Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 158

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Regierungsparteien und von den Grünen, davon ausgeht, dass diese EU-Verfassung, so wie sie niedergeschrieben ist, auch dem entspricht, was der Geist dieser Europäi­schen Union ist, und dass das wiederum dem entspricht, was die Wirklichkeit ist, die die Menschen täglich erleben.

Wissen Sie, woher diese wunderbaren Zitate von Menschenwürde und Freiheit stam­men? Aus der DDR-Verfassung – aus einem „wunderbaren“ demokratischen Land, wie wir alle wissen! (Beifall bei der FPÖ.) Man hat sogar das Wort „Demokratie“ im Staats­namen drinnen gehabt. Wir wissen, dass man dort die eigenen Bürger, um sie in ihrer Glückseligkeit zu bewahren, mit Mauern und Stacheldraht geschützt hat. Wir wissen, dass dort die Meinungsfreiheit so weit ausgebildet war, dass man einen Überwa­chungsapparat – Herr Pilz ist Experte dafür – aufgebaut hat. Also im Grunde genom­men ganz, ganz wunderbar, wenn man es nach dem Buchstaben beurteilt und nicht die gelebte Wirklichkeit als Maßstab anlegt. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt nicht dem Verdacht aussetzen, das, was heute als die größte zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit gepriesen worden ist, nämlich diesen EU-Reformvertrag – dieses Zitat wird auch in die Geschich­te eingehen; wir wissen also jetzt, dass der EU-Vertrag kulturschöpferische Leistungen wie die Schrift und Ähnliches bei Weitem hintanstellt, das Rad ist nichts gegen diesen EU-Verfassungsvertrag; der Herr Bundeskanzler Gusenbauer hat heute wieder einen Meilenstein gesetzt –, mit der DDR vergleichen zu wollen. Aber der entscheidende Punkt ist der – und darum geht es! –, dass dann, wenn mündige Bürger aus der Ge­schichte etwas lernen sollen, Misstrauen angebracht ist gegenüber dem, was irgendwo niedergeschrieben ist. Nur deshalb, weil auf einem Deckblatt „Verfassung“ steht, heißt das noch lange nicht, dass das, was drinnen steht, auch gelebte Wirklichkeit ist.

Wenn Sie von den Regierungsparteien – und insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie eine Bauchfleckkanonade hingelegt und in den letzten Monaten jedes Versprechen, das man geben konnte, gebrochen haben – sich hier her­stellen und sagen, mit dieser Verfassung sei die größte zivilisatorische Errungenschaft erreicht, die man sich überhaupt vorstellen kann, dann dürfen Sie sich nicht wundern, dass die Leute da sehr skeptisch sind und dass man dem Misstrauen entgegenbringen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, die Sorgen der Hunderttausenden Menschen, die gegen diesen Reformvertrag unterschrieben haben, und die Sorgen der Tausenden Men­schen, die dagegen demonstriert haben, sollten Sie ernst nehmen! Auch die Sorgen der Menschen, die es nicht laut gesagt haben, dass sie dagegen sind, die sich aber bei Ihnen noch melden werden, und zwar mit einem Kreuz auf dem Stimmzettel bei den nächsten Wahlen, sollten Sie ernst nehmen!

Wir Freiheitliche nehmen diese Sorgen ernst. Und wir tun das auch im Sozialbereich. Bei dem, was man unter Überschriften produziert oder in irgendwelchen Worthülsen formuliert, wo man zwar Grundrechte hineinschreibt, aber wo selbst die Leute, die Ihnen ohnehin helfen möchten – Leute aus Ihren eigenen Vorfeldorganisationen, aus der Arbeiterkammer und aus der Gewerkschaft –, sagen, das, was da alles drinnen steht, sei zwar wunderbar, allein es fehlen die Instrumente, um es umzusetzen, was auf gut Deutsch heißt, dass das nicht wirklich etwas wert ist, weil man diese Rechte beim Salzamt und sonst nirgendwo einklagen kann, muss man sich schon fragen, ob diese Europäische Union wirklich, so wie Sie es versprechen, gerechter wird.

 


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