Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 31

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11.02.28

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Ich möchte mit ein paar allgemeinen Worten über die Situation Öster­reichs im Zuge der internationalen Migration von Arbeitskräften beginnen.

Ich glaube, in Österreich machen wir uns zu wenig klar, dass Zuwanderung und Ab­wanderung etwas vollkommen Normales sind, insbesondere innerhalb der Europäi­schen Union.

In Österreich sind in den letzten Jahren pro Jahr brutto in etwa 80 000 bis 100 000 Per­sonen zugewandert. Gleichzeitig sind brutto ungefähr 40 000 bis 60 000 Personen – je nach Jahr – abgewandert, sodass sich eine Nettozuwanderung – je nach Jahr – von etwa 30 000 bis 50 000 Personen ergibt.

Das ist viel, aber das ist normal innerhalb der Europäischen Union! Das sind gewaltige Ströme. Und diese Ströme von Zuwanderung und Abwanderung werden im Laufe der nächsten Jahre innerhalb der Europäischen Union eher zunehmen als abnehmen, weil die Sprachbarrieren geringer werden – sie werden bestehen bleiben, aber sie werden geringer –, weil die jungen Leute besser ausgebildet sind, einmal einen Arbeitsplatz im EU-Ausland annehmen, wieder zurückkommen oder auch nicht. Das wird etwas völlig Selbstverständliches sein, genauso wie heute schon.

Wenn Sie an den Daten interessiert sind: Die OECD gibt jährlich einen Bericht dazu heraus, den International Migration Outlook, wo diese Daten bestmöglich erfasst sind, soweit sie eben erfassbar sind.

Meine Damen und Herren, man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Migra­tionsströme nur zum kleineren Teil auf nationaler Ebene beeinflussbar sind. Sie sind überhaupt nicht beeinflussbar, Herr Strache, soweit es sich um Migrationsströme in­nerhalb der Europäischen Union handelt – überhaupt nicht! (Abg. Rosenkranz: Völlig falsch! – Abg. Mag. Hauser: Deswegen hat Italien ... ausgewiesen!) Das ist ja gerade­zu ein Grundprinzip innerhalb der Union, dass es eine Nichtdiskriminierung von selb­ständigen und unselbständigen Arbeitskräften gibt, also in Österreich nicht diskriminiert werden darf zwischen Österreichern und EU-Ausländern und in Deutschland etwa nicht diskriminiert werden darf zugunsten der deutschen Arbeitskräfte und zuungunsten anderer EU-Ausländer.

Das ist für Österreich einmal von Vorteil: Wenn etwa ein junger Mensch nach Deutsch­land oder nach England oder nach Spanien gehen will, um eine Zeit lang dort zu arbei­ten, braucht er sich nicht bei der Fremdenpolizei anzustellen und um eine Aufent­haltsbewilligung anzusuchen. Ich finde das wunderbar. Es hat aber nicht nur Vorteile – Stichwort: Universitäten und Medizinerausbildung –, wenn dieser Grundsatz der Nicht­diskriminierung eben auch auf anderen Gebieten angewandt wird.

Wir machen uns auch zu wenig klar – so denke ich –, dass innerhalb der Union diese Migrationsströme hoch sind und dass es insbesondere EU-„Ausländer“ sind – unter Anführungszeichen „Ausländer“ –, die nach Österreich einwandern. In den letzten zehn Jahren waren es im Schnitt die Deutschen, deutsche Arbeitskräfte, die den höchsten Anteil an den Nettozuwanderern ausgemacht haben – regelmäßig! Im Jahr 2005 – das ist das letzte Jahr der Statistik – war die Zuwanderung von Personen, die aus Deutsch­land kommen, rund doppelt so hoch wie die Zuwanderung jener, die aus der Türkei gekommen sind.

Das hat natürlich auch etwas mit der relativen Konjunkturlage zu tun. Solange die Konjunkturlage, die Wirtschaftslage, die Arbeitsmarktlage in Österreich besser ist als
in Deutschland, werden Deutsche tendenziell – ein paar tausend Leute, 10 000, 15 000 Leute jährlich waren das – nach Österreich einwandern. Das ist ja etwas Gutes!


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