nehmen zu müssen!

Diese Partnerschaft für den Frieden wäre ein sehr gutes Beispiel für eine Partnerschaft für Europa. Das sollten wir im Auge behalten, meine Damen und Herren!

Neben der Europapolitik, Frau Außenministerin, wird es auch wichtig sein, die außen­politische Position außerhalb der Europäischen Union zu festigen und auch jene Nischen zu suchen – ich weiß schon, Österreich ist ein kleines Land, wir sollen uns nicht zu wichtig nehmen –, wo wir einen Beitrag für das Gemeinsame in der Welt leisten können.

Sie wissen, dass ich auch immer den Nahen Osten im Blickfeld habe, und das gerade deshalb, weil Österreich hier über hervorragende Beziehungen und auch über ein sehr, sehr gutes Ansehen verfügt und weil es eine absolute Notwendigkeit ist, dass sich alle Länder, die die Möglichkeit haben, auch ausgleichend einbringen.

Wir müssen klar signalisieren – und wir sind hier ein objektiver Partner –, dass nie­mand mit Gewalt oder mit Krieg politische Ziele durchsetzen kann, dass es bei Gewalt und bei Krieg keine Gewinner, sondern immer nur Verlierer gibt. Im Nahen Osten muss


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 23

nicht nur das Recht Israels auf Bestand des Staates, sondern auch auf Frieden, Sicherheit und Freiheit seiner eigenen Bevölkerung unbezweifelt sein, und gleichzeitig sollte das Recht der Palästinenser auf diese Freiheit, auf diese Unabhängigkeit und Sicherheit und aller anderen Staaten in dieser Region unbestritten sein.

Eine Lösung dieses Konfliktes wird nicht im Kampf, nicht in der Ausgrenzung, nicht in der gegenseitigen Diffamierung, sondern einzig und allein im Dialog, im Verhandlungs­wege zu suchen sein. Dabei kann Österreich und dabei muss der Europäischen Union eine wichtige Vermittlungs- und Verhandlungsrolle zukommen. – Auch das wäre eine wichtige Aufgabe der österreichischen Außenpolitik in der Zukunft. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Es wäre auch gut und wichtig, ehrlich Stellung zu nehmen, wo auch immer Menschen­rechte verletzt werden, selbst wenn derjenige, der das tut, ein sehr einflussreicher und mächtiger Staatsmann ist.

Es wäre auch gut und wichtig, dass man etwa im Tschetschenien-Konflikt klar Position bezieht, dass man selbstverständlich terroristische Maßnahmen verurteilt, dass man aber auch die Gegenreaktion als nicht zulässig für einen demokratischen Rechtsstaat anerkennt und kritisiert, dass man etwa im Sudan durchaus auch einmal diskutiert dar­über, wie ohnmächtig die Staatengemeinschaft ist, wenn sie nicht wirklich durchgreifen möchte. – Eine Resolution nach der anderen landet im Papierkorb, Menschen­rechtsverletzungen sind weiterhin an der Tagesordnung, Menschen werden ermordet, Frauen werden vergewaltigt, vertrieben, und in Wahrheit setzt niemand eine ernsthafte Reaktion.

Auch wenn es darum geht, in anderen Bereichen – in Afghanistan, am Balkan – irgend­welche diplomatisch netten Noten auszutauschen, irgendwelche theoretischen Frie­denskonzepte am grünen Tisch zu entwickeln, die aber nichts mit der Realität vor Ort zu tun haben, wäre mehr Praxisbezug gefordert. Auch das kann Österreich einbringen.

Entwicklungszusammenarbeit, meine Damen und Herren: Auch ich stehe dazu, dass wir Konflikte präventiv bekämpfen müssen, dass wir sie an der Wurzel packen müssen. Wir müssen den Menschen in den Regionen Hoffnung geben, Zukunft geben, und das kann nur durch eine aktive, auch mutige Entwicklungszusammenarbeit erreicht wer­den, durch eine Entwicklungszusammenarbeit, die auch Geld in die Hand nimmt, sinn­voll in die Hand nimmt, um den Menschen zu helfen. Also nicht bei Pledging-Konferen­zen viel versprechen, sondern in konkreten Projekten Hilfe geben, damit dort wirklich eine Zukunft in Frieden und Freiheit geschaffen werden kann.

Dasselbe gilt für andere Bereiche, etwa jenen der Wirtschaft: Es ist auch eine Aufgabe der Außenpolitik, die österreichische Wirtschaft im Ausland zu unterstützen und zu stärken.

Dasselbe gilt für andere Ziele, so etwa dem Tierschutz zum Durchbruch zu verhelfen. Jeder regt sich auf über Japan, darüber, dass Japan das Walfangabkommen nicht ein­hält, aber dass es europäische Länder gibt, wie etwa Island, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung genau dasselbe tun, das traut man sich schon wieder nicht anzusprechen.

Darum geht es: Es gibt Werte, und die haben wir hochzuhalten und zu verteidigen! Wir sollen und müssen immer auf der Seite des Rechts sein und gegen das Unrecht an­kämpfen, egal wer dieses Unrecht begeht, meine Damen und Herren! Das erwartet sich die Welt auch von Österreich, von der Außenpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, Frau Außenministerin, erhalten Sie von uns keine „Vorschusslorbeeren“, denn wir sind überzeugt, dass Sie sich dieser Heraus-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 24

forderung stellen werden, dass Sie diese aktive Komponente in die österreichische Außenpolitik einbringen werden, dass Sie Politik für die Menschen in Österreich, in Europa, in der Welt machen werden und damit auch eine wichtige Visitenkarte für das Ansehen unserer Heimat sein werden, darstellen werden. – Viel Erfolg! Unsere Unter­stützung werden Sie haben, und ich hoffe, wir werden auch diesen angekündigten Konsens aller politischen Parteien in der österreichischen Außenpolitik zusammenbrin­gen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Bundesminis­terin Dr. Ursula Plassnik. Da der Bundeskanzler nur 7 Minuten 45 Sekunden geredet hat, beträgt ihre Redezeit 22 Minuten. – Frau Ministerin, Sie sind am Wort.

 


10.18

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn dieser meiner Erklärung einige Worte zu meiner persönlichen Motivation zur Übernahme die­ses hohen Amtes sagen. Ich muss dazu in meiner persönlichen Geschichte 25 Jahre zurückgehen.

Ich habe damals in Belgien studiert. Es war die Zeit des Kalten Krieges, es war die Zeit, in der die Europäische Gemeinschaft – damals bestehend aus neun Staaten – die Erweiterung um Portugal, Spanien und Griechenland diskutiert hat. Das schien damals ein sehr gewagtes Unterfangen.

Für mich haben sich zwei Aspekte in den Mittelpunkt gestellt. Erstens: Hier war etwas im Gange, hier entstand etwas Neues, etwas in Europa bisher noch nicht da Gewese­nes. Die Frage, die sich daran anschloss: Wo ist mein Land, wo ist Österreich in die­sem europäischen Integrationsgeschehen?

Heute, 25 Jahre später, sind wir anerkannter Partner in der Europäischen Union. Wir sind durch die Erweiterung vom Rand auch ins geographische Zentrum des neuen Europa gerückt.

Die österreichische Außenpolitik der letzten Jahrzehnte und ihre Rechtsgrundlagen – das Völkerrecht und das Neutralitätsgesetz – waren und sind erfolgreich. Sie haben unserem Land Sicherheit, Stabilität und Wohlstand gebracht.

Paul Lendvai, einst Flüchtling und Zuwanderer, heute hoch geschätzter Österreicher, sagt: „Es gibt kaum ein anderes Land in der Welt, das seit 1945 einen solchen Sprung vom Nachzügler zum ökonomischen Vorbild bei sozialer Eintracht und beneidenswer­ter höchster Lebensqualität vollbracht hätte wie gerade Österreich.“ (Allgemeiner Bei­fall.)

Hohes Haus! Außenpolitik braucht Kontinuität und Vertrauen. Außenpolitik braucht aber auch den mutigen Umgang mit neuen Aufgabenstellungen, Chancen und Verant­wortungen.

Nächstes Jahr ist Österreich zehn Jahre Mitglied der Europäischen Union. Das war die wichtigste außenpolitische Weichenstellung seit dem Staatsvertrag. Wir haben mutig und richtig entschieden. Die EU-Mitgliedschaft hat Österreich gut getan. Wir wirken mit am Friedensprojekt Europa. Wir haben eine gemeinsame Währung und einen gemein­samen europäischen Sicherheitsraum, in dem wir die Grenzen frei passieren können.

Gerade durch meine Arbeit in der Schweiz ist mir wieder bewusst geworden, was es heißt, nicht Mitglied der EU zu sein. Geld wechseln, ständig umrechnen, Reisepass vorzeigen, immer nachdenken müssen: Wie viel darf ich einkaufen? – Da merkt man


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 25

erst wieder, welche Vorteile im täglichen Leben die EU-Mitgliedschaft bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Aber Österreich hat auch wirtschaftlich profitiert. Unsere Exporte konnten seither ver­doppelt werden. Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Österreich haben sich verdreifacht. Tausende neue Arbeitsplätze sind entstanden. 50 000 Schüler und Schü­lerinnen haben seit unserem Beitritt durch die EU-Programme im Ausland studiert. Ich sage ganz offen: Ich freue mich für die jungen Menschen und ihre Möglichkeiten. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grü­nen.)

Österreich ist vom Rand wieder in die Mitte Europas gerückt. Damit hat der Begriff „Nachbarschaftspolitik“ eine grundlegend neue Bedeutung fern jeden provinziellen Anklangs erhalten. Die Saat, die von meiner Vorgängerin vor drei Jahren mit der Regionalen Partnerschaft gesät wurde, geht seit 1. Mai auf, denn erst durch die Mit­gliedschaft unserer Nachbarn kann sie sich voll entfalten. Wir sitzen einander nicht mehr gegenüber als Verhandlungspartner, sondern auf derselben Seite des Tisches. Als gleichberechtigte Partner haben wir auch ein gemeinsames Interesse, die regionale Zusammenarbeit zu vertiefen und zum Blühen zu bringen, denn Nachbarschaft lebt von der Neugier, einander kennen zu lernen, einander zuzuhören, offen zu sein für die Anliegen des anderen. In diesem Geist wird es möglich, auch schwierige Fragen anzu­sprechen. Wichtig für uns sind etwa Verkehr und Infrastruktur, Umwelt, Sicherheit, die Grenzsicherung, die Bekämpfung von illegaler Einwanderung, Drogenhandel und Schlepperunwesen.

Meine Damen und Herren! Das Verhältnis mit unseren Nachbarn war politisch und menschlich noch nie so gut wie heute, und das möchte ich vertiefen, denn: Der Friede in der Welt beginnt zu Hause, und er beginnt mit den Nachbarn. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bel­len.)

Deshalb ist auch unser Engagement in Südosteuropa wichtig, ebenso wie die Unter­stützung von Rumänien, Bulgarien und Kroatien beim Beitritt zur Europäischen Union.

Als Beispiel eines erfolgreich gelösten Minderheitenkonflikts gilt heute Südtirol mit seiner Autonomie. Ich werde alles tun, um weiter sicherzustellen, dass die Südtiroler eine Brücke zwischen Österreich und Italien sind, und die Sicherheit der Autonomie hüten. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein bedeutender Anteil österreichischer Außenpolitik ist Europapolitik. Wer in Europa etwas bewegen möchte, muss Lösungen für die Gemein­schaft entwickeln und anbieten. Unsere Position in der Europäischen Union wird nur so stark sein wie der Beitrag, den wir zu europäischen Lösungen leisten.

Meine erste Reise wird mich in der nächsten Woche nach Rom führen, um die euro­päische Verfassung zu unterzeichnen. Diese Verfassung bringt den Bürgern fest­geschriebene Grundrechte, an die die Europäische Union gebunden ist und die direkt beim Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden können. Die neue Verfassung wird aber auch die von den Bürgern geforderte und erwartete einheitliche Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union möglich machen. Europa wird einen Außen­minister erhalten.

Die Union war immer geprägt von Dynamik und Bewegung, und mit der österreichi­schen Präsidentschaft 2006 werden wir die Verantwortung dafür übernehmen, Europa auch weiterzubringen. Die EU-Präsidentschaft ist gleichzeitig eine Chance, unser eige­nes Gemeinschaftsbewusstsein zu stärken und eine hoch qualifizierte Dienstleistung für Europa zu erbringen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 26

Für mich ist dabei auch die Intensivierung des transatlantischen Dialogs eine Aufgabe. Die Gipfeltreffen mit den USA, Kanada und Lateinamerika werden 2006 in Österreich stattfinden. Die EU und die USA haben viele gemeinsame Werte, Interessen und Stär­ken. Seite an Seite können sie vieles erreichen, etwa im Umweltschutz, in der Sicher­heit oder in der Förderung der Menschenrechte. Deswegen ist es wichtig, an der Über­windung von bestehenden Barrieren zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Meine Damen und Herren! Österreichs Position in Europa und in der Welt überzeu­gend zu vertreten ist meine zentrale Aufgabe. Eine österreichische Position wird umso besser wahrgenommen, als sie sich auf eine breite Basis stützen kann. Wir haben nur eine Stimme, aber diese Stimme wird umso deutlicher gehört werden, je geeinter sie ist.

Ich lade daher alle an der Außenpolitik Mitwirkenden ein, die politischen Parteien, die Bundesländer, aber auch die Sozialpartner und die NGOs, sich im Hinblick auf diese Zielsetzung ergebnisorientiert einzubringen. Wir können es uns in einer Welt des internationalen Wettbewerbs der Interessen und Ideen einfach nicht leisten, auf Sach­beiträge und Fachwissen zu verzichten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dazu gehört allerdings auch, Klarheit zu schaffen, was Österreich vermag und was es nicht vermag. Wir müssen von uns selbst Augenmaß und Realitätssinn verlangen.

Meine Damen und Herren! Noch heuer werden die Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei zu treffen haben. Wir müssen uns der Frage stellen, wie eine europäische Zukunft für die Türkei aus­sehen kann. Dabei gibt es berechtigte Sorgen in der Bevölkerung – die Kosten, der Arbeitsmarkt, die Landwirtschaft, die Menschenrechte, die Gleichberechtigung, die Religionsfreiheit –, ich kann diese Sorgen nachvollziehen und plädiere für eine sach­liche Diskussion.

Mir ist es aber auch wichtig, hier drei Dinge klar zu sagen: Der Beginn von Verhand­lungen bedeutet nicht, dass die Türkei jetzt sofort beitreten kann. Der Beginn von Ver­handlungen bedeutet auch nicht, dass es nur ein einziges, von vornherein festgelegtes Ergebnis geben kann – auch die Ziele der Verhandlungen sollten offen bleiben. Und der dritte Punkt: Das österreichische Parlament als Vertretung des Volkes wird jeden­falls das letzte Wort haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ihre Rolle und damit die Rolle des Parlaments in europäischen Fragen ist wichtig. Deshalb begrüße ich es auch, wenn das Parlament in Zukunft häufiger und intensiver europäische Fragen diskutieren möchte. Ich stehe dem Hohen Haus dazu gerne zur Verfügung. (Allgemeiner Beifall.)

Gute Außenpolitik ist auch ein Frühwarnsystem für Entwicklungen, die auf uns zukom­men. Nur wer rechtzeitig sieht, was entsteht, kann sich früh genug darauf einstellen. Natürlich ist es heute so, dass die großen globalen Herausforderungen nicht von einem Land allein, auch nicht von der Europäischen Union allein, gelöst werden können. Kli­mawandel, Terrorgefahr, regionale Konflikte, Epidemien wie SARS oder Aids, Armut in vielen Teilen der Welt, Drogenhandel oder die Frage einer sicheren Energieversorgung betreffen uns alle. Wichtige internationale Organisationen, die sich gerade mit diesen Themen beschäftigen, haben ihren Sitz hier in Österreich.

Ich ersuche Sie daher, mich in der Absicherung und im Ausbau Wiens als Amtssitz der Vereinten Nationen, der OSZE, der OPEC und der Europäischen Menschenrechts­agentur zu unterstützen. (Allgemeiner Beifall.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 27

Als Außenministerin möchte ich den Beitrag, den Österreich zum Frieden in der Welt leistet, stärker betonen. Wir helfen mit unseren Friedenseinheiten, in Krisenregionen Stabilität und Sicherheit zu schaffen. Österreich hilft am Golan, im Kosovo und wird sein Kontingent in Bosnien verdoppeln. Und das ist auch im Interesse Österreichs. Sta­bilität verhindert, dass sich Flüchtlingsströme in Bewegung setzen. Stabilität ist auch die Voraussetzung für den Aufbau der Wirtschaft, und dadurch können diese Regionen auch von österreichischen Unternehmen als Exportmärkte erschlossen werden.

Auch die Bekämpfung der Armut durch Entwicklungszusammenarbeit bleibt ein politi­scher Schwerpunkt. Es geht nicht nur um die Linderung von Leid. Mir ist es wichtig, für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur einen Beitrag zu leisten. Ich bekenne mich daher ausdrücklich zu der im Regierungsprogramm festgelegten Erhöhung der österreichi­schen EZA-Beiträge. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Außenministerium und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das weltweite Netzwerk im Dienste der Österreicherinnen und Österreicher. Dieses Netzwerk steht jedem Österreicher bei einem Problem oder im Notfall im Ausland rund um die Uhr zur Verfügung.

Mir ist es auch ein besonderes persönliches Anliegen, Frauen und ihre Anliegen zu för­dern. In allen außenpolitischen Bereichen, denn Frauen sind zuallererst betroffen von Kriegsfolgen, Gewalt und Katastrophen, aber auch im Außenministerium selbst wird es mir wichtig sein, Frauen zu ermuntern, sich etwas zuzutrauen, und sie in ihrer Lauf­bahn zu unterstützen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Meine Stärken, die ich in dieses Amt einbringen kann, sind eine langjährige Erfahrung, aber auch Neugierde, Freude und Teamarbeit. Eine Außenministerin hat zwar keine Streitkräfte, dafür braucht sie aber Mitstreiter: aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Politik, Bürgergesellschaft, Wirtschaft und Medien.

Ich danke für die vielen guten Wünsche und so manchen Vertrauensvorschuss.

Meiner Vorgängerin Benita Ferrero-Waldner möchte ich danken für die hervorragende inhaltliche Arbeit sowie für ein gut bestelltes Haus, das ich übernehmen darf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Benita Ferrero-Waldner in ihrer neuen Funktion in der Europäischen Union.

Meine Damen und Herren! Ich werde arbeiten, so gut ich kann, um Ihr Vertrauen zu rechtfertigen, und freue mich auf die Arbeit im Regierungsteam und auf die Zusam­menarbeit mit Ihnen allen.

Schließlich möchte ich mit einem Motto für meine Arbeit schließen, das ich dem leider viel zu früh verstorbenen Professor Egon Matzner verdanke: „Für ein weltoffenes Österreich, für eine österreich-offene Welt.“ – Danke. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin! Ich bin jetzt schon viele, viele Jahre in diesem Hohen Haus, habe aber eine solche Begrüßung eines neuen Regie­rungsmitgliedes noch nicht erlebt.

Ich wünsche Ihnen viel Glück und Gottes Segen für Ihre Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Seine Redezeit beträgt 7 Minuten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 28

10.34

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Hohe Bundesregierung! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Bestellung, herzlichen Glückwunsch zur heutigen überzeugenden Präsentation hier und alles Gute für Ihre Arbeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe Sie schon bei vielen Tätigkeiten als so professionell kennen gelernt, dass ich mir gestatten kann, gleich ohne weiteres Umschweifen in die Sache, auf die Punkte, die Sie angesprochen haben, einzugehen.

Ich war sehr froh darüber, dass Sie gleich in der Einleitung Ihr Bekenntnis zu Neutrali­tät und Völkerrecht abgegeben haben. Das ist sehr wichtig, und ich weiß, dass das nicht bloß ein Bekenntnis ist, sondern dass das heißen wird müssen, dass wir uns mehr in diesen Bereichen, nämlich auch der Darstellung der Rolle eines Neutralen, der Funktion, die ein Neutraler spielen kann, und als Verfechter des Völkerrechtes, präsen­tieren können und müssen. Österreich hat hier eine Chance, die es in der Vergangen­heit oft genützt hat, und diese Chance ist auch in der heutigen Zeit nutzbar für einen neutralen Staat. Wir sollten eine entsprechende Politik machen, dann wird das auch unserem Land helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was das Völkerrecht betrifft, bin ich sehr froh über diese Aussage, denn wir haben kriti­siert, dass es den Versuch gab, eine Position der Mitte zwischen dem Recht des Stär­keren und dem Völkerrecht zu erfinden. Wir haben kritisiert, dass es den Versuch gab, eine Mitte zwischen Supernationen und Vereinten Nationen einzunehmen. Das Be­kenntnis zum Völkerrecht bedeutet ein Bekenntnis zu den Vereinten Nationen, bedeu­tet auch das Bekenntnis, die Vereinten Nationen zu stärken und sie auszubauen – und das findet unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind auch sehr froh darüber, dass Sie die Friedensinitiativen erwähnt haben, denn bei aller Bedeutung Europas – ich komme noch darauf zu sprechen –: Wir dürfen nicht vergessen, auch in der Außenpolitik die Welt zu sehen. Hier gibt es Probleme, die uns zutiefst bewegen und bewegen müssen und wo Österreich Hilfe leistet. Denken wir nur an die furchtbare Katastrophe in Haiti, daran, was im Sudan geschieht, an Aids in Afrika, an die weltweite Frage des Terrors und der Terrorbekämpfung – das sind Be­reiche, wo auch ein kleines Land im Konzert aller mitspielen kann. Wir sollten das tun, und wir sollten da Positionen setzen, zum Beispiel in der Terrorbekämpfung, wo wir klar sagen müssen: Es ist gut, dass Österreich an der Terrorbekämpfung und an der verstärkten Zusammenarbeit teilnimmt, aber Terrorbekämpfung darf nicht heißen, dass Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden, Terrorbekämpfung darf nicht heißen, dass es weniger Demokratie oder weniger Parlamentarismus gibt, und Terror­bekämpfung darf auch nicht heißen, dass die Rechte der Medien und die freie Bericht­erstattung eingeschränkt werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir müssen – über Europa und die EU ist schon viel gesprochen worden – sehen, dass es auch außerhalb der EU oder am Rande der EU in Europa Probleme gibt: Zypern-Frage, die die EU zutiefst betrifft, Kosovo-Frage, Serbien-Montenegro und die ganze Balkanpolitik und auch die ungelöste Transnistrien-Frage, gar nicht zu sprechen von Konflikten, die es auch im Gebiet des Kaukasus und in anderen Regionen gibt. Auch da muss sich Österreich einbringen. Hier wird es nicht nur auf die Mitarbeit in der EU, sondern auch im Europarat ankommen. Und ich hoffe, dass Sie, Frau Ministerin, die Zeit im Europarat nicht vergessen haben und dass Österreich sein Bekenntnis zum Europarat und seiner Erneuerung auch auf dem Gipfel des Europarates im nächsten Jahr durch Sie fortsetzen wird. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 29

Was die aktive und gemeinsame Außenpolitik betrifft: Ja, wir wollen ein Zurück zur gemeinsamen Außenpolitik. Aber gemeinsame Außenpolitik heißt ja nicht nur, dass man in allen Fragen identisch ist, heißt auch nicht, dass man eine Linie der Regierung festlegt und dann sagt: Na ja, das ist eh so, dass ihr nicht dagegen sein könnt! Ge­meinsame Außenpolitik heißt nicht: Friss Vogel oder stirb! – Gemeinsame Außenpolitik heißt, dass man von Anfang an mit eingebunden, informiert ist und an den Beratungen teilnehmen kann.

Ein Gegenbeispiel von der Regierung war die Nachbarschaftspolitik und die Politik in unserer Region. Da wurden wir nicht gefragt, da wurden wir nicht herangezogen. Gemeinsame Außenpolitik heißt nicht, dass sich bloß FPÖ und ÖVP einigen und die anderen es dann vorgesetzt bekommen und ja oder nein sagen dürfen. Gemeinsame Außenpolitik muss wirklich das heißen, was Sie gesagt haben: dass alle Parteien, die NGOs, die Kräfte dieses Landes, auch interessierte Bürger mit einbezogen werden. Ich glaube, das ist überhaupt die starke, moderne Außenpolitik der Zukunft, eine Außen­politik, die nur mehr wenige Bereiche hat, die geheim sind und im engen Kämmerlein entschieden werden, eine Außenpolitik, die in einem hohen Ausmaß öffentlich ist, transparent, die Marketing im Inland und im Ausland für die österreichische Haltung be­treibt, also eine transparente, konsistente, einschätzbare Linie verfolgt – das ist längst ein unverzichtbarer Bestandteil einer guten, modernen Außenpolitik geworden.

Deshalb: Starten Sie stärker diese transparente Außenpolitik! Binden Sie das Parla­ment ein, die NGOs, die Öffentlichkeit! Ich hoffe, Sie finden Zeit für regelmäßige Sit­zungen des Außenpolitischen Ausschusses, ich hoffe, Sie binden die Fraktionen wieder in die Gespräche mit den Botschaftern ein, und ich hoffe, wir bekommen alle die entsprechenden Informationen. Es wird das nicht nur in unserem Interesse sein, son­dern auch in Ihrem, Frau Bundesminister, und im Interesse Österreichs. Auf gute Zu­sammenarbeit in diesem Sinne! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen.)

10.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Auch seine Redezeit beträgt 7 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


10.42

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzte Frau Außenminis­terin! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Dr. Plassnik wurde vor drei Tagen der Öffentlichkeit präsentiert. Sie hat es in drei Tagen geschafft, eine hohe Fachkompetenz zu beweisen. Das zeigen auch internationale Reaktionen auf ihre Bestellung. Sie hat es in diesen drei Tagen geschafft, eine sehr große Souveränität an den Tag zu legen, was den Umgang mit der Öffentlichkeit anbelangt. Auch das ist sehr bemerkenswert. Und sie hat zum Dritten, glaube ich auch, in drei Tagen erreicht, eine sehr positive, sympathieträchtige Symbolfigur für Außenpolitik in Österreich zu sein.

Dafür möchte ich Ihnen, Frau Bundesministerin, wirklichen Respekt und Anerkennung zollen. Das ist für drei Tage schon eine hervorragende Leistung. Ich glaube, Ihre Arbeit steht unter einem sehr guten Stern. Sie haben das sehr gut begonnen, und das ist eine gute Grundlage für Ihre weitere Arbeit in der Außenpolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Schwerpunkte, die Sie heute genannt haben, kann ich nur voll unterstreichen. Sie haben gesagt, Sie werden sich, auch was das Bewusstsein der Österreicher in Rich­tung Europa betrifft, voll einbringen, Sie werden ganz besonders Südtirol und unsere österreichische Position für Südtirol im Auge haben, Sie werden die Nachbarschafts­politik groß schreiben. Da stimme ich Ihnen voll zu.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 30

Sie haben aber auch angesprochen, was generell heute Außenpolitik für die Österrei­cherinnen und Österreicher leisten muss, und das halte ich für das Spannende an dieser Debatte heute Morgen. Sie haben an die Spitze gestellt, was ich besonders und dreifach unterstreichen möchte: Außenpolitik hat auch im Jahr 2004 in erster Linie österreichische Interessen im Ausland zu vertreten. Das ist das Markenzeichen und die wichtigste Herausforderung für uns. Da haben wir eine sehr gute Grundlage, die über viele, viele Jahre, glaube ich, auch von vielen Parteien, wenn das auch nach außen nicht immer so geschienen haben mag, getragen wurde.

Das ist eine wichtige Aufgabe in Europa. Europäische Politik ist vielfach Innenpolitik geworden, wir haben aber ein tolles Netzwerk in Brüssel mit ganz hervorragenden Leuten, die täglich in der Vorbereitung der Gesetzgebung in den Räten eine wunder­bare und großartige Arbeit für Österreich leisten. Dafür ist die Außenministerin als Drehscheibe zuständig. Ich möchte aber an dieser Stelle besonders den Damen und Herren in Brüssel danken, die wirklich in einer unendlich mühevollen, aber fleißigen Arbeit unsere Interessen tagtäglich in der Europäischen Union vertreten. Ich möchte ein herzliches Dankeschön dafür sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Ich möchte an zweiter Stelle das nennen, was Außenpolitik auch leisten muss im Jahr 2004, nämlich nicht nur österreichische Interessen zu vertreten, sondern Öster­reicher im Ausland zu vertreten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir pro Jahr etwa 600 000 Konsularfälle haben – 600 000! –, wo es darum geht, nicht nur Visa auszustel­len, sondern Österreichern ganz konkret zu helfen, die auch ein Gefühl der Sicherheit haben sollen, dass dann, wenn im Ausland etwas passiert, österreichische Vertre­tungsbehörden für sie da sind und ihnen ganz konkret helfen. Wir haben das unter Ihrer Amtsvorgängerin gesehen, was Algerien anlangt: eine Geiselbefreiung, wo hohe Professionalität an den Tag gelegt wurde. Ich möchte das unterstreichen, dass das für die Zukunft eine wichtige Aufgabe ist: Österreicher sollen dieses Gefühl der Sicherheit haben, dass, wenn sie im Ausland in Bedrängnis sind, Österreicher im Ausland für sie da sind, um ihnen konkret zu helfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte als drittes Ziel der Außenpolitik auch ein wichtiges Ziel für mich hinstellen: Österreich Sicherheit geben. Das wird unter zukünftigen Aspekten noch viel bedeuten­der. Das ist ein Balanceakt: Auf der einen Seite muss man klare Standpunkte haben, auf der anderen Seite darf man nicht die Pfeile auf sich ziehen. Dieser Balanceakt verlangt viel diplomatisches Geschick, und ich glaube, Sie haben durch Ihren profes­sionellen Werdegang eine sehr gute Grundlage dafür, in dieser Frage „Österreich Sicherheit geben“ das Richtige an der richtigen Stelle zu tun.

Ich möchte als Viertes erwähnen, dass österreichische Außenpolitik auch leisten muss, Österreich sympathisch zu machen, Österreich Sympathien zu geben. Wir können heu­te im Jahr 2004 sagen, dass trotz der Ereignisse vor vier Jahren Österreich im Ausland als sehr willkommen angesehen wird und viele Österreicher, die sich engagieren – wir kennen viele –, die im europäischen Zusammenhang ihre Spuren hinterlassen haben, einen Stellenwert haben, der sich durchaus sehen lassen kann, aber das gehört aus­gebaut, das gehört immer mit neuem Leben erfüllt. Österreich ist ein sympathisches Land und muss auch in Zukunft eine Sympathie im Ausland verbreiten, die uns allen nur nützlich sein kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte noch eines erwähnen, meine Damen und Herren, und zwar das österrei­chische Engagement bei den Krisenherden dieser Welt. Wir haben durch unsere „Bot­schafter“ – unter Anführungszeichen –, die als Soldaten im UNO-Einsatz unterwegs sind, immer wieder gezeigt, dass wir nicht wegschauen, sondern dass wir auch helfen,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 31

dass wir auch unsere guten Dienste anbieten, und das gilt für die Diplomatie natürlich ganz besonders.

Das sind ein paar Schwerpunkte; es gäbe viele mehr, die ich jetzt nicht erwähnen kann. Ich hoffe als Parlamentarier auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Ich hoffe, dass wir eine Außenministerin haben, die diesen Konsens in der Außenpolitik ins Zent­rum stellt; davon bin ich überzeugt. Und ich hoffe auch auf eine Außenministerin, die eine Außenpolitik betreibt, die auch das, was Sie als Person verbinden, ins Zentrum stellt. Sie haben wahre Größe, auch von Ihrer Körpergröße her, und ich glaube, Sie werden eine Außenpolitik machen, die zeigt, dass diese wahre Größe auch Gegen­stand Ihrer tagtäglichen Arbeit ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

10.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. 7 Minuten Redezeit.

 


10.49

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Ministerbank! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst noch ein Wort zur Rede von Klubobmann Molterer sagen.

Herr Klubobmann, die Art und Weise, wie Sie die neue Außenministerin beschrieben haben, dass Sie gesagt haben, sie sei gebildet, sie sei sensibel, entbehrt nicht eines gewissen Sexismus. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.) Lassen Sie mich das in dieser Offenheit sagen, Herr Klubobmann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steibl: Das zeugt von „Frau­ensolidarität“!)

Ich wette, Sie würden über kein männliches Regierungsmitglied sagen, er sei gebildet, er sei sensibel. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich gehe davon aus, dass die Regierungsmitglieder gebildet und auch sensibel sind für Fragen, die die Bevölkerung interessieren. Das würden Sie einem Mann gegenüber so nicht sagen.

Herr Klubobmann, ich habe Ihre Ausführungen der Ministerin gegenüber unpassend gefunden in diesem Kontext. (Abg. Steibl: Das spricht für Dummheit! Womöglich ha­ben Sie auch die ganze Nacht nichts geschlafen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihre Aufregung beweist wohl, dass ich hier einen richtigen und wichtigen Punkt angesprochen habe. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Einbildung ist auch eine Bildung!)

Aber lassen Sie mich nun zu Ihnen kommen, Frau Ministerin Plassnik: Es eilt Ihnen der Ruf voraus, Sie seien eine streitbare Frau. – In Ihrer heutigen Rede sind vielleicht noch nicht alle jene Punkte herausgekommen – das war vielleicht auch von der Zeit her zu knapp –, wo es möglicherweise Schwierigkeiten gibt in der Frage, wie Österreich inter­national gesehen wird.

Sie, Frau Dr. Plassnik, gelten jedenfalls als streitbar – und ich schätze streitbare Frau­en, wenn es um eine sachliche und inhaltliche Auseinandersetzung geht: nicht um des Streits willen, sondern wenn es darum geht, einen Dialog, eine Diskussion zu führen, dabei unterschiedliche Positionen einzubringen, über diese zu reden und zu sehen, wie wir zu gemeinsamen Positionen kommen, das schätze ich sehr. Und wenn es dieser Ruf ist, der Ihnen, Frau Bundesministerin, vorauseilt, den Sie uns dann auch beweisen können, dann freue ich mich auf die Zukunft für die österreichische Außenpolitik. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 32

Ich hoffe, dass das auch heißt, dass Sie, Frau Dr. Plassnik, Lust und Mut zur inhalt­lichen Auseinandersetzung mit dem Parlament haben – mehr, als das Ihre Vorgängerin hatte. Sie haben ja schon gesagt, Sie lassen sich gerne einladen von uns. Wir werden das Angebot wahrnehmen und diese Debatten im Parlament führen, aber auch in der Öffentlichkeit insgesamt für die Außenpolitik streiten, für die Rolle, die Österreich in der Welt spielen kann, für die globale Verantwortung, die unser Land im Rahmen der EU, aber auch in einem breiteren internationalen Rahmen wahrnehmen kann. Dafür möchte ich gern mit Ihnen streiten.

Lassen Sie mich nun zu ein paar Punkten kommen, die Sie, Frau Bundesministerin Plassnik, in Ihrer Rede erwähnt haben. Es ist mir ja im Gegensatz zu meinem Klubob­mann möglich, auf Ihre Rede zu replizieren; Kollege Van der Bellen konnte das noch nicht.

Frau Ministerin Plassnik, Sie haben – da stimme ich Ihnen zu – gesagt, wie notwendig es ist, mit unseren Nachbarstaaten, mit den anderen EU-Staaten in einem offenen Geist schwierige Fragen anzusprechen, und Sie haben da etwa Südtirol erwähnt; das hat auch Herr Kollege Spindelegger gemacht.

Meine Frage: Wie halten Sie es denn da mit Slowenien? Der neue slowenische Pre­mierminister Janez Janša meint, dass er sich, was die Ortstafelfrage in Kärnten und die Rechte der slowenischen Minderheit in Kärnten betrifft, stärker gegenüber Österreich einsetzen werde. – Bei Ihnen, Frau Dr. Plassnik, als neuer Außenministerin würde mich sehr interessieren: Wie haben Sie damit umzugehen vor? Werden Sie das – Ihnen wird ja auch Durchsetzungsvermögen vorausgesagt – innerhalb der Bundesre­gierung stark vertreten und darauf pochen, dass es in Kärnten überall dort, wo eine ge­wisse Zahl von SlowenInnen lebt, endlich auch die schon im Staatsvertrag zugesagten zweisprachigen Ortstafeln gibt? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem.)

Der Verfassungsgerichtshof hat das ja auch angeordnet, daher: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das geschehen wird? Sie sind ja selbst Kärntnerin! Ihnen muss das doch auch ein Anliegen sein. Ich hoffe jedenfalls, dass Sie sich da durchsetzen werden.

Sie, Frau Bundesministerin, haben zu den Fragen der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erwähnt, dass Sie für die Aufnahme von Verhandlungen sind. Sie haben dann aber gesagt, diese Verhandlungen müssen noch kein Ziel haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Frau Ministerin! Verhandlungen ohne Ziel zu führen, das kann es nicht sein. Es muss doch ein Ergebnis angestrebt werden. Das Ziel ist doch wohl bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Beitritt. Die Frage, die offen ist, ist, ob das Ziel erreicht werden kann, aber das Ziel muss wohl klar sein. Ich würde Sie also ersuchen, hier noch eine Klarstellung zu treffen, dass das Ziel sehr wohl der Beitritt ist. Die Frage ist nur offen, wann das sein wird und ob es sich ausgehen wird, aber das Ziel soll es wohl sein. (Beifall bei den Grünen.)

Zur Neutralität. Ich bin ja sehr erstaunt und erfreut, dass sogar der Bundeskanzler in Alpbach vor kurzem gesagt hat: Die Neutralität bleibt. Sie haben gesagt, Völkerrecht und Neutralität seien erfolgreich. Ich hoffe, dass damit der Zickzack-Kurs der ÖVP be­endet wird und beendet ist. Einmal will sie in die NATO, jetzt bleibt doch die Neutralität. Das hat ja alles nicht zusammengepasst in den letzten Jahren.

Also in der Frage der Aufrechterhaltung der Neutralität und der Nutzung für eine aktive Friedenspolitik können Sie unsere Unterstützung haben.

Frau Ministerin, noch ein paar Punkte. Zum Budget: Ich finde es ja schade, dass Sie nicht schon vor einigen Monaten ernannt wurden und auch die Möglichkeit hatten, gegenüber dem Finanzministerium das Budget des Außenamts mitzuverhandeln. Jetzt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 33

bleibt Ihnen wenig Zeit, für 2005 hier noch viel zu ändern, sei es beim Budget für die Entwicklungszusammenarbeit, sei es beim Budget für das Außenamt insgesamt, für notwendige Erhöhungen. Österreich hat im EU-Vergleich eines der geringsten Budgets für das Außenministerium, und das ist nicht gut für eine Außenministerin, die aktiv sein will.

Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit in einem internationalen Sinn, das wurde heute auch schon erwähnt. Ich hoffe von Ihnen, dass Sie hier nicht so wie Ihre Vorgängerin agieren, die, zum Beispiel was den Sudan betrifft, gemeint hat, lieber hinter verschlos­senen Türen verhandeln. Noch im Mai sagte sie – Zitat Ferrero-Waldner –, die Situa­tion sei nicht so gravierend. Ich hoffe und erwarte mir von Ihnen öffentliche Kritik an Menschenrechtsverletzungen, am Brechen von Rechtsstaatlichkeit, daran, wenn Län­der diese Normen nicht einhalten, sei es der Sudan, sei es Russland. Offenes Umge­hen ist auch in der Außenpolitik gefragt – nicht nur ein Agieren hinter verschlossenen Türen. (Beifall bei den Grünen.)

Diese aktive Friedenspolitik ist notwendig für Österreich, und da erwarte ich mir von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie nicht nur aus dem Schatten des Bundeskanzlers her­ausragen – das haben Sie auch bisher schon getan –, sondern dass Sie sich auch aus der Loyalität zum Bundeskanzler, die Sie bisher hatten, herauswagen und eigene Ak­zente setzen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sehr sexistisch!) Tatsächliche Friedenspolitik zu machen, nicht mit Außenpolitik innenpolitisches Kleingeld machen zu wollen und einen wirklichen Dialog zu führen, dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg. (Beifall bei den Grünen.)

10.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Auch seine Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

 


10.56

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Ministerin! Sie haben in Ihrer Rede erklärt, dass die Europapolitik ein wichtiger Bestandteil der Außenpolitik sein werde. Das stimmt nicht mehr ganz. Seit dem Beitritt Österreichs zur Euro­päischen Union ist Europapolitik keine klassische Außenpolitik mehr und sie ist auch keine klassische Innenpolitik mehr. Sie stellen sich heute deshalb hier dem Hohen Haus in einer Doppelfunktion vor, nämlich als Außen- und als Europaministerin.

Frau Ministerin! Deshalb möchte ich auch in dieser Zweitfunktion an Sie einige An­liegen richten. Sie haben richtig erklärt, dass die Europäische Verfassung in den nächsten Monaten eines der wichtigsten Projekte sein wird, auch auf europäischer Ebene die Zusammensetzung der Union, die Arbeitsweise, das Verhältnis zwischen Union und Mitgliedsländern neu auf den Punkt zu bringen. Sie werden in Rom diesen Verfassungsvertrag unterzeichnen, und Sie werden auch wesentlich mitbestimmen, in welcher Form man die Bürger an der Ratifizierung dieses neuen Verfassungsvertrages beteiligt.

Wir haben im Europäischen Konvent vor allem unter der Überschrift „Bürgernähe“ ge­arbeitet; es war das Hauptziel von uns, einen Verfassungsvertragsentwurf zu er­arbeiten, der es den Bürgern ermöglicht, mit diesen Entwicklungen mitzuhalten, der die Verfassung klarer macht, der verdeutlicht, in welcher Form die Europäische Union ihre Kompetenzen hinkünftig gebrauchen wird, wie sie ihr Verhältnis zu den Mitgliedslän­dern gestalten möchte. Deshalb bin ich der Ansicht, dass wir auf europäischer Ebene auch die Frage der Volksabstimmung über diese neue Verfassung in den nächsten Monaten wieder zur Sprache bringen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 34

Ich möchte deshalb als Freiheitlicher an Sie das Ersuchen richten, in all den Gremien, in den Räten, in denen Sie zu Wort kommen, das auch zu tun. Ob das eine europa­weite Volksabstimmung sein wird oder ob man andere Wege finden wird müssen, das können wir jetzt noch nicht beurteilen. Wir haben noch die Möglichkeit, ein europawei­tes Referendum auf die Schiene zu bringen. Wir erleben ja die Diskussion über diese Verfassung auch in den anderen Mitgliedsländern, in den Mitgliedsländern, die eigent­lich vor einem, vor zwei Jahren noch ausgeschlossen haben, dass es auf nationaler Ebene bei ihnen zu Volksabstimmungen kommen werde. Deshalb glaube ich, dass auch diese Frage eine vollkommen neue Qualität erreicht hat durch diese öffentliche Diskussion darüber, und wir Freiheitlichen ersuchen Sie, auf europäischer Ebene für diese Frage der Volksabstimmung über diese neue Verfassung, die gravierend in das Leben der Menschen eingreift, einzutreten.

Es kann nämlich nicht so sein, dass die politische Führung auf europäischer Ebene wesentliche Dinge beschließt, voraneilt, und die Völker Europas können diesen Ent­wicklungen nicht nacheilen. Früher oder später, meine Damen und Herren, würde das eine Diskrepanz bringen, die das Experiment Europäische Union scheitern ließe.

Auch die Frage der EU-Grenzen ist in den nächsten Jahren zu stellen. Damit im Zu­sammenhang zu sehen ist jetzt auch die Frage des Beitritts der Türkei zur Euro­päischen Union. Wir Freiheitlichen haben klar gesagt, dass wir uns auch nach dem Bericht – ja, gerade nach dem Bericht der Kommission! – Verhandlungen über einen Beitritt mit der Türkei nicht vorstellen können. Es kann ja nicht so sein, dass man sagt, ein Land erfüllt die Kriterien zum Beitritt zur Europäischen Union, während wir gerade in Österreich laufend positive Asylanträge aus diesem Land zu behandeln haben. (Prä­sidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Es wird in dieser Beziehung, denken wir, noch ein Fortschritt gemacht werden müssen, und die Türkei ist in ihrer derzeitigen Zusammensetzung und in ihrem politischen Klima und in ihrer politischen Kultur noch nicht reif für einen Beitritt zur Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich ersuche deshalb auch Sie, in den Räten, und auch den Herrn Bundeskanzler, im Europäischen Rat, wenn es dann darum gehen wird, ein Dokument zu erstellen, das den Beginn dieser Verhandlungen mit der Türkischen Republik begründet, darauf zu achten, dass dieser offene Ausgang der Verhandlungen nicht nur erklärt wird, sondern dass er in diesem Dokument auch festgeschrieben ist, damit die Bürger Europas auch einen Anhaltspunkt haben, dass diese Verhandlungen mit der Türkischen Republik nicht zwingend in einen Beitritt münden müssen, sondern dass es dabei ausschließlich um die Klärung des Verhältnisses der Europäischen Union zur Türkischen Republik in den nächsten Jahren gehen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das werden gleichzeitig auch Modellverhandlungen sein müssen, und auch das Ergeb­nis dieser Verhandlungen wird Modellcharakter haben, denn viele Länder – ehemalige Mitgliedsländer der Sowjetunion zum Beispiel – bemühen sich auch um einen Beitritt zur Europäischen Union; je früher und je ehrlicher wir sagen, dass Weißrussland, die Ukraine und so weiter nicht die Möglichkeit haben werden, ein Vollmitglied der Euro­päischen Union zu werden, desto fairer ist das von Seiten der Europäischen Union. Das hätte die Union auch mit der Türkei schon längst machen müssen.

Frau Ministerin und Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie deshalb ersuchen, dass Sie gerade in den entscheidenden Räten auf europäischer Ebene dieses Prinzip, das wir Freiheitlichen vertreten – wenn es geht, keine Verhandlungen mit der Türkei aufzuneh­men, weil sie noch nicht die Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft erfüllt –, deutlich ma­chen, und dass Sie, wenn es zu diesen Verhandlungen kommt, dafür eintreten, dass das offene Verhandlungen sind und dass es hiebei ausschließlich darum geht, das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 35

Verhältnis der Union zur Türkei zu klären, und nicht um einen Beitritt. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Molterer.)

11.02

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Staatssekretärin Haubner zu Wort. Frau Staatssekretärin, auch Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

 


11.03

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr verehrte Frau Außenministerin! Werte Kolleginnen und Kol­legen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Österreich braucht eine selbstbewusste, eine aktive und vor allem von guter und friedlicher Nachbarschaft geprägte Außenpoli­tik. Damit diese Linie vertreten werden kann, benötigt die Außenpolitik engagierte und lösungsorientierte Politikerinnen und Politiker, welche den großen Herausforderungen der nächsten Jahre erfolgreich begegnen. Ich meine jene Herausforderungen, die auch entscheiden werden, wie sich Österreich in seinen internationalen, in seinen bilateralen Beziehungen, aber auch innerhalb der Europäischen Union in den kommenden Jahren positionieren wird.

Mit Ihrer Rede, sehr verehrte Frau Außenministerin, haben Sie bewiesen, dass das Ihre Linie und dass das Ihr Ziel ist, und wir als freiheitliche Regierungsfraktion – ich spreche hier auch namens unseres Vizekanzlers – begrüßen die Entscheidung, dass Sie als Außenministerin der Republik Österreich bestellt wurden, sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir verbinden aber mit dieser Bestellung auch einige Wünsche, die zum Teil von den Vorrednern meiner Fraktion schon angeführt wurden. Gerade für Österreich als relativ kleines Land, aber als Land mit starken internationalen Verflechtungen, ist es entschei­dend, dass die Außenpolitik sichtbare Akzente setzt. Ich bin davon überzeugt, dass es Ihnen, sehr geehrte Frau Außenministerin, in Ihrer zukünftigen Aufgabe oberster Auf­trag sein wird, die österreichischen Interessen im Ausland und speziell innerhalb der Europäischen Union sehr bestimmt – so wie es auch Ihrer bisherigen Arbeitsweise ent­sprochen hat – zu vertreten.

Der Fokus der österreichischen Außenpolitik liegt traditionellerweise im südosteuro­päischen Raum, also bei unseren unmittelbaren und mittelbaren Nachbarstaaten, die nunmehr teilweise ebenfalls Mitglieder der Europäischen Union geworden sind.

Diese Ausrichtung einer aktiven österreichischen Außenpolitik ist eine gute und sinn­volle – nicht nur für die Republik selbst, sondern insbesondere auch für die Wirtschaft Österreichs und somit für den Wirtschaftsstandort, wie dies schon einige Vorredner angesprochen haben. Unsere europäischen Nachbarstaaten haben im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten ein steigendes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, und dies ist auch ein großes Potential für unsere heimische Wirtschaft.

Für Österreich im Herzen Europas ist es nur natürlich, dass wir uns im Schließen von Allianzen auf europäischer Ebene nach allen Richtungen hin orientieren. Es ist ganz wesentlich für uns, die erfolgte Erweiterung für neue Partnerschaften innerhalb der gro­ßen europäischen Familie zu nützen, Partnerschaften unter Mitgliedstaaten, die inner­halb der Europäischen Union dieselben Interessen haben. Und da finden wir uns eben oft naturgemäß mit unseren unmittelbaren östlichen Nachbarstaaten im Einklang.

Es ist aber auch eine Aufgabe Österreichs, sich international für Ausgleich und fried­liche Entwicklung einzusetzen sowie zur Entspannung beizutragen, wo immer dies not­wendig erscheint. Dies gilt vor allem auch für den Nahen Osten, wo Österreich einen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 36

guten Ruf genießt, und es gilt, diesen auch zu nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Österreich kann eine Brücke zwischen Europa und dieser Region schlagen und so einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Bewältigung von Krisen leisten.

Sehr verehrte Frau Außenministerin! Eine schwierige und sehr schwerwiegende Ent­scheidung wird die Europäische Union im Dezember 2004 zu fällen haben: die Frage der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, zu der die freiheitliche Regie­rungsfraktion eine klare Meinung bezogen hat.

Ich freue mich aber auch besonders als Frau, dass das weibliche Team in dieser Regierung durch Ihre Bestellung verstärkt wird. Und ich sehe Ihre Bestellung auch als ein ganz wichtiges Signal, dass besondere Qualitäten von Frauen, die in der Politik unerlässlich sind – nämlich Teamfähigkeit, Ausdauer, Hartnäckigkeit und vor allem Dia­logfähigkeit –, auch im so wichtigen Außenamt eine entsprechende Fortsetzung nach Benita Ferrero-Waldner finden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Als Koalitionspartner in dieser Bundesregierung werden wir Sie in Ihrer sehr verantwortungsvollen Aufgabe unterstützen, weil wir davon ausgehen, dass Sie auch in kritischen und unterschiedlich zu sehenden Fragen beste gemeinsame Lösungen suchen, aber vor allem Lösungen suchen, die für Österreich und für die Bevölkerung Österreichs gut sind.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute, viel Erfolg, viel Ausdauer – und vor allem viel Anerkennung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Staatssekretärin Haubner reicht Bundesministerin Dr. Plassnik die Hand.)

11.09

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bayr zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.09

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Plenum! Liebe Frau Außenministerin! Die Medien der letzten Tage haben öfters die Diktion verwendet, dass Sie einer neuen Konzeption von österreichischer Außenpolitik Ihre Handschrift geben werden. Als Sozi­aldemokratin hoffe ich sehr, dass das von Ihnen zu schreibende Kapitel über Entwick­lungszusammenarbeit einerseits ein ausführliches, ein umfangreiches ist, und anderer­seits eines, das in eine politische Gesamtkonzeption eingebunden ist. Ich erinnere nur an unseren nächsten Tagesordnungspunkt bezüglich Asyl: Asylfragen und Entwick­lungsfragen sind untrennbar miteinander verbunden. Ich hoffe, dass die Entwicklungs­zusammenarbeit Tiefgang hat und dass dieses Kapitel mit Leidenschaft geschrieben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Vorgängerin und auch der Finanzminister haben ja auch mit Leidenschaft auf in­ternationalen Konferenzen sehr viele Zusagen finanzieller Natur gemacht, nur ist leider sehr wenig geschehen. Das betrifft sowohl den inhaltlichen Teil – wie zum Beispiel die Konferenz von Kairo 1994, bei der es um Bevölkerungsentwicklung gegangen ist – als auch strukturelle Festlegungen, wie, dass wir unser Entwicklungspolitik-Budget bis 2006 auf 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigern sollen.

Zu Letzterem hat das Außenministerium im Drei-Jahres-Programm für die Entwick­lungszusammenarbeit einen Fehlbetrag von 226 Millionen € festgestellt, und wenn man sich das Budget ... (Unruhe im Saal.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer (das Glockenzeichen gebend): Ich würde ersu­chen, dass sich der Geräuschpegel wieder etwas senkt! – Danke.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 37

Abgeordnete Petra Bayr (fortsetzend): Würde auch ich gut finden. – Wenn man sich das Budget 2005 anschaut, dann sieht man, dass im Bereich der bilateralen Entwick­lungszusammenarbeit gerade einmal 1,3 Millionen € dazukommen. Das heißt, dass Sie für das Jahr 2006 noch einen sehr großen Brocken vor sich haben, wo es darum geht, das Budget zu steigern.

Mittelfristig ist nach wie vor das Ziel der 0,7 Prozent erreichbar; ich bin sehr zuversicht­lich, dass Sie, anders als Ihre Vorgängerin, einen Etappenplan vorlegen werden, einen Plan, wie wir diese 0,7 Prozent erreichen, wie das im Übrigen auch einige andere Länder jetzt anlässlich der Herbsttagung der Weltbank gemacht haben.

Ich hoffe – und ich wünsche es uns, ich wünsche es Ihnen –, dass wir in der nächsten Zeit auch einen wichtigen Schritt in Richtung Kohärenz in der Entwicklungszusammen­arbeit gehen können. Es ist nicht einfach, da sehr unterschiedliche Agenden der Ent­wicklungspolitik auf die verschiedenen Ministerien verteilt sind. Ich hoffe, dass das bald ein Ende hat und dass Sie als Außenministerin in entwicklungsrelevanten Entscheidun­gen das letzte Wort haben. Das wäre qualitativ ein Riesensprung vorwärts.

Zu dieser kohärenten Entwicklungspolitik gehört natürlich auch eine starke, schlag­kräftige, gut ausgestattete Sektion VII im Außenministerium. Ich bin mir ganz sicher, dass alle Gerüchte, wonach diese Sektion in eine Gruppe überführt und der Politischen Sektion des Außenministeriums unterstellt werden soll, sicherlich nur Schall und Rauch sind.

Als Vorsitzende des Unterausschusses für Entwicklungszusammenarbeit würde ich mich natürlich sehr über eine engere Kooperation zwischen Außenamt und Parlament freuen. Ich hoffe, dass es in Zukunft einfacher wird, Unterausschuss-Termine zu ver­einbaren, und dass wir wirklich zu einem regelmäßigen entwicklungspolitischen Dis­kurs hier im Parlament kommen können.

Es gibt auch sonst noch eine ganze Menge Anknüpfungspunkte Ihrer Arbeit zum Parla­ment. Ich denke zum Beispiel nur daran, dass wir eine Abgeordnetengruppe, beste­hend aus Nationalräten, aus Bundesräten aller Fraktionen, hier im Hause haben, die sich mit der reproduktiven Gesundheit beschäftigt und wir uns als einen der nächsten wichtigen Schwerpunkte das Thema Frauenhandel gesetzt haben. Im Hinblick auf unsere Ostzusammenarbeit denke ich, dass sich da Moldawien ein bisschen als neues Schwerpunktland herauskristallisiert. Da wäre es ganz sicher wichtig, genau dort einzuhaken und dort präventiv tätig zu sein und diese wichtige Arbeit zu unterstützen, die zum Teil schon im Beginnen ist.

Während der EU-Präsidentschaft 2006 wäre es schön, wie wir das schon einmal im Haus hatten, eine Konferenz auf parlamentarischer Ebene zwischen der Europäischen Union und dem subsaharischen Afrika zu haben. Auch da wäre eine Kooperation mit dem Außenministerium zum Beispiel zum Thema Konfliktprävention sehr wünschens­wert.

Ich denke, dass es überhaupt politisch geboten wäre, sowohl außenpolitisch gesamt als auch entwicklungspolitisch einen Fokus auf Afrika zu legen, denn dieser Kontinent läuft Gefahr, vergessen und mit seinen Problemen allein gelassen zu werden. Afrika nimmt nur mehr mit 1,6 Prozent an der Weltwirtschaft teil, HIV und Aids geraten in manchen Ländern außer Kontrolle, und auch die Bildungsoffensiven beginnen zum Teil zu stocken.

Das alles zeigt, dass wir großen Handlungsbedarf haben, die Millennium Development Goals wirklich umzusetzen, also dass wir das, was die UNO für dieses Jahrtausend vorgibt, bis 2015 auch tatsächlich verwirklichen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 38

Sehr geehrte Frau Ministerin! Im Kampf um mehr Geld für Entwicklungszusammen­arbeit, um Kohärenz, um einen fruchtbaren Dialog zwischen Außenministerium und Parlament, beim Hinwenden zu Afrika haben Sie in uns SozialdemokratInnen sicher konstruktive Verbündete. Ich wünsche Ihnen auch für Ihre Arbeit viel Energie, Visio­nen – und auch Spaß, weil der ist, glaube ich, auch ganz wichtig. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.14

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Frau Abgeordnete: 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.15

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Frau Außenministerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regie­rungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich ganz kurz auf Frau Kollegin Lunacek eingehen. Wenn Sie die Attribute „sensibel“ und „gebildet“ sexistisch nennen, so kann ich dazu nur sagen: Ich finde, dass Herr Van der Bellen außerordent­lich sensibel und gebildet ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Neu­deck: Der ist sogar sexy!) Also, es gibt keinen Unterschied.

Das als Sexismus zu bezeichnen halte ich für sehr übertrieben. Jeder Mensch kann froh sein, wenn er als sensibel und gebildet bezeichnet wird und es auch ist, egal ob Mann oder Frau. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben heute Gelegenheit, über eine neue Bundesministerin zu sprechen, über ihr Amt, über ihr Amtsverständnis und über eine neue Außenpolitik. Wenn ein Regierungs­mitglied vorgestellt wird, wird in erster Linie die Person beleuchtet. Und Ursula Plassnik bringt als Person die besten Voraussetzungen für eine gute, eine erfolgreiche Außen­ministerin mit.

Zum einen – das war überall zu lesen – ist der einhellige Tenor, der nicht sexistische Tenor, dass sie beruflich hervorragend qualifiziert ist. Sie bringt alle Voraussetzungen mit, aber, und das ist sehr wichtig: Sie ist auch von ihrer Persönlichkeit her sehr geeig­net, als Außenministerin sehr erfolgreich zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Sehr oft zu beobachten, dass die Art der Persönlichkeit, die Art, wie man an Dinge herangeht, entscheidend ist, um in einem Amt zu überzeugen. Ursula Plassnik hat sehr viele positive Attribute, die auch schon genannt worden sind: Sie hat eine schnelle Auf­fassungsgabe, ist dynamisch und gebildet, sie hat – und das ist für Erfolg notwendig – darüber hinaus diese berühmten weichen Erfolgsfaktoren: Sie ist sensibel für die An­liegen anderer, sie kann zuhören. Sie entscheidet aber auch und kann Dinge durch­setzen.

Das sind Eigenheiten, die eine erfolgreiche Politikerin auszeichnen, aber das sind Eigenheiten – und das ist wahrscheinlich für uns auch besonders bedeutend –, die wichtig sind, um Österreich in der Außenpolitik gut zu vertreten. Das wird ihr, und da­von bin überzeugt, hervorragend gelingen.

Sie hat heute in ihrer programmatischen Rede ihre Positionierungen in der Außenpoli­tik klar dargelegt und die Wichtigkeit einer starken gemeinsamen Basis in der Außen­politik besonders hervorgehoben. Sie hat gezeigt, dass ihr die Nachbarschaftspolitik und die Europapolitik ein besonderes Anliegen sind. Österreich hat da auch schon viele Erfolge aufzuweisen, muss aber in diesem Bereich noch weiter tätig sein.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist es, die Nachbarschaftspolitik zum Leben zu er­wecken und weiterzuentwickeln. Sie hat heute den Blick für die globalen Probleme geöffnet und ihren Zugang dazu dargestellt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 39

Seitens der Opposition ist heute ein wirklich großer Vertrauensvorschuss gekommen. Dies ist ein sehr positives Signal und sehr bemerkenswert. Ich möchte dazu aber auch sagen: Ein Vertrauensvorschuss ist gut! Aber dass ein Vertrauensvorschuss allein die Herausforderung für die neue Außenministerin sein soll, das ist zu wenig! Das ist keine Einbahnstraße. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es muss auf der anderen Seite auch ein Entgegenkommen der Opposition gegeben sein und das Wollen, die ausgestreckte Hand der Außenministerin – wie sie es heute hier betont hat – anzunehmen.

Es kommen große Aufgaben auf sie zu, die sie hervorragend erledigen wird. Sie wird sich nach einiger Zeit in ihrer neuen Rolle sehr wohl fühlen – davon bin ich überzeugt! Ich wünsche ihr persönlich alles Gute! Irgendwo haben wir ja eine ähnliche, eine ge­meinsame Vorgeschichte. Ich freue mich, dass sie das Amt der Außenministerin ange­nommen hat. Es wird ihr zwar nicht ganz leicht gefallen sein, aber sie ist eine wirklich gute Wahl für Österreich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.19

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Dr. Glawischnig. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.20

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Hohes Haus! Es ist dies schon eine ganz andere Regierungsumbildung als sonst immer, aber das ist ja auch nicht unlogisch, denn bis jetzt haben wir die Regierungsumbildungen und die da­zu abgegebenen Erklärungen immer so erlebt, dass irgendetwas in der Freiheitlichen Partei passiert ist, dann sind irgendwelche Türschilder hin und her verschoben worden, und dann ist das Parlament sozusagen mit einer Darstellung, wie toll und großartig die Regierungsarbeit ist, konfrontiert worden. (Abg. Neudeck: Das hat eh der Van der Bellen schon gesagt!) Es war also bisher immer ganz anders, als es heute ist, und das ist auch nicht unlogisch. (Abg. Neudeck: Habt ihr eine Rede für alle, oder wie ist das?)

Was das FPÖ-Postenkarussell betrifft, so kann ich mich, wenn ich zurückdenke, eigentlich an keinen einzigen FPÖ-Minister erinnern, der schon seit dem Jahr 2000 dabei ist. Ich glaube, da irre ich mich nicht, oder? – Nein, ich glaube, da irre ich mich nicht.

In diesem Sinne ist es heute also etwas anderes. Ich persönlich freue mich sehr für Sie, Frau Außenministerin, und ich darf das auch als gebürtige Oberkärntnerin zu einer gebürtigen Oberkärntnerin sagen. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich, und ich wünsche Ihnen auch alles Gute.

Allerdings dürfen wir heute nicht ganz die Regierungsarbeit und das, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, außer Acht lassen oder aus den Augen verlieren, denn allein die letzte Woche hat gezeigt, mit welchem Schlingerkurs die schwarz-blaue Bundesregierung im Moment wieder unterwegs ist. Allein die Aufhebung von zwei Ge­setzen durch den Verfassungsgerichtshof (Abg. Scheibner: Das ist immer noch nichts Außenpolitisches!), nämlich betreffend Asylrecht und Zivildienst, zeugt von einem sehr, sehr lockeren Umgang mit der österreichischen Bundesverfassung, von einem Organi­sationschaos und auch von einem sehr legeren Umgang mit internationalem Recht, mit der Menschenrechtskonvention, mit der Genfer Flüchtlingskonvention.

Was mich im Moment aber besonders bewegt und berührt, ist, dass sich jetzt zu dieser Stunde Tausende junge Menschen vor der Universität versammeln, um gemeinsam hierher zu ziehen, um gemeinsam zu protestieren gegen die Sparmaßnahmen an den Universitäten und gegen eine Sparpolitik in einem der wichtigsten Zukunftsbereiche,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 40

die es gibt, nämlich im Bildungsbereich, im Forschungsbereich, an den Universitäten und an den Pflichtschulen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bitte Sie, diese Tausenden jungen Menschen als Bundesregierung auch ernst zu nehmen (Abg. Neudeck: ... Außenpolitik?) und die dramatische Situation an den Uni­versitäten auch als solche anzuerkennen und dagegen etwas zu unternehmen.

Wenn Finanzminister Grasser sagt, die Universitäten sollen sich durch mehr Effizienz den Spielraum selbst erarbeiten, dann frage ich mich wirklich, wo er seinen Magister­titel herhat, denn wenn jemand so etwas sagt, dann hat er schon sehr, sehr lange keine Universität mehr von innen gesehen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Mittlerweile ist es so, dass Studierende in Seminare nicht mehr hineinkommen, aber trotzdem Studiengebühren zahlen müssen, dass man davon sprechen kann, dass eigentlich die Freiheit der Wissenschaft und der Forschung gefährdet ist.

Es gibt viele Aussagen von Vertretern einzelner Institute, die sagen, dass es unter dem derzeitigen Sparzwang unmöglich ist, auch nur den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten – von der Forschung ganz zu schweigen. Das ist eine so ernste Situation, dass man das nicht einfach damit wegwischen kann, dass man sagt: Die sollen eben bei sich selbst sparen und sich ihre Spielräume durch Effizienz irgendwie weiter erwirtschaften! – Das ist zynisch, und das können wir auch nicht akzeptieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Von einem angeblichen Schwerpunkt im Bereich Forschung, Entwicklung und Universi­täten ist im Budget absolut nichts zu finden, im Gegenteil: Wir sind mit dem derzeitigen Finanzierungsstand beim Unibudget auf dem Stand des Jahres 1999. (Abg. Steibl: Frau Kollegin, haben Sie das Thema verfehlt?)

Vor diesem Hintergrund mittlerweile noch davon zu sprechen, dass man Elite-Unis braucht, ist wahrlich eine völlige Verkennung der politischen Notwendigkeiten!

Herr Bundeskanzler – gut, dass Sie heute auch hier sind! –, ich bitte Sie, den Finanz­minister in dieser Frage an die Kandare zu nehmen. Es geht nicht an, dass im Bereich Forschung, Entwicklung, Universitäten und Schulen so vorgegangen wird. Hier nur eine Zahl: 1 500 bis 2 000 Pflichtschullehrer weniger! – Das kann nicht Ihr Ernst sein! Das kann nicht Ihre Antwort darauf sein (Abg. Dr. Brinek: ...! Wien hat das verhan­delt!), dass Österreich in diesem Bereich den Anschluss an die europäische und vor allem auch an die internationale nicht einmal mehr Spitze, sondern an das Mittelfeld verlieren wird. (Beifall bei den Grünen.)

Was auch nicht geht, ist, dass man dann von einem Topf in den anderen verschiebt, wenn beide Töpfe de facto nichts mehr haben, nämlich dass man jetzt einfach hergeht und sozusagen als Notmaßnahme Mittel aus dem Forschungsbereich in die Universi­täten hineinsteckt. Das bedeutet de facto, einen Mangel zum nächsten hinüberzuschie­ben, und löst die Misere nicht – im Gegenteil.

Ein drittes Thema wollte ich noch kurz anschneiden, weil es im Moment auch sehr viele Leute bewegt und diesen Schlingerkurs der Bundesregierung in der letzten Woche noch einmal eindrucksvoll bestätigt hat:

Wenn Sie heute die Zeitungen aufschlagen, dann lesen Sie: 1 500 ÖBB-Mitarbeiter sollen zwangspensioniert werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: 15 000!) – Wenn das Ihre Antwort darauf ist, dass man bei den ÖBB eine ordentliche Umstrukturierung braucht, dann gute Nacht! Das kann es wohl wirklich nicht sein, dass man Menschen mit, ich weiß nicht, 50, 53, 54 Jahren zwangspensioniert (Ruf bei der SPÖ: Mit 45! – Abg. Par­nigoni: Mit 47!) – mit 45 oder 47 sogar, Entschuldigung! – und so versucht, das Unter-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 41

nehmen in irgendeiner Form in einen Wettbewerb hineinzuführen, der für die öffent­liche Verkehrsversorgung extrem wichtig ist. Wenn das Ihre Antwort ist, dann weiß ich nicht, wann wir die nächste Regierungsumbildung haben werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.25

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeord­netem Dipl.-Ing. Scheuch das Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.25

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Dr. Glawischnig ist heute das zweite Mal, seit ich hier als Parlamentarier tätig bin, als Kärntnerin aufgefallen. Es war heute das erste Mal, dass Sie sich als – wie Sie selbst gesagt haben – „geborene Kärntnerin“ freuen, dass eine Kärntnerin Ministerin wurde. Es besteht also eine Assoziation mit positiv wirkenden, erfolgreichen Kärntnern.

Das zweite Mal, dass Sie bis jetzt Kärntnerin waren, war bei einer Wählertäuschung, als Sie sich im Zuge der Landtagswahl kurzfristig nach Kärnten gewählt beziehungs­weise gemeldet haben, um damit vorzuführen, Sie würden wählbar sein. In Wirklichkeit leben Sie seit Jahren in Wien und sind auch auf der Wiener Liste gewählt! – Sie sollten also hier die Kirche im Dorf lassen. (Abg. Dr. Glawischnig: Der Kärntner Landeshaupt­mann ist Oberösterreicher! – Abg. Öllinger: Oberösterreicher Haider! Oberösterreicher Haider! Goiserer! – Das hätten Sie nicht sagen sollen! – Ruf bei den Freiheitlichen: Aber er wohnt herinnen!)

Insgesamt möchte ich, was Ihren Redebeitrag betrifft, einfach darum bitten, dass ihr euch vielleicht nächstes Mal im Klub ein bisschen besser absprecht. Vielleicht darf der Herr Klubobmann Van der Bellen Sie dazu anregen, dann zur Bildungspolitik zu spre­chen, wenn es passt, und nicht dann, wenn es um die Außenpolitik oder um eine Regierungsumbildung geht, so wie es heute der Fall ist.

In diesem Sinne, meine geschätzten Damen und Herren, möchte ich als nicht nur gebürtiger, sondern auch lebender Kärntner (Heiterkeit des Abg. Öllinger) der neuen Außenministerin zu ihrem Amt gratulieren. Es beweist, dass Kärntner anscheinend sehr gut Verantwortung übernehmen können, denn wenn vier von elf Ministern aus Kärnten stammen, so zeigt das, dass Kärnten eine hohe Qualität an Politikern hat. (Abg. Öllinger: ... dass die FPÖ einen Personalnotstand hat!) Und um auch auf die Vorbehalte der Grünen entsprechend Bedacht zu nehmen: Es sind zwei Frauen und zwei Männer – wir haben also auch die Quotenregelung eingehalten!

Über die Qualifikation der Außenministerin wurde vieles gesagt. Ich glaube, es ist nicht nötig, hier noch zusätzlich darüber zu diskutieren. Die Freiheitlichen haben ihr ihre Un­terstützung zugesagt. Wir werden diese Unterstützung, wann immer es nötig ist, auch geben. Sollte es einmal der einen oder anderen Unterstützung speziell vielleicht im Bereich der arabischen Außenpolitik bedürfen, so haben wir da auch Vertreter mit sehr fundierten Kenntnissen innerhalb unserer Fraktion, die dafür sorgen können, dass das funktioniert.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte heute auch noch einmal kurz zu zwei ehemaligen politischen Größen Stellung nehmen. Einer wird sehr bald für die Zukunft aus seiner Funktion ausscheiden, und Frau Ferrero-Waldner wird nach Brüssel übersiedeln. Es wurde heute hier über beide sehr viel Lob geäußert. Bei der ehemali­gen Außenministerin und künftigen EU-Kommissarin kann ich mich dem Lob größten­teils anschließen, verbinde das aber natürlich auch mit der Hoffnung und der Erwar­tung, dass die Botschaft Österreichs in Zukunft noch stärker nach Brüssel getragen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 42

wird, dass ein Lobbying von Seiten Österreichs in Brüssel noch vermehrt erfolgt, dass wir noch mehr davon ausgehen können, dass Österreich in Brüssel gut vertreten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was den Kommissar Fischler – bald ehemaligen Kommissar Fischler – betrifft, so teile ich dieses Lob, das von Seiten der ÖVP gekommen ist, nicht so ganz. (Abg. Dr. Van der Bellen: Wir schon!) Ich teile auch nicht die Meinung des Bundeskanzlers, dass Kommissar Fischler so besonders gute Agrarpolitik gemacht hat, denn wir haben in den letzten zehn Jahren schon sehr oft gesehen, dass Reformen im Agrarbereich nicht unbedingt dazu geführt haben, dass die Bauern voll Hoffnung in die Zukunft geblickt haben, sondern es sind sehr viele Betriebe zum Zusperren gezwungen worden.

Es ist hier sehr oft eine Problematik entstanden, weil es einfach wichtig gewesen wäre – und das ist die Erwartungshaltung, die wir Freiheitliche oder auch die freiheit­lichen Bauern hatten –, auf die heimische Landwirtschaft zu schauen, nicht nur den Blick auf die gesamteuropäische Landwirtschaft zu richten, sondern ganz im Speziellen darauf zu schauen, dass unsere bäuerlichen Familienbetriebe erhalten bleiben (Abg. Dr. Glawischnig: Ist das jetzt Außenpolitik?), dass die bäuerlichen Familienbetriebe des Alpenraums eine Chance haben und nicht nur die Agrarfabriken im ehemaligen Osten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die zweite Sache, die mir ein bisschen abgegangen ist, auch hier im Hohen Haus, ist die Präsenz unserer Vertreter in Europa. Ich halte es für enorm wichtig – und ich glau­be auch, dass das für die Zukunft ein ganz besonderes Anliegen sein wird –, dass wir mehr Möglichkeiten haben, hier im Parlament mit unseren höchstrangigen Vertretern in den Gremien in Brüssel, in Straßburg oder wo auch immer zu reden, zu diskutieren, zu sprechen, dass wir auch eine Chance bekommen, hier im Parlament Diskussionen zu führen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Auch wenn ich weiß, dass das auf Grund der Rahmenbedingungen momentan nicht ganz leicht möglich ist, auch wenn die Ge­schäftsordnung hier anderes vorsieht, so glaube ich, dass es einfach wichtig ist – und deshalb bin ich auch sehr froh, dass gerade die Freiheitlich diesbezüglich in Zukunft Initiativen, sei es im Konvent oder auch woanders, setzen werden –, dass wir hier mehr und kontroversiell mit unseren Repräsentanten in Brüssel diskutieren können, dass wir hier von Seiten der Regierung, aber auch von Seiten der Opposition Fragen stellen können, diskutieren können und damit auch qualitativ zu einem besseren Verständnis von Österreich und Brüssel beitragen können, denn das Wahlergebnis der letzten Europa-Wahlen hat gezeigt, dass in diesem Bereich auf Seiten der Bevölkerung – und das zu Recht – Verdrossenheit herrscht. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Molterer.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch einmal kurz zur Türkei-Frage Stellung nehmen. Klubobmann Scheibner und Kollege Bösch haben die freiheitliche Linie hier klar dargelegt. Wir sind die einzige Partei, die einen bestehenden Vorstandsbeschluss hat, der einen Beitritt der Türkei im Sinne eines Vollbeitritts ganz klar ablehnt. Wir lehnen auch die Beitrittsverhandlungen – die einen Beitritt als logische Konsequenz haben – ab.

Ich möchte daher auch an den Bundeskanzler noch einmal verstärkt die Bitte richten – weil er hier hinter mir auf der Regierungsbank sitzt, möchte ich das live und vor Ort machen (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen – Abg. Parnigoni: Was machen Sie dann im Hauptausschuss?) –, diese Verhandlungen so zu führen, dass es nicht zu einer Vollmitgliedschaft kommt, dass es nicht dazu kommt, dass wir zwingend in zeitlicher Hast verhandeln und mit Eile vorgehen, sondern dass wir sehr wohl beden­ken sollten, dass die Interessen Österreichs und damit jene Europas im Vordergrund


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 43

zu stehen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das wird ein auf­regender Hauptausschuss!)

11.31

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


11.31

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Das Kosensklima wird von der brutalen Wirklichkeit eingeholt. Zu Recht muss man auch erwähnen, dass man hier nicht nur über Außenpolitik diskutieren kann, sondern auch darauf hinweisen muss, dass es heute Studentendemonstrationen gibt: gegen das Aushungern der Uni­versitäten, gegen die Nichtbereitstellung von 100 Millionen €, die dringend erforderlich wären, damit auch nur das Notwendigste abgedeckt werden kann. Die österreichischen Universitäten werden ausgehungert!

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es angeblich Pläne gibt, 15 000 ÖBBler abzu­bauen, die ÖBB zu zerschlagen. – Das ist die Wirklichkeit, vor der wir uns heute befin­den! Wir sollten uns also von diesem Konsensklima nicht täuschen lassen: Es schaut ganz anders aus in Österreich, und das sollte man in aller Deutlichkeit feststellen. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Dabei geht es natürlich auch um den Wirtschaftsstandort Österreich, um die Wirtschaft, um die Beschäftigung und darum, dass möglichst viel unternommen wird, damit es zu einer neuen Wachstumsinitiative kommen kann.

Nun aber zur Außenpolitik. Frau Außenministerin! Ich verstehe, dass Sie natürlich in einer ersten Stellungnahme heute nicht im Detail all Ihre Pläne offen legen wollen oder können, aber ich glaube, dass Ihre Zeit natürlich knapp werden wird, denn es wird am 17. Dezember den Rat der Regierungschefs geben, es wird die Frage der Erweiterung und vor allem die Frage der Aufnahme allfälliger Beitrittsverhandlungen mit der Türkei anstehen.

Es geht dabei in Wirklichkeit um eine Grundsatzfrage, die wir alle miteinander zu be­antworten haben, nämlich: Soll die Europäische Union auch eine Sozialunion, auch ein politisches Projekt sein, mit dem die Europäische Union in diesem Spannungsfeld der Globalisierung, der Bedrohung der Arbeitswelten, der Bedrohung von Standorten, der Bedrohung von sozialen Errungenschaften Widerstand leisten kann und ein kräftiger Partner ist, wo die Europäische Union sagt: Jawohl, wir wollen, dass es wirtschaftlich weitergeht! Wir wollen, dass es Frieden gibt, wir wollen, dass wir ein starker politischer Partner auf weltweiter Ebene sind!, wo die Europäische Union aber auch so etwas wie ein Schutzfaktor für die vielen sein kann, denen Pensionen und gesundheitliche Vor­sorge wichtig sind, wo die Europäische Union auf Grund ihrer Stärke dafür sorgen kann, dass vieles, was wir hier in Österreich seit Jahren und Jahrzehnten erkämpft haben, auch durch die Europäische Union als Sozialunion abgesichert wird?

Das ist die Frage, die Grund dafür ist, dass wir so sehr darauf drängen, dass Konsoli­dierung vor Erweiterung gehen muss! Das trifft alle Kandidaten, wie Rumänien, Bulga­rien, Kroatien und natürlich auch die Türkei, und es ist dabei nicht primär eine Diskus­sion darüber zu führen, ob der eine schon jetzt oder früher oder ein Jahr später dafür in Betracht kommt, ob es 20 oder 15 Jahre sein sollen – das ist sicherlich auch sehr wichtig –, sondern es muss auch geklärt sein, welches Projekt die Europäische Union ist!

Daher ist es so wichtig, dass die Verfassung endlich beschlossen wird! Daher ist es so wichtig, dass wir alle dafür eintreten, dass sich die Europäische Union und dass uns wir alle eine Verfassung, eine Ordnung, eine Regulierung geben! Das ist eine der we-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 44

sentlichen Voraussetzungen dafür. Daher ist es auch so wichtig, dass die Europäische Union nicht nur ein wirtschaftsliberales Modell ist, so unter dem Motto: Möglichst rasch möglichst viel erweitern, möglichst wenig regulieren, möglichst Sozialabbau, möglichst niedrigere Löhne! – und damit all das, was Generationen in der Tradition des europäi­schen Sozialstaates erkämpft haben, in Frage gestellt wird.

Deswegen sind wir Sozialdemokraten der Meinung, dass es klüger wäre (Abg. Dr. Fek­ter: Aber sie sind nicht dieser Meinung!), wenn am 17. Dezember versucht würde, einen Verhandlungsprozess – selbstverständlich! – mit der Türkei einzugehen, aber in Richtung eines alternativen Modells, und dass man darüber hinaus über Nachbar­schaftsmodelle nachdenkt, die auch andere Länder betreffen, weil wir daran denken müssen, dass diese Europäische Union – Sie haben gesagt: Seite an Seite mit den Amerikanern – ja, aber als starker Partner, als Partner, der auf Grund seiner wirtschaft­lichen Stärke, seiner sozialen Traditionen, seiner politischen Stärke akzeptiert wird! – nach Möglichkeit auch einheitlich aufzutreten versuchen soll.

Dafür plädieren wir, darum werben wir, und das ist, glaube ich, auch eine ganz wesent­liche Voraussetzung dafür, dass man das Vertrauen der Bevölkerung gewinnt, das Vertrauen all jener, die Skepsis gegen die Europäische Union entwickelt und Kritik ihr gegenüber angebracht haben. Dieses Vertrauen wird man aber nicht gewinnen kön­nen, wenn man nur sagt: Ja, ja, wir verstehen schon deine Ängste – wie Sie, Frau Außenministerin, betont haben –, wir verstehen das schon alles!, aber den Weg trotz­dem fortsetzt.

Sie müssen wissen: Das hat keinen offenen Ausgang! Wenn sich am 17. Dezember die Regierungschefs treffen, dann ist das ein Verhandlungsprozess in Richtung Beitritt. Nach den Finanzierungs- und Budgetplänen der EU soll das spätestens in zehn Jahren abgeschlossen sein.

Sie müssen daher der Bevölkerung offen und ehrlich gegenübertreten und ihr reinen Wein einschenken! – Um darum, und um nicht mehr, geht es: dass diese Europäische Union auch ein politisches Projekt, auch eine soziale Union sein soll – also weit mehr also als das, was sich wirtschaftsliberale Kreis vorstellen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

11.36

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeord­netem Dr. Fasslabend das Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.36

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ins­besondere sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren, wir kommen gegen das Ende dieser Debatte. Ich möchte daher nicht alle Argumente, die schon ge­bracht wurden, wiederholen, sondern mich insbesondere mit der heutigen Präsentation der neuen Außenministerin auseinander setzen, ein wenig auch mit dem Verlauf der Diskussion in der bisherigen Form.

Ich glaube, es war eigentlich von allen anerkannt, dass die Bestellung der neuen Außenministerin auch eine Gelegenheit ist, um eines der wichtigsten Prinzipien in der Politik, nämlich möglichst zu einem Konsens in der Außenpolitik und zu einer gemein­samen Vorgangsweise zu gelangen, auch sichtbar werden zu lassen. Das haben in meinen Augen eigentlich alle Redner in unterschiedlicher Form und mit ihren persön­lichen Ausdrucksmitteln versucht.

Enttäuscht war ich lediglich von der letzten Rede, nämlich jener des Kollegen Cap, der hier meiner Ansicht nach einfach versucht hat, in einer Stunde, die der Außenpolitik ge-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 45

widmet ist, billige Parteipropaganda in billiger Fernsehzeit durchzubringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Cap, ich kann nur sagen: Wenn Sie sich ein Beispiel an Peter Schieder oder auch an Ihrem Parteivorsitzenden Gusenbauer genommen hätten, dann wäre das sicherlich ein größerer Dienst an der Demokratie gewesen.

Was die Bestellung der neuen Außenministerin betrifft, so möchte ich ihr auch von dieser Stelle aus ganz herzlich gratulieren. Ich glaube, dass es ein Glücksfall war, dass diese Person mit dieser Funktion betraut wurde. Ich gratuliere daher auch dem Herrn Bundeskanzler dazu.

Es hat Herr Abgeordneter Bösch vollkommen richtig festgestellt, dass die heutige Funktion eines Außenministers von Österreich eine ganz andere ist als jene vor 15 oder 20 Jahren. Durch den Beitritt zur EU vereint diese Funktion heute die Funktion des Außenministers mit jener des Europaministers. Sie, Frau Außenministerin Plass­nik, haben für beide Funktionen auf Grund Ihres Berufsweges geradezu die idealen Voraussetzungen. Sie sind eine gelernte Diplomatin, die alle Stadien bis zur Botschaf­terin durchlaufen hat, und Sie waren auf der anderen Seite als Kabinettchefin des Bundeskanzlers auch im Zentrum des politischen Geschehens, was für Europa von ungeheuer großer Bedeutung ist, wo alle Zusammenhänge sichtbar geworden sind.

Ich glaube daher, dass Sie nicht nur mit diesen Eigenschaften, sondern auch mit der bereits angesprochenen Hartnäckigkeit und Durchsetzungsfähigkeit für Österreich sehr viel leisten können und leisten werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Sie sich in Ihrem ersten Satz bereits mit dem Hinweis, was es für ein Land bedeutet, wenn es nicht Mitglied der EU ist – Ihre ganz persönliche Erfahrung, die Sie in der Schweiz gemacht haben –, auch als ganz überzeugte Europäerin ausgewiesen und das auch mit anderen Worten und in anderen Relationen zum Ausdruck gebracht haben.

Was mich begeistert hat, war nicht nur, dass Sie inhaltlich einen Schwerpunkt auf die neue Nachbarschaftspolitik gesetzt haben, sondern dass Sie gleichzeitig auch bewusst gemacht haben, dass der Friede zu Hause und bei den Nachbarn beginnt. Ein ganz klares Wort zu diesem Friedensprozess, wozu auch Österreich einen Beitrag leisten kann.

Sie, Frau Bundesministerin, haben gleichzeitig auch klargemacht, dass sich die Posi­tion Österreichs danach richten wird und davon abhängig sein wird, welchen Beitrag wir in Europa leisten. Und das finde ich absolut richtig. Wir sollen nicht immer nur von den anderen erwarten, dass sie uns entgegenkommen, sondern wir müssen uns fra­gen, was wir tun können.

Sie, Frau Außenministerin, haben meiner Überzeugung nach in einmaliger Weise und mehr als jeder andere Diskussionsteilnehmer auch das Verhältnis zwischen den USA und Europa beleuchtet. Und ich halte das für entscheidend: Wenn wir an Weltpolitik denken, dann müssen wir uns selbstverständlich mit den USA auseinandersetzen, dann müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, wie die Relation zwischen Europa – auch eines kleinen Landes – und den USA sein soll, nicht nur einseitig und, weil es vielleicht opportun ist, jetzt auf Distanz gehen, sondern wir müssen auch die ganz besonders wichtige Rolle, die Europa und die USA in der Zukunft gemeinsam für Frieden, Freiheit, Umwelt und Sicherheit spielen können, entsprechend hervorheben und uns damit auseinandersetzen.

Sie, Frau Minister Plassnik, haben am Schluss Ihrer Rede nicht nur auf Ihre persön­liche Offenheit für die Problemstellungen hingewiesen: Mir hat besonders gut gefallen, wie Sie, was die Türkei-Frage betrifft, auch Probleme angesprochen haben, aber auch


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 46

Notwendigkeiten, nämlich dass wir auch sehen, wie bedeutend es ist, dass wir eine ganz intensive Partnerschaft mit diesem ungeheuer wichtigen Land eingehen. Ich gra­tuliere Ihnen dazu, auch zu dieser Offenheit! Diese wird notwendig sein.

Mich hat begeistert, dass Sie letztendlich in Ihrem letzten Satz mit der Erwähnung von Egon Matzner ein ganz klares Zeichen gegeben haben. Es geht Ihnen nicht nur um den Satz, sondern es geht Ihnen auch darum, zu zeigen, dass die Einstellung wichtig ist, dass die Haltung wichtig ist, dass es entscheidend ist, dass wir auch über die Gren­zen der Partei hinwegsehen, dass wir eine Politik, eine gemeinsame Außenpolitik für ganz Österreich, für die Österreicherinnen und Österreicher machen. Ich gratuliere Ihnen dazu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.42

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Redezeit: ebenfalls 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.42

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich teile den Respekt, den Ihnen die Abgeordneten dieses Hauses mit ihren Beiträgen und mit ihrem Applaus entgegengebracht haben, aber: Ich habe mir möglicherweise noch ein bisschen mehr erwartet (Abg. Steibl: Unausgeschlafen!), nämlich einen klaren Hinweis darauf – und das ist eine Anregung für die Zukunft –, wie nach Frau Ferrero-Waldner ein nicht nur seriöser, sondern auch engagierter Neube­ginn der österreichischen Außenpolitik aussehen, wie eine neue Rolle Österreichs aus­schauen kann. In den letzten Jahren hatte Österreich keine klare außenpolitische Rolle. Darin liegt nun eine Riesenchance. (Abg. Dr. Spindelegger: Das sagen Sie?)

In den nächsten beiden Jahren – und ich hätte mir erwartet, dass das von Ihnen etwas deutlicher angesprochen wird – kommt in unserer Nachbarschaft einiges auf uns zu. Im nächsten Jahr läuft die Sicherheitsratsresolution im Kosovo aus. Niemand weiß, was dort passiert. Alle, die sich nicht nur mit Nachbarschaftspolitik, sondern auch mit inter­nationalen Fragen beschäftigen, wissen, dass man rechtzeitig etwas tun muss, damit dort nicht wieder dasselbe passiert. Das Jahr darauf wird es eine Volksabstimmung über die mögliche Lostrennung Montenegros vom serbischen Staatsverband geben. Frau Bundesminister, Sie wissen das genauso gut wie ich. Ich rege nur an, dass sich im Gegensatz zu Kroatien, im Gegensatz zu Bosnien-Herzegowina die österreichische Außenpolitik diesmal auf eine ganz andere Art und Weise rechtzeitig vorbereitet und eine völlig andere Rolle spielt. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist eine österreichische Chance. Aber das ist keine Frage, die Österreich allein lösen kann, sondern das ist eine europäische Frage. Mit Ihrem klaren Bekenntnis zur europäischen Politik könnten Sie heute auch eines im Namen der Republik Österreich feststellen, nämlich dass die Europäische Union heute bereits in der Lage ist, die Ver­antwortung für die Sicherheit und die Stabilität in Südosteuropa selbst zu übernehmen.

Wir wissen, dass das geht. Wir wissen, dass Europa die Ressourcen dazu hat. Wir wis­sen, dass Europa die Möglichkeiten dazu hat. Und wir wissen, dass nur eines fehlt: der gemeinsame außenpolitische Wille, die gemeinsame außenpolitische Initiative. Und das wäre eine Königsrolle für die österreichische Außenpolitik, an diesen beiden Kon­fliktfällen in Wien, in Brüssel und in Südosteuropa genau das zu beginnen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben in der Entwicklung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik derzeit ein großes Problem: dass sich die Militärs scheinbar leicht auf alles mögliche einigen, dass militärische Einheiten wie Battlegroups eine nach der anderen aufgestellt werden, dass sich eine strukturierte Zusammenarbeit in einem militärischen Kerneuropa abzu-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 47

zeichnen beginnt und dass eine Außenpolitik, die ja die Basis der Sicherheitspolitik sein müsste, nach wie vor durch das Einstimmigkeitsprinzip in Brüssel, in der euro­päischen Verfassung letzten Endes behindert und geknebelt ist.

Es wäre die Aufgabe einer europäischen österreichischen Außenpolitik, Verbündete zu suchen, um die Verfassung in diesem entscheidenden Punkt zu verbessern – und nicht immer darüber nachzudenken, wer von Österreich in Brüssel etwas für Österreich tun kann, sondern darüber, wer in Wien in Brüssel und auch sonst überall endlich etwas für Europa tun kann. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist die Frage, die Sie von der ÖVP Ihrem freiheitlichen Koalitionspartner, der das auch heute wieder ganz deutlich anders gesehen hat als Sie, ins kleine blaue Stamm­buch schreiben sollten.

Wir bieten Ihnen an, eine europäische Politik dieses Zuschnitts zu unterstützen, eine Politik, die sagt: Zuerst kommt friedliche Außenpolitik, zuerst kommt Prävention, und dann kommen eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik und eine Nachbar­schaftspolitik, die sich nicht wie in der Vergangenheit darauf beschränkt, Freundschaf­ten zu pflegen, sondern versucht, rechtzeitig dort präsent zu sein und gemeinsam fried­lich einzuwirken, wo man Konflikte und blutige Auseinandersetzungen noch verhindern kann.

Ich weiß, dass Sie durchaus bereit sind, das zu tun. Wenn Sie das machen und wenn Sie europäische Initiative in diese Richtung unterstützen, dann werden Sie sicherlich auch unsere Hilfe haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.48

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Witt­auer. Redezeit: wiederum 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.48

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Kanzler! Frau Außenminister! Werte Regierungsmitglieder! Meine Damen und Herren! Herr Abgeord­neter Pilz, wer kann in Österreich, in Wien etwas für Europa tun? – Das ist Ihre Politik.

Unsere freiheitliche Politik ist: Wer kann für Österreich etwas in Europa tun? Diesbe­züglich unterscheiden wir uns zutiefst.

Wenn Abgeordneter Pilz die Frau Außenministerin lobt, dann endet das – wie bei jedem Lob von den Grünen – immer mit einem Aber. Ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher sollten wissen, ein Aber bedeutet immer etwas Negatives. Also ist die Rede schon falsch angelegt.

Liebe Frau Außenministerin! Ihre gestrige Aussage in der „ZiB 2“ – ich zitiere –: Ich bin zuerst Kärntnerin, dann Österreicherin und am Ende Europäerin!, macht Sie für mich abgesehen von Ihrer Qualifikation, die unbestritten ist, äußerst sympathisch.

In Konflikten helfen, vermitteln, ausgleichen war immer eine Stärke der österreichi­schen Außenpolitik. Mit Ihrer Nominierung zur Außenministerin wird diese außerge­wöhnliche Stärke weitergeführt. Die Herausforderungen der Zukunft: Erweiterung der EU, gerade in Bezug auf die Türkei, die Etablierung einer europäischen Verfassung, Frieden schaffende, Frieden bewahrende Maßnahmen in krisengeschüttelten Regio­nen sind nur einige von vielen zu erwähnenden Punkten.

Voraussichtlich wird es mit der Aufnahme von Rumänien, Bulgarien, Kroatien 2007 in die EU nicht einfacher für uns alle. Aber viele österreichische Unternehmen, vor allem österreichische Banken, investieren dort bereits sehr stark, um mitzuhelfen, dass die Voraussetzungen gegeben sind, wenn diese Länder in die EU aufgenommen werden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 48

Dort ist Österreich sehr stark am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt. Wir kennen auch die Zahlen. Und um diesen Erfolg weiterhin zu gewährleisten, braucht es auch gute zwischenstaatliche Beziehungen. Das wird vor allem auch Ihre Aufgabe sein, Frau Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte auch zu den Aussagen des Klubobmannes Van der Bellen, dass die Dis­tanz unserer Bürgerinnen und Bürger zu Europa, zu Brüssel vor allem auf eine fehler­hafte und unzureichende Vermittlung unserer Bundesregierung zurückzuführen sei, etwas sagen: Das ist falsch! Die Distanz kommt deshalb: zu viel Bürokratie, Zentralis­mus, Verschwendung und die ablehnende Haltung – gerade auch hin und wieder von Brüssel – gegenüber den Bürgern, den einzelnen Nationalstaaten. Man sieht das in der Transitfrage und bei vielen anderen Dingen.

Ich glaube, da ist es wichtig, dass die österreichischen Positionen sehr stark vertreten werden, gerade in Brüssel und gerade dort, wo es notwendig ist.

Zur Frage Türkei: Was die Aufnahme der Türkei in die EU betrifft, gibt es unterschied­liche Auffassungen. Die Türkei geht mit der Voraussetzung in diese Verhandlungen, dass sie aufgenommen wird. Unsere freiheitliche Position ist: Wir sind dagegen! Eine starke Anbindung der Türkei an Europa, aber keine Vollmitgliedschaft. Ich glaube, auch das wird eine sehr schwierige Aufgabe. Ich hoffe, dass Sie diese bewältigen werden, um diese österreichische Position auch dort bei den Verhandlungen und am Ende durchzusetzen.

Ein weiteres Thema ist Südtirol, gerade für uns Tiroler. Es gibt dort viel Konfliktstoff. Gerade vor kurzem sind drei tote Kaiserschützen pietätlos behandelt worden. Außen­ministerin Ferrero-Waldner ist es gelungen, durchzusetzen, dass am 7. November ein ehrenvolles Begräbnis in Meran stattfindet und somit diese Schützen dort ihre letzte Ruhe finden. Dafür danke ich ihr sehr.

Aber gerade die zukünftige Außenministerin hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in diesem schwierigen Gebiet die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol gegenüber Ita­lien weiter aufrechterhalten wird.

Ein Konfliktstoff ist auch die Verfassungsänderung in Italien, wo die Minderheitenrechte der österreichischen Minderheit, der Südtiroler, beschnitten werden sollen. Der Ver­such ist da. Die Position Österreichs sollte also aufrechterhalten werden.

Wir haben also, sage ich einmal, auch einen gewissen Teil, der mir persönlich als Tiroler wichtig ist. Ich möchte meine Rede mit einer Bitte beenden: Unterstützen Sie aktiv die Initiative der Nord- und Südtiroler Traditionsvereine, dass das Trageverbot für österreichische Schützen von historischen Waffen in Südtirol und im Trentino aufge­hoben wird! Es ist nicht europäisch, wenn es bei kulturellem Austausch, bei freund­schaftlichen Treffen nicht möglich ist, Traditionswaffen zu tragen. Und da bitte ich Sie, Frau Bundesminister, sich dafür einzusetzen. Es gibt hiezu eine Petition – ich lasse Ihnen diese gerne zukommen. Dies wäre für uns Tiroler bei der Wahrung dieser kultu­rellen Beziehungen sehr hilfreich. Wenn das ein Erfolg wird, dann bin ich stolz.

Unsere Unterstützung haben Sie, Frau Außenministerin. Es wird eine schwierige Zeit, aber diese schwierige Zeit wird diese Regierung auch bewältigen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.53

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

*****


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 49

Zu Beginn der Sitzung wurde bereits darauf hingewiesen, dass um 12.05 Uhr der Dringliche Antrag zum Aufruf kommt.

Ich unterbreche daher die Sitzung bis 12.05 Uhr.

(Die Sitzung wird um 11.54 Uhr unterbrochen und um 12.05 Uhr wieder aufgenom­men.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze wieder einzunehmen!

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Novellierung des Asylgesetzes (461/A) (E)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 461/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Seit Inkrafttreten der Asylgesetznovelle 2003 am 1. Mai 2004 ist die Zahl der Asyl­anträge erheblich zurückgegangen. Waren es im April 2004 noch 3.137 Anträge, so sank die Zahl im Mai 2004 auf nur noch 1.304.

Insgesamt wurden im Jahre 2004 18.762 Asylanträge gestellt (Stand 1. Oktober 2004), um 23,63% weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (24.566 Anträge) Die Asylantragsstatistik für weist für das Jahr 2003 eine Gesamtsumme von 32.359 und im Jahre 2002 39.354 Asylantragsteller aus.

Nach dem Asylgesetz 1997 gab es bis 1. Oktober 2004 insgesamt 17.947 rechtskräf­tige Erledigungen von Asylverfahren, 29.003 Verfahren sind immer noch offen.

Nach dem Asylgesetz 2003 wurden seit 1. Mai 2004 3.206 Asylverfahren rechtskräftig erledigt und 6.462 Verfahren sind noch offen.

Im Jahr 2004 zählen zu den Spitzenreitern unter den Herkunftsländern bis dato die Russische Förderation mit 4.689 Anträgen, Serbien und Montenegro mit 1.981 An­trägen, Indien mit 1.556 Anträgen, Nigeria mit 1.509 Anträgen und Georgien mit 1.359 Anträgen.

Der Belagstand der Bundesbetreuungseinrichtungen, im speziellen die Betreuungs­stellen Bad Kreuzen, Reichenau, Thalham und Traiskirchen, weist per 1. Oktober 2004 eine Gesamtsumme von 1.941 Personen auf.

Gemäß den Angaben des Innenministeriums werden derzeit fast 13.800 von insgesamt rund 26.000 Asylwerbern in Wien und Niederösterreich untergebracht. Wien liegt mit 8.580 Asylwerbern um 80 Prozent über seinem ursprünglich vereinbarten Anteil, in Nie­derösterreich sind es mit 5.354 Asylwerbern acht Prozent. Die übrigen Bundesländer erfüllen nicht den von ihnen geforderten Anteil.

Besonders problematisch ist, dass insbesondere in Wien zahlreiche Personen zu Unrecht als schutzbedürftige Fremde eingestuft und dadurch die vorhandenen Kapazi­täten in jeder Hinsicht überfordert worden sind.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 50

Der Budgetvoranschlag für 2005 sieht im Bereich des Asyl- und Fremdenwesens für die Flüchtlingsbetreuung und Integration Ausgaben von 106,688.000 € vor, was im Vergleich zum Jahre 2004, wo 52,862.000 € im Budget veranschlagt wurden,, mehr als eine Verdoppelung bedeutet .

Bei der Zahl der Asylsuchenden und ihrer Herkunftsländer bestehen große Unter­schiede zwischen den Ländern der Europäischen Union. In Frankreich beläuft sich die Zahl der Asylsuchenden auf 51.360, in Deutschland auf 50.445, in Großbritannien auf 49.369 und in Österreich auf 32.342. Im Jahr 2003 beliefen sich die Asylanträge in den EU-Staaten Großbritannien auf 61.050, in Frankreich auf 51.360, in Deutschland auf 50.450 und in Österreich auf 32.340. Österreich ist daher trotz aller Bemühungen eines der Hauptzielländer für Asylsuchende und Wirtschaftsflüchtlinge.

Am Freitag den 15. Oktober 2004 gab der Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung über die Anfechtungen einzelner Bestimmungen des Asylgesetzes 2003 bekannt. Die Anträge der Oberösterreichischen und der Wiener Landesregierung sowie des Unab­hängigen Bundesasylsenats wurden teilweise aus formalen Gründen zurückgewiesen, zum Großteil hielten auch die übrigen angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof stand. Nur in drei Punkten, nämlich beim Neuerungsverbot, beim generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Ausweisung im Dublin-Verfahren und bei der Verhängung von Schubhaft, wurde den Antragstellern, und hier auch nur teilweise, Recht gegeben.

Das Neuerungsverbot des Asylgesetzes sah als eine von vier Ausnahmen vor, dass ein Asylwerber in zweiter Instanz nur dann neue Beweise vorbringen durfte, wenn er "aufgrund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" nicht in der Lage war, diese in erster Instanz vorzubringen. Diese Bestimmung ist für den Verfassungsgerichtshof zu eng gefasst, weshalb sie ersatzlos gestrichen wird. Das Neuerungsverbot an sich bleibt damit zwar in Kraft, allerdings können sich künftig alle Asylwerber auf eine "psy­chische und physische Sondersituation" und damit auf die Ausnahmebestimmungen berufen. Die Beweiswürdigung liegt letztlich beim Unabhängigen Bundesasylsenat.

Vom Verfassungsgerichtshof wurde auch jene Bestimmung aufgehoben, wonach im Dublin-Verfahren die Ausweisungsentscheidung generell sofort durchsetzbar war. wenn der Asylantrag deshalb zurückgewiesen wurde, weil die Verfahrensführung in die Zuständigkeit eines anderen Staates fiel. Hier stünden dem öffentlichen Interesse einer raschen Durchführung der Ausweisung mögliche Nachteile des Asylwerbers entgegen. Die im Sinne der Menschenrechtskonvention nötige Interessensabwägung könne nur im Einzelfall vorgenommen werden. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wir­kung mache eine derartige Interessensabwägung unmöglich.

Weiters wurde angefochten, dass die bloße Stellung eines erneuten Asylantrages nach rechtskräftiger negativer Entscheidung, ein so genannter Folgeantrag, zur Verhängung der Schubhaft genügt. Das Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen in Form von wiederholten Antragstellungen bei gleicher Sach- und Rechtslage entgegenzuwirken, geht dem Verfassungsgerichtshof zu weit. Für diesen Punkt hat der Verfassungsge­richtshof eine Reparaturfrist bis zum 30. Juni 2005 gesetzt.

Bestätigt wurden hingegen die angefochtenen Bestimmungen zur Drittstaatsicherheit von Schweiz und Liechtenstein, die Durchsuchungsbestimmungen, die Liste sicherer Herkunftsstaaten und die Regelung der Bundesbetreuung.

Durch die Aufhebung von Teilen des Asylgesetzes 2003 besteht die Gefahr, dass es erneut zu einem verstärkten Asylantragsaufkommen kommt. Österreich wird dadurch für Asylwerber aufgrund der geänderten Gesetzeslage im Vergleich zu den anderen EU-Ländern interessanter.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 51

Aufgrund des Fehlens der aufgehobenen Bestimmungen wird möglicherweise eine Verlangsamung der Verfahren eintreten. Dies wiederum würde einerseits eine ver­stärkte Ungewissheit für die Asylwerber und möglicherweise eine Verteuerung für Bund und Länder andererseits bedeuten.

Konkret bezieht sich dies auf die Einschränkung des Neuerungsverbots. Dieses hätte dazu führen sollen, dass alle Behauptungen über Verfolgungen bereits in der ersten Instanz vorgelegt bzw. vorgebracht werden müssten. Noch vor kurzem war es gängige Praxis, dass in der zweiten Instanz und teilweise sogar noch direkt vor der Abschie­bung von den Asylwerbern neue Behauptungen aufgestellt worden waren, warum doch Asylgründe vorhanden und dadurch ein positives Asylverfahren zu erwarten sei.

Eine rasche Novellierung des Asylgesetzes 2003 ist daher notwendig, um die durch den Verfassungsgerichtshof-Entscheid entstandene Lücke schnellstmöglich zu schlie­ßen. Da nun Teile des Asylgesetzes aufgehoben wurden, bietet diese Situation auch die beste Chance, dieses Gesetz im Zuge einer Reparatur weiter zu verbessern und neu zu gestalten. Bestehende Probleme, die sich im Vollzug herausgestellt haben, wie zum Beispiel im Bereich Traumatisierung, Zurückweisung an der Grenze, etc. könnten gleichzeitig mit der Reparatur ausgeräumt werden. Ein sehr strenges, restriktives und auch im Vollzug funktionierendes neues Asylgesetz muss jetzt sicherstellen, dass Österreich wirksam Schutz und Hilfe für Flüchtlinge nach der Genfer Konvention ge­währt, aber Wirtschaftsflüchtlinge entweder gar nicht in das Land lässt oder umgehend in ihre Heimatländer abschiebt.

Österreich soll daher unter Wahrung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Men­schenrechtskonvention alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um einen Miss­brauch des Asylrechts hintanzuhalten.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher an den Bun­desminister für Inneres folgenden

Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat ehebaldigst eine Regie­rungsvorlage vorzulegen, die die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fas­sung der Asylgesetznovelle 2003, BGBl. Nr. I 101/2003 im Interesse der österreichi­schen Bevölkerung und der im Sinne der Genfer Konvention bzw. der EMRK Verfolg­ten verfassungskonform überarbeitet und folgende Maßnahmen unter Beachtung der bereits in der EU harmonisierten Bereiche des Asyl- und Migrationswesens beinhaltet:

Rasche Prüfung und – negativen Falls – Abschiebung von wegen schwerer Straftaten verurteilter Asylwerber

Unterbindung des Asylmissbrauchs

Verbesserung der Vollzugsmöglichkeiten des Asylgesetzes

Klare Mitwirkungsverpflichtungen eines Asylwerbers an der Identitätsfeststellung und im Asylverfahren

Ferner wird der Bundesminister für Inneres ersucht, im Interesse der Sicherung von Abschiebungen seine Bestrebungen zum Abschluss von Rückübernahmeübereinkom­men fortzusetzen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 52

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und der Erstantrag­stellerin Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte.

 


12.06

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte in Erinnerung rufen, was vielleicht viele von Ihnen wissen, was bekannt ist, aber von manchen auch verdrängt wird, dass sich nämlich vor dem Jahr 1998 die Zahl der Asylwerber zwischen 4 000 und 5 000 bewegt hat, im Jahr 1999 waren es schon 20 129 Asylwerber, im Jahr 2001 30 135 Asylwerber und im Jahr 2003 32 359 Asylwerber.

Das heißt also, Österreich gehört zu jenen Ländern, die in Europa am meisten von Asylwerbern angesteuert werden. Wenn man nach den Gründen fragt, warum die Leute nach Österreich kommen und warum sie hier um Asyl ansuchen, dann kann man nur in den seltensten Fällen feststellen, dass sie Gründe nach der Genfer Konvention vorweisen können, nämlich: Verfolgung wegen der Rasse, wegen der politischen Gesinnung, wegen der Religion, wegen der Nationalität oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Der größte Teil der 32 000 Asylwerber, die im Jahr 2003 und auch vorher nach Öster­reich gekommen sind, sucht ganz einfach bessere Lebensbedingungen in Österreich. Sie sind so genannte Wirtschaftsflüchtlinge. Viele sind überhaupt nicht interessiert dar­an, dass ihre Asylansuchen auch hier erledigt werden, viele tauchen unter. Der Rech­nungshof hat einmal in einem Bericht festgestellt, dass 42 Prozent untertauchen. Das heißt, sie suchen gar nicht Schutz bei uns, sondern sie wollen ihre eigenen Interessen verfolgen – welcher Art auch immer: Schwarzarbeit, Durchreise oder sonstige eigene Interessen.

Viele Asylwerber – das wissen alle, die sich ehrlich mit der Problematik auseinander setzen – umgehen ganz einfach die strengeren Einwanderungsbedingungen, die es ja in ganz Europa in den letzten Jahren gegeben hat, indem sie sich als Asylwerber bezeichnen, wissen aber auch ganz genau, dass sie keine Gründe nach der Genfer Konvention anwenden müssen. Das heißt, wir haben es nicht mit Leuten zu tun, die völlig unwissend an die Grenze kommen und hier erst erfahren, dass wir an die Genfer Konvention gebunden sind und keine Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen, sondern es hat sich ganz einfach herumgesprochen, dass man das Asylgesetz dazu missbrauchen kann, um in ein europäisches Land einzuwandern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch betonen: Österreich hat, wenn es wirkliche politische Verfolgung in einem anderen Land gegeben hat, immer wieder offene Grenzen gezeigt, hat immer große finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um diesen verfolgten Menschen Aufenthalt zu bieten. Wir haben alle internationalen Bedingungen und Verträge erfüllt und über unsere gesetzlichen Verpflichtungen hinaus noch große menschliche Hilfe geleistet.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 53

Ich denke da beispielsweise an die Bosnier. 100 000 Bosnier sind zu uns gekommen. Sie waren keine Flüchtlinge, die unter die Genfer Konvention hätten eingereiht werden können, sondern wir haben ihnen den Status De-facto-Flüchtlinge gegeben.

Von den 100 000 Bosniern sind nur 20 000 in ihre Heimat zurückgekehrt; 80 000 davon sind in Österreich geblieben. Diese ganze Bosnier-Aktion hat die österreichischen Steuerzahler 5 Milliarden Schilling gekostet. Das heißt also, es war das eine sehr, sehr große Belastung für die Österreicherinnen und Österreicher, die aber gleichzeitig wuss­ten, dass eine Pensionsreform ansteht, eine Gesundheitsreform und so weiter. Und trotzdem haben sich die Österreicherinnen und Österreicher bereit erklärt, diesen Men­schen, die in einer schwierigen Situation gelebt haben, Aufnahme zu gewähren.

Österreich nimmt also die Grundsätze der Genfer Konvention und auch aller anderen internationalen Verpflichtungen sehr ernst – und handelt auch großzügig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Möglichkeiten Österreichs übersteigt es aber, allen Menschen, denen es in ihrer Heimat schlecht geht, die sich vom Elend befreien wollen, Aufnahme und Schutz in unserem Lande zu gewähren. Wir können ganz einfach nicht das Elend der gesamten Welt in Österreich „erledigen“, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ausge­schlossen!

Gestern im Innenausschuss hat Herr Abgeordneter Posch – es ist dort auch um das Thema Asylwerber gegangen – gemeint: Na ja, den paar „armen Hunden“, die da zu uns kommen, können wir schon Aufnahme gewähren! – Dazu: Es geht nicht um ein paar hundert Menschen, es geht auch nicht um ein paar tausend Menschen! Das war alles möglich, als eben die Zahl der Asylanten geringer war, dass man großzügig war und gesagt hat: Also gut, ihr seid zwar keine echten Asylanten nach der Genfer Kon­vention, aber wir geben euch trotzdem eine neue Heimat! – Jetzt, wo es, wie gesagt, 32 000 Menschen sind, die nach Österreich gekommen sind, ist es unmöglich, für all diese Menschen zu sorgen – noch dazu, wo ja der Oberste Gerichtshof im vorigen Jahr eine Entscheidung getroffen hat, die uns noch mehr finanziell belastet, in der es näm­lich heißt, dass jedem sozial Bedürftigen die Bundesbetreuung zustehen muss. Das kostet sehr, sehr viel Geld. Der Herr Innenminister ist ja derjenige, der das alles aus seinem Budget tragen muss.

In einem solchen Fall, wo eindeutiger Missbrauch vorliegt, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss jede Regierung, muss jedes Parlament Abhilfe schaffen, muss Asyl­missbrauch verhindert werden (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), und zwar im Interesse der eigenen Bevölkerung, die ja all das finanzieren muss! Und das finanzieren ja nicht nur die Reichen, sondern auch die Armen.

Wir führen jetzt gerade Budgetverhandlungen, bei denen um jeden Euro gestritten wird und sich jeder Minister vor dem Parlament verantworten muss, ob er richtig gehandelt hat, ob er den Euro sozusagen auch in die richtige Sparte gesteckt, warum er nicht für andere Kapitel mehr verwendet hat, und so weiter. Es wird also um jeden Euro gefeilscht. Gerade in dieser Situation ist es notwendig, auf eine gerechte Verteilung der Mittel zu achten. Und das betrifft auch die Mittel für Asylwerber, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Budget für 2005 stehen dem Innenminister 106 Millionen € zur Flüchtlingsbetreu­ung, zur Asylbetreuung zur Verfügung; das sind fast 2 Milliarden Schilling in alter Wäh­rung. Das heißt, die Bevölkerung wird sehr, sehr belastet – und gerade deshalb ist es notwendig, streng zu unterscheiden zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und jenen, die aus politischen Gründen, wegen religiöser oder rassischer Verfolgung zu uns kommen. Für diese soll selbstverständlich – wie bisher – der volle Schutz durch unserer Gesetze und volle Finanzierung gewährleistet sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 54

Es war das Bestreben dieser Bundesregierung, mit einem neuen Asylgesetz Miss­stände nach Möglichkeit zu beseitigen. Das neue Asylgesetz ist ja im Mai dieses Jah­res in Kraft getreten, und wir haben gehofft – und hoffen noch immer –, dieser Entwick­lung gegensteuern zu können. Und tatsächlich ist der Flüchtlingsstrom schon etwas abgeebbt; nicht in dem Maße, wie wir es uns erhofft haben, aber es sind jetzt doch weniger Asylwerber.

Ich möchte jetzt noch einmal darauf zu sprechen kommen, dass wir mit diesem neuen Asylgesetz beispielsweise auch abschafften wollten, dass jemand in einem Land einen Antrag stellt, dort abgewiesen wird, in das nächste Land weiterreist, dort einen Antrag stellt, wieder abgewiesen wird und im dritten Land abermals einen Antrag stellt. Wir wollten also den „Asyl-Tourismus“ unterbinden. Wer schon einmal abgelehnt worden ist, weiß ganz genau, dass er eben keine Gründe nach der Genfer Flüchtlingskonven­tion hat und auch in einem anderen Land nicht damit rechnen kann, dass er als Flücht­ling anerkannt wird, sondern er möchte ganz einfach nur die sozialen Wohltaten sozu­sagen in Anspruch nehmen, solange es geht. Und das wollten wir eben unterbinden.

Wir wollten auch die Abschiebung in ein sicheres Drittland gesetzlich determinieren. Es war bis jetzt so: Es kam jemand aus einem sicheren Drittland, stellte einen Asylantrag und konnte sich aussuchen, in welchem Land er den Asylantrag stellte. Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Wer wirklich verfolgt wird, flieht in das nächste ihm zur Ver­fügung stehende Land, in dem es eine demokratische Rechtsordnung gibt, und schaut nicht, in welchem Land er bessere Lebensbedingungen hat, in welchem Land er sich besser wirtschaftlich durchschlagen kann, sondern er versucht einmal, von der Verfol­gung wegzukommen. Wie gesagt: Weil es sich eben nicht um echt politisch Verfolgte handelt, hat es diesen Missbrauch gegeben, dass die Leute gekommen sind, um in Österreich den Antrag zu stellen, obwohl sie schon in einem sicheren Drittland waren.

Besonders belastend sind aber auch jene Asylwerber, die immer wieder neue Gründe vorgeben, weswegen sie verfolgt werden. Sie wollen die Verfahren in die Länge zie­hen, sie wollen die Verfahren verschleppen, in der Hoffnung, dass die Behörden doch einmal sagen: Jetzt ist der Betreffende schon so lange da, jetzt lassen wir ihn ganz einfach da! – Asylverfahren in einer Länge zwischen drei und fünf Jahren sind keine Seltenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. Beim Unabhängigen Bundesasyl­senat sind mehr als 10 000 Fälle anhängig und sie können nicht erledigt werden, weil immer wieder neue Verfolgungsgründe namhaft gemacht werden, denen nachge­gangen werden muss. Das Meiste wird aber in der Absicht gestellt, die Verfahren zu verschleppen. Das wollten wir mit der Einführung des Neuerungsverbotes verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wollen mit dem neuen Asylgesetz erreichen, dass bereits in erster Instanz alle Ver­folgungsgründe namhaft gemacht werden können. Das ist sicher kein unberechtigtes Verlangen, denn wer wirklich verfolgt wird, kann auch ganz genau angeben, warum er verfolgt worden ist, in welcher Weise er verfolgt worden ist.

Wir haben aber auch zum Schutz der Verfolgten und unter Beratung von Experten die so genannte Traumatisierungserklärung hineingenommen, das heißt, jene Asylwerber, die sagen, sie sind auf der Flucht so traumatisiert worden, dass sie sich nicht mehr an die Verfolgungshandlungen erinnern können, sollen dann auch in zweiter Instanz noch die Möglichkeit haben, einen Antrag zu stellen, weswegen eben die Gründe in der ersten Instanz nicht vollständig waren und sie noch ergänzt werden müssen.

Es ist nur so, dass auch dieses Recht, sich auf eine Traumatisierung zu berufen, aus­genützt wird. Jetzt ist schon fast jeder Asylantrag bei der Berufungsbehörde und hat zum Inhalt: Ich war so traumatisiert, dass ich nicht gewusst habe, wie ich verfolgt wor­den bin oder von wem ich verfolgt worden bin!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 55

Ich muss schon sagen, dass die NGOs in dieser ganzen Sache leider Gottes mitspie­len. Bei der Beratung des Asylwerbers lassen sie einfließen, dass man, wenn man sich auf eine Traumatisierung beruft, unter Umständen eher die Möglichkeit hätte, noch Gründe vorzubringen oder besser behandelt zu werden. Ich finde, das ist nicht korrekt! Herr Innenminister, ich glaube, es ist auch dringend notwendig, dass man diesbezüg­lich mit den NGOs redet. Das ist Missbrauch ihrer Befugnisse! Die NGOs müssten eigentlich mit uns an einem Strang ziehen und auch versuchen, die Wirtschaftsflücht­linge von den echt verfolgten Flüchtlingen zu trennen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser für Österreich wirklich sehr schwie­rigen Situation, in dieser Situation, in der wir finanziell sehr belastet sind, selber sparen müssen, wobei wir mit dem neuen Asylgesetz gehofft haben, einen entscheidenden Durchbruch erreicht zu haben, ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ge­kommen, in dem verschiedene Bestimmungen – nicht alle – aufgehoben worden sind.

Es ist aber kein Grund vorhanden, zu höhnen. Diejenigen, die beim Verfassungsge­richtshof Einspruch erhoben haben, haben ja schon teilweise in der Öffentlichkeit ge­höhnt, die Bundesregierung oder das Parlament habe schon wieder einmal ein Gesetz beschlossen, das nicht verfassungskonform wäre.

Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Es ist noch nie so schwierig gewesen wie heute – trotz intensiver Vorberatungen über Verfassungsmäßigkeiten –, vorauszusagen, ob ein Gesetz auch vor dem Verfassungsgerichtshof halten wird. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Das trifft jede Regierung – nicht nur diese Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist ganz einfach schwieriger geworden, vorab zu klären, ob eine Gesetzesmaterie vor dem Verfassungsgerichtshof halten wird oder nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brosz.) Da möchte ich Ihnen, Herr Abgeordneter, sagen: Professor Matscher, ein sehr gescheiter Verfassungsrechtler, hat einmal gesagt: In der Seefahrt und bei den höchsten Gerichten kann man vor Überraschungen nie sicher sein. – Uns geht es, wie gesagt, genauso! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts dieses Erkenntnisses des Verfas­sungsgerichtshofes hat der Herr Innenminister meiner Meinung zu Recht befürchtet, dass die Zahl der Asylwerber steigen wird. Gerade weil wieder einmal eine Bestim­mung gefallen ist – und das spricht sich sehr schnell herum –, werden noch mehr Asyl­werber Österreich ansteuern. Wir müssen das verhindern, und zwar aus den Gründen, die ich schon genannt habe, denn es geht, wie gesagt, nicht nur um einige Wenige, sondern um Tausende, ja um Zigtausende, und es geht auch nicht – ich sage es noch einmal – um Flüchtlinge, die nach der Genfer Konvention ein Recht auf Asyl haben, auf Grund dessen wir die Pflicht haben, diese aufzunehmen, sondern es geht um Wirt­schaftsflüchtlinge. Es geht um jene, die unsere Rechtsordnung für ihre eigenen Interes­sen beinhart ausnützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem Herr Minister! Es geht auch um straffällig gewordene Asylwerber. Es geht beispielsweise um Drogendealer. Kein Ös­terreicher versteht es, dass ein straffällig gewordener Asylwerber nicht außer Landes gebracht wird, sondern dass er weiterhin in Österreich bleibt.

Ich möchte Sie alle hier im Saal in diesem Zusammenhang an die Genfer Konvention erinnern. Mit dem Bundesgesetzblatt vom April 1955 wurde die Genfer Konvention in innerstaatliches Recht übertragen, und in dieser und auch im innerstaatlichen Recht steht: 


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 56

„Verbot der Ausweisung oder der Zurückweisung: Kein vertragschließender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit ... bedroht wäre. Der Vorteil dieser Bestimmung kann jedoch von einem Flüchtling nicht in Anspruch genommen werden, der aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Genfer Konvention hat wirklich sehr, sehr weise und klug die Grundsätze festgelegt, und wir haben diese Grundsätze in das österreichische Recht übernommen. Wir haben die Möglichkeit, straffällig gewordene Asylwerber aus dem Lande zu weisen.

Herr Minister, wir müssen uns darauf besinnen! Und Drogendeal ist ein schweres De­likt, dessentwegen ausgewiesen werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Herr Minister! Wir haben diesen Dringlichen Antrag deshalb gestellt, weil es einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Angesichts des Erkenntnisses des Verfas­sungsgerichtshofes ist es dringend notwendig, dass wir das Asylgesetz novellieren, dass wir die beanstandeten, nicht verfassungskonformen Passagen so gestalten, dass sie verfassungskonform sind – ohne aber unsere Intention fallen zu lassen, nämlich, Wirtschaftsflüchtlinge von wirklich Verfolgten zu trennen.

Ich bitte Sie, dass Sie unseren Antrag ernst nehmen, dass Sie einen Vorschlag ma­chen, wie wir diese Missbräuche abstellen können – im Interesse der Österreicher, die bereit sind, wirklich Verfolgten Asyl zu gewähren, die aber nicht bereit sind, jene, die unsere Rechtsordnung ausnützen, zu unterstützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.25

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.25

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei den Antragstellern, dem Klub der Freiheitlichen, für die Möglichkeit bedanken, die Frage des Asylrechts und der Asylsituation in Österreich – der Situation von Fremden und der Situation der Betreuung von Fremden – hier im Hohen Haus zu diskutieren, und ich begrüße auch den Antrag, der zum Inhalt hat, dass wir in dieser Frage sehr rasch eine gemeinsame Vorgangsweise zwischen Regierung, Verwaltung und Parlament finden sollten.

Wenn wir uns die Ausgangslage der Asylgesetznovelle 2003 ansehen, wenn wir von den Fakten ausgehen, dann müssen wir ganz einfach sagen, dass Österreich das attraktivste Asylzielland von ganz Europa war und noch immer ist. Nur einige Zahlen: In den USA kommen auf einen Asylwerber 13 697 Einwohner; in der Bundesrepublik Deutschland kommen auf einen Asylwerber 3 358 Einwohner; in der Schweiz kommen auf einen Asylwerber 766 Einwohner, in Schweden kommen auf einen Asylwerber 574 Einwohner; in Österreich kommen auf einen Asylwerber 436 Einwohner.

Diese Zahl alleine zeigt, dass es einen Grund haben muss, warum so viele Asylwerber zu uns kommen und nicht in irgendein anderes Land innerhalb der Europäischen Union. Auf der anderen Seite ist die Anerkennungsrate für jene, die dann tatsächlich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 57

Asyl bekommen, verschwindend gering, und zwar liegt sie zwischen 15 und 18 Pro­zent. – Das war das Problem, das es zu lösen galt!

Daher haben wir uns selbst eine sehr klare Vorgabe gegeben: Wir müssen jene Men­schen, die wirklich Asyl brauchen, vor jenen schützen, die unser Asylrecht miss­brauchen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der zentrale Punkt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir müssen daher klar unterscheiden zwischen dem Recht auf Asyl und dem Weg zum Asyl. Daher sind im Großen und Ganzen 95 Prozent des Spruchs des Verfassungs­gerichtshofes zu begrüßen, denn er hat Klarheit geschaffen. Es sind wichtige Teile, die auch hier in der Diskussion oft von unterschiedlichster Seite – ich will nicht sagen, von verschiedener Seite – kritisiert worden sind, eindeutig bestätigt worden, und es ist klar ausgesprochen worden, dass sie verfassungskonform sind.

Wir wollten eine wesentliche Beschleunigung der Verfahren. Wir haben mit der Ein­richtung der Erstaufnahmestellen eine rasche Entscheidung ermöglicht, und jene Fälle, die offensichtlich unberechtigt sind, sowie auch Dublin-Fälle können wir wesentlich rascher behandeln. Wir haben die EU-Vorgaben umgesetzt, insbesondere die Dublin- und Euro-DAG-Vorgaben, und wir wollten den aktuellen Phänomenen von Asylmiss­brauch aktiv begegnen. Das bedeutet insbesondere Folgeanträge, die häufig zur bloßen Verfahrensverzögerung eingebracht worden sind.

Sehen wir uns einmal die Zwischenbilanz an! – Wir dürfen nach fünf Monaten sehr klar bilanzieren:

Erster Punkt der Zwischenbilanz – mir scheint das die wichtigste Zahl zu sein –: Im Frühjahr 2000 hatten wir 2 300 betreute Flüchtlinge und Asylwerber – heute haben wir 26 000, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von NGOs, Kirchen und anderen Organisationen ist es uns gelungen, dass wir jene, die jahrzehntelang oder zum Teil noch länger illegal in unserem Land gewesen sind, in ein System aufgenommen haben: Sie sind in Betreuung gekommen, haben eine Wohnung bekommen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, der in der kurzen Zeitspanne von drei Jahren erzielt werden konnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Die Asylantragszahlen weisen, wie bereits erwähnt wurde, in die richtige Richtung: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hatten wir um ein Viertel weniger Asylanträge als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das zeigt auch die Anerken­nungsquote: Damals lag sie bei 18 Prozent, jetzt ist sie auf über 40 Prozent gestiegen. Das beweist auch, dass jetzt in wesentlich höherem Maße solche Asylwerber zu uns kommen, die tatsächlich Asyl brauchen. Und dafür ist das Asylsystem auch gemacht – und nicht für Flüchtlinge, die das System anderweitig nützen wollen.

Wir haben wesentlich wirksamere Dublin-Verfahren: Erstmals haben wir mehr Anfra­gen von Österreich an Dublin-Mitgliedstaaten als umgekehrt! Wir haben in den ersten fünf Monaten bei den Dublin-Verfahren aus Österreich rund 2 300 Verfahren einge­leitet; das ist das Vierfache der Verfahren im gesamten Jahr 2003. Allerdings konnten wir seit dem 1. Mai nur 300 Abschiebungen vornehmen. Und das zeigt auch die Not­wendigkeit einer dringenden Regelung in diesem Bereich auf.

Ich habe es schon erwähnt: Hinsichtlich nahezu aller Bestimmungen des jetzt gültigen Asylgesetzes gab es Kritik im parlamentarischen Prozess und auch von anderer Seite. Wenn wir uns die Gesamtsituation ansehen, dann können wir sagen: Wir liegen mit diesem Gesetz völlig richtig: Wir liegen in der Mitte des Spektrums, und zwar auch innerhalb der Europäischen Union. Wir müssen jetzt schauen, dass wir diesen Weg sehr klar und sehr genau weitergehen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 58

Die Anträge der Landesregierungen von Wien und Oberösterreich und auch des UBAS, die vor allem auf eine Verfahrensverzögerung hingewirkt haben, haben in mehr als 36 Fällen keinen Erfolg gehabt, sie hatten allerdings in einem Fall Erfolg, der eine große Verzögerung mit sich bringen wird.

Wir haben einige Eckpfeiler des neuen Asylsystems bestätigt bekommen – und das bringt Klarheit! –, wie etwa das auch hier von manchen in diesem Saal massiv ange­griffene System der Listen sicherer Dritt- und Herkunftsländer, aber auch den Mecha­nismus, dass es bei offensichtlich unbegründeten Anträgen aufschiebende Wirkung nur mehr in Einzelfallentscheidungen gibt, und das neue Grundsystem von Erstaufnahme­stellen.

Was wir jetzt brauchen – und ich gebe diesbezüglich der Antragstellerin Recht –, das sind einige wichtige Weiterentwicklungen, die ich in folgenden Punkten zusammenfas­sen möchte:

Zum Ersten: Wir werden eine genaue Analyse des noch nicht vorliegenden schrift­lichen Entscheids des Verfassungsgerichtshofes vornehmen.

Zum Zweiten: Wir werden selbstverständlich eine Evaluierung des Asylsystems unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes vornehmen. Wir wollen das gemeinsam mit der Landeshauptleutekonferenz erarbeiten und vorlegen.

Zum Dritten: Wir brauchen eine weitere Entlastung von Traiskirchen! Wir wollen dort dauerhaft unter den Stand von 1 000 Betreuten kommen. Ich darf vor allem dem regio­nal Zuständigen Herren Abgeordneten Kainz und Pendel sagen, dass wir jetzt unter die Zahl von 1 300 gekommen sind. Das ist ein ganz klarer Schritt, der zeigt, dass wir hart daran arbeiten, im Einvernehmen mit den für die Quartiere zuständigen Ländern die Entlastung für diese Region zu erreichen. Diese Region hat Anspruch auf eine Entlas­tung, und wir bemühen uns sehr darum. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen die Artikel-15a-Vereinbarung auf Punkt und Beistrich umsetzen. Das heißt, der Bund hat die Verantwortung für die Verfahren, die Länder haben die Verantwortung für die Quartiere. Natürlich helfen wir dort mit, wo wir können, wenn es Probleme bei den Quartieren gibt. Und ich möchte hier auch sehr dankbar anmerken, dass es viele gibt, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Länder ihre Quartierfragen lösen können.

Ich möchte mich bedanken bei verschiedenen wirtschaftlichen Institutionen, wie etwa bei der UNIQA, bei Raiffeisen, aber auch beim „Kurier“. Danken möchte ich auch Herrn Präsidentem Verzetnitsch, der sich persönlich in dieser Frage eingeschaltet hat. Ein Dankeschön möchte ich aber auch der Arbeiterkammer sowie kirchlichen Stellen sa­gen, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Länder ihre Verpflichtung, Quartiere bereitzustellen, erfüllen können.

Wir werden eine gemeinsame Definition des Kriteriums Hilfsbedürftigkeit mit den Ländern ausarbeiten, um klare, gleichlautende Regeln für alle zu bekommen.

Insgesamt muss es unser Ziel sein, dass wir Österreich von der erwähnten uner­wünschten Top-1-Situation hinsichtlich der Zahl der Asylwerber wegbringen. Es kann nicht sein, dass ein kleines Land, ein 8-Millionen-Land, unter 400 Millionen das Zielland Nummer 1 wird, das bringt soziale und gesellschaftliche Spannungen. Das ist nicht wünschenswert. Da ist eine gerechte, faire Lastenaufteilung auf ganz Europa notwen­dig und sinnvoll. Daher müssen wir unsere gesetzlichen Regelungen, so lange es keine gesamteuropäischen Regelungen gibt, die wir aber anstreben, jenen anpassen, wie sie vergleichbare Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 59

Daher habe ich Auftrag gegeben, dass wir das Asylgesetz neu kodifizieren. Das scheint notwendig und richtig zu sein. Ich sage auch hier ganz offen: Die Kritik des Verfassungsgerichtshofes müssen wir aufnehmen. Es ist richtig: Es ist dies die x-te Novelle des Asylgesetzes, und es ist notwendig, eine Neukodifizierung vorzunehmen.

Selbstverständlich müssen wir die schriftliche Ausfertigung des Spruches des Verfas­sungsgerichtshofes abwarten. Ich hoffe, dass sie bis Mitte November vorliegen wird. Wenn das der Fall ist, dann werden wir noch im November im Einvernehmen mit all jenen, die an diesem Prozess beteiligt sind, und auch unter Einbeziehung der Landes­hauptleutekonferenz unsere ersten Vorschläge für eine weitere Entwicklung des Asyl­systems vorlegen. Ich möchte dann so rasch wie möglich einen Gesetzesvorschlag erarbeiten und den Gesetzwerdungsprozess mit Hilfe des Parlaments vorantreiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.36

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Klubobmann Scheibner. Herr Abgeordneter, Sie haben 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.37

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Wir wollten bei der Überprüfung beziehungsweise Bewertung des neuen Asylgesetzes eigentlich noch länger zuwarten, noch mehr Zeit dafür gewähren, dass man sich die Praxis und auch die Vollziehung ansieht – ich glaube, zumindest die ersten Zahlen waren vielversprechend und wiesen eindeutig darauf hin, dass es wirklich eine Verbesserung gibt, vor allem bei der Anerkennungs­quote, die gezeigt hat, dass es besser gelungen ist, die wirklich politisch Verfolgten von jenen zu trennen, die aus anderen Gründen nach Österreich kommen –, aber der Verfassungsgerichtshof hat mit seiner teilweisen Aufhebung von verschiedenen Be­stimmungen des Asylgesetzes die Situation auch für uns dringlich gemacht, vor allem vor dem Hintergrund, den der Herr Innenminister in einer ersten öffentlichen Stellung­nahme angeführt hat, nämlich, dass Österreich attraktivstes Ziel 1-Gebiet für Asylwer­ber ist. Diese Aufhebung stellt jetzt eine weitere Einladung dar – nicht so sehr an die Flüchtlinge, denn diesen ist es ziemlich egal, wohin sie kommen, sondern vielmehr an die Schlepperorganisationen.

Genau das möchte ich auch einmal hier ansprechen: Unser Ziel, unsere Gegner sozu­sagen bei all den Bestrebungen, ein effizientes, ein scharfes, auch ein wirkungsvolles Asylgesetz zu beschließen, sind nicht die Asylwerber, sind nicht die Flüchtlinge, son­dern die Schlepperorganisationen. Das sind Kriminelle, die versuchen, nach Öster­reich Leute einzuschleusen, die nicht asylwürdig sind, weil sie nicht politisch verfolgt sind. – Darum geht es uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Ich und auch meine Fraktion – und ich glaube, wir alle – bekennen uns absolut dazu, dass Österreich – so, wie es auch in der Vergan­genheit Tradition gewesen ist – all jenen, die politisch und aus religiösen, rassischen oder persönlichen Gründen in ihrer Heimat verfolgt werden, so weit es geht jene Unter­stützung gibt und auch geben muss, die notwendig ist, um diesen Menschen zu helfen.

Aber ebenso sage ich Ihnen: Ich wende mich auch gegen jene – egal, woher sie kom­men –, die da mit irgendwelchen negativen Parolen oder fremdenfeindlichen Aussagen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 60

dieses wichtige Prinzip in Frage stellen wollen. Aber genauso wende ich mich auch ge­gen eine Sozial-Utopie, wo man der Meinung ist, dass wir in Europa und im Speziellen in Österreich all jenen, denen es in ihrer Heimat schlechter geht, hier ein besseres Leben ermöglichen können. Auch das geht nicht, meine Damen und Herren!

Politische Unterstützung für Verfolgte: ja! Aber wirtschaftliche Unterstützung dort, wo es am effizientesten ist, nämlich in den Heimatländern der Menschen, um die es hier geht, durch Entwicklungshilfe eben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Innenminister, es hat mir gefallen – wir kritisieren Sie manchmal, aber wir loben Sie auch, wenn es berechtigt ist; und Sie haben heute etwas Wichtiges gesagt –, dass Sie gesagt haben: Wir müssen die wirklich Verfolgten vor denen, die das Asylrecht missbrauchen, in Schutz nehmen! – Auch darum geht es.

Gerade wenn wir uns die aktuelle Situation mit den 26 000 Asylwerbern in Bundes­betreuung ansehen und welche Probleme es bei der Unterbringung, auch bei der finan­ziellen Ausstattung gibt, wenn ich all das mit einer Anerkennungsquote von 20 Prozent hochrechne, dann können wir erkennen, dass wir diesen 20 Prozent eben keine opti­male Unterstützung geben können, weil 80 Prozent dieses Recht missbrauchen.

Mich hat sehr beeindruckt, dass eine junge Mutter, eine Asylwerberin, die einmal in einer Unterkunft interviewt worden ist, gesagt hat, sie sei mit ihren Kindern eigentlich nur immer in diesem einen Zimmer, das sie dort hat, weil sie sich fürchtet, dieses Zimmer zu verlassen, ja selbst die Gemeinschaftsräume zu benutzen. Sie fürchtet sich aber nicht vor den Österreichern, sondern sie fürchtet sich vor den anderen Asylwer­bern, weil das eben genau jene sind, die ganz andere Gründe haben, hier in Österreich zu sein. Und es sind nicht immer rechtmäßige Gründe, die sie nach Österreich gebracht haben.

Genau das ist es, meine Damen und Herren: den rechtmäßigen Asylwerbern Unterstüt­zung geben, dafür aber Missbrauch verhindern! Das muss Ziel auch des neuen Asylge­setzes der Zukunft sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbst der Rechnungshof, eine wirklich unverdächtige Instanz, hat im letzten Bericht festgehalten, dass 42 Prozent der Asylverfahren nicht abgeschlossen werden konnten, weil die Asylwerber nicht mehr anwesend waren. Diese haben also ganz genau ge­wusst, dass sie keinen positiven Bescheid erhalten werden, aber, solange es halt ge­gangen ist, die Unterstützung in den Flüchtlingsunterkünften in Anspruch genommen, ihre Kontakte über die Schlepperorganisationen geknüpft haben. Dann, als es sozu­sagen hart auf hart gegangen ist, als die Bescheide verabschiedet hätten werden sollen, sind sie aber plötzlich in den Untergrund abgetaucht gewesen. Eben das ist die Problematik, meine Damen und Herren, um die es da geht.

Ich bedauere, dass einige wichtige Bestimmungen jetzt aufgehoben worden sind, wie zum Beispiel das Neuerungsverbot, denn auch das war ein Mittel zum Missbrauch. Ein Asylwerber hat einen Asylgrund eingebracht, dann ist das Verfahren abgeführt worden, man hat vielleicht erkannt, dass dieser Grund nicht zutrifft, aber bevor man ihn ab­schieben hätte können, hat dieser Asylwerber ganz einfach einen neuen Grund vorge­bracht – und das ganze Verfahren ist wieder von vorne losgegangen.

Worüber ich sehr zufrieden bin, ist der Umstand, dass die Drittstaatenklausel vom Ver­fassungsgerichtshof anerkannt worden ist, denn wenn es darum geht, einem wirklich politisch Verfolgten Hilfe zu geben, so ist es, wie es Frau Abgeordnete Partik-Pablé gesagt hat, nicht so relevant, in welchem Land das Asylverfahren durchgeführt wird; es muss nur in einem Land sein, in dem ein ordnungsgemäßes Asylverfahren ermöglicht wird. Man wird wohl keine Zweifel daran haben, dass alle Mitgliedsländer der Euro-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 61

päischen Union und auch Länder wie etwa die Schweiz und Liechtenstein – und nur von solchen Ländern sind wir umgeben – derart sichere Drittstaaten sind.

Herr Innenminister! Wenn wir das so anerkennen und mit all diesen Ländern – ich weiß, zumindest mit einem Land ist das noch nicht gelungen – zwischenstaatliche Ab­kommen abschließen, damit diese die Asylwerber auch wirklich wieder zurücknehmen, dann müsste der Rückgang der Asylanträge noch viel, viel gravierender und deutlicher ausfallen als um jene 20 oder 23 Prozent, die wir seit Mai dieses Jahres, seit dem In-Kraft-Treten des neuen Asylgesetzes, zu verzeichnen gehabt haben.

Es hat also, glaube ich, schon Probleme beim Vollzug des Gesetzes gegeben. Dass etwa die Bestimmung, dass man, wenn man Traumatisierung als Asylgrund angibt, trotzdem auf alle Fälle das Recht hat, das Asylverfahren hier in Österreich abzuwarten, verstehe ich nicht ganz, weil auch für jenen, der sagt, er sei traumatisiert, gilt das bereits Gesagte, nämlich dass er das Verfahren in einem anderen Land, das ein ordnungsgemäßes Asylverfahren bereitstellt, abzuwarten hat. Und auch die Frage der Rückweisung unmittelbar an der Grenze und nicht auch im Hinterland ist sicherlich zu hinterfragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben nun durch die Aufhebung beziehungsweise die Teilaufhebung dieses Geset­zes durch den Verfassungsgerichtshof eine neue Chance. Ich bekenne mich dazu, dass wir Gott sei Dank nicht die Möglichkeit haben, durch Zweidrittelmehrheit proble­matische Bestimmungen der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes zu entziehen. Das haben wir früher bei anderen Regierungskonstellationen erlebt. Der Verfassungs­gerichtshof soll mit seiner Kompetenz all unsere Gesetze überprüfen, und wir haben dann die Aufgabe, diese entsprechend zu adaptieren und zu reparieren. Wir werden aber diese Gelegenheit jetzt dazu nützen, gemeinsam all diese Vollziehungsprobleme zu diskutieren und die Lücken, die sich gezeigt haben, zu schließen, damit wir dem Grundsatz, politisch Verfolgten Unterstützung zu geben, aber den Missbrauch im Inter­esse der Österreicher, aber auch im Interesse der wirklich politisch Verfolgten zu ver­hindern, auch wirklich nachkommen.

Das wird unsere Aufgabe sein. Dieser Aufgabe werden wir uns stellen! Ich hoffe, dass Sie von der Opposition uns dabei unterstützen, denn Sozial-Utopien auf dem Rücken der politisch Verfolgten und der Österreicher sollten wir nicht unterstützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.46

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. Herr Abgeordneter, Sie wünschen eine Redezeiteinstellung auf 5 Minuten. Stimmt das? (Abg. Kößl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das stimmt! Ja!) – Bitte.

 


12.46

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bevor ich in die Debatte eingehe, möchte ich von dieser Stelle aus Herrn Bundesminister Dr. Strasser für seine großartigen Leistun­gen im Asyl-Bereich in den letzten vier Jahren einmal ein herzliches Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Faktum ist, dass Österreich ein modernes, zukunftsorientiertes und äußerst mensch­liches Asylgesetz hat, das hier in diesem Saal vor einem Jahr beschlossen wurde. Mit diesem Asylgesetz wollten und wollen wir, dass die Verfahren beschleunigt werden. Ich glaube, dass jeder Asylwerber ein Recht darauf hat, dass rasch und schnell entschie­den wird, ob er Asyl bekommt oder nicht. Und es soll auch klar und schnell festgestellt werden, ob dieses Asylansuchen berechtigt ist oder nicht. Es ist heute schon ange­sprochen worden, dass rund 80 Prozent der Asylwerber aus wirtschaftlichen Überle-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 62

gungen und Problemen nach Österreich kommen, und diese können wir hier in Öster­reich sicherlich nicht lösen.

Dieses Asylgesetz ist von zwei Bundesländern und vom UBAS angefochten worden. Ich stelle mit Freude fest, dass 95 Prozent des Asylgesetzes Rechtsmäßigkeit attestiert wurde, dass wir ein Asylgesetz haben, das der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention entspricht. Zu diesen drei beanstandeten Punkten möchte ich noch anmerken, dass das Neuerungsverbot nur in einem Punkt aufgehoben wor­den ist, und zwar in Bezug auf den medizinischen Nachweis der Traumatisierung. Alles andere ist an und für sich bestätigt worden. Es muss natürlich in unserem allgemeinen Interesse liegen, dass wir die drei beanstandeten Punkte so rasch wie möglich korri­gieren.

Klar muss uns sein, dass mit diesen aufgehobenen Punkten die Verfahren verlängert und verteuert werden. Und Faktum ist, dass Österreich nach wie vor das Asylland Nummer 1 ist. (Abg. Brosz: Österreich ist Asylland Nummer 1?) Es ist heute schon an­gesprochen worden, welche Verhältnismäßigkeit diese Situation ergibt: Wenn man die Länder in Europa mit Österreich vergleicht, dann muss man sagen, dass diese hohe Anzahl von Asylwerbern von Österreich allein sicherlich nicht bewältigt werden kann.

Es muss natürlich auch festgestellt werden, dass wir hier in Österreich äußerst soziale und menschliche Rahmenbedingungen haben. Gerade von Innenminister Strasser wurden diese Rahmenbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert. Ich denke da etwa an die Artikel-15a-Vereinbarung mit den Bundesländern. Sie ist ein Meilenstein! Viele Innenminister vor ihm haben es versucht, Innenminister Strasser hat diese Artikel-15a-Vereinbarung umgesetzt. Und deshalb ist es auch möglich, dass wir so viele Asylwerber unterbringen. Die entsprechenden Zahlen sind heute ebenfalls schon gefallen: von 2 300 im Jahr 1999 stieg die Anzahl der Personen in Bundesbe­treuung auf 26 000! Das ist, glaube ich, eine großartige Leistung des Innenministers und seines Teams!

Geschätzte Damen und Herren! Man muss hier klar und deutlich sagen – und das wurde auch bereits von unserem Bundeskanzler erwähnt –: Wenn Asylwerber, die nach Österreich kommen, unsere Gastfreundschaft missbrauchen, dann haben sie zu­künftig kein Recht, hier in Österreich zu bleiben! Das kann nicht sein, und dafür hätten die Menschen auch überhaupt kein Verständnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

12.51

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Posch zu Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.51

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie diese Anfrage (Abg. Scheibner: An­trag!), dieser Antrag, der an Sie gestellt wurde, freuen soll oder nicht freuen soll, ob Sie mit den Intentionen der Antragsteller konform gehen. Wenn in dieser Debatte ständig von „Asyl-Touristen“ die Rede ist, so, als sei das eine feine Geschichte, dann muss ich sagen, wünsche ich wirklich niemandem, dass er einmal in seinem Leben „Asyl-Tou­rist“ wird und auf solche Art und Weise die Freuden des Gastgeberlandes genießen kann.

Die Sprache ist in vielerlei Hinsicht verräterisch. An Frau Abgeordnete Partik-Pablé, die jetzt leider nicht anwesend ist, weshalb ich sie auch nicht fragen kann, wäre schon die Frage zu stellen, ob sie, die den Asylwerbern immer unterstellt, dass sie nur ein besse­res Leben wollen, vielleicht ein schlechteres für sie haben möchte, und ob das, was für


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 63

sie gilt, nicht auch für andere gelten soll. (Abg. Scheibner: Mein Gott! Das ist genau das!)

Aber ich komme zum Asylgesetz und zitiere, damit das, was Sache ist, wirklich gesagt wird, einen unverdächtigen Zeugen, nämlich Hans Winkler von der „Kleinen Zeitung“. Im Besonderen zu der von Ihnen prätendierten Sache, dass 95 Prozent des Asylgeset­zes ohnehin in Geltung geblieben seien, zitiere ich Hans Winkler wörtlich: 

„Allen beschönigenden Abwiegelungen ... zum Trotz hat der Verfassungsgerichtshof über die Asylpolitik der Regierung ein vernichtendes Urteil gesprochen. ,95 Prozent des Asylgesetzes seien ohnehin in Geltung geblieben, tröstet sich Ernst Strasser ... Selbst der als zurückhaltend bekannte Präsident des Verfassungsgerichtshofes las der Regierung die Leviten: Es sei ein selten schlechtes Gesetz.

Auf einem Rechtsgebiet, wo es um verlässliche Anwendbarkeit, die Berücksichtigung internationaler Vorschriften und die Respektierung humanitärer Standards geht, haben Ministerium und Parlamentsmehrheit frivol schlampige Arbeit geleistet.“ – Zitatende.

Es ist das in Wirklichkeit der vorläufige Schlusspunkt eines langjährigen, nicht sehr ruhmreichen Kapitels österreichischer Flüchtlingspolitik. Wenn ich auch nicht bestreiten möchte, dass die momentane Situation vielleicht eine schwierige ist, so möchte ich schon darauf hinweisen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg eine lange, lang andau­ernde Bereitschaft der österreichischen Bevölkerung gegeben hat, bedrängten Men­schen zu helfen und dass es auch immer eine sehr, sehr lange, positive Flüchtlings­tradition gegeben hat. (Abg. Ellmauer: Noch gibt)

Dabei waren Sie in der Sache vorgewarnt. Ich erinnere etwa an den Verfassungsrecht­ler Mayer, der im Zuge des Begutachtungsverfahrens davor gewarnt hat, dass, auch wenn sich der Staat anschickt, zu sparen und seine Verwaltung effizient zu gestalten, diese Sparsamkeit des Staates nicht Selbstzweck sein könne. Und er hat schon da­mals darauf hingewiesen, dass der beinahe gänzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung verfassungswidrig sei, ebenso dass im Berufungsverfahren keine neuerlichen Tatsachen und Beweismittel mehr vorgebracht werden können, was ansonsten im Verwaltungsverfahren sehr wohl gelte.

Und Sie haben damals schon all diese Einwände negiert. Sie haben unter dem Druck der FPÖ versucht, ein restriktives Asylgesetz zu machen, um der Situation Herr zu werden, und haben sich über alle rechtsstaatlichen Bedenken hinweggesetzt.

Sie haben aber als Repräsentant der Staatsgewalt dafür zu sorgen, dass die Men­schen ihre Interessengegensätze geordnet austragen, wie es das Völkerrecht, wie es die Verfassung und wie es die österreichischen Gesetze gebieten. – So viel ist zum Spruch des Verfassungsgerichtshofes zu sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Natürlich kennen wir die Probleme, wir haben auch immer darauf gedrängt, die für diesen Bereich notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Sie wissen genau, dass der Gesetzgeber bei der Einrichtung des Unabhängigen Bundesasylsenates und der Asyl­gesetzgebung bei der Beistellung des Personals von jährlich rund 5 000 bis 6 000 Ver­fahrensabschlüssen ausgegangen ist. Mittlerweile sind es wesentlich mehr.

Sie wissen auch, dass nach wie vor 80 Prozent der abweisenden erstinstanzlichen Entscheidungen des Bundesasylamtes in die Berufung gehen und dass fast die Hälfte der erstinstanzlichen Entscheidung abgeändert oder behoben wird. Sie haben sich trotzdem dafür entschieden, diese Tatsache zu negieren und lieber den Bruch der Rechtsstaatlichkeit in Kauf genommen – auf dem Rücken der Ärmsten, die in dieses Land kommen, die mit sprachlichen Schwierigkeiten kämpfen, die mit Traumatisierung kämpfen, die persönliche Schwierigkeiten haben, die verfolgt sind und die sich nicht so


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 64

einfach helfen können, die auch nicht das Geld haben, ihre Interessen durchzusetzen, wie Ihre Freunde und Kollegen das sehr viel leichter können.

Den Sparwillen in Ehren – bei anderen Gelegenheiten nehmen Sie das mit dem Spar­willen nicht so ernst. Hätten Sie nur einen Bruchteil dessen, was diese Bundesregie­rung, diese schwarz-blaue Bundesregierung seit dem Jahr 2000 für Repräsentation, für Inserate in den Zeitungen aufgegeben hat – das sind Beträge in der Höhe von mehre­ren Hundert Millionen ... (Bundesminister Dr. Strasser: Keinen Cent hat das Innenmi­nisterium für Inserate ausgegeben! Keinen Cent!) – Andere Ministerien! (Bundesminis­ter Dr. Strasser: Das Innenministerium nicht! Keinen Cent!) – Sie sind Repräsentant dieser Regierung, Sie haben durchzusetzen, dass Sie mit dafür notwendigen Mitteln das Problem lösen.

Die Frage ist: Wie löse ich das Problem? Löse ich es rechtsstaatlich, oder löse ich es unter Nichtbeachtung der Gesetze? Bei anderen Dingen wird in diesem Staat nämlich nicht gespart – Stichwort Eurofighter und so weiter. Für die Flüchtlingspolitik aber ist kein Geld da.

Ich erinnere an die prekäre Situation, die Auseinandersetzung, die Sie mit Flüchtlings­organisationen, mit „Asyl in Not“, mit Caritas und so weiter rund um die Betreuung der Asylwerber gehabt haben sowie an diese unwürdige Situation im Zusammenhang mit deren Versorgung. Wir haben damals in der Grundversorgungsvereinbarung unsere Zustimmung zu einer menschenwürdigen Behandlung von Flüchtlingen und hilfsbedürf­tigen Fremden gegeben, weil damit auch das Versorgungsniveau den Vorgaben der im Februar 2005 in Kraft tretenden EU-Richtlinie folgend auf ein humanitär akzeptables Niveau gehoben wird. Wir bekennen uns dazu! Und wir sagen auch, dass das ein humanitärer Meilenstein ist.

Inzwischen haben Bund und Länder diese Artikel-15a-Vereinbarung unterzeichnet, aber nur zwei Bundesländer erfüllen diese Vereinbarung: Wien und Niederösterreich. Ich möchte an dieser Stelle die absurden Vorhaltungen diverser Landeshauptleute zu­rückweisen, wonach die Stadt Wien zusätzliche Asylwerber ins System einschleusen würde.

Tatsache ist, dass sich Wien bemüht, der Grundidee zu entsprechen, Flüchtlinge von der Straße wegzubekommen und in das System zu integrieren. Wien kümmert sich auch um jene, die einen Abschiebungsbescheid haben und die normalerweise laut Gesetz abgeschoben werden müssten, aber vielleicht nicht könnten.

Tatsache ist, dass gerade diese Grundversorgungsvereinbarung dazu beitragen sollte, die Menschen zu versorgen und damit auch Kriminalität zu verhindern. Im Übrigen sei noch hinzugefügt, dass Wien die Quote zu 100 Prozent erfüllt. Daher können sich an diesem Beispiel viele ein Vorbild nehmen.

Ich möchte auch andere positiv hervorheben, wie etwa Kollegen Reheis, der sich im Unterschied zu manchen anderen Landeshauptleuten in Tirol sehr wohl bemüht hat, konkrete Maßnahmen zu setzen. (Abg. Mag. Molterer: Der Reheis Landeshaupt­mann?) – Nein, er hat das als Bürgermeister gemacht. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ah so! – Prä­sident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Reheis hat sich als Bürgermeister eingesetzt, um die Bevölkerung diesbezüg­lich aufzuklären, dafür zu werben und sich für ein friedliches Zusammenleben einzuset­zen, anstatt sich wie Ihre Landeshauptleute zu verstecken, immer nur die christliche Karte in der Hand zu halten, aber in Wirklichkeit nichts dazu beizutragen. (Abg. Miedl: Das stimmt ja nicht! ... mehr untergebracht! – Abg. Mag. Johann Maier – in Richtung des Abg. Miedl –: Rede keinen Blödsinn!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 65

Auch die schwarz-grüne Landesregierung in Oberösterreich sei hier aufgefordert, etwas zu tun, diese Artikel-15a-Vereinbarung umzusetzen, denn zwischen den Taten und den Worten gibt es noch einen kleinen Unterschied. (Rufe bei der ÖVP: Nein, nein!)

Daher sind wir dem Verfassungsgerichtshof dankbar, weil er endlich einmal klare Worte gesprochen hat, weil endlich wieder Rechtssicherheit herrscht, wie auch vom UNHCR moniert wurde – und auch angesichts der Worte des Direktors der Evange­lischen Diakonie, Michael Chalupka, ebenfalls ein unverdächtiger Zeuge, die ich Ihnen als Warnung gerne mitgeben möchte. (Dipl.-Ing. Scheuch: Die werden immer unver­dächtiger, Ihre Zeugen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann wissen wir schon, wie es weitergeht, beim Chalupka!) – Ich weiß, wir alle wissen, dass Sie ein Problem damit haben.

Ich zitiere Chalupka trotzdem: „Diese gemachten Fehler dürfen nicht mehr passieren, es dürfen nicht ständig die Verfassung und die Genfer Konvention mit Füßen getreten werden ...“.

Und: „In der Verwaltungssache ,Asyl‘ gehe es nicht um Strafzettel für Falschparker, sondern um echte Menschenleben ...“ – und auch nicht um Asyltouristen, Frau Partik-Pablé. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.01

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.01

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich freue mich, dass die Freiheitlichen sich dieses Themas annehmen (Abg. Scheibner: Das haben wir nur wegen dir gemacht! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir wollten Ihnen eine Freude machen!), denn jede Diskussion zum Thema Asyl und zu den Schwächen, um nicht zu sagen, Blamagen des Herrn Bundesministers Dr. Strasser hier im Parlament ist mir ein Anliegen. Deshalb freue ich mich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Auf der anderen Seite tun Sie es – und das muss einleitend auch gesagt werden – mit einem Hexenkreuz am Rücken, denn der wahre Grund dafür, dass Sie sich heute plötzlich dem Thema Asyl widmen, ist, dass die Grünen für heute angekündigt haben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Also so kleinlich wie Sie! Sie sind schadenfroh!), im Plenum zu thematisieren, was im Rechnungshofausschuss im Zusammenhang mit Missachtung des Parlaments, mit Missachtung des Fragerechts der Abgeordneten und mit dem Kopf-in-den-Sand-Stecken von Minister Platter so läuft. (Abg. Scheibner: Das werden wir eh noch diskutieren! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind misstrauisch und schaden­froh!)

Davon ist Strasser – entschuldigen Sie, wenn ich das so verkürzt sage – einmal nicht betroffen, aber Grasser und wie sie alle heißen, ehemalige Minister, Scheibner etwa. Es ist wirklich geradezu witzig, dass er, anstatt im Rechnungshofausschuss Auskunft zu geben, hierher kommt und dann noch in einer Rede zum Thema Asyl so manche Ungeheuerlichkeit von sich gibt. – Und da beginne ich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie werden mir aber nicht das Wort da verbieten! Das ist ja ungeheuerlich!)

Ich verbiete dir, lieber Herbert – wir sind schon seit 15 Jahren per du, und ich will jetzt auch nicht davon Abstand nehmen, auch wenn du mich jetzt siezt –, ich verbiete dir gar nichts, das ist dein Recht. (Abg. Scheibner: Von dir werde ich mir nicht das Wort ver-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 66

bieten lassen!) Aber es ist auch deine Pflicht, Auskunft im Rechnungshofausschuss zu geben. Darauf weise ich dich hin! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich möchte meine 8 Minuten Redezeit dem Thema widmen, aber vielleicht noch ein Wort zu Klubobmann Scheibner: 80 Prozent der Asylwerber in Österreich missbrau­chen das Asylrecht, weil sie nämlich nicht anerkannt werden als Asylwerber. – Dieser Schluss ist so einfach – oder gibt es ein anderes Wort für einfach (Abg. Sburny: Jen­seits!), das noch mehr als einfach bedeutet? –, und diesen einfachen Schluss zieht er. Wenn nach dem österreichischen Asylgesetz 80 Prozent keine Anerkennung als Flüchtlinge finden, heißt das für Herbert Scheibner, dass 80 Prozent die Asylwerbung, die Antragstellung missbrauchen, meine Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Dass sie keine Gründe haben! – Abg. Dr. Partik-Pablé: ... nach der Genfer Konvention!)

Das hieße, wenn wir das auf andere Verwaltungsverfahren – und das ist das Asylver­fahren – umlegen, dass all jene, die sich in einem Verwaltungsverfahren nicht durch­setzen, immer Missbrauch treiben. Wenn man beispielsweise eine Strafverfügung we­gen Raserei im Straßenverkehr bekommt und dann Einspruch erhebt, weil man meint, nicht so viel zahlen zu müssen, sich mit dem Einspruch aber nicht durchsetzt, dann ist das Missbrauch. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Also Ihr Vergleich ist wirklich ein Blöd­sinn! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn jemand mit 160 auf der Autobahn fährt, ist das kein Missbrauch?)

Ja, unterstützen wir das, so könnte man in dieser Republik ganz viel einsparen und das den obdachlosen AsylwerberInnen und jenen, die in Österreich kein Dach über dem Kopf haben, kein Geld, um selbst für ihre Grundversorgung aufzukommen, zur Verfü­gung stellen. Deshalb hat sich die Europäische Union in einem langwierigen Prozess – dieser Prozess geht schon seit vielen Jahren; damals hat Minister Strasser sich überhaupt noch nicht damit beschäftigt, ich glaube, das war unter Löschnak und unter Einem und dann unter Schlögl – dazu durchgerungen, in Europa einen Standard fest­zulegen, der da sagt: In diesem reichen Europa sollen Menschen, die auf der Flucht sind, einen Asylantrag stellen können, sie sollen ein Dach über den Kopf und das notwendige Essen bekommen.

Eben dieses Dach über den Kopf und das notwendige Essen hat der österreichische Gesetzgeber, nämlich das Parlament, letztes Jahr, in Kraft getreten mit 1. Mai dieses Jahres, auch normiert. Jetzt gibt es massive Beschwerden darüber, dass man das, was Recht ist, was sozusagen Anspruch ist, was die Verpflichtung Österreichs im Zusammenhang mit den EU-Obligationen ist, auch tatsächlich macht.

Herr Bundesminister, jetzt komme ich zu Ihnen und zu Ihren Ausführungen in Replik auf Frau Abgeordnete Partik-Pablé. Wenn Sie hier herkommen und behaupten, dass es noch nie so viele versorgte Flüchtlinge in Österreich gegeben hat wie heute, dann muss ich sagen: Sie sprechen wieder einmal nicht korrekt, um nicht zu sagen, dass Sie die Unwahrheit sagen! Herr Bundesminister, wo haben Sie Mitte der Neunzigerjahre gelebt, als Zehntausende bosnische Flüchtlinge in Österreich untergebracht wurden (Abg. Scheibner: Das waren aber keine Asylwerber! – Abg. Lentsch: Das war privat!), Gott sei Dank untergebracht wurden!

Wir als VolksvertreterInnen haben damals im Nationalrat der österreichischen Bevölke­rung wahnsinnig oft unsere Wertschätzung und unseren Dank für diese Hilfestellungen ausgedrückt – und indirekt sozusagen auch dem österreichischen Steuerzahler. Das haben nicht nur die Hilfsbereitschaft und die Barmherzigkeit der Österreicher geschafft, sondern das haben wir alle gemeinsam bezahlt. Es waren, wie gesagt, Zehntausende Flüchtlinge.

Ich gebe zu, Herr Bundesminister, durch den Druck der Europäischen Union und des Gesetzgebers und durch Ihre eigenen Initiativen versuchen Sie jetzt, ein wenig das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 67

gutzumachen, was Sie jahrelang verursacht haben, nämlich, dass Asylwerber auf die Straße gestellt, obdachlos gelassen und ausschließlich der Betreuung von karitativen Organisationen, in erster Linie von kirchlichen, aber auch der Betreuung von NGOs, übergeben wurden.

Zu Ihren Zahlen, die Sie hier nennen: Es müsste Sie eigentlich erschauern lassen, wenn Sie heute zugeben, dass im Jahr 2000 nur 2 300 Menschen von der Republik Österreich versorgt wurden, nämlich nur 2 300 von damals schon Zehntausenden hilfsbedürftigen AsylwerberInnen in Österreich! (Zwischenbemerkung von Bundesmi­nister Dr. Strasser.)

Deshalb ist diese Diskussion, ob das möglicherweise Missbrauch ist, eine der meiner Meinung nach schändlichsten, die jetzt geführt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Ich darf das auch deshalb sagen, weil ich hier vor einem Jahr heftig ge­gen dieses Gesetz argumentiert und Sie darauf hingewiesen habe, wo die Schwächen sind, sowohl bei der Novelle zum Asylgesetz als auch beim Bundesbetreuungsgesetz. Ich habe argumentiert, dass die Sätze, die darin enthalten sind, nämlich was die Bedürfnisse betrifft, realitätsfremd sind.

Deshalb kann ich mir jetzt auch – wenn Sie so wollen – das Recht nehmen, zu sagen: Beschweren Sie sich nicht über Ihren eigenen Entwurf, den Sie dem Parlament vorge­legt und gleichzeitig mit den Bundesländern ausgehandelt haben! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er beschwert sich ja gar nicht! Er hat gesagt, er ist froh darüber!) Sprechen Sie nicht – und jetzt kommt das Gemeinsame zwischen Strasser und Scheibner; es ist nicht nur der Anfangsbuchstabe – in diesem Ton (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Also bitte!), sprechen Sie in der österreichischen Flüchtlingspolitik nicht in diesem Ton, operieren Sie nicht ständig mit Metaphern, reden Sie nicht ständig von Strömen, nicht ständig von Asylanten! (Abg. Scheibner: Ich habe dauernd gesagt: Asylwerber! Hören Sie ein­mal g’scheit zu!)

„Asylanten“ – ein Begriff, den es in der deutschen Sprache nicht gibt. Sie werden ihn in keinem Wörterbuch, in keinem Lexikon, nirgendwo finden. Das ist ein Kampfbegriff, der entwickelt wurde, um Flüchtlinge und Asylwerber, um Menschen, die Hilfe suchen, zu diskreditieren, in Österreich aufgekommen – nicht ganz unzufällig (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben schon wieder Ihre alte Platte aufgelegt! Sie hören überhaupt nicht zu!) –, von der „Kronen Zeitung“ geprägt, und jetzt geht er so sukzessive in den öster­reichischen Sprachgebrauch über. Er ist immer pejorativ. Er ist nie positiv gemeint, sondern immer, wenn er verwendet wird – und jetzt komme ich wieder auf die beiden Herren zu sprechen, auf Strasser und Scheibner –, negativ besetzt. (Abg. Kößl: Frau Kollegin! Beim Schlusssatz bedanken Sie sich für das menschliche Asylgesetz!)

Das, Herr Minister, ist jetzt Ihre Verantwortung! Ich sage Ihnen: Ich gehöre nicht zu jenen, die sich darüber freuen, dass der Verfassungsgerichtshof wieder einmal aktiv werden müsste. Ich halte es für eine Blamage des österreichischen Parlaments, dass das passiert ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kößl: Beim Schlusssatz bedanken Sie sich beim Minister für das menschliche Asylgesetz!)

Herr Minister, ich mache genau das, was ich schon letztes Jahr gemacht habe, näm­lich: Ich bitte Sie – und biete Ihnen das gleichzeitig an –, jene, die Sachkundigkeit auf dem Gebiete der Legistik, der profunden Formulierung von Gesetzen haben, in diese Diskussion mit einzubinden! Machen Sie das, wozu Sie Frau Dr. Partik-Pablé aufgefor­dert hat: Schließen Sie sich zusammen mit den NGOs, aber nicht, um vermeintlichen Missbrauch zu bekämpfen, sondern um die Kompetenz der NGOs in diesen Fragen zu nutzen! (Abg. Kößl: Um Gottes willen! Sie werden ja nicht für den Missbrauch stimmen?!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 68

Um Ihre, Herr Bundesminister Strasser, „wirklich schwere Schlappe“, wie eine Zeitung geschrieben hat, ein wenig zu mildern: Jetzt haben Sie die Chance, die Richtung zu korrigieren! Sie haben hiefür die Unterstützung der Opposition sowie das Angebot aller kirchlichen und nicht staatlichen Organisationen, Österreich auf den Boden der Verfas­sung in Bezug auf Asylrecht und Betreuung von Hilfsbedürftigen zurückzubringen. (Bei­fall bei den Grünen.)

Ich kann Ihnen nur empfehlen, Herr Minister Strasser: Nutzen Sie diese Chance! Oft hat man eine solche nicht. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

13.11

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.11

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Stoisits, wenn Sie durchs Land gehen und mit den Leuten reden, dann werden Sie wohl zu dem Schluss kommen müssen, dass man zur Behandlung dieses Themas keinerlei Vorwand suchen muss, denn das brennt den Leuten wirklich auf den Nägeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei dieser Gelegenheit, wenn schon davon die Rede ist: Wir wären Ihnen, Frau Abge­ordnete Stoisits, sehr verbunden, wenn Sie Ihrem Abgeordneten-Kollegen Kogler aus­richten würden, dass er seine Funktion als Vorsitzender des Rechnungshofausschus­ses nicht dazu missbrauchen soll, seine politischen Ziele durchzubringen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Öllin­ger.)

Herr Bundesminister Strasser, ich teile Ihre Ansicht, dass diese Debatte hier sehr ziel­führend ist, und deshalb haben wir ja auch diesen Antrag eingebracht. Es ist gut, dass es jetzt die Gelegenheit gibt, das Asylgesetz noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Vor einer guten Lösung braucht es jedoch eine klare Analyse, und, Frau Ab­geordnete Stoisits, eine klare Analyse gewinnt man in der Regel nur mit einem emotionsfreien und kühlen Kopf! Das sollte man auch einmal sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Debatte, wie sie über die Verteilung von Asylwerbern geführt wird, geht zum Teil gefährlich am Kern vorbei. – Herr Innenminister, Sie wissen: An einem Tag kommen etwa 100 Leute nach Traiskirchen. Eine Debatte darüber, wie wir 250 Leute unterbrin­gen – jetzt werden jeden Tag 50 Menschen in Privatquartiere gebracht –, bringt über­haupt nichts, denn nach fünf Tagen, an denen gesagt wird, man hätte jetzt 250 Men­schen untergebracht, die nicht mehr in Traiskirchen sind, gibt es in Wirklichkeit um 250 Menschen mehr in Traiskirchen, jedoch ist es so, dass nach Traiskirchen Leute oft nur ganz kurz kommen – und dann sofort wieder „abtauchen“. Traiskirchen sozusagen als von der internationalen Schlepperei eingeplante Labstation. (Abg. Heinzl: „Lab­station“ ist hart!) So ist es!

40 Prozent der Asylanträge, ist uns gesagt worden, können deshalb nicht abgeschlos­sen werden, weil Asylwerber vorher „abtauchen“. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Wenn Sie sich in Traiskirchen erkundigen, werden Sie merken, dass dort niemals zwei Mal hintereinander der Personenstand derselbe ist. Es ist also völlig un­klar, wer dort ist; es gibt lediglich Zahlen, aber die Menschen, die da dahinter stehen, kennen wir eigentlich nur zum Teil. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Wichtig und gut wäre es, wenn das gesamte Hohe Haus dazu einen klaren politischen Willen fassen würde und den Innenminister in seinem Vorhaben unterstützen würde. – Asyl hat Flüchtlingen gewährt zu werden – Österreich war da immer vorbildlich –, Asyl-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 69

missbrauch jedoch gehört abgestellt, und zwar auch im Interesse der inneren Sicher­heit! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Miedl.)

Sie alle kennen ja die Zahlen in Bezug auf die ständig und in drastischem Maße stei­gende Kriminalitätsrate. Auch das ist offen zu sagen: Hinter beinahe jedem Asylwerber steht ein Schlepper. Die Schlepperei ist das zurzeit lukrativste Geschäft der organisier­ten Kriminalität, hat den Waffenhandel und den Drogenhandel sozusagen überflügelt. Das heißt: In dieser Materie besteht bedauerlicherweise – oder sozusagen, natürli­cherweise – ein ganz, ganz enger Kontakt zum internationalen Verbrechen.

Jeder weiß, dass Menschen, die aus armen Gegenden zu uns kommen, nicht in der Lage sind, 5 000 €, 10 000 € oder noch mehr an Gebühr fürs Schleppen zu zahlen. Was passiert daher? – Auch das ist ein Faktum: Diese Menschen verpflichten sich den Schlepperorganisationen gegenüber, dieses Geld hier abzuarbeiten – und in welchen Branchen, das sehen wir dann eben an den jeweils steigenden Kriminalitätsraten.

Meine Damen und Herren! Durch die Tolerierung des Missbrauchs des Asylrechts wird es eigentlich der internationalen organisierten Kriminalität ermöglicht, Leute hier zu rekrutieren und sich Arbeitssklaven zu halten. Das ist doch nicht etwas, was wir wollen, dem wir zustimmen können!

65 Prozent der Tatverdächtigen in Österreich sind Ausländer; viele davon sind als Asyl­werber da. Herr Innenminister, Sie haben gestern in einem „Presse“-Interview gesagt, dass von 2 000 Drogendealern, die im vergangenen Jahr in Wien vor den Staatsanwalt kamen, 70 Prozent als Asylwerber in unserem Land sind. Das kann doch nicht toleriert werden!

Was ist also zu tun? – Es gibt eine gemeinschaftsrechtliche Vereinbarung, Dublin II, die besagt, dass ein Flüchtling einen Asylantrag in jenem EU-Land zu stellen hat, das er als erstes betritt. Diese Regelung ist vernünftig und verhält die einzelnen EU-Länder dazu, ihre Grenzen zu schützen. Diese Regelung ist so vereinbart worden; also ganz offensichtlich sind da einige Dinge hausgemacht, Dinge, durch die diese Regelung unterlaufen wird, denn ansonsten könnte es doch nicht so sein, dass wir hier in Öster­reich ein Vielfaches an Asylanträgen im Vergleich zu anderen EU-Ländern zu bewälti­gen haben.

Ganz kurz zu dieser Regelung, da das Licht hier beim Rednerpult bereits blinkt: Durch Korrektur des § 19 soll erreicht werden, dass jene, die zu Unrecht bei uns um Asyl ansuchen, bereits im Grenzraum abzuweisen sind. Ungeheuer missbrauchsanfällig ist § 24b dieses Gesetzes mit dem Begriff „Traumatisierung“. – Selbstverständlich werden in Österreich traumatisierte Flüchtlinge, die bei uns einen Asylantrag stellen, gut be­treut. Es gibt medizinischen Beistand, keine Frage!, aber aus dieser Tatsache heraus eine Zuständigkeit Österreichs abzuleiten, ungeachtet aller anderen Umstände, das unterläuft Dublin II! Das kann so nicht funktionieren!

Weiters: Die Ersteinvernahme muss an der Grenze geschehen, und das Flüchtlings­lager Traiskirchen – das sage ich als Niederösterreicherin – muss baldigst geschlossen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Die Handlungsfähigkeit und die Entscheidungsfähigkeit einer Demokratie hängen, und zwar mehr als in anderen Staatsformen, an der Glaubwürdigkeit und der Fähigkeit des Rechtsstaats, sich durchzusetzen und den Schutz der Bürger zu gewähr­leisten. Wenn es so weit kommt, dass einzelne Leute – einen solchen Fall hat es ja in Wien schon gegeben – sagen, sie schützen ihr Geschäft selber, so kann das nur als ganz gefährlicher Weg, als ganz gefährliche Entwicklung bezeichnet werden.

Herr Innenminister, Sie tragen die zentrale Verantwortung dafür, die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates und den Glauben an die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 70

nicht beschädigen zu lassen. Sie haben unsere Unterstützung, aber ich fordere Sie auf: Ermannen Sie sich und setzen Sie im Interesse der echten Flüchtlinge, der Sicher­heit der Österreicher und Ihrer eigenen Beamten jetzt wirklich Schritte, die eine geord­nete Asylpolitik ermöglichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.17

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Vorgängen im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben, einzusetzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung im An­schluss an die Abstimmung über den Dringlichen Antrag statt.

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


13.18

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Posch, was sagst du bitte zu deinem SP-Kollegen Landesrat Ackerl, der wochenlang vom Bund forderte, Kasernen für Flüchtlinge zu öffnen? Dann wird in Steyr die Trollmann-Kaserne geöffnet – und dann ist es auf einmal den Flüchtlingen „nicht zumutbar“, dass sie dort untergebracht werden. 460 österreichischen Grundwehrdienern war das jahrelang zu­mutbar! Eine doppelbödigere Politik kann ich mir eigentlich nicht mehr vorstellen! (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich blickt als Asylland auf eine lange Tradition zurück – und kann stolz auf diese sein. Unser Land hat seine Grenzen für Flüchtlinge immer großzügig geöffnet. So zum Beispiel haben wir Hunderttausende Ungarn und Tschechen aufgenommen, als diese ihr Heimatland verlassen mussten. Ebenso haben wir während des Bosnien-Krieges mehr als 90 000 bosnische Flücht­linge bei uns aufgenommen, ja noch mehr: Über 60 000 davon haben wir in unsere Gesellschaft integriert und nicht Hunderttausende wieder zurückgeschickt, wie etwa die Bundesrepublik Deutschland das getan hat.

Kein anderes Land als Österreich kann auf solche Großzügigkeit verweisen. Dies, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wurde auch beim 53. Weltkongress der Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem gewürdigt. Österreich wurde dort als „sehr gutes Asylland“ bezeichnet.

An die Opposition gerichtet: Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie doch end­lich auf, unser Land Österreich ständig schlechtzureden!

Ich stelle noch einmal klar: Jedem, der ein Recht auf Asyl hat, wird es in Österreich auch rasch bewilligt. Aber wir stellen auch klar: Eines unserer wichtigsten Ziele ist es: Jene, die missbräuchlich Asylanträge stellen, sollen und werden kein Asyl bekommen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 71

Auf Grund der ausufernden Zahl der Asylanträge war im Jahr 2002 unmittelbarer Handlungsbedarf gegeben. Die Zahlen sprechen für sich – ich werde es Ihnen ver­deutlichen: Im Jahr 2003 gab es in Österreich 32 342 Asylanträge, in Deutschland 50 455 Asylanträge, obwohl die Bundesrepublik Deutschland die zehnfache Bevölke­rungszahl Österreichs hat, in Großbritannien wurden 49 369 Asylanträge gestellt, in Frankreich 51 360, und das bei der achtfachen Bevölkerungszahl Österreichs.

Dieser Problematik der ausufernden Zahl der Asylanträge begegnete das am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Asylgesetz. Dies führte zu einer Reduktion der Zahl der Asyl­anträge um 36 Prozent im Zeitraum Mai bis September dieses Jahres. Wir sehen also, das neue Asylgesetz greift. Wir sind auf dem richtigen Weg mit unserer vernünftigen Asylpolitik im Sinne der internationalen Vereinbarungen, wie der Genfer Flüchtlings­konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention.

In diesem Zusammenhang: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister, für die gute Arbeit!

Auch vom Verfassungsgerichtshof sind mehr als 95 Prozent des Asylgesetzes bestätigt worden. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt ja gar nicht!) Lediglich drei Punkte werden laut Ansicht des Verfassungsgerichtshofes als reparaturbedürftig erachtet.

Frau Kollegin Stoisits! Ich erinnere mich noch sehr gut an Diskussionen mit VertreterIn­nen der Opposition, der NGOs, aber auch des UNHCR Österreich, in denen viele Punkte heftig umstritten waren, die jetzt vom Verfassungsgerichtshof als verfassungs­gemäß erachtet werden.

Auch das Neuerungsverbot hat großteils gehalten, nur ein Punkt ist verfassungswidrig: In der zweiten Instanz dürfen gemäß dem Neuerungsverbot keine neue Tatsachen mehr vorgebracht werden. Das Asylgesetz normiert dazu aber vier Ausnahmen: bei Sachverhaltsänderungen, bei mangelhaften Verfahren, wenn neue Tatsachen hervor­kommen und bei medizinischer Traumatisierung durften auch in zweiter Instanz neue Tatsachen nachgereicht werden. Nur diese Ausnahme betreffend medizinische Trau­matisierungen wurde vom Verfassungsgerichtshof behoben.

Ich begrüße die rasche Entscheidung des VfGH und respektiere die Entscheidung, ich bin mir aber auch sicher, dass wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Inneres Vorschläge erarbeiten werden, die sowohl dem Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes als auch unserer Verpflichtung gegenüber der österreichischen Bevölkerung und selbstverständlich auch den Asylwerberinnen und Asylwerbern gerecht werden.

So werden wir selbstverständlich dafür sorgen, dass auch weiterhin rechtmäßige und rasche Verfahren für jene gegeben sind, die einen Anspruch darauf haben. Unser Grundverständnis lautet also: Jene, die wirklich Asyl brauchen, sollen dieses rasch bekommen.

Noch einmal unser Ziel: Jene, die Asyl brauchen, werden es rasch bekommen, den Missbrauch aber werden wir hintanstellen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dies steht auch im Einklang mit der Gen­fer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Unser Land Österreich darf nicht zu einem bevorzugten Zielland der internationalen Schlep­perorganisationen und des internationalen Menschenhandels werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Ich erteile es ihm.

 


13.24

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zum Kollegen Kößl, der jetzt nicht im Saal ist, bedanke ich mich sehr herz-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 72

lich bei Frau Abgeordneter Partik-Pablé und natürlich auch bei Herrn Abgeordnetem Scheibner dafür, dass wir die Möglichkeit haben, über das Pech, die Pleiten und die Pannen des Herrn Innenministers zu reden. Seit er im Amt ist, hat er ja eine beacht­liche Häufung von Aufhebungen von Gesetzesmaterien hinnehmen müssen. (Zwi­schenruf des Abg. Wittauer.)

Ich zitiere, meine Damen und Herren: § 28 des Zivildienstgesetzes-alt wurde wegen des Verpflegungsgeldes aufgehoben, die Neuregelung, die dann gemacht wurde, wurde wieder aufgehoben; § 46 des Personalvertretungsgesetzes wurde aufgehoben; im Jahre 2001 wurde § 4 des Asylgesetzes aufgehoben; § 80 des Sicherheitspolizeige­setzes wurde wegen des Datenschutzes aufgehoben; § 15a Beamten-Dienstrechtsge­setz wurde aufgehoben; die Asylreform 2003 wurde aufgehoben; § 54a des Zivildienst­gesetzes wurde aufgehoben – und vergessen Sie nicht die Dutzenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen parteipolitischer Besetzungsversuche im Beamten­bereich, diese wurden aufgehoben. (Abg. Ellmauer: ... bei der Wahrheit bleiben!)

Meine Damen und Herren! Das ist schon eine „beachtliche“ Leistung! – und eines steht schon jetzt fest: Mit dem geplanten Sicherheitspolizeigesetz wird der Minister die nächste Panne, den nächsten Bauchfleck landen!

Herr Minister Strasser soll aber nicht sagen, er sei nicht gewarnt worden. Er ist vor einem Jahr sehr deutlich gewarnt worden, etwa vom Katholischen Familienverband, der gesagt hat: „Der österreichische Entwurf vergrößert die europäische Ratlosigkeit. Er enthält ... nichts Mutiges oder gar Fortschrittliches. Im Gegenteil noch setzt er sich der berechtigten Kritik aus, menschenrechtliche Mindeststandards zu untergraben.“

Oder die Diakonie – ich zitiere –: „Dazu kommt ein weitgehendes Abgehen von zentra­len Punkten der österreichischen Rechtskultur, vor allem durch die massive Einschrän­kung des Rechtsschutzes und der Einführung von Zwangsmitteln.“

Und weiter: „Es ist notwendig, dass auch in Zukunft jedem Asylsuchenden ein effekti­ver Zugang zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren offen steht.“

Meine Damen und Herren! Im Antrag der FPÖ, der von Kollegin Partik-Pablé und vom Kollegen Scheibner eingebracht worden ist, ist ja auch die Formulierung hochinteres­sant. Da steht etwa: „Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat ehebaldigst“ – das ist schon einmal sehr eigenartig (Abg. Scheibner: Wieso?), da hätte man ja auch einen Termin hineinschreiben können – „eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen ... verfassungskonform überarbeitet“. (Abg. Scheibner: Ja was sonst? Sollen wir es verfassungswidrig überarbeiten?)

Kollege Scheibner! Das könnte man jetzt auch so interpretieren, dass in Wirklichkeit der Herr Bundesminister nicht in der Lage war, verfassungskonforme Gesetzesvor­lagen zu erstellen. (Abg. Scheibner: Sollen wir hineinschreiben, er soll etwas verfas­sungswidrig vorlegen?) In Wirklichkeit haben Sie damit dem Minister eine schallende Ohrfeige verpasst.

Wenn man sich die Gesetzesmaterie weiter ansieht und das Erkenntnis und die Aus­sagen des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, dann wird ja wieder deutlich, mit welcher Schludrigkeit bei diesem Gesetz vorgegangen wurde. (Abg. Wittauer: Das ist keine Schludrigkeit! Das nehmen Sie zurück, Herr Abgeordneter!)

Herr Korinek hat eindeutig formuliert: „Die legistische Qualität des Gesetzes ist nicht gut.“ (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das eine Lesung oder eine Rede? Das ist keine freie Rede!) Er setzt dazu, dies sei „noch zurückhaltend formuliert“. – Das sagt der Präsi­dent des Verfassungsgerichtshofes.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 73

Es ist auf Bestimmungen verwiesen, meint er weiter, die es nicht gibt. – Also auf ir­gendwelche Absätze, die im Gesetz nicht vorkommen.

Herr Bundesminister! Es ist schon sehr bedauerlich, dass derartig vorgegangen wird, sodass Sie sich dieser Bemerkung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes aussetzen müssen.

Meine Damen und Herren! Besonders deutlich wird das Verhältnis zum Rechtsstaat, wenn man sich etwa die Aussage des Vizekanzlers Gorbach anschaut. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) – Für dich, Kollege Wittauer, zum Mitlesen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wie soll er mitlesen, wenn er es nicht hat!), zum Mitdenken und zum Mitbuchstabieren.

„Die Gerichte orientieren sich rein am Gesetzestext und fällen ihre Entscheidungen in der Theorie“, sagte Vizekanzler Gorbach. „Die Politiker müssen sich hingegen an der Realität orientieren und können vor den tagtäglichen Problemen in der Umsetzung der Asylbestimmungen nicht die Augen verschließen.“

Ja was heißt denn das, meine Damen und Herren? Es ist ja wohl selbstverständlich, dass sich Gerichte an Gesetze halten – davon gehe ich aus! –, aber wenn ein Vize­kanzler das sozusagen in Frage stellt und darüber hinaus noch meint, die Politiker können sich über das Recht hinwegsetzen, und sie de facto noch dazu auffordert – und das ist ja sozusagen aus seiner Aussage herauszulesen (Zwischenruf des Abg. Witt­auer) –, dann ist er in einer demokratischen Republik mit Sicherheit am falschen Platz, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich komme zum Schluss meiner Ausführungen: Meine Damen und Herren! Ich kann dem Herrn Innenminister nur empfehlend auf Folgendes hinweisen: Der Bundeskanzler hat gesagt: „Es würde mir weh tun, wenn wir nicht 30 000 Flüchtlinge in einem 8-Mil­lionen-Land ohne größere Probleme integrieren, behausen, ernähren und betreuen können. Das müssen wir zusammenbringen.“

Das hat der Bundeskanzler am 17. Oktober dieses Jahres gesagt! Herr Bundesminis­ter, gehen Sie an die Arbeit und erfüllen Sie die Aufgabe, die Ihnen Ihr Chef gestellt hat! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Ich erteile es ihm.

 


13.30

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich gehöre zu jenen, die froh und auch stolz darauf sind, dass Öster­reich eine Asyltradition hat, in der Vergangenheit hatte, die tatsächlich für viele Flücht­linge positiv war. (Abg. Wittauer: Geht es noch langsamer?!) – Manchmal ist es auch wichtig mitzudenken, Herr Kollege! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich bin froh darüber, ... (Abg. Wittauer: Ein bisschen Dynamik in Ihre Rede!) – Herr Kollege Wittauer, bitte, machen Sie wenigstens einen intelligenten Zwischenruf!

Ich bin froh darüber, dass es in diesem Land Bürgermeister gibt, egal ob schwarz oder rot – da gibt es viele, die zu loben sind –, die sich in den letzten Monaten und Jahren sehr verdient gemacht haben um die Aufnahme von Flüchtlingen – Hut ab! –, jenseits von parteipolitischen Grenzen! Hut ab vor jenen Bürgermeistern, Hut ab vor jenen Hilfsorganisationen, Hut ab vor jenen, die den Asylsuchenden in den letzten Jahren entweder ein Asyl geboten haben oder alles dazu getan haben, damit der Aufenthalt von Flüchtlingen hier in Österreich erträglich wurde!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 74

Daher ist es umso unverständlicher und zynischer, wenn man, wenn man Traiskirchen kennt, wenn man das Flüchtlingslager Traiskirchen besucht hat, von Traiskirchen als Labstation spricht, wie dies Frau Abgeordnete Rosenkranz getan hat. Sie wissen an­scheinend nicht, Frau Abgeordnete Rosenkranz, wie es tatsächlich in Traiskirchen aus­schaut, wenn 70, 80 Asylsuchende – das waren oft Männer und Frauen gemeinsam mit Kindern – in einem Raum untergebracht sind, wenn sie sich zu Hunderten eine Toi­letteanlage, eine Dusche teilen müssen. Und dann sagt eine Abgeordnete: Das ist eine Labstation! Da geht es denen ja noch viel zu gut! (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Das kann doch nicht wahr sein, Frau Abgeordnete Rosenkranz! Das ist Zynismus pur. Das haben sich weder die Flüchtlinge noch jene, die sich in dieser Republik für Flücht­linge, für Asylsuchende, für menschenwürdige Bedingungen von Asylsuchenden ein­setzen, verdient. Das sicher nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Interessant finde ich schon – Herr Innenminister, jetzt komme ich zu Ihnen –, dass Sie – das ist mir erst heute so richtig aufgefallen – in den letzten Jahren eigentlich jede Rede mit dem Satz begonnen haben: Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind rot-weiß-rot! (Ruf bei der ÖVP: Die Mitte!) – Wo war das heute?

Es wurde Ihnen – das wurde schon gesagt – die Regelung über den vorzeitigen Zwangsruhestand vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Es wurde Ihnen die Zivildienst­novelle gekippt, und es wurde Ihnen das Asylgesetz gekippt. Herr Minister! Wenn Sie all das damit abtun, dass Sie sagen: 95 Prozent des Gesetzes sind ohnehin in Ord­nung!, egal ob es das Zivildienstgesetz ist oder die Asylgesetznovelle, dann ist mir das zu wenig. Das kann man bei jeder Aufhebung durch den VfGH behaupten und sagen: Da sind ja noch Paragraphen enthalten, die nicht aufgehoben wurden! – Welcher Ver­dienstausweis ist das für einen Innenminister (Zwischenbemerkung von Bundesminis­ter Dr. Strasser), der diese Republik zu vertreten hat und dem Parlament – und das Parlament ist ja in dieser Sache mitgehangen, mitgefangen – Vorlagen liefern sollte, die sich als verfassungskonform herausstellen und nicht verfassungswidrig sind?!

Es kann doch kein Verdienstausweis für dieses Parlament sein, aber auch nicht für den Innenminister, dass eine Gesetzesänderung nach der anderen, die in den letzten Jah­ren vom Innenministerium gekommen ist und über die wir debattiert haben, als verfas­sungswidrig aufgehoben wurde!

Herr Innenminister! Wenn Sie angesichts dieser Debatte noch sagen: Eigentlich super, dass wir jetzt über den Dringlichen Antrag der Freiheitlichen diskutieren!, dann bestäti­gen Sie damit nur mehr oder minder – und das ist das eigentlich Enttäuschende –, dass Sie nicht mehr jener Minister sind, als der Sie im Jahr 2000 ausgezogen sind, und zwar mit einer in Teilen durchaus erfrischenden Haltung und Einstellung zu bestimmten Problemen, und dass Sie und Ihr Ministerium nicht mehr rot-weiß-rot sind, sondern zutiefst schwarz-blau.

Dass Sie, Herr Innenminister, jetzt im Zusammenhang mit dieser Vorlage sagen (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser): Super, dass wir das jetzt diskutie­ren!, ist doch lächerlich! – Da sind Punkte enthalten, die brauchen wir nicht zu disku­tieren, weil sie entweder in der Menschenrechtskonvention, an die wir uns ja halten sollen, schon enthalten sind – darüber brauchen wir nicht zu diskutieren – oder in Gesetzen, die wir jetzt schon haben und deren Teile nicht aufgehoben wurden.

Worüber diskutieren wir? Worum geht es bei der Diskussion? – Es geht offensichtlich nicht darum, hier jetzt irgendeine Dringlichkeit vorzuschützen, denn der Minister ist un­abhängig von Ihrem Dringlichen Antrag (Abg. Scheibner: Da kann man aber nie einen Dringlichen Antrag machen!), Herr Kollege Scheibner, sowieso vom VfGH angehalten, dieses Gesetz zu reparieren. Ich werde doch nicht einen Minister, der gerade wieder vom Verfassungsgerichtshof für ein schlechtes Gesetz eine „drübergezogen“ bekom-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 75

men hat (Abg. Scheibner: Aber eure Anträge sind immer dringlich!), auch noch extra auffordern müssen, dieses schlechte und verfassungswidrige Gesetz zu reparieren. Selbstverständlich muss er das reparieren (Abg. Scheibner: Ihr nehmt euch ja selbst nicht mehr ernst!), aber hoffentlich in einer Art und Weise, die dann wenigstens verfas­sungskonform ist, Herr Kollege Scheibner. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden ihn ja doch nicht dazu auffordern müssen, dass er verfassungskonform repariert. Das wäre ja dann die Absurdität und die Groteske sondergleichen.

Nein, es geht nicht darum, sondern es geht um den Wind, den Sie innerhalb dieses An­trages ... (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Oberlehrer Öllinger!) – Gern, manchmal ist Ober­lehrerhaltung wahrscheinlich nützlich, auch wenn Sie es nicht begreifen, und das ist das Problem. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das entscheiden Sie sicher nicht! Sie ent­scheiden sicher nicht, was ich begreife und was nicht! Das steht fest!) Aber Sie haben es notwendig, denn solche Gesetze, wie Sie sie vorlegen, die pausenlos in zentralen Bestimmungen aufgehoben werden, bringen wirklich nur Sie zusammen, Herr Kollege Scheuch!

Ich möchte aber trotzdem, Herr Kollege Scheuch, auf den Wind, den Sie zu erzeugen versuchen, zu sprechen kommen. Im Antrag wird davon gesprochen, dass es zwei Bundesländer gibt, die die Quote übererfüllen – Wien und Niederösterreich. Eigentlich sollte man, habe ich mir gedacht, Wien und Niederösterreich dafür belobigen; hat ja auch ein Abgeordneter von der SPÖ gemacht.

Was tut man im Antrag? – Es heißt, es ist „problematisch“, dass Wien so viele auf­nimmt. „Problematisch“ ist das! – Und der Herr Minister ist nicht derjenige, der in der Debatte sagt: Nein, ich stehe dazu, dass Wien hilfsbedürftige Asylsuchende aufnimmt und von der Straße wegbringt – und das ist ja der entscheidende Punkt –, ihnen eine Versorgung in Unterkünften anbietet, damit sie eben nicht auf der Straße sind. Aber wahrscheinlich ist auch das – das wissen wir doch alle – noch zu wenig, die Asylsu­chenden sollten hier auch arbeiten dürfen, das wäre sinnvoll! Dann hätten wir endlich sehr viele Probleme beseitigt. (Bundesminister Dr. Strasser: Sie kennen das Gesetz nicht, Herr Abgeordneter!) Wenn wir sie nicht nur von der Straße wegbringen würden, sondern ihnen hier auch menschengerechte, rechtskonforme Verhältnisse anbieten würden, wenn wir ihnen Betreuung anbieten könnten, dann hätten wir vermutlich viele der Probleme, die es tatsächlich gibt und über die man auch nicht schweigen sollte, nicht in der Form. Genau das ist der Punkt.

Was machen Sie in Ihrem Antrag? – Sie sagen: Genau diese Haltung von Wien, aber auch von Niederösterreich, die das tun, die das erfüllen, ist die problematische Hal­tung. Das kritisieren Sie! Und da wundert es mich, dass keiner von den ÖVP-Abgeord­neten bisher hier aufgestanden ist und gesagt hat: Das lassen wir uns nicht gefallen! Egal ob es jetzt gegen Wien oder gegen Niederösterreich geht, wir sind froh darüber und stolz darauf, dass Wien und Niederösterreich ihre Verpflichtungen aus der Artikel-15a-Vereinbarung erfüllen. Was aber tun Sie von der ÖVP? – Sie schweigen, Sie schweigen zu dem, was hier mit diesem Antrag an Wind gemacht wird. (Abg. Miedl: Wir werden schon etwas sagen dazu! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Noch ist nicht aller Tage Abend!) – Noch ist nicht aller Tage Abend, ja, Gott sei Dank.

Ich bin der Überzeugung, Herr Kollege Scheuch, dass die Österreicherinnen und Ös­terreicher in den wesentlichen Punkten wesentlich liberaler und humaner denken, als das die FPÖ den Österreicherinnen und Österreichern hier unterstellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist ja auch an der immer wieder großen Hilfsbereitschaft erkennbar.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 76

Nur wenn man sozusagen eine böse Stimmung machen will – und das tun Sie, Sie pro­bieren es halt wieder einmal im Hinblick auf diese zwei Bundesländer –, dann darf man sich nicht wundern. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundesminister! Was störend ist, ist, dass Sie von Asylmissbrauch reden, obwohl das Asylgesetz durch den Gesetzgeber missbraucht wurde. (Abg. Scheibner: Die Ge­schäftsordnung gilt für die Grünen gar nicht mehr, gell? – Im Ausschuss nicht und im Plenum nicht!) Nicht die Asylsuchenden, auch nicht die Zivildiener sind das Problem, sondern eine Politik, die Sie zu verantworten haben, aber auch Sie, die die Menschen­rechte und auch die Verfassung missachtet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

13.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


13.41

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Um gleich zu Beginn meiner Ausfüh­rungen der Wahrheit die Ehre zu geben: Meine Kollegin Barbara Rosenkranz hat nicht davon gesprochen, dass die in Traiskirchen Untergebrachten dort eine Labstelle vor­finden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das hat sie nicht gemacht! Ich stelle eindeutig fest, sie hat davon gesprochen: Wenn Geschleppte nach Traiskirchen kommen, benutzen sie diese Einrichtung mitunter als Labstelle, um nachher wieder als Illegale entweder weitergeschleppt zu werden oder als Illegale unterzutauchen. Ich möchte dies hiermit klarstellen. (Abg. Öllinger: Nein, das ist keine Klarstellung! Von „mitunter“ war keine Rede!)

Zum Kollegen Parnigoni noch ganz kurz, der den Verfassungsgerichtshof beziehungs­weise die Aufhebung einiger, nämlich genau dreier Punkte dieses Asylgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof bemüht hat. Ich darf Sie schon daran erinnern, wie es zu Ihrer Regierungszeit der geübten Praxis entsprach: Immer dann, wenn Sie sich nicht sicher waren, haben Sie ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung daraus gemacht, wodurch die Möglichkeit für den Verfassungsgerichtshof, ein Gesetz aufzuheben, nicht gegeben war. Davon haben Sie damals reichlich Gebrauch ge­macht.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass es um drei Punkte geht, die dezidiert schon genannt wurden, und bei diesen drei Punkten sind es Teile, die der Verfas­sungsgerichtshof aufgehoben hat.

Wichtig ist mir die Feststellung, dass Österreich immer ein Land war, das offen war für politisch, rassisch, religiös Verfolgte, für Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, die Probleme hatten und zu uns gekommen sind. Österreich ist nach wie vor offen und wird es auch bleiben. (Abg. Öllinger: Daran lassen Sie zweifeln!) Aber, geschätzte Damen und Herren, was Österreich nicht ist: Österreich ist kein Einwanderungsland!

Aus dem Vergleich der Zahl der Asylsuchenden, die wir hier in Österreich vorfinden, mit den diesbezüglichen Zahlen anderer Länder, beispielsweise Frankreich, Großbri­tannien, Deutschland, lässt sich eindeutig eine Schlussfolgerung ziehen. Vergleichen wir Deutschland und Österreich: Deutschland hat ungefähr eine zehnmal so große Bevölkerung wie Österreich. 64 Prozent der Zahl der Asylsuchenden, der Asylwerber in Deutschland haben wir hier in Österreich. Das heißt, wir haben nur 10 Prozent der Be­völkerung verglichen mit der Bundesrepublik Deutschland, aber wir haben 64 Prozent an Asylsuchenden, gemessen an der Zahl, die wir in Deutschland vorfinden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 77

Österreich ist eindeutig ein Hauptzielland für Asylsuchende und – geschätzte Damen und Herren, dass müssen Sie zur Kenntnis nehmen – für Wirtschaftsflüchtlinge, also für jene, die ihre Lebensbedingungen für sich verbessern wollen. Die große Zahl der Untergetauchten – das ist übrigens, Herr Bundesminister, ein Terminus, der in Ihrem Ministerium offensichtlich nicht bekannt ist, weil auf eine Anfrage, wie viele unterge­taucht sind, keine Antwort gegeben wurde, aber ich denke, dass es zumindest hier im Hause bekannt sein dürfte, was mit Untergetauchten gemeint ist –, die große Zahl die­ser Untergetauchten begünstigt ja an sich noch die Zahl derer, die wir als Asylwerber ausweisen, sonst wäre sie noch höher. Interessant wäre es trotzdem, wie hoch diese Zahl tatsächlich ist.

Seit 1998 hat sich die Zahl der Asylwerber versechsfacht, das heißt von 1998 bis 2003 von 5 000 auf über 32 000. Das lässt für mich jedenfalls keinen Zweifel daran, dass hier ein entsprechender Missbrauch stattfindet, dass es sich bei diesen mehr als 32 000 Personen nicht um Asylwerber entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention handelt.

Geschätzte Damen und Herren! Sie, Herr Bundesminister, haben gesagt, wir brauchen eine Entlastung für Traiskirchen. Ich denke, wir brauchen auch eine Entlastung für Thalham, wir brauchen auch eine Entlastung für die Bevölkerung in St. Georgen. Des­wegen erscheint es angebracht, hier eine Rückumwandlung des Erstaufnahmezent­rums in eine Bundesbetreuungsstelle, so, wie es vorher gewesen ist und auch funktio­niert hat, zu betreiben. Ich mache keinen Hehl daraus, Herr Bundesminister, dass es immer eine Forderung der Freiheitlichen war, Erstaufnahmezentren in der Nähe der Grenze einzurichten.

Ein wichtiges Anliegen ist mir noch die Identitätsfeststellung beziehungsweise die medizinische Untersuchung. Ein Ausgehverbot im Erstaufnahmezentrum, egal ob Traiskirchen, egal ob Thalham, wäre angebracht, insbesondere dann, wenn hier nicht kooperativ gearbeitet wird – dies zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz der an­deren, der echten Asylwerber. Es gibt Gegenargumente, die immer wieder lauten, ge­wisse humanitäre Gründe würden das nicht ermöglichen. Ich denke, dass humanitäre Gründe auch für die Bevölkerung anzuwenden sind.

Geschätzte Damen und Herren! Dass Österreich die Spitzenposition im Wirtschaftsbe­reich, im Bereich des Arbeitsmarktes in Europa einnimmt, ist erstrebenswert, und dar­über freuen wir uns, dass wir die haben. Dass wir die Spitzenposition als Zielland für Asylwerber haben, das halte ich für verzichtbar, und das sollten wir bei der nächsten Novelle eindeutig regeln. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.

 


13.47

Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Österreich hat große Tradition in der Asylpolitik – nicht hatte, wie es Kollege Öllinger gesagt hat. Ich glaube, wir können stolz darauf sein, dass wir ein Land sind, das sich sehr wohl seiner Verantwortung bewusst ist und diese auch aus­übt. Die ÖVP, ich glaube, alle hier im Hohen Haus vertretenen Parteien bekennen sich dazu, dass jemand, der politisch, aber auch aus religiösen oder rassischen Gründen verfolgt wird, Asyl in unserem Land bekommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Bürgermeister der Marktgemeinde Pfaffstätten und als regionaler Abgeordneter, dessen Nachbargemeinde Traiskirchen ist, weiß ich sehr wohl um die Situation, aber


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 78

auch um die Probleme, die rund um das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zurzeit gegeben sind. Die Geschichte des Flüchtlingslagers Traiskirchen geht bereits auf das Jahr 1954 zurück. 1956: die erste große Asylwelle im Rahmen der Ungarn-Krise. Es waren bei der Polen-Krise 3 000 Asylwerber, bei der Rumänien-Krise über 3 000 Asyl­werber, die in Traiskirchen um Aufnahme angesucht haben und die im, aber auch um das Lager campiert haben.

Seit der Einrichtung des Flüchtlingslagers Traiskirchen 1954 waren mit Ausnahme von zwei ÖVP-Bundesministern immer SPÖ-Minister für die Situation in der Stadt Trais­kirchen und der Region verantwortlich. Ich glaube aber auch, dass mit der Traiskirche­ner Bevölkerung, die seit Jahrzehnten die Last trägt, die ganze Solidarität bewiesen werden soll. In den letzten Jahren ist sehr viel in Bewegung geraten, auch sehr vieles, das zur Verbesserung der Situation beigetragen hat. Die Änderung des Asylgesetzes ist zweifellos einer dieser Punkte. Wir haben ein modernes, menschenwürdiges, aber vor allem zukunftsorientiertes Gesetz geschaffen, das auch Antworten auf die neuen Rahmenbedingungen in unserem Land, in Europa und darüber hinaus gibt.

Ich glaube auch, dass vor allem durch bilaterale Abkommen eine schnellere Zurück­weisung der so genannten Dublin-II-Fälle weiterhin forciert werden muss. Wir müssen uns auch – das ist eine sehr konkrete Forderung und wurde schon einige Male hier von dieser Stelle aus gesagt – für jene Asylwerber, die unsere Gastfreundschaft überaus ausnutzen, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten sehr wohl etwas überlegen. Ich spreche hier ganz konkret jene Asylwerber an, die straffällig werden und straffälliges Verhalten über ein gewisses Maß hinaus praktizieren: Drogendealer, Eigentumsdelikte, um nur zwei konkrete Beispiele zu nennen.

Ich sage aber auch, dass sehr viele oder einige Asylwerber unter dem Deckmantel des Asyls in unser Land einreisen und sehr bewusst kriminelle Handlungen setzen, mit denen dann alle anderen Asylwerber in Bausch und Bogen gleichgesetzt werden.

Ich glaube, dass das neue Asylgesetz richtig ist, der richtige Weg in die richtige Rich­tung, wenn man davon ausgeht, dass die Anzahl der Asylanträge deutlich zurückgeht und jene weiterhin Asyl bekommen sollen, die aus den von mir vorher genannten Grün­den in unser Land kommen, um hier einen Asylantrag zu stellen.

Ich danke an dieser Stelle auch Bundesminister Strasser für den bereits eingeschlage­nen Weg und lade alle hier im Haus ein, ihn und uns zu unterstützen, diesen Weg auch weiter zu gehen.

Als direkt betroffener Mandatar mahne ich aber und fordere ich auch die Solidarität der Bundesländer ein, um die Situation in Traiskirchen deutlich zu verbessern. Es muss uns gelingen, die Asylwerber, die derzeit in Traiskirchen sind, auf die Bundesländer aufzuteilen. Niederösterreich geht hier einen sehr vorbildlichen Weg mit über 5 000 Asylwerbern, die wir in unserem Land in der Grundversorgung haben. Wien geht durchaus – und das darf ich auch kritisch anmerken – sehr großzügig damit um, wer in die Bundesbetreuung kommen soll und wer nicht.

Der Vorschlag des Herrn Landesrates Plank – jede Gemeinde eine Flüchtlingsfamilie – ist sicherlich nicht wortwörtlich zu nehmen, doch mit einem hat er grundsätzlich sicher­lich Recht: dass wir überschaubare Einheiten brauchen, um die Asylwerber richtig in­tegrieren zu können und damit das Verhältnis zwischen den Einwohnern und den Asyl­werbern auch stimmt. Zweifellos stimmt seit Jahrzehnten dieses Verhältnis in Trais­kirchen nicht.

Ich meine aber auch, wir sollten in diesem Bereich die Rahmenbedingungen weiter verbessern, und danke auch an dieser Stelle Herrn Bundesminister Strasser, weil wir seit einiger Zeit dabei sind, diese Rahmenbedingungen, die die Traiskirchener Bevöl-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 79

kerung zu Recht gefordert hat, nämlich mehr Gendarmerie-Präsenz, die Kriminal­dienstgruppe Ost und weitere Einrichtungen mehr, zu schaffen. Wir sind hier auf einem sehr richtigen und guten Weg.

Ein dritter Punkt noch zum Abschluss: Der Weg muss neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen sein, weitere Erstaufnahmezentren in Österreich zu schaffen, um vor allem eines sicherzustellen: die Bevölkerung der Gemeinde Traiskirchen und der gesamten Region zu entlasten und den Personen, die in Österreich um Asyl ansuchen, eine menschenwürdige und gute Unterkunft anbieten zu können. Es geht darum, eine für Österreich vernünftige und gute Asylpolitik zu machen. Das heißt, wir müssen den bis jetzt eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen.

Gemeinsamkeit ist gefragt, gemeinsames Zusammenarbeiten ist gefragt und auch das Hintanstellen von Parteipolitik hinter Sachpolitik. Das fordere ich von allen vier Parla­mentsparteien an dieser Stelle zum Wohle der Bevölkerung wirklich herzlichst ein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Ich erteile es ihr.

 


13.54

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Thema Asyl ist ein sehr erns­tes Thema, das eine sachliche Debatte verlangt, und daher missfällt mir das sehr, was ich hier gehört habe an unterschwelligen, aber manchmal auch ganz offen ausgespro­chenen Behauptungen, die unwahr sind. Es werden hier Asylwerber und Kriminelle ein­fach gleichgesetzt. Von Frau Rosenkranz haben wir hier einen Debattenbeitrag gehört, der unbeschreiblich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie hat behauptet, 65 Prozent der Kriminellen sind Ausländer. – Das stimmt einfach nicht! Es werden hier Sachen behauptet, die nicht wahr sind. (Abg. Miedl: So hat sie es nicht gesagt!)

Wir sind uns der Probleme bewusst. Natürlich gibt es Asylwerber, die straffällig wer­den, es gibt Asylwerber, die keinen ausreichenden Grund angeben können, aber es muss uns klar sein, es ist ein ganz heikles Thema. Es geht hier nicht um Fälle, es geht hier um Menschen, und daher muss jeder einzelne Fall sorgfältig überprüft werden, und jeder einzelne Antragsteller hat das Recht auf ein faires Verfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sowohl im Antrag als auch jetzt in der Debatte ist Wien ein Vorwurf gemacht worden, den ich nicht nachvollziehen kann. Wien ist neben Niederösterreich das einzige Bun­desland, das die Quote erfüllt. Wien erfüllt die Quote mehr, als es müsste; in Wien liegt die Sollzahl bei 5 037 Personen, das heißt, wir haben über 4 000 Personen zusätzlich aufgenommen, im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Ich sehe da zum Beispiel Kärnten: minus 686 Personen, Tirol: minus 964 Personen, Steiermark: minus 528 Per­sonen, Oberösterreich: minus 856 Personen.

Also was wäre eigentlich, wenn Wien diese Aufgabe, die es übernommen hat, nicht übererfüllen würde? – Die Menschen würden auf der Straße stehen, und das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können. Wir in Wien bekennen uns zu unserer sozialen Ver­antwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn gesagt wird, dass wir leichtfertig damit umgehen, wer als schutzbedürftig anzuerkennen ist, muss ich dazu auch sagen, ich verstehe das nicht. Wien versucht, die Menschen aus der Illegalität zu holen. Wien nimmt deshalb die Asylwerber und die Flüchtlinge auf, um zu verhindern, dass sie in die Illegalität abtauchen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 80

Herr Minister, ich verstehe das nicht, wenn Sie sagen, man habe Personen und Perso­nengruppen im System gefunden, die aus Ihrer Sicht das Kriterium der Hilfsbedürftig­keit nicht haben. Das werde zu klären sein, haben Sie mit einem drohenden Unterton gesagt. Wir werden das tatsächlich klären. Der Herr Landeshauptmann von Wien wird in der nächsten Landeshauptleute-Konferenz darauf bestehen, dass das geklärt wird, denn wir lassen es uns als Bundesland Wien nicht gefallen, dass uns unterstellt wird, dass wir Personengruppen ... (Bundesminister Dr. Strasser: Das müssen wir auch klä­ren!) – Ja! Wie gesagt, der Herr Landeshauptmann wird das anregen und auch verlan­gen, denn es geht nicht an, dass Wien unterstellt wird, dass wir Personen da einfach in das System hineinschmuggeln. Das ist nämlich nicht der Fall! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann möchte ich noch zu etwas Stellung nehmen, was mehrere Redner der ÖVP gesagt haben, nämlich dass 95 Prozent des Gesetzes verfassungskonform sind. – Das ist eine unzulässige Argumentation! Es geht hier nicht um Quantität, es geht um die Qualität! Es geht darum, dass es tatsächlich in Kernbereichen des Gesetzes zu einer Aufhebung gekommen ist: im Zusammenhang mit dem Neuerungsverbot, im Zusam­menhang mit der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln, im Zusammenhang mit der Schubhaft. Das sind ganz zentrale Punkte, und daher kann man nicht einfach sagen, dass das Gesetz im Großen und Ganzen sowieso gut ist.

Ich möchte hier wie schon andere Kollegen den Präsidenten des Verfassungsgerichts­hofes zitieren, der gesagt hat:

„Die legistische Qualität des Gesetzes ist nicht gut“, und das sei eher zurückhaltend formuliert.

Und er sagte weiters: Ein systematisch schlechtes Gesetz macht mehr Arbeit. 

Das ist, glaube ich, auch ein Teil des Problems: dass hier ein Gesetz gemacht worden ist, das die Arbeit für die Behörde erschwert, das dazu führt, dass der UBAS so über­lastet ist. Ich denke, es müsste in mehreren Bereichen Vorarbeiten geben, es müsste international mehr getan werden.

Jetzt haben Sie die Chance, das noch zu ändern. – Ich hoffe, dass es gemeinsam geschieht, denn das Asylrecht ist ein grundsätzliches Menschenrecht, und wir werden nicht zulassen, dass es in Frage gestellt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

13.59

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Ich erteile es ihm.

 


13.59

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lassen Sie mich eingangs als ebenfalls Abgeordneter, der aus der Region kommt und Traiskirchen seit Jahren aus der Nähe verfolgen kann, feststellen, dass es in Traiskirchen eine inter­essante Konjunktur gibt: In den Jahren 1999/2000 gab es sehr große Protestaktionen, im Jahre 2004 gibt es sie jetzt wieder. Interessanterweise sind im Frühjahr nächsten Jahres in Niederösterreich Gemeinderatswahlen – das richte ich jetzt weniger an Sie, Herr Bundesminister, weil Sie damit wenig zu tun haben –, und man muss schon fest­stellen, dass immer dann, wenn die Wahlen anrücken und wenn es in der Region dar­um geht, auf Stimmen aus zu sein, der Protest und der Aufschrei in Traiskirchen be­sonders groß werden.

In diesem Zusammenhang schon auch eine Bemerkung zu den Kollegen von der SPÖ, wenn hier von der Kriminalität geredet wird: Schauen Sie sich einmal an, wie der Bür­germeister von Traiskirchen Knotzer von Ihrer Fraktion argumentiert! Versuchen Sie selbst, auch dort Aufklärungsarbeit zu betreiben! Gerade in Traiskirchen haben die ver-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 81

antwortlichen Stadtpolitiker einigen Anteil daran, wie stark die Situation dort im Moment eskaliert. (Beifall bei den Grünen.)

Die organisierte Kriminalität, die da angesprochen worden ist, die gibt es natürlich. Die Frage ist nur: In welchen Zusammenhang ist diese Kriminalität zu stellen? Und: In welchem Zusammenhang steht das gerade mit den AsylwerberInnen?

Die Grünen haben – für uns auch neu – versucht, gerade in Niederösterreich mit sehr vielen Gendarmeriebezirksstellen, mit Dienststellen zu sprechen, vor allem in der Um­gebung, und dort nachzufragen, wie die Einschätzung der Entwicklung ist. Unbestritten ist, dass gerade die Zahl der Einbruchsdiebstähle in der Region im Süden, im Wiener Umland gestiegen ist. Die Antwort darauf war eine relativ einfache: Das ist einerseits eine Region, deren Bevölkerung sehr wohlhabend ist, auf der anderen Seite ist sie auf Grund der Verkehrsanbindung offenbar auch für Kriminelle attraktiv.

Aber alle haben gesagt, der Rückschluss auf die AsylwerberInnen sei einfach unzuläs­sig, denn das gelte genauso für den Bereich Wiener Neustadt, für den Bereich Wien-Umgebung. Zu sagen, in Traiskirchen sei die Kriminalität höher, nämlich im Sinne der Einbruchskriminalität, der organisierten Kriminalität, weil dort AsylwerberInnen sind: Da wird Ihnen jeder in der Polizei, in der Gendarmerie dort, der davon eine Ahnung hat, sagen, dass das so nicht stimmt.

Das finde ich schon bemerkenswert, wenn auch die LokalpolitikerInnen – der Kollege Kainz hat das vorhin auch getan – so relativ salopp diesen Zusammenhang herstellen. Es stimmt, dass wir ein Kriminalitätsproblem haben, ja, aber ich stelle mir schon die Frage: Warum haben wir dann diesen Abbau von Personal bei den Dienststellen zuge­lassen? (Abg. Kainz: Aufstockung, Kollege Brosz!)

Ich rede jetzt nicht von Traiskirchen, ich rede von der Umgebung. Ich rede nicht von der Stadt Traiskirchen. (Bundesminister Dr. Strasser: ... Aufstockung!) Egal, auf jeden Fall bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie dort das Problem gestiegen ist!

Mir ist es selbst passiert, dass in mein Auto eingebrochen wurde – und dann kommt man auf die Gendarmerie, macht die Anzeige und bekommt als Erstes die Antwort: Sie sind jetzt der Sechste in dieser Woche, bei dem auf diesem Parkplatz eingebrochen worden ist! – Da stelle ich mir schon die Frage, ob das alles ist, was von der Gendar­merie geleistet werden kann, nämlich zu sagen: Sie sind jetzt der Sechste, der kommt, wir können uns nicht weiter darum kümmern, wir nehmen halt die Anzeige auf. – Da stellt sich schon die Frage, wo hier die Versäumnisse liegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber kommen wir einmal zurück gerade auf die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. – Natürlich ist die Situation, sind die Zustände in Traiskirchen, glaube ich, für alle inakzeptabel. Darauf können wir uns hier durchaus verständigen. Bezüglich der Frage des Asylmissbrauchs hat die Kollegin Stoisits sehr gut beschrieben, was denn als Missbrauch zu definieren sei. Wenn alles, wozu man keine Zustimmung erhält, als Missbrauch definiert wird, muss ich sagen: Da könnte man bald so weit sein, dass jeder Antrag, der im Parlament gestellt wird und keine Mehrheit findet, ein Missbrauch ist, denn dafür hat man auch keine Zustimmung. So einfach kann es wohl nicht sein. (Abg. Scheibner: Das gilt auch für Ausschüsse, Herr Kollege!) – Wir werden nachher noch darüber reden, wie es im Rechnungshof-Ausschuss zugeht und welches „Scheib­ner-Schutzprogramm“ die FPÖ im Rechnungshof-Ausschuss veranstaltet.

Aber worauf ich hinaus wollte: Wenn man diese Zustände kritisiert und ernsthaft will, dass in Traiskirchen eine Entlastung stattfindet, dann frage ich Sie schon sehr konkret: Gibt es ein einziges Beispiel, wo Sie nicht dagegen mobilisiert haben, wenn kleinere Einheiten hätten geschaffen werden sollen, wenn die Möglichkeit hätte geschaffen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 82

werden sollen, Flüchtlinge aus Traiskirchen in Einheiten in einer Größenordnung von 100 Personen unterzubringen? Jedes Mal dann, wenn solche Pläne aufgetaucht sind, ist die FPÖ aufgetreten, hat sich dagegen stark gemacht (Abg. Großruck: Nicht nur die FPÖ, auch die SPÖ!) – nicht nur die FPÖ, das ist korrekt; ja, das kann man wahr­scheinlich auch auf die ÖVP ausweiten –, und in vielen Bereichen sind dann die Politi­ker vor Ort hingegangen und haben gesagt: Mit uns nicht! Ich weiß nur, bei der FPÖ ist das Strategie.

Zu sagen: Traiskirchen soll entlastet werden!, aber immer dann, wenn es Entlastungs­maßnahmen geben soll, hinzugehen und zu sagen: Kommt nicht in Frage!, das ist keine seriöse Politik. (Beifall bei den Grünen.)

14.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Die restliche Redezeit der Fraktion beträgt 4 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Bevor ich kurz zum Asylproblem Stel­lung nehmen werde, möchte ich die Chance, hier am Rednerpult zu stehen, nutzen, um interessierte Schüler und Schülerinnen der 7. Klasse des „Sacre Cœur“ aus Graz recht herzlich bei uns willkommen zu heißen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, wenn man die Diskussion verfolgt hat, hat man gesehen, dass im End­effekt – so glaube ich zumindest, und ich gestehe allen zu, fair handeln zu wollen – sehr intensiv über diese Problematik diskutiert wurde. Ich glaube, die Frau Dr. Pablé hat sehr klar dargestellt, worum es uns Freiheitlichen geht.

Es geht uns nicht um Vernaderung, es geht uns nicht um Bloßstellung, es geht uns ganz klar darum, dieses Problem zu lösen. Herr Kollege Öllinger! Nicht nur Ihr Grüne seid draußen, auch wir sind draußen bei den Menschen und erkennen, dass es dort Probleme gibt. Die Probleme sind da – aber bis jetzt kein Lösungsansatz. Ich glaube, dass die Ansätze, die wir in unserem Antrag drinnen haben – was wir diskutieren, was wir verschärfen wollen –, Sinn machen, denn wenn man in Gegenden lebt, in denen viele Flüchtlinge oder Asylwerber oder Asylanten, wie auch immer Sie sie nennen mögen, untergebracht werden, gibt es dort Probleme.

Frau Kollegin Stoisits, wenn Sie hier gesagt haben, „Asylant“/„Asylantin“ sei ein Verna­derungswort der FPÖ, so möchte ich Sie bitten, dass Sie in den Duden oder in andere Wörterbücher schauen. Dieses Wort ist natürlich auch dort drinnen, und es beschreibt einen „Asyl suchenden Menschen“. Das heißt, wir machen hier keine Vernaderung, wir bemühen uns, das Problem klar aufzuzeigen, denn wir sehen uns als Kontrollpartei in dieser Regierung und in dieser Republik. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Und das werden wir auch bleiben, meine geschätzten Damen und Herren! Wir werden als Freiheitliche diese Diskussion kontroversiell mit allen Möglichkeiten weiter führen, wir werden alle Dinge ausloten, wie wir dieses Problem auf die Reihe bekommen, und werden damit schlussendlich, wie bei vielen anderen Themen auch, wieder Recht be­halten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.07

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 83

14.07

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Frau Kollegin Hlavac, es ist ein heikles Thema, das gesamte Bundesasylwesen und das damit in Zusammenhang zu bringende Bundes­asylgesetz! Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Ja, was hat denn die Opposition für Vorschläge? Was kommt denn von dort? Und ich bin draufgekommen, es geht gar nicht um Vorschläge, es geht gar nicht um Inhalte. Wissen Sie, worum es Ihnen geht, Herr Kollege Öllinger? – Es geht Ihnen darum, einen der erfolgreichsten Bundesminis­ter, einen der erfolgreichsten Innenminister anzupatzen und ihm zu sagen, dass das, was er tut, nicht gut sei, meine Damen und Herren. Darum geht es Ihnen!

Der Innenminister ordnet das Asylwesen neu, er regelt die Situation bei den Zivildie­nern, ihm geht es um neue Integrationsbestimmungen, um einen neuen Führerschein und um die Verkehrssicherheit, und er legt die Exekutive zusammen. Das sind alles Dinge, meine Damen und Herren, die berücksichtigt werden sollen. Das sind schwie­rigste Materien, die weder Blecha noch Schlögl, noch Rösch, noch Einem in irgend­einer Form angegriffen hat. Er geht es an, und mit ihm gibt es auch neue Wege, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sollte man berücksichtigen, und man sollte einen Minister unterstützen, der sich nicht einfach zurücklehnt, meine Damen und Herren. Sich bei diesen schwierigen The­men zurückzulehnen wäre um vieles einfacher. Aber wir packen es an, meine Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Aber verfassungswidrig!)

Herr Kollege Öllinger, jetzt sage ich Ihnen etwas: Wir haben im Jahr 2002 die Integrati­onsvereinbarungen diskutiert, mit den Sprachkursen, wenn Sie sich erinnern können. – Eine höchst erfolgreiche Sache, weil einer der Grundsätze der ÖVP ist, dass jene, die bei uns Aufnahme finden, so rasch wie möglich zu integrieren sind. Sie und Ihre Frak­tion, die Fraktion der Grünen, haben heftigst dagegen gewettert.

In der Zwischenzeit sind es 2 500 Asylwerber, die die deutsche Sprache sprechen, und die deutsche Sprache ist eine der Grundvoraussetzungen für die Integration, Herr Kol­lege Öllinger. Sie waren damals nicht dabei; ich habe Sie damals nur als Kritiker ge­hört. Sie hätten diesen Weg unterstützen sollen, dann wäre es leichter gegangen – und es wäre besser gewesen im Interesse der Asylwerber, meine Damen und Herren.

Die ÖVP, Herr Kollege Öllinger, bekennt sich selbstverständlich dazu, dass jemand, der in seiner Heimat aus religiösen, ethnischen oder rassischen Gründen verfolgt wird, bei uns aufgenommen wird. (Abg. Öllinger: Na hoffentlich!) Und wenn Sie in Ihrer Rede so tun, als ob es hier gar keinen Missbrauch gäbe: Selbstverständlich gibt es den, und wir als Gesetzgeber sind aufgerufen, diesen Missbrauch abzustellen! Mir geht es auch um die Akzeptanz der Bevölkerung in dieser schwierigen und heiklen Frage, Frau Kollegin Hlavac. Die Akzeptanz der Bevölkerung brauchen wir in solchen Fragen! (Beifall bei der ÖVP.)

Noch eines, Herr Kollege Öllinger: Wer sich legitimerweise in Österreich aufhält, dem sind Asyl und jede Unterstützung zu gewähren. Wenn aber sich jemand hier nicht an das Gesetz hält, weil er vorhat, hier gegen das Strafgesetz zu verstoßen, dann hat er sein Gastrecht verwirkt und muss nach Hause.

Das sind Grundsätze, zu denen wir vorbehaltlos stehen, Herr Kollege Öllinger! (Abg. Öllinger: Aber gesetzlich, oder?) Und Grundsätze, zu denen wir stehen, sollten wir in geltendes Recht gießen; das ist ja auch unsere Aufgabe als Gesetzgeber.

Zum Vorwurf, zur Behauptung der Oppositionsparteien, das Vorgehen der Regierungs­fraktionen wäre „menschenrechtsverachtend“, „menschenfeindlich“ et cetera: Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, schauen Sie sich doch zumindest


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 84

einmal die Zahlen an! 2 300 Versorgungsfälle hatten wir diesbezüglich im Jahre 2000 – und in der Zwischenzeit sind es 26 000 Asylwerber, die in Österreich versorgt werden müssen!

Meine Damen und Herren! Sich allein diese Zahlen anzuschauen wäre die Sache wert gewesen. Wenn Österreich – in Relation gesetzt – zehnmal mehr an Asylwerbern als Deutschland hat, so weist das doch auf einen bestimmten Umstand hin, Herr Kollege Öllinger.

Kollege Posch, das wollte ich Ihnen sagen: Schauen Sie doch einmal in Richtung sozi­aldemokratisch geführter Länder, etwa Deutschland oder Schweden: In Deutschland kommt auf 3 358 Einwohner ein Asylwerber. Kennen Sie diese Zahl für Österreich, Herr Kollege Posch? – In Österreich kommt auf 436 Einwohner ein Asylwerber! Das sind Zahlen, auf die wir in dieser gesamten Diskussion verweisen sollten! Dazu habe ich aber von Ihnen von der SPÖ nichts gehört! Ihrerseits gab es zu dieser – zweifellos schwierigen – Materie nur Kritik, jedoch keinerlei Vorschläge! (Abg. Öllinger auf die Zuschauergalerie weisend –: Jetzt haben Sie die Schüler auch noch verloren als Zu­hörer!)

Meine Damen und Herren! Wir werden unseren Weg fortsetzen. Die ÖVP, mit der ÖVP Innenminister Strasser, tritt für rasche Verfahren im Asylbereich ein. Wir sind für eine menschliche Betreuung der Asylwerber (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen), und wir sind für eine umfassende Integration, meine Damen und Herren, Frau Kollegin. Und dazu gehören die Sprache, die Wohnung, die Arbeit – und auch Mut, die Dinge anzupacken. Und einen solchen habe ich nur bei Innenminister Dr. Strasser gesehen, Herr Kollege Öllinger, bei sonst niemandem! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der ÖVP.)

14.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. Restliche Redezeit Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter: 5 Mi­nuten. – Bitte.

 


14.12

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich eingangs zwei Anmerkun­gen machen.

Erstens, lieber Kollege Miedl, müssen sich alle an die Gesetze halten, daher auch an die österreichische Bundesverfassung. Wer dieses Asylgesetz beschlossen hat, das brauchen wir, glaube ich, hier nicht länger zu diskutieren; das ist allen hier im Hause bekannt.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, schon allen Expertinnen und Ex­perten der Österreichischen Bischofskonferenz oder etwa auch des Katholischen Fami­lienverbandes nicht glauben, dann glauben Sie doch Ihrem eigenen Bundeskanzler, der bei Ihrer Parteiveranstaltung gesagt hat, er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass in Österreich 30 000 Flüchtlinge nicht unterzubringen seien. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es auch in dieser Diskussion: Nicht eine Kollegin, nicht ein Kollege von Ihnen hat heute in dieser so wichtigen Dis­kussion wenigstens einige Worte des Dankes verloren. – Daher: Ich bedanke mich bei den Repräsentantinnen und Repräsentanten des Bundeslandes Wien, ich bedanke mich bei den Repräsentanten des Bundeslandes Niederösterreich, und ich bedanke mich weiters bei der Traiskirchener Bevölkerung sowie bei der Gemeindevertretung der Stadt Traiskirchen, dass sie diese Arbeit für uns alle im Sinne von Humanität bewerk-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 85

stelligt haben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt auf einige Dinge im Tagesablauf der Verwaltung dort eingehen; ich will die Zahlen gar nicht wiederholen. Wenn es Ihnen von der ÖVP ernst wäre mit Ihren eigenen Ankündigungen, dann gäbe es im Flüchtlingslager Traiskirchen lediglich einige wenige Menschen, die, um es so auszudrücken, beamtshandelt werden müssten und dann bräuchten wir auch nicht im 21. Jahrhundert eine solche – unter Anführungszeichen – „Lagersituation“ zu haben! Das wäre alles nicht notwendig, wenn sich manche Bundesländer an die Artikel-15a-Vereinbarung, die sie selbst mit dem Bund abgeschlossen haben, halten würden.

Wir von der SPÖ haben ja schon im Zuge des Gesetzwerdungsprozesses darauf hin­gewiesen, dass man im Verwaltungsbereich mit nur sehr wenig beziehungsweise überhaupt keinem Personal nicht auskommen wird. Zum internationalen Vergleich: Wir kennen ganz genau die Zahlen, die diesbezüglich im Personalbereich notwendig sind, um Asylverfahren rasch abhandeln zu können.

Das hat auch überhaupt nichts damit zu tun, Kollege Brosz, ob vielleicht in ein paar Monaten Gemeinderatswahlen stattfinden oder nicht, denn eine Diskussion über die­ses Thema haben wir auch schon mit anderen Regierungen geführt, und zwar von 1990 an bis zum heutigen Tag. Allerdings meine ich, dass wir zwischenzeitlich bereits mehrmals die Möglichkeit gehabt hätten, auf zumindest unter 300, ja auch unter 100 – in dieser „Bandbreite“ jedenfalls – Asylwerberinnen und Asylwerber in Traiskirchen zu kommen.

Derzeit freut sich wahrscheinlich der Herr Minister, und ich sage gleich dazu, wahr­scheinlich freuen sich alle, wenn die Zahl der Asylwerber in Traiskirchen sinkt, nur die Situation ist trotzdem total unbefriedigend! In diesem Stadtteil, in dem 1 000 Bürgerin­nen und Bürger beheimatet sind, herrscht eine Situation, die geradezu als menschen­unwürdig bezeichnet werden muss.

Nochmals: Ich meine, im 21. Jahrhundert bräuchten wir kein Lager. Viele wissen ja ohnedies, wie es in den Räumlichkeiten in Traiskirchen ausschaut. Das spottet doch jeder Beschreibung! Es war ja nicht von ungefähr, dass der Herr Bezirkshauptmann, und zwar sowohl aus Sanitätsgründen als auch aus feuerpolizeilichen Gründen, dort eine Verhandlung, einen Lokalaugenschein durchgeführt und in diesem Zusammen­hang klare Auflagen erteilt hat.

Wir alle sind gefordert – da sind alle Bundesländer, vor allem aber auch der Bund in die Pflicht zu nehmen; da richte ich an Sie alle, meine Damen und Herren, den flam­menden Appell –, diesbezüglich auf unsere Landespolitikerinnen und Landespolitiker einzuwirken, im Sinne der Solidarität der Österreicherinnen und Österreicher, aber vor allem auch im Namen der Humanität, um dieses menschenunwürdige System abzu­stellen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsan­trag 461/A (E) der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Asylgesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen. (E 73.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 86

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Vorgänge im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Kogler, Kräuter, Pilz, Freundinnen und Freunde auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäss § 33 GOG

Ausschuss zur Untersuchung der Vorgänge im Bereich der Vollziehung, die zur Typen­entscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben.

Untersuchungsgegenstand und -auftrag:

Vorgänge im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben.

Zusammensetzung:

5(VP) : 4(SP) : 1(FP) : 1(G)

Begründung:

Typenentscheidung

Der Rechnungshof hat dem Parlament seinen Bericht über die Abfangjäger-Typen­entscheidung vorgelegt. Darin kommt der Rechnungshof zu einer Reihe kritischer Schlussfolgerungen.

Zwar stellt der Rechnungshof in der Zusammenfassung seiner Prüfungsergebnisse fest: „Unter Zugrundelegung der vom BMLV festgesetzten Maßstäbe wurde das Kampfflugzeug Eurofighter zutreffend als Bestbieter ermittelt.“ In weiterer Folge stellt der Rechnungshof jedoch fest, dass gerade die Festsetzung dieser „Maßstäbe“ gravie­rende Vergabemängel darstellen, und dass einige zentrale Kriterien explizit den zwin­genden Forderungen („MUSS-Kriterien“) der Ausschreibung widersprechen.

So wird zum Beispiel der schwer wiegende Vorwurf erhoben, dass das BMF die Zah­lungsvariante ert im zuge der Bewertung und offensichtlich unter Kenntnis der vorläufi­gen Bewertungsergebnisse festgelegt hat, was für die Bevorzugung von Eurofighter ausschlaggebend war.

Auf eine Schlüsselfrage hat der Rechnungshof allerdings keine Antwort gefunden: Warum hat sich der Ministerrat – ohne Berücksichtigung der Kompensationsge­schäfte – für das teuerste Flugzeug entschieden?

Mitglieder des Rechnungshofausschusses (RHA) haben die Ladung von Auskunftsper­sonen verlangt. Jener Ministerialrat, der von einer „erzwungenen Entscheidung“ ge­sprieben hatte, sollte Auskunft über die Art, wie es zur Eurofighter-Empfehlung gekom­men war, geben. Eine Reihe von Auskunftspersonen sollte berichten, wie aus einer Gripen-Empfehlung eine für Eurofighter wurde. Der damalige Verteidigungsminister Herbert Scheibner sollte erklären, warum er bereits für den Gripen entschieden hatte und von wem er wie „umgestimmt“ wurde.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 87

Erprobung

In der Ausschreibung wurde von allen Anbietern zwingend verlangt, eine praktische Erprobung des angebotenen Kampfflugzeugs zu ermöglichen. Der Rechnungshof kriti­siert, dass das BMLV nur beim Eurofighter auf diese Möglichkeit verzichtet hat. In der Stellungnahme gegenüber dem Rechnungshof rechtfertigte das BMLV das damit, dass angesichts der Tatsache, dass das Kampfflugzeug Eurofighter bei anderen Luftwaffen europäischer Staaten einer ausführlichen Erprobung unterzogen worden sei, eine Erprobung in Österreich entbehrlich sei. Bis heute gibt es keinen Eurofighter der Tranche II, mit dessen Erprobung auch nur begonnen werden kann. Nicht einmal für die Eurofighter der ersten Tranche ist die Erprobung abgeschlossen. Die angebliche Erprobung durch andere Staaten wurde mit keinerlei Prüfergebnissen und Dokumenten belegt. Der ehemalige Rechnungshofpräsident Fiedler hat äußerst kritisch vermerkt, dass diese Dokumente bis heute nicht vorgelegt wurden.

Liefertermin 2005

Am 26. März 2002 wurden die drei Bieter (F-16, Gripen, Eurofighter) zur „Konkretisie­rung der Angebote unter Verzicht auf die Zwischenlösung aufgefordert“. Zum Schlie­ßen der Beschaffungslücke wurde der Lieferzeitraum auf zwei Jahre verkürzt. In der geänderten Ausschreibung hieß es:

„Am 1.7.2005 sollen 7 Lfz

Am 1.1.2006 sollen 12 Lfz

Am 1.1.2007 sollen weitere 7 Lfz

Am 1.7.2007 sollen weitere 5 Lfz verfügbar sein.

Die Verfügbarkeitsforderung für die Jahre 2005 und 2006 ist so zu verstehen, dass ihre Erfüllung für die Aufrechterhaltung der Luftraumüberwachung in Österreich unbedingt notwendig ist und unbedingt erreicht werden sollte.“

EADS hatte damals bereits mitgeteilt, dass man EF ab 2005 liefern könne. Es ist zu prüfen, ob EADS damit nicht bewusst falsche Angaben gemacht – und damit eine Mög­lichkeit zur Lösung des Vertrags geliefert – hat.

Damit steht der Verdacht im Raum, dass EADS eine der wichtigsten und zwingend geforderten Bestimmungen der Ausschreibung – die Lieferung ab 2005 – nicht erfüllen kann. Die Notwendigkeit, F5 als Zwischenlösung aus der Schweiz zu beschaffen, folgte aus der Unfähigkeit von EADS, die Lieferbedingungen der Ausschreibung zu erfüllen. Das BMLV ist offensichtlich bereit, für den Schaden, der durch die Nichterfüllung der MUSS-Kriterien der Ausschreibung entstanden ist, selbst zu haften.

Tranche II

In der Sitzung des RHA am 6. Oktober antwortete BM Platter auf die Frage, ob EADS ab 2005 Eurofighter liefern könne, mit „Ja“. Auf die Nachfrage, ob EADS die mit dem BMLV vertraglich vereinbarten Geräte der Tranche II liefern könne, antwortete er aller­dings mit „Nein“. Nach allen Berichten über EADS steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Tranche II mit großer Verspätung oder gar nicht in Produktion geht. Die österrei­chische Sicherheitspolitik muss davon ausgehen, dass auch 2007 die vertraglich ver­einbarten Flugzeuge nicht geliefert werden können.

Diese und viele weitere – entscheidende – Fragen konnten in den Rechnungshofaus­schusssitzungen nicht beantwortet werden. Es verdichtete sich im Zuge der Verhand­lungen der Eindruck, dass die Regierungsparteien nicht nur kein Interesse an der Auf­klärung des Sachverhaltes hatten, sondern sogar die Versuche der Opposition, ihre


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 88

parlamentarischen Kontrollrechte wahrzunehmen behinderten, indem sie regelmäßig die Ladung von Auskunftspersonen verweigerten.

Folgender Auszug aus den Aktennotizen der Rechnungshof Ausschusssitzung vom 6.10.2004 gibt einen Eindruck der Vorgänge, wie der offenkundigen Nichtbeantwortung der elementarsten Fragen der Beschaffung, wie BM Platter bei entscheidenden Fragen zugeben muss, dass er davon „keine Ahnung“ habe. Bei wesentlichen Fragen, wo der begründete Verdacht auf Schiebung des Vergabevorgangs im Raum steht, zieht sich BM Platter auf „dazu kann ich nichts sagen“ zurück.

Aus den Aktenvermerken

Zur Sitzung des Rechnungshofausschusses vom 6.10.2004

Zur „Einsichtsbemerkung“

Nach Abschluss der Arbeit der Bewertungskommission wanderte der Akt auf dem vor­gesehenen Dienstweg zu den direkten Vorgesetzten und wiederum deren Vorgesetz­ten. Als erster versah Divr. Wolfgang Spinka, Leiter der Gruppe Feldzeugwesen/Luft­zeugwesen, den Akt mit einer Einsichtsbemerkung, in der er „zufolge der festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Angebote“ empfahl, „dem Produkt mit den geringe­ren Anschaffungs- und Betriebskosten, also dem Gripen von SAAB/BAE, den Vorzug zu geben“.

Spinkas Vorgesetzter, der Leiter der Beschaffungssektion General Dr. Peter Corrieri, ergänzte den Akt mit dem Vermerk: „Ich schließe mich der EB des LtrGrpFzLzW vom 25.6.02 an!“

Generaltruppeninspektor Horst Pleiner, zu dessen Aufgaben es gehörte, den Verteidi­gungsminister in allen militärischen Fragen zu beraten, war im Dienstweg nicht auto­matisch vorgesehen. Er ließ dennoch die Einsichtsbemerkung mit seinem Eintrag er­weitern: „Ich schließe mih der EB des LtrGrpFzLzW vom 25.6.02 in vollem Umfang an.“

Viele daran anknüpfende zwingende Fragen konnte BM Platter nicht beantworten:

BM Platter konnte logischerweise nicht klären, warum Gen. Corrieri, Chef der Beschaf­fung und Generaltruppeninspektor Pleiner sich der Einsichtsbemerkung zum Bericht der Bewertungskommission vollinhaltlich anschlossen.

Aus obigem Sachverhalt ergibt sich zwingend die Frage, wieso in der damaligen Ein­sichtsbemerkung die Kampfflugzeuge Gripen und Eurofighter als ‚annähernd gleich­wertig’ hinsichtlich der Anforderung der Luftraumüberwachung in Österreich bezeichnet wurden.

Weiters drängt sich die Frage auf, warum damals die ranghöchsten Militärs unter an­derem wegen der Betriebskosten die Anschaffung von Gripen der Firma Saab/BAE empfahlen, der Minister sich aber zuerst dieser Empfehlung anschloss und sich dann darüber hinwegsetzte und warum die Betriebskosten in der weiteren Betrachtung keine Rolle mehr spielten.

Zum Verzicht auf „praktische Erprobung“

In der Ausschreibung wurde von allen Anbietern zwingend verlangt, eine praktische Erprobung des angebotenen Kampfflugzeugs zu ermöglichen. Das BMLV verzichtete aber beim Kampfflugzeug Eurofighter auf diese Möglichkeit. Im Rechnungshofbericht rechtfertigt das BMLV diesen schwer verständlichen Verzicht wie folgt:

Rechnungshofbericht Punkt 21.3 und 21.4

Laut Stellungnahme des BMLV wäre Angesichts der Tatsache, dass das Kampfflug­zeug Eurofighter bei anderen Luftwaffen europäischer Staaten einer ausführlichen Er-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 89

probung unterzogen worden sei, im Zuge der gegenständlichen Beschaffung eine Er­probung in Österreich entbehrlich.

Da zur Zeit der Gebarungsüberprüfung die vom BMLV angeführten Erprobungsergeb­nisse noch nicht vorlagen, ersuchte der RH, ihm diese zu übermitteln.

Die Frage, warum entgegen den Muss-Bestimmungen der Ausschreibung auf eine praktische Flugerprobung nur beim Eurofighter verzichtet wurde, wurde unzureichend beantwortet. Laut Minister Platter sei der Eurofighter von den Herstellerländern ausrei­chend getestet worden und eine eigene Erprobung habe sich daher erübrigt. Dieses Argument ist sogar für das Jahr 2004 nachweislich falsch, da die Erprobung noch immer nicht abgeschlossen ist. Für den Zeitpunkt der Typenentscheidung wurde weder dem Rechnungshof noch dem Ausschuss auch nur ein einziges Dokument vorgelegt, das diese Behauptung stützt: Dem Rechnungshof liegen bis heute keine entsprechen­den Dokumente vor.

Zur „Zahlungsvariante“

Die Vergabekommission hatte die Aufgabe die technischen und militärischen Eigen­schaften der Angebote zu bewerten (Nutzwertanalyse). Nach Abschluss dieser Arbeit sollten die Angebote auch in ihrem kaufmännischen Teil geöffnet werden und die Kos­ten mit den Nutzwerten zusammengeführt werden. Es wurde von den Anbietern gefor­dert, Preise für eine Finanzierung bei Sofortzahlung, mit 10 Halbjahresraten und mit 18 Halbjahresraten anzugeben. Bei den drei Varianten war Eurofighter nur bei 18 Halb­jahresraten erstgereiht.

Der Rechnungshof stellt dazu fest:

Punkt 13.2

Der RH vermisste eine schriftliche Festlegung des BMF, woraus der Vorrang einer bestimmten Zahlungsvariante ersichtlich gewesen wäre. Die tatsächlich vom BMF bevorzugte Zahlungsvariante von 18 Halbjahresraten ließ sich nur einem im BMLV ver­fassten Aktenvermerk vom 24.Juni 2002 entnehmen, in dem die drei Zahlungsvarian­ten im Hinblick auf deren Umsetzung dargestellt wurden.

Die für die Ermittlung des Bestbieters herangezogene Zahlungsvariante mit 18 Halb­jahresraten wurde erst im Zuge der Bewertung endgültig ausgewählt und war letztend­lich ausschlaggebend.

Grundlage dieses Aktenvermerks war vermutlich ein Anruf von MinR Hillingrathner aus dem BMF.

Daraus ergaben sich eine Reihe von Fragen, die allesamt unbeantwortet blieben. Zu der Intervention/Anweisung Hillingrathners befragt, meinte Platter: „Davon habe ich keine Ahnung.“ Somit bleibt die entscheidende Frage offen, warum BM Grasser in Kenntnis des Berichts der Bewertungskommission die einzige Zahlungsvariante ge­wählt hat, bei der Eurofighter vorne lag und damit defacto die Typenentscheidung getroffen hat.

Auch die Frage, ab wann die Zahlungsvariante mit 18 Halbjahresraten als einzig zuläs­sige ausgewählt wurde, blieb unbeantwortet.

Die Opposition fordert daher die Ladung von MinR Hillingrathner und BM Grasser als Auskunftspersonen.

Zur „Ministerratsvorlage“ vom BM Scheibner vom 25.6.02

Grundlage für die Typenentscheidung zugunsten des Eurofighter von EADS war ein Ministerratsvortrag von BM Scheibner vom 2.7.2002. In den Medien kursierte allerdings


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 90

noch eine zweite Variante dieses Papiers, für den Ministerrat vom 25.6.2002, versehen mit der Unterschrift von BM Scheibner, in dem die Beschaffung von Kampfflugzeugen der Type Gripen von Saab/BAE vorgeschlagen wird.

Konfrontiert mit diesem ersten Ministerratsvortrag von BM Scheibner am 25.6.02, in dem die Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen von Saab/BAE vorgeschlagen wird, äußerten Abgeordnete der VP und FP bis zum Vorhalt zunächst Zweifel an der Echt­heit des Dokuments und in der Folge an der Unterschrift. BM Platter sagte, er wisse nichts von der Existenz dieses Papiers.

Abg. Pilz übergibt RH Präsident Moser eine Kopie des Dokuments; BM Platter sagt, dass er dazu nichts sagen kann.

Um diesen Sachverhalt aufzuklären fordert die Opposition die Ladung des damals zu­ständigen Ministers Scheibner und des damaligen Kabinettschefs Günther Barnet als Auskunftspersonen.

Zum „Memorandum“ von MinR Wagner

Ministerialrat Heribert Wagner war Mitglied der Bewertungskommission und für die ad­ministrativen Abläufe zuständig. Am 28.6.2002 verfasste er ein Memorandum mit An­merkungen zur Vergabeempfehlung und zu den angebotenen Flugzeugen. In diesem Text stellt MinR Wagner fest, dass die Vergabeempfehlung „erzwungen“ sei und „ratio­nal nicht nachvollziehbar“.

Zum Kampfflugzeug Eurofighter merkt er an: „Es handelt sich um kein eingeführtes System“. Es sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Auftreten von Störungen („Kinderkrankheiten“) während der Einführungsphase zu rechnen“ und als Folge könnte „in den kommenden 10 Jahren daher die Luftraumüberwachung in Öster­reich schwerstens beeinträchtigt sein“.

Das sind sehr schwere Vorwürfe eines Insiders der Kommission, die der Aufklärung bedürfen. Der Ladungsantrag für MinR Wagner war von den Regierungsparteien aber abgelehnt worden.

Geradezu unglaublich war die Vorgangsweise Platters zur Entkräftung der damaligen Einwände von MinR Wagner: er verlas Auszüge aus einem angeblichen Schreiben Wagners und aus einem Schreiben des damals angeblichen Empfängers GenMjr Com­menda, in denen alle damaligen Aussagen widerrufen und bestritten werden. Um die Kontrollrechte des Nationalrats zu gewährleisten, beantragt Abg. Dr. Pilz daher erneut die Ladung von MinR Wagner und außerdem von GenMjr Commenda als Auskunfts­personen, um sie persönlich befragen zu können.

Darüber hinaus hat BM Platter etliche wichtige weitere Fragen unbeantwortet gelassen.

(Ende Aktenvermerke)

Die Oppositionsparteien brachten daher gemeinsam Anträge zur Ladung von insge­samt 10 wesentlichen Auskunftspersonen ein und begründeten diese Anträge ausführ­lichst.

Die Regierungsparteien signalisierten, dass sie sich nicht an der Aufklärungsarbeit be­teiligen wollen.

Damit erhärtet sich der Verdacht, dass die Aufklärung der Vorkommnisse bei der Aus­schreibung, bei der Vergabeabwicklung und Vorbereitung des Kaufvertrags zum An­kauf von „Luftraumüberwachungsflugzeugen“ verhindert und eine parlamentarische Kontrolle nicht zugelassen werden soll.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 91

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist unter diesen Umständen drin­gend geboten.

Der Untersuchungsausschuss wird unter anderem folgende Fragen an den Verteidi­gungsminister zu klären haben:

1. Hat der Bundesminister für Landesverteidigung in der Ministerratsvorbesprechung am 25. Juni 2002 eine Entscheidung für „Gripen“ vorgeschlagen? (Beilage 1)

2. Ist für diese Vorbesprechung im BMLV ein Antrag zugunsten „Gripen“ vorbereitet worden?

3. Hat es gegen diesen Antrag in der Vorbesprechung eine Ablehnung durch den Fi­nanzminister gegeben?

4. Mit welcher sachlichen Begründung hat der Finanzminister den Kauf von „Gripen“ abgelehnt?

5. Haben in der folgenden Woche Gespräche über die Typenentscheidung zwischen dem Verteidigungsminister und dem Finanzminister stattgefunden?

6. Hat der Verteidigungsminister am 2. Juli seine Entscheidung zugunsten „Eurofighter“ abgeändert, weil ihm der Finanzminister die Übernahme der dramatisch höheren Be­triebskosten zugesichert hatte?

7. Nur bei einer der drei Zahlungsvarianten, der mit 18 Halbjahresraten, war ein günsti­geres Angebot von EADS ableitbar. Hat in der entscheidenden Woche MR Hilling­rathner aus dem BMF zugunsten genau dieser Variante im BMLV interveniert?

8. Bei welchen Luftwaffen war die Erprobung des Eurofighter zum Zeitpunkt der Ver­tragsunterzeichnung abgeschlossen?

9. Wie viele Eurofighter der Tranche II sind bisher erprobt worden?

10. Alle Bieter hatten sich zur Bereitstellung von typengleichen Flugzeugen für die Übergangszeit bereit zu erklären. Alle außer EADS hätten diese MUSS-Forderung („unbedingt notwendig ist“) erfüllen können. Warum hat das BMLV in der Folge bei EADS auf die Erfüllung dieser Forderung verzichtet?

11. Der Lieferplan sah den Lieferbeginn mit 2005 vor: „Die Verfügbarkeitsforderung für die Jahre 2005 und 2006 ist so zu verstehen, dass ihre Erfüllung für die Aufrechterhal­tung der Luftraumüberwachung in Österreich unbedingt notwendig ist und unbedingt erreicht werden sollte.“ Hat EADS diese Forderung der Ausschreibung erfüllt?

12. Wenn nein, hat EADS die Kosten für die dadurch notwendige Übergangslösung übernommen?

13. Ist die oben zitierte Anforderung in den Vertrag mit EADS übernommen worden?

14. EADS hat bis heute die vereinbarten Termine gegenüber den vier Entwickler- und Betreiberländern nicht halten können. Welche Garantien haben Sie, dass die Euro­fighter der Tranche II ab dem Jahr 2007 vertragsgemäß geliefert werden?

In formeller Hinsicht wird die Durchführung einer Debatte verlangt.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen daher in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser De­batte 5 Minuten, wobei der erste Redner zur Begründung über eine Redezeit von


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 92

10 Minuten verfügt. Die Stellungnahme von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären soll nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


14.19

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner dreht mehrere Schriftstücke um. – Abg. Grillitsch: Ist das der richtige Zettel?) – Da ist ein Zettel hier beim Rednerpult noch übrig geblieben; das ist nicht zum Untersuchungsgegenstand passend. Ich habe mich nur vergewissert, keine Angst, meine Damen und Herren.

Die Fragestellung, die aufgeworfen ist hinsichtlich der Begründung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Typenentscheidung, Kaufvertrag und Gegengeschäfte betreffend Eurofighter, zieht sich unter anderem – ich will da gar nicht weiter ausholen – auch durch den vorliegenden Rechnungshofbericht.

Es ist Ihnen ja bekannt, dass sehr viele Dokumente existieren, die viel weiter gehende Vorwürfe beinhalten. Ich möchte mich gemeinsam mit Ihnen der – wie ich meine – sehr nützlichen Übung unterziehen (Zwischenruf des Abg. Großruck), einfach nur beim vor­liegenden Rechnungshofbericht zu bleiben, Kollege Großruck, jenem Rechnungshof­bericht, auf den Sie sich so gerne beziehen. Ich darf Ihnen versichern, dass auch wir in der Lage sind, den vorletzten Absatz der Kurzfassung dieses Berichtes richtig zu inter­pretieren, und ich sage es gleich jetzt, damit wir es nachher nicht immer hören müs­sen – ich ersuche also die geschätzten Nachredner, sich vielleicht darauf einzustel­len –: Es heißt dort im vorletzten Absatz, dass das Produkt Eurofighter „zutreffend als Bestbieter“ – und jetzt kommt es – „unter Zugrundelegung der ... festgesetzten Maß­stäbe“ ermittelt wurde.

Warum betone ich das so sehr? Weil im Gros dieses Rechnungshofberichts – vielleicht unterziehen Sie sich dann der Mühe, dort Nachschau zu halten; es sind ja einige Pas­sagen in dem Ihnen vorliegenden Antrag zu diesem Untersuchungsausschuss in der Begründung wiedergegeben –, in diesen zentralen Passagen ... (Der Geräuschpegel im Saal ist hoch.) – Man hat eigentlich den Eindruck, dass absichtlich der Lärmpegel im Saal hoch gehalten wird, aber sei’s drum! – Ich sage, dass diese Maßstäbe, um die es nun geht, hinsichtlich ihres Zustandekommens tatsächlich überprüft werden müss­ten. Wie steht es nun um das Festsetzen dieser Maßstäbe? Ist nicht dort die vergabe­rechtliche Crux womöglich zu finden? In der Tat!

Ich gehe jetzt nur ein paar Beispiele mit Ihnen durch. Ich halte mich dabei ganz genau an den Rechnungshofbericht und darf darauf verweisen, dass wir dort eine Auskunfts­person vorgefunden haben – muss man geradezu sagen – mit Bundesminister Platter, den uns hier die Mehrheit anempfohlen hat. Wir haben uns dann breitschlagen lassen, und entgegen allen Ausführungen, die Sie vielleicht von Ihren Kollegen in den Regie­rungsfraktionen hören, hat Platter die zentralen Fragen nicht beantwortet – und er konnte es auch gar nicht. Diese Fragen wären folgende:

Ich komme zurück auf die erwähnte Zahlungsvariante. Es ist aus dem Rechnungshof­bericht klar ersichtlich, dass die Auswahl der Zahlungsvariante in Wahrheit die Typen­entscheidung festgelegt hat! Ich zitiere wörtlich: „letztendlich ausschlaggebend“! – Und jetzt kommt es: In einer anderen Passage schreibt der Rechnungshof, er – der Rech­nungshof – vermisse die schriftliche Festlegung – nunmehr aber – des Bundesminis­teriums für Finanzen. Die haben das nämlich anempfohlen, und ein entsprechender Aktenvermerk im Verteidigungsministerium findet sich erst am 24. Juni 2002.

Meine Damen und Herren! Was heißt denn das? – Es wurde dann die Zahlungsvari­ante festgelegt, als die Varianten der Bewertungskommission vorlagen. Was glauben


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 93

Sie, was jetzt passiert ist? Es wurden vom Bundesministerium für Finanzen nicht jene Zahlungsvarianten ausgewählt, die ganz eindeutig den Gripen vorne gehabt hatten, nein, es war eine einzige Möglichkeit, wo Eurofighter vorne sein konnte – wenn man sich überhaupt darauf verständigt –, und diese wurde ausgelegt, und zwar unter diesen Umständen, dass das Bundesministerium für Finanzen das festgelegt hat.

Ein Ministerialrat Hillingrathner hat an jenem Tag interveniert, und es besteht der offen­kundige Verdacht, dass dem Finanzministerium die Bewertungsunterlagen schon vor­lagen und dass, folgen wir dem Rechnungshofbericht, in Wahrheit der Bundesminister für Finanzen den Ausschlag gegeben hat für die größte militärische Beschaffung in der Geschichte dieser Republik!

Das wäre ja noch nicht so dramatisch, wenn es nicht gleichzeitig so wäre, dass das mit Abstand das teuerste Gerät ist und dass der gleiche Finanzminister (Abg. Murauer: Das stimmt einfach nicht!) – selbstverständlich stimmt das! – es eingebracht hat in den entsprechenden Antrag an den Ministerrat, dass plötzlich und überraschend hinzuge­kommen ist, dass die erwarteten Mehrkosten im Betrieb – und es geht hier unter Um­ständen um 30, 40 Jahre! – sich in einer Größenordnung von einer Milliarde bewegen, dass genau jener Bundesminister für Finanzen, der bis Juni noch unter der Parole: Ich bin der Anwalt der Steuerzahler, Abfangjäger sind nicht leistbar!, angetreten ist, es her­beigeführt hat, dass die mit Abstand teuerste Variante gewählt wurde.

Ich darf weiter aus dem Rechnungshofbericht und aus den erwähnten Einsichtsbemer­kungen, die hier immer wieder auftauchen, zitieren. Meine Damen und Herren! Dabei handelt es sich um Dokumente aus dem Vergabeakt, in denen sich die ranghöchsten Militärs mit Amt und Siegel und Unterschrift eintragen lassen wegen annähernder Gleichwertigkeit der beiden Produkte, aber der wesentlich geringeren Kosten – Sie können das alles nachlesen, damit Sie dann später Gewissenserforschung betreiben können, falls Sie hier wieder aus irgendwelchen Gründen nicht mitstimmen können.

Also: Annähernde Gleichwertigkeit, aber das wesentlich billigere Produkt sowohl in den Anschaffungskosten als auch in den Betriebskosten. Aus diesem Grund empfiehlt der Generaltruppeninspektor im Aktenlauf, das billigere Produkt zu nehmen: Gripen! Der Leiter und Chef der Beschaffung empfiehlt, das billigere Produkt zu nehmen!

Jetzt kommen wir kurz auf die Arbeitsweise hier im Parlament zu sprechen. Wenn wir einen Rechnungshofausschuss abhandeln, heißt es, wir seien dort kein Untersu­chungsausschuss – was einmal grundsätzlich richtig ist. Das steht aber nicht einer Befragung von Auskunftspersonen entgegen! Jene ranghöchsten Militärs werden aber nicht geladen, weil Sie es mit Ihrer Mehrheit nicht zulassen wollen, was Ihnen selbst­verständlich zusteht. Nur: Es steht uns zu, das als Abwürgeaktion zu qualifizieren (Abg. Scheibner: Das können Sie machen!), und ich habe an diesem Ausdruck nichts zurückzunehmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das hier ist aus meiner Sicht kein Arbeitsparlament, auch wenn Sitzungen lang dauern, das hier ist ein Versenkungsausschuss geworden, und es tut mir Leid, das als Vorsit­zender desselben Ausschusses festzustellen.

Aber folgen Sie doch Ihrer eigenen Argumentation und rennen Sie weiter in die Irre! Ein Rechnungshofausschussbericht liegt vor, und das ist dann „kein Untersuchungs­ausschuss“. – Das ist richtig, aber erinnern Sie sich: Es ist die letzte Sitzung hier in die­sem Saal gewesen, bei der zum Untersuchungsausschuss-Antrag Seipel argumentiert wurde: Ja warten wir doch auf den Rechnungshofbericht und den Rechnungshofaus­schuss! – Da ist es plötzlich richtig, dass wir auf den Rechnungshof verweisen, wenn umgekehrt ein Untersuchungsausschuss zur Debatte ansteht!

Meine Damen und Herren! Einigen Sie sich mit sich selbst – oder geben Sie zu, dass Sie grundsätzlich die Aufklärung verhindern wollen! Das ist Ihr zentrales Ziel! Vergön-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 94

nen Sie es uns wenigstens noch, dass wir unseren Auftrag als Abgeordnete erfüllen können – nicht nur als Opposition, sondern auch als Abgeordnete, die einem Gewissen und einem Wahlkreis und einer bestimmten Arbeit hier verpflichtet sind und hier nicht mitspielen wollen!

Es ist das Wechselspiel zwischen Exekutive und Parlament in Österreich massiv ge­stört. Aus unserer Sicht herrscht hier ein massiver Kontrollnotstand, und diesen haben Sie zu verantworten. Und ich sage Ihnen ganz offen: Es ist nicht einsehbar oder, bes­ser gesagt, nicht einsichtig – tatsächlich ist auch vieles nicht einsehbar –, warum die zentralen Zeugen dieses Vorganges – und dies trotz des Rechnungshofberichts, den Sie für sich und für Ihre Argumentation noch in Anspruch nehmen! – nicht geladen wer­den dürfen, damit einige wenige zentrale Fragen gestellt werden können. Sie haben das Angebot bekommen, dass die Fragen beschränkt werden und dass dann aber – was die Geschäftsordnung vorsieht – diese wenigen Fragen in einer öffentlichen An­hörung abgewickelt werden. In wenigen Stunden wäre das erledigt!

Einigen wir uns noch darauf im Rechnungshofausschuss – ich mache Ihnen hier an dieser Stelle das Angebot –, denn damit wäre wirklich allen gedient! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hornek: Das ist ein Missbrauch der Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung werden wir dann noch öfter diskutieren. Ich kann nur sagen, dass wir, Kollege Kräuter und ich, heute und gestern die Geschäftsordnung so ange­wandt haben, wie es jahrzehntelange Praxis in diesem Ausschuss (Abg. Hornek: Sie haben die Geschäftsordnung missbraucht! Ein glatter Missbrauch der Geschäftsord­nung!) und jahrzehntelange Praxis in anderen Ausschüssen ist! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schöls.)

Wir laden die Präsidialkonferenz ja geradezu ein, hier Hilfestellung für die Ausschuss­führenden zu geben, und wir werden uns sehr gerne darauf verständigen. Aber wenn, dann einheitlich!

Aber Schluss mit „Geschäftsordnung“, kommen wir zu den zentralen Dingen: Wir lau­fen Gefahr, hier ein Abwürgeparlament zu werden. Ich darf damit zu meinem Schluss­satz kommen und in diesem wirklich meiner persönlichen Empörung Ausdruck ver­leihen und sagen, dass das hier das österreichische Parlament ist, Kollege Molterer – und sicher nicht die Sakristei Ihrer ÖVP-Parteizentrale! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Doppelbödiger geht es nicht mehr! Eine doppelbödige Argu­mentation!)

14.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

 


14.29

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Kogler! Wieder zurückgekehrt vom vormittägigen Ausruhen, weil ja die ganze Nacht über dieses Thema gesprochen wurde? – Ich begrüße Sie auf das Allerherzlichste! (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ.) – Es wurde sehr, sehr intensiv gesprochen, sich nicht immer am Thema orientierend, aber trotzdem hat man die Geschäftsordnung hinbiegen können. Wir haben es zur Kenntnis genommen und haben mit Ihnen ausgeharrt.

Wissen Sie, was ich Ihnen sage? (Abg. Faul: „Ich habe immer geschlafen!“) – Sie haben immer geschlafen? – Das macht nichts! Das ist nicht aufgefallen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 95

Wissen Sie, was ich Ihnen sage: Ein guter Tag fängt in unserem Land, in unserem Österreich an (Abg. Öllinger: Mit einem sanierten Budget!) damit, dass es ein sicherer Tag ist. Und mit unseren Draken – und in Zukunft mit den Eurofightern – werden wir dieses Land sicher halten können (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ – Abg. Öllinger: Vielleicht sollten wir es doch sanieren, das Budget!), und des­wegen brauchen wir die Luftüberwachung, brauchen wir die Eurofighter!

Meine Damen und Herren von den Linken! Ich meine, wenn Sie sich beruhigen kön­nen: Ich habe Sie in der Nacht schon darauf aufmerksam gemacht, mit welchen Lobes­hymnen Sie doch die Rechnungshofbeamten immer bedenken und betonen, wie kor­rekt, wie engagiert, wie wissend sie sind und dass ihnen in hohem Maße Dank und Anerkennung gezollt werden. – Das machen wir alle selbstverständlich. Das Haus applaudiert. – Dann sagen Sie jedoch, den Rechnungshofbericht wollen Sie so nicht zur Kenntnis nehmen, weil offensichtlich die Qualität der Prüfung doch nicht so stimmt, und dass diese Berichte des Rechnungshofes, das unser Kontrollorgan ist, Ihnen nicht genügen.

Wir haben in Ausschusssitzungen diskutiert, wir haben Sonderveranstaltungen ge­habt – es ist ja nicht das erste Mal, dass wir über Luftraumüberwachung sprechen. Zu­erst war Ihre Strategie, dass Sie generell dagegen waren. Jetzt ist Ihre Strategie, dass Sie gegen den Typ Eurofighter-Typhoon sind. – Und Sie finden nichts! (Abg. Öllinger: Na genügend!) Auch der Staatsanwalt wurde bemüht. Ich weiß nicht, wer es war – nicht Pilz, nehme ich an, nicht Kogler, Sie schon gar nicht, Herr Öllinger –, aber die Staatsanwaltschaft wurde bemüht. Und was sagt der Rechnungshof? – Es ist nichts herausgekommen: zurückgelegt.

Sie wollen eigentlich auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass es eine Kommission gab, der 33 Experten angehörten, und dass es eine Entscheidung gab, welche lautete: vier zu eins pro Eurofighter, und dass sich die Bundesregierung an diese Entscheidung gehalten hat. Ich frage Sie: Wenn die Bundesregierung etwas anderes gemacht hätte, was würden Sie dann sagen? – Dann hätten wir vice versa den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit der Argumentation: Was erlaubt sich die Regie­rung, einen Expertenvorschlag zu negieren und eine andere Entscheidung – Herr Kog­ler: eine andere Entscheidung! – zu treffen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Ich weiß – und mir ist bewusst, dass Sie diesbezüglich ideologische Schwierigkeiten haben –, dass Sie die Luftraumüberwachung ablehnen, und zwar manche von Ihnen grundsätzlich, denn „das brauchen wir in Österreich nicht“. Gestern haben wir ja gehört, wir sind umzingelt von NATO-Staaten und von Freunden: Wer wird uns schon Böses tun? Wir brauchen keine Überwachung; unsere Grenzen müssen wir sichern, aber nicht in der Luft! (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.) – Wofür applaudieren Sie? (Abg. Öllinger: Weil Sie das völlig richtig gesagt haben!) Für meine Rhetorik? – Ich bedanke mich! Oder wofür? Sind Sie auch für eine Überwachung?

Gestern beim Besuch des israelischen Staatspräsidenten hat sich gezeigt, dass sehr wohl verlangt wird (Abg. Brosz: Sind da die Eurofighter auch geflogen?), dass wir unseren Luftraum kontrollieren und überwachen. Sie haben ja selbst die Zeitungen gelesen, deshalb brauche ich das nicht zu erläutern.

Zu der Dame, die gestern gemeint hat, wir bräuchten bei internationalen Veranstaltun­gen selbstverständlich keine Luftraumüberwachung, möchte ich sagen: Da wünsche ich viel Glück! Wir werden ja sehen, wenn es so weit ist, im Jahr 2006, wenn wir den Europavorsitz haben – oder auch dann, wenn wir anderen Staaten assistieren möch­ten –, ob das von uns verlangt wird oder nicht.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 96

Ich möchte noch schnell Folgendes sagen: Wenn Sie den Herrn Ministerialrat Wagner immer strapazieren, dann darf ich Sie daran erinnern – Sie werden es wahrscheinlich nicht mehr wissen, aber der eine oder andere Kollege von den Sozialdemokraten war schon mit dabei –: Herr Ministerialrat Wagner hat schon eine ganz bestimmte – sage ich jetzt einmal schonungsvoll – Rolle gespielt, als die Draken beschafft wurden. Da­mals hat er auch gesagt: Die werden nicht fliegen können, und vielleicht wird es einmal zu kalt dafür sein, dass die Draken fliegen; und wer weiß, ob es nicht irgendwelche Gelder für irgendwelche Parteien gegeben hat, et cetera. – Man hat also auch zu die­ser Zeit versucht, die Beschaffung für die Sicherheit des Landes schlecht zu machen und zu diffamieren.

Für einen Untersuchungsausschuss besteht kein Anlass, und ein solcher wird selbst­verständlich abgelehnt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. (Ruf: Der ist ja jetzt noch nicht munter!)

 


14.35

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will jetzt gar nicht allzu streng sein mit dem Kollegen Murauer – er hat ja doch über weite Strecken des Ausschusses ein Nickerchen gemacht. Ich kann das beurteilen, denn ich war Vorsitzender, und ich habe immer hingeschaut und mir ge­dacht: Solange das akustisch keine Bedrohung wird, lasse ich das einfach laufen! (Bei­fall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber etwas ganz anderes, meine Damen und Herren: eine kleine Auslobung. Es geht um einen Geschenkkorb, alle können mitspielen, auch der Kollege Murauer: Der- oder diejenige bekommt einen Geschenkkorb, der mir einen einzigen Akt des Nationalrats­präsidenten nennen kann, wo er sich für die parlamentarische Kontrolle stark gemacht hat. – Wahrscheinlich muss ich mir diesen Geschenkkorb behalten. (Abg. Hornek: Einen Korb kriegst du sicher, Kollege Kräuter! Einen Korb kriegst du sicher!)

Umgekehrt, Kollege Molterer, wenn es darum geht, für die Regierung Gutachten her­beizuschaffen, braucht der Präsident ja einen mittleren Lieferwagen! Das gehört auch einmal gesagt.

Und gerade jetzt wäre der Präsident des Nationalrates dringend gefordert, wenn man sich anschaut, was sich abspielt. Beispiel: Gegengeschäfte.

Der Rechnungshof bekommt keine Unterlagen vom Ministerium. Im Rechnungshofaus­schuss legt der Minister Bartenstein keine Unterlagen vor. In einer Anfragebeantwor­tung sagt der Minister Bartenstein, er kann keine Auskunft geben. Der Presse gegen­über gibt er Auskunft. Und wenn das dann hier kritisiert wird, dann versteigt sich der Herr Minister zu einer Verhöhnung des Abgeordneten. Ich meine, er hat seine Quittung bekommen – sofort, inklusive Rabatt. Aber so kann es ja nicht sein, und ich glaube, da muss einmal der Präsident des Nationalrates eingreifen, wenn der Rechnungshof als Organ des Nationalrates nicht mehr ernst genommen wird, wenn der Rechnungshof­ausschuss – und das hat ja auch ein bisschen was mit dem Nationalrat zu tun – nicht ernst genommen wird, wenn parlamentarische Anfragen nicht ernst genommen werden.

Und, meine Damen und Herren von der ÖVP, ich sage Ihnen noch etwas: Ich finde es ausgesprochen unpassend, wenn ausgerechnet bei einer ÖVP-Klausur der Präsident des Nationalrates kategorisch Untersuchungsausschüsse ablehnt. Wenn das der Herr Molterer macht – in Ordnung. Aber der Präsident des Nationalrates – das passt nicht zusammen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 97

Wenn ich alles, was mir da zugeht, richtig interpretiere, dann werden Sie nicht für den Untersuchungsausschuss stimmen, und daher wird es notwendig, Kollege Neudeck, dass Sie bei der nächsten Tagung unseres Rechnungshofausschusses für Auskunfts­personen stimmen. (Abg. Neudeck: Das war keine Tagung, das war eine „Nachtung“!) Und bei Ihnen werbe ich besonders um den Dr. Jörg Haider – meistens sind die Aufre­gung, die Empörung, sind Angst und Schrecken besonders groß, wenn man den Jörg Haider als Auskunftsperson beantragt. Kollege Scheibner wird ja dann gleich auf die Aussagen von Jörg Haider eingehen, zum Beispiel: Besteht Verdacht, dass es straf­rechtlich relevante Tatbestände im Zusammenhang mit den Abfangjägern gibt? – Ab­solut, absolut! (Abg. Scheibner: Wann hat er das gesagt?) – Das steht in der „Kleinen Zeitung“ vom 8. Juni 2003. (Abg. Scheibner: Aha!) Sie werden ja sicher jetzt gleich dazu Stellung nehmen, Herr Klubobmann Scheibner.

Meine Damen und Herren! Ist es beim Eurofighter-Kauf eigentlich mit rechten Dingen zugegangen? – Das wird eine ganz große Menge von Leuten gefragt. 13 Prozent nur sagen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist! Und an dieser Schraube haben Sie ja in den letzten Tagen ordentlich gedreht. Ich glaube, diese Zahl wird jetzt genau­so einstellig sein wie jene der FPÖ im Hinblick auf die Wählergunst.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss ein frommer Wunsch: Ich würde mir einmal Gottes Segen vom Herrn Präsidenten Khol für die parlamentarische Kontrolle wün­schen. Und was mir ein wirkliches Anliegen ist: Ich bedanke mich herzlich bei der SPÖ-Fraktion im Rechnungshofausschuss für den großartigen Einsatz für mehr Demokratie und mehr parlamentarische Kontrolle in den letzten Stunden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner.

 


14.39

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat mich jetzt so oft von Seiten der Grünen gewollt, das freut mich. Hier bin ich, meine Damen und Herren! Und Sie haben an mich hier eine Frage gestellt: Ich soll erklären, warum ich bereits für den Gripen entschieden hatte und von wem ich umgestimmt wurde.

Meine Damen und Herren! Sie wissen es, ich habe mich für das Produkt der Firma EADS Eurofighter entschieden, habe einen diesbezüglichen Ministerratsantrag unter­schrieben und diesen auch im Ministerrat eingebracht. Nichts anderes habe ich unter­schrieben und auch nichts anderes entschieden. Ich hoffe, meine Damen und Herren, ich habe hier klar, deutlich und ausreichend geantwortet – allerdings vielleicht nicht zu Ihrer Freude. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Kogler! Es ist selbstverständlich Ihr Recht – und wir haben das als Oppo­sition auch immer gemacht –, dass Sie, wenn Sie mit irgendetwas unzufrieden sind oder ein Projekt nicht wollen, dagegen zu Felde ziehen, keine Frage. Wenn man in einem Ausschuss einmal unterliegt – und die Opposition unterliegt halt leider oder manchmal Gott sei Dank meistens in einem Ausschuss –, dann kann man das kritisie­ren. Das ist keine Frage. Und wenn man mit Ladungsbeschlüssen nicht durchkommt, kann man das auch kritisieren, Herr Kollege Kogler. Aber als Ausschussvorsitzender muss man die Entscheidungen des Ausschusses, ob sie einem gefallen oder nicht, akzeptieren.

Herr Kollege Kogler! Ich war sieben Jahre lang Vorsitzender des Landesverteidigungs­ausschusses. Da sind auch viele Dinge passiert, die mir als Oppositionsabgeordnetem


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 98

nicht gefallen haben. Aber in dem Moment, in dem ich den Vorsitz übernommen habe, war ich nicht freiheitlicher Politiker, sondern Vorsitzender des Landesverteidigungsaus­schusses. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das, Herr Kollege Kogler, wür­den wir alle, so auch ich, von Ihnen erwarten und auch, dass Sie die Geschäftsordnung so handhaben, wie es für einen Ausschussvorsitzenden notwendig ist.

Was Sie als grüner Politiker sagen, sei Ihnen unbenommen – da sind wir auch nicht empfindlich. Aber als Vorsitzender eines Ausschusses dieses Parlaments haben Sie sich voll und ganz und ausschließlich an die Geschäftsordnung zu halten. Das wird aber heute ohnehin noch Thema sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deshalb sage ich Ihnen, es freut mich nicht, denn ich glaube, es ist ein gutes, wichtiges und notwendiges Projekt, die Luftraumüberwachung aufrechtzuerhalten.

Der APA ist zu entnehmen: Es gab jetzt schon einen Zwischenfall – dieser ist Gott sei Dank glimpflich verlaufen – beim Flug von Herrn Präsidenten Katzav nach Mauthau­sen. Es war eine Privatmaschine auf Kollisionskurs, die nicht abgedreht hat. Es waren zwei Abfangjäger, die diese Hubschrauberflotte eskortiert haben – Gott sei Dank eskor­tiert haben –, die dieses Flugzeug abgedrängt haben.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Beispiel – ja, Sie (in Richtung SPÖ) lachen schon wieder –, ein kleines Beispiel, aber ich sage Ihnen, und das wissen Sie auch, dass der israelische Präsident Katzav in keinen Hubschrauber eingestiegen wäre – es hat sich übrigens um so einen „bösen Kampfhubschrauber“, wie es immer geheißen hat, einen Blackhawk, gehandelt, der ein Selbstschutzsystem hat –, wenn nicht garan­tiert gewesen wäre, dass der Luftraum gesperrt und auch überwacht werden kann. Und wir würden auch keine großen Veranstaltungen bekommen wie die Europameister­schaft, wenn wir das nicht sicherstellen könnten. – Das nur zum Prinzip der Notwendig­keit der Luftraumüberwachung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Ihren dauernden Vorhalten: Seit zwei Jahren ziehen Sie jetzt gegen diese Entschei­dung zu Felde. Diese mag einem gefallen oder nicht, aber Sie kommen immer mit den alten Fakten. Nichts Neues, immer dieselben Dinge. Wir widerlegen es, aber Sie kom­men nach einer gewissen Zeit, wenn man glaubt, man hat das vergessen, mit den Sachen wieder von neuem daher.

Es gibt einen Rechnungshofbericht über die Planung, wo Sie gesagt haben: Das wird eine große Katastrophe werden. – Der war ganz, ganz positiv.

Dann gab es einen Rechnungshofbericht über die Typenentscheidung, die jetzt im Ausschuss debattiert wird. Da haben Sie gesagt: Da werden diese ganzen Verdachts­momente bestätigt werden. – Nichts, der Rechnungshof hat die Entscheidung als richtig erkannt, Herr Kollege Kogler!

Es gab eine Fülle von Strafanzeigen: Alle zurückgelegt, und zwar eindeutig zurückge­legt, meine Damen und Herren.

Also funktionieren Sie nicht den Rechnungshofausschuss über einen positiven Bericht um, und verlangen Sie nicht von uns die Zustimmung zu einem Untersuchungsaus­schuss, wo es nur positive Stellungnahmen zu diesem Verfahren gibt, Herr Kollege Kogler, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie immer fragen: Was war mit der Entscheidung?, sage ich Ihnen ganz offen: Meine Entscheidung, auch für den Eurofighter, war abhängig von der Finanzzusage des Finanzministers, nämlich in die Richtung, dass alle Mittel zur Bedeckung der Zu­satzkosten für das Gerät und den Betrieb dem Landesverteidigungsbudget zugemittelt werden. Es gab diese Zusage, und deshalb habe ich für das beste Gerät, für das sich auch die Bewertungskommission entschieden hat, meine Entscheidung getroffen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 99

Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht wissen, wie Sie agiert hätten, wenn ich anders entschieden hätte, wenn ich diese Finanzzusage nicht bekommen hätte und wir deshalb einen negativen Rechnungshofbericht bekommen hätten. Ich bekenne mich zu diesem Rechnungshofbericht – er ist positiv – und auch zu dieser Typenentscheidung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Gradwohl: Einen Satz zu Haider!)

14.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. (Rufe bei der ÖVP: Oje!)

 


14.44

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Guten Morgen, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Im Gegensatz zu den Mitgliedern des Rechnungshofausschusses, die diese Nacht durchaus seriös gearbei­tet haben – und da zähle ich auch die Kollegen der Freiheitlichen Partei in diesem Ausschuss explizit dazu –, haben Sie es ja vorgezogen, sich auszuruhen.

Stellen Sie sich einmal vor, was wir in parlamentarischem Konsens in einem Bruchteil dieser Zeit von Auskunftspersonen hätten erfahren können! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ja ist es wirklich notwendig, dass Sie die Opposition zwingen, die Geschäftsordnung bis an die Grenze auszunützen, bis an die Grenze auszunützen, nur damit wir Sie daran erinnern, dass es so etwas wie ein parlamenta­risches Frage- und Kontrollrecht gibt? (Abg. Dr. Fasslabend: Geh, geh!)

Haben Sie, Herr Kollege Scheibner, als früherer Oppositionsabgeordneter und auch die Damen und Herren der ÖVP, denen es ja auch einmal so gegangen ist, schon völ­lig vergessen, dass das Kontrollrecht und das Budgetrecht die zwei großen begleiten­den Rechte rund um das Gesetzgebungsrecht des Parlaments sind?

Und was ist aus diesem Kontrollrecht geworden? – Ich habe es miterlebt. Als wir den Verteidigungsminister ersuchten, uns zwei Beamte zur Verfügung zu stellen, und einen Antrag stellten – der noch immer nicht abgestimmt worden ist –, zog der Verteidigungs­minister zwei Briefe heraus und sagte: Ich habe von den beiden Beamten Briefe an mich schreiben lassen!, und las sie im Ausschuss vor. – Das ist das moderne Aus­kunftsrecht! So soll in Zukunft der Rechnungshofausschuss funktionieren!

Wenn Sie glauben, dass eine grüne Opposition sich damit zufrieden gibt, dann haben Sie sich schlicht und einfach getäuscht. (Beifall bei den Grünen.)

Niemand von uns hat besondere Lust, 18 Stunden in einem Ausschusslokal dieses Parlaments durchzusitzen. (Abg. Ellmauer: Pilz schon!) Aber da geht es nicht darum, was einem mehr oder was einem weniger Freude macht. Da geht es darum, gegen Sie, die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ, die Rechte des österreichischen National­rats zu verteidigen. Da geht es darum, diesen Nationalrat und sein Kontrollrecht gegen den Machtmissbrauch durch die Mehrheit in Schutz zu nehmen. Da geht es darum, einen Rechnungshofausschuss arbeitsfähig zu erhalten.

Ja wie soll denn ein Rechnungshofausschuss arbeiten, wenn er niemanden befragen kann? Sollen wir Abgeordnete einander gegenseitig befragen? Sollen wir gemeinsam die Berichte des Rechnungshofausschusses zum Vortrag bringen? Ist das Ihrer Mei­nung nach Ausschussarbeit? (Beifall bei den Grünen.)

Ich frage mich immer wieder: Was haben Sie eigentlich so zu befürchten (Ruf: Den Pilz!), dass uns kein einziger Beamter, keine einzige Beamtin mehr als Auskunftsper­son zur Verfügung stehen kann?

Darauf gibt es schon Antworten. Wir haben heute in dieser langen Nacht auch einige neue Unterlagen im Rechnungshofausschuss besprochen, und da sind ein paar neue und erstaunliche Sachen zutage getreten. (Ruf: Schon wieder!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 100

Ich habe mich immer gefragt, warum die Beamten der Bewertungskommission seiner­zeit mehrheitlich für Eurofighter plädiert haben und alle Beamten drüber bis zum Minis­ter das Produkt Gripen befürwortet haben. Und, Herr Minister Scheibner, Sie haben es befürwortet, und Sie haben das in die Ministerratsvorbesprechung gebracht, und Sie haben einen Antrag unterschrieben (Abg. Scheibner: Wo habe ich einen Antrag un­terschrieben?), und das ist an einem Veto des Finanzministers gescheitert. Und wenn Sie das klären wollen und wenn Sie wollen, dass die Wahrheit wirklich öffentlich doku­mentiert wird, dann haben Sie eine ganz einfache Möglichkeit: Stimmen Sie dem Untersuchungsausschuss zu! Dann werden wir überprüfen, was es mit diesem Ihrem Ministerratsvortrag auf sich hat. Dafür ist es höchste Zeit. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Werner Kogler war nach dem Auszug der Regierungsfrak­tionen heute gezwungen, die Sitzung wieder zu unterbrechen. Sie, Ihre Abgeordneten haben fluchtartig den Verhandlungssaal verlassen. (Abg. Scheibner: Es darf nicht ein Ausschuss gleichzeitig mit einem Nationalrat tagen!) Wir wissen nicht genau, warum. Der Ausschuss musste unterbrochen werden. Wir hoffen, dass Sie bereit sind, sich beim nächsten Termin, den der Ausschussvorsitzende mit Ihnen koordinieren wird, wieder an einer ordnungsgemäßen Sitzung des Rechnungshofausschusses zu beteili­gen. Und wir werden Sie das nächste Mal wiederum fragen – und damit komme ich zum Schluss –, ob Sie endlich bereit sind, den Rechnungshofausschuss so, wie es die Geschäftsordnung und der Sinn dieser Geschäftsordnung vorsehen, seine Arbeit im Interesse der österreichischen Demokratie tun zu lassen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschus­ses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Einlauf

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Im Sinne des § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung bringe ich folgendes Schreiben des Bundeskanzlers zur Kenntnis:

„Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 20. Oktober 2004, Zl. 300.000/2-BEV/04, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungsgesetz die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Ab­satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Dr. Ursula PLASSNIK zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten ernannt.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“

*****


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
81. Sitzung / Seite 101

Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 461/A und 462/A eingebracht wurden. Ferner sind die Anfragen 2217/J bis 2228/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Dienstag, den 9. November 2004, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 14.51 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien