Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 91

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denn aufgezeigt in der Öffentlichkeit? Wir!) Aber das noch viel Schlimmere ist, dass diese große Koalition heute und morgen – wenn Sie es heute nicht in die Tagesord­nung nehmen – eine unglaubliche Vorgangsweise wählt. In einer Nacht- und Nebel­aktion, ohne Begutachtung, ohne vorige Diskussion, ohne Expertenmeinung wird in den Verfassungsrang die Zwangsmitgliedschaft zu den roten und schwarzen Kammern erhoben.

Das heißt, die große Koalition pragmatisiert sich selbst in der Verfassung. Es wird drü­bergefahren. Es wird nicht diskutiert. Es soll am Parlament vorbei geschummelt wer­den. Das ist ein echter Skandal, den wir hier vom BZÖ sehen. Es werden weitreichen­de Änderungen im Verfassungsgefüge mit diesem Beschluss passieren.

Und ich sage Ihnen etwas, Herr Kollege Cap und Herr Dr. Schüssel: Wenn Sie ehrlich sind, dann schreiben Sie nicht über die Hintertür die große Koalition in die Verfassung, sondern dann ändern Sie den Artikel 1 der Verfassung und schreiben dort hinein: Österreich ist eine große Koalition, alle Macht geht von Rot und Schwarz aus. – Das ist das, was Sie wollen. Und das ist der Demokratieskandal, der hier stattfindet, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! (Beifall beim BZÖ.)

Sie zimmern sich hier eine Knebelverfassung – jawohl: eine Knebelverfassung! –, wo ein großer Teil der österreichischen Gesellschaft, der Bürger, die Unternehmer, die Ar­beitnehmer, alle, die in den 14 Kammern verpflichtet werden, Mitglied zu sein, auch per Bestimmungen im Verfassungsrang diesem Zwang unterliegen und diesem Zwang un­terworfen werden. Das ist ein Rückschritt, das ist auch nicht verfassungskonform, und das ist einer Verfassung auch nicht würdig! Sie entwerten damit auch die Verfassung, indem Sie Ihre Machtpfründe in eine Verfassung hineinschreiben. Das lehnen wir vehe­ment ab!

Das ist eine weitreichende Änderung, und daher wollen wir heute darüber diskutieren. Wir wollen heute diesem Unfug ein Ende bereiten, weil wir eine Gesellschaft wollen von Bürgern, die in Freiheit leben, die selbst entscheiden wollen und können, ob sie einer Kammer beitreten oder nicht, die selbst über ihre Standesvertretung entscheiden wollen und die nicht von Ihnen per Verfassungsgesetz gezwungen werden – wie in einer kommunistischen Diktatur –, Mitglied eines Systems zu sein, das schon längst ausgesorgt hat. Das ist nämlich Ihr Problem: Dieses System hat ausgesorgt! Und Sie werden im BZÖ den größten und erbittertsten Gegner dieses Zwangskammernsystems finden. Das schreiben wir Ihnen heute ins Stammbuch.

Daher: Geben Sie Chance auf Meinungsfreiheit, Herr Kollege Cap! Geben Sie Chance auf Diskussionsfreiheit und gewährleisten Sie, dass wir heute über diese Materie disku­tieren können, dass es noch einen Verfassungsausschuss gibt und dass wir von der Opposition auch die Chance haben, mit Experten in Form einer Begutachtung Ihren heutigen Verfassungsputsch noch einmal unter die Lupe zu nehmen! (Beifall beim BZÖ.)

10.31


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Ing. Westenthaler, der seinen Sitzplatz wieder eingenommen hat – in Richtung SPÖ und ÖVP –: Ein echter Putsch ist das! Das Kammersystem wollt ihr hineinschreiben in die Verfassung, euer abgewirtschaftetes Kammersystem! Das ist ein echter Putsch, ein Skandal sondergleichen!)

 


10.31.50

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch die


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