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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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118. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 21. September 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

118. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode    Mittwoch, 21. September 2011

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. September 2011: 9.06 – 23.01 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Sechster Bericht zur Lage der Jugend in Österreich

2. Punkt: 34. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2010)

3. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 54, 57, 62, 70, 72 und 74 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 28 und 29

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird

5. Punkt: Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

6. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen

7. Punkt: Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Inves­titionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschi­kistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Heribert Don­nerbauer, Dr. Peter Fichtenbauer, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1618/A)

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Fritz Neugebauer, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des National­rates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1657/A)

11. Punkt: Ersuchen des Landesgerichts Innsbruck um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer

13. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner

*****

Inhalt

Nationalrat

Angelobung der Abgeordneten Christine Marek ........................................................ 18

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 18

Geschäftsbehandlung

Ersuchen der Präsidentin Mag. Barbara Prammer, in der Aktuellen Europa­stunde keine innenpolitischen Themen zu verhandeln ................................................................................................... 45

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung in diesem Zusammenhang:

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 45

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 46

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschussberichtes 1407 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 69

Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über das Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1390 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 27. Sep­tember 2011 zu setzen ................................................................ 69

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 70

Redner/Rednerinnen:

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 180

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 182

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ... 183

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 184

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 185

Annahme des Fristsetzungsantrages (namentliche Abstimmung) ............................. 187

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für Korruptionsfälle unter der schwarz-blauen Regierung gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung – Zurückziehung ..........  70, 191

Bekanntgabe ................................................................................................................... 70

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG – Zurückziehung .....................................................................  70, 191


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Antrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses zur umfassenden Untersuchung von mittelbaren und unmittelbaren Geldflüssen ohne entsprechende Gegenleistungen in das direkte Umfeld von Politikern und politischen Parteien in den Fällen Telekom, BUWOG, Behördenfunk und ÖBB-Inserate gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung – Zurückziehung .......................................................................................................  70, 191

Bekanntgabe ................................................................................................................... 70

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG – Zurückziehung .....................................................................  70, 191

Antrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Korrup­tions­vorwürfen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung – Zurückziehung .....................................................................  70, 191

Bekanntgabe ................................................................................................................... 70

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG – Zurückziehung .....................................................................  70, 191

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 70

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 187

Unterbrechung der Sitzung ...............................................................................  186, 187

Antrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Dr. Peter Pilz, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungs­aus­schusses zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung .................................................................. 251

Bekanntgabe ................................................................................................................. 191

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ........................................................................................................ 191

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................ ... 253

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 256

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 257

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ... 258

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 259

Werner Amon, MBA ............................................................................................... ... 261

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 262

Aktuelle Stunde (31.)

Thema: „Qualität und Leistung für die österreichischen Universitäten und Hochschulen“         ............................................................................................................................... 19

Redner/Rednerinnen:

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager .................................................................... ..... 19

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................. ..... 21

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ..... 25

Anna Franz .............................................................................................................. ..... 26

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 27


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Dr. Kurt Grünewald ................................................................................................ ..... 29

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ..... 30

Mag. Laura Rudas ................................................................................................... ..... 32

Peter Mayer ............................................................................................................. ..... 34

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ..... 35

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 37

Stefan Petzner ......................................................................................................... ..... 38

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 40

Aktuelle Stunde (32.) – Aktuelle Europastunde

Thema: „Korruptionsbekämpfung in der EU“ ......................................................... 42

Redner/Rednerinnen:

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 42

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ..... 46

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 50

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 51

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 53

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ..... 54

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ..... 56

Dr. Günther Kräuter ............................................................................................... ..... 58

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ..... 59

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 61

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ..... 63

Gerald Grosz ........................................................................................................... ..... 64

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 66

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 18

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  68, 241, 244

Auslieferungsbegehren

gegen den Abgeordneten Herbert Scheibner .............................................................. 68

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Finanzen betreffend: Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! Volksabstimmung jetzt! (9287/J)             ............................................................................................................................. 124

Begründung: Josef Bucher ......................................................................................... 129

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 134

Debatte:

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 139

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 145

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 146

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ... 148

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ... 151

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ... 154

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ... 156

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ... 157


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 5

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ... 159

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 160

Ernest Windholz ...................................................................................................... ... 163

Ing. Mag. Hubert Kuzdas ........................................................................................ ... 165

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ... 167

Bernhard Themessl ................................................................................................ ... 168

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 170

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ... 172

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ... 173

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 175

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend: Volksabstimmung jetzt! Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! – Ablehnung     143, 179

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kollegin­nen und Kollegen betreffend die Durchführung einer Volksbefragung über die Übernahme von Haftungen im Wege der EFSF im Ausmaß von 21 Milliarden € durch die Republik Österreich – Ablehnung ................................  176, 179

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Sechsten Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Lage der Jugend in Österreich (III-248/1269 d.B.) ................... 71

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Kitzmüller .................................................................................................... 71

Ridi Maria Steibl ........................................................................................................... 74

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 75

Angela Lueger ......................................................................................................... ..... 76

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ..... 78

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ........................................................  80, 92

Stefan Markowitz .................................................................................................... ..... 84

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ..... 87

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ..... 88

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ..... 89

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 90

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ........................................................................... ..... 94

Hermann Lipitsch ......................................................................................................... 96

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ..... 97

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ..... 99

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 100

Ing. Christian Höbart .................................................................................................. 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Familiensteuersplitting-Modells – Ablehnung ............................  72, 103

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Einführung einer Schuldenbremse für die öffentliche Verschul­dung – Ablehnung .................  86, 103

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Einkommensteuer in Richtung eines Flat-Tax-Modells – Ablehnung ...................  86, 103


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Generationengerechtigkeit – Ablehnung ................................................................  94, 103

Kenntnisnahme des Berichtes III-248 d.B. ................................................................... 102

2. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 34. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2010) (III-214/1317 d.B.) ................................................................. 103

Redner/Rednerinnen:

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 103

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ... 105

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 106

Gerald Grosz ........................................................................................................... ... 107

Dr. Susanne Winter ................................................................................................ ... 108

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 110

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek .................................................................  113, 196

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits ....................................................................... 115

Mag. Ewald Stadler .................................................................................................... 118

Ewald Sacher .............................................................................................................. 119

Mag. Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 120

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 121

Leopold Mayerhofer ............................................................................................... ... 121

Mag. Christiane Brunner ....................................................................................... ... 122

Johann Hell .............................................................................................................. ... 189

Oswald Klikovits ..................................................................................................... ... 190

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 191

Mag. Rosa Lohfeyer ............................................................................................... ... 192

Johann Hechtl ......................................................................................................... ... 193

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ... 194

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 195

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Herstellung von Rechtskonformität der Tierhal­tungsverordnung in Bezug auf das Tierschutzgesetz – Ablehnung ............................................................................................................  112, 197

Kenntnisnahme des Berichtes III-214 d.B. ................................................................... 197

3. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 54, 57, 62, 70, 72 und 74 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 28 und 29 (1277 d.B.) ............. 197

Redner/Rednerinnen:

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 197

Mag. Rosa Lohfeyer ............................................................................................... ... 198

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 199

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 200

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 202

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 203

Mag. Christiane Brunner ....................................................................................... ... 204

Hermann Lipitsch ................................................................................................... ... 205

Josef Jury ................................................................................................................ ... 206

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 207

Dr. Susanne Winter ................................................................................................ ... 208

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 210

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 211

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 212

Hannes Weninger ................................................................................................... ... 213


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 7

Mag. Josef Lettenbichler ....................................................................................... ... 214

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 215

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1277 d.B. ................................................... 216

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1275 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird (1400 d.B.) ............................................ 216

Redner/Rednerinnen:

Konrad Steindl ........................................................................................................ ... 216

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................ ... 217

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ... 217

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 219

Mag. Michael Schickhofer ..................................................................................... ... 219

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 220

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ............................................................... ... 221

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 221

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1331 d.B.): Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Öster­reich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unter­zeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1401 d.B.) ....... 221

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1332 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1402 d.B.) ............................................................................ 222

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1333 d.B.): Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan (1403 d.B.) ........................................... 222

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1334 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1404 d.B.) .................................................................................................................... 222

Redner/Rednerinnen:

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 222

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 223

Ernest Windholz ...................................................................................................... ... 224

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 224

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 225

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 227

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ............................................................... ... 227

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 228

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 229

Maximilian Linder ................................................................................................... ... 230

Genehmigung der vier Staatsverträge in 1401, 1402, 1403 und 1404 d.B. ................. 230

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 1402 und 1404 d.B.                          231


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 8

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Peter Fichtenbauer, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1618/A) ........................................................................................................................ 231

Redner/Rednerinnen:

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 232

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 232

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 233

Dieter Brosz, MSc ................................................................................................... ... 234

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 238

Dr. Martin Strutz ..................................................................................................... ... 240

Zuweisung des Antrages 1618/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................... 241

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Fritz Neugebauer, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäfts­ordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1657/A)              ............................................................................................................................. 241

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ... 241

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ... 242

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 243

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ... 243

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 244

Zuweisung des Antrages 1657/A an den Verfassungsausschuss .............................. 244

11. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichts Innsbruck (24 Hv 69/11b) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer (1397 d.B.) ............................................................................................... 244

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 245

12. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staats­anwaltschaft Wien (502 St 28/11s) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer (1398 d.B.) ............................................................................................... 245

Annahme des Ausschussantrages .......................................................................... ... 245

13. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staats­anwaltschaft Wien (604 St 8/11z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner (1407 d.B.) .................................................................................................................... 245

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ewald Stadler ...........................................................................................  246, 250

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 248

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 251

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 68

Petition betreffend „Petition der Gemeinde Kirchstetten zur Erhaltung der Hausapotheken“ (Ordnungsnummer 120) (überreicht vom Abgeordneten Johann Höfinger)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 9

Petition betreffend „Petition zur Sicherung der IC-Zugverbindungen Salzburg–Graz–Salzburg“ (Ordnungsnummer 121) (überreicht vom Abgeordneten Mag. Johann Maier)

Regierungsvorlage ...................................................................................................... 68

1399: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

Berichte ......................................................................................................................... 68

III-263: Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2010

III-270: Bericht betreffend Vollzugspraxis aus den Bereichen Asyl-, Fremden­polizei- sowie Niederlassungs- und Aufenthaltswesen aufgrund der Ent­schließung des Nationalrates vom 29. April 2011, E 159-NR/XXIV. GP; BM f. Inneres

III-272: Bericht betreffend die Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 5. November 2009, 53/E XXIV. GP; BM f. Justiz

Anträge der Abgeordneten

Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung geändert wird (1660/A)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Herstellung der Rechtskonformität der Tierhalteverordnung in Bezug auf das Tierschutzgesetz (1661/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft (1662/A)(E)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vertragsbedienstetengesetz (VBG), in der Fassung des BGBl. I Nr. 90/2006, geändert wird (1663/A)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), in der Fassung des BGBl. I Nr. 7/2011, geändert wird (1664/A)

Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend besseren Schutz der Opfer von Menschenhandel und effizientere Verfolgung von Menschenhändlern (1665/A)(E)

Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studie zum Verhältnis zwi­schen der Polizei und Angehörigen von ethnischen/sprachlichen/religiösen Minder­heiten in Österreich (1666/A)(E)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eines Maß­nahmenpaketes zur Verbesserung der Situation der Frauen in Österreich (1667/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer Pflegelehre (1668/A)(E)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Importverbot von unter menschenrechtswidrigen Umständen erzeugten Biotreibstoffen (1669/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 10

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hundebiss-Statistiken in Wien (1670/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend neue Wege in der Behinderteneinstellungspolitik (1671/A)(E)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Antrag auf Unterstützung der Anerkennung der Eigenstaatlichkeit Palästinas in der UNO (1672/A)(E)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen betreffend Gewalt gegen Männer (1673/A)(E)

Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenpflichtige Service-Hotlines (1674/A)(E)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen betreffend (Schul-)Projekt „Einstieg ins Berufs­leben“ (1675/A)(E)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen betreffend (Schul-)Projekt „Einstieg ins Berufsleben“ (1676/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend bessere Vernetzung von Frauen- und Familienberatungseinrichtungen in Form von Kompetenzzentren (1677/A)(E)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen betreffend bessere Vernetzung von Frauen- und Familienberatungseinrichtungen in Form von Kompetenzzentren (1678/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend eine bessere Koordination der Hilfsgelder für Ostafrika (private Spenden und staatliche Katastrophenhilfe) (9234/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zollwachschule in Wien-Erdberg (9235/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Recycling“ von medizinischen Einwegprodukten – Kostenein­spa­rungen durch validierte Aufbereitungsverfahren (9236/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Pub­likationen (9237/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publikationen (9238/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publi­ka­tionen (9239/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Einhebung und Abführung der Umsatzsteuer bei Post-Produkten außerhalb des Universaldienstes (9240/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Kommunistische Initiative (9241/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 11

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Recycling“ von medizinischen Ein­wegprodukten – Kosteneinsparungen durch validierte Aufbereitungsverfahren (9242/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Causa K. 2 (9243/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Verfahren zur Entziehung der Sachverständigenzulassung von sowie straf­rechtliche Ermittlungsverfahren gegen Uwe S. (9244/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Pilotversuche zur Abschaffung der Wehrpflicht (9245/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen gegen Regierungsmitglieder im Strafverfahren (9246/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Zusammensetzung von „Schärdinger Marillen­traum“ (9247/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Abgabe von Schlankheitsmitteln (9248/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend eigenartige Interpretation von Stellungnahmen durch den Bundesminister (9249/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Änderungen seit 1. Jänner 2011 (9250/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Änderungen seit 1. Jänner 2011 (9251/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Travestie bei der Zeugnisverteilung am BG und BRG Wien-Boerhaavegasse (9252/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend Datenschutzprobleme in der Microsoft-Cloud (9253/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Staatsbürgerschaftsverleihung 2008 und 2009 (9254/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Datenschutzprobleme in der Microsoft-Cloud (9255/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Herkunft von Bioprodukten (9256/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Inneres betreffend Schwimmkurse für muslimische Schülerinnen im Jörgerbad in Wien (9257/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Ersatz von Systemerhalter-Grundwehrdienern (9258/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 12

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bundesministerin a. D. Maria Rauch-Kallat, Lobbyistin der mrkDiversity GmbH (9259/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Tuberkulose – rasante Ausbreitung in Europa (9260/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Verbotsschilder im Wald (9261/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Online-Glücksspiel „Lopoca“ (9262/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Inhalt von Frankfurter Würstchen (9263/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Yoga-Stunden und mehr in Justizanstalten (9264/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Gesundheit betreffend Wartezeiten bei Prothesen (9265/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Elektrofahrräder (9266/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kaffee­kapseln (9267/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Energiebilanz Kaffeekapseln (9268/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Polizeieinsätze in der Landesberufsschule Schrems (9269/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Kürzung des Mobili­tätszuschusses für behinderte Menschen (9270/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Selbstbestimmungsrecht und doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler und Südtirolerinnen (9271/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Herabsetzung von Pflegestufen (9272/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend aktuellen Stand der Verhandlungen bezie­hungsweise Vertragsausarbeitung bezüglich Linzer Westring und Eisenbahnbrücke (9273/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verkehrsdienstevertrag zwischen der ÖBB-Personenverkehr AG und der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesell­schaft mbH (9274/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 13

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend eine bessere Koordination der Hilfsgelder für Ostafrika (private Spenden und staatliche Katastrophenhilfe) (9275/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Aufnahmevereinbarung ForscherInnen aus Drittstaaten (9276/J)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Swapgeschäfte der BAWAG P.S.K. mit der Landeshauptstadt Linz beziehungsweise der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien mit niederöster­reichi­schen Gemeinden (9277/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gorbachs Telekom-Universaldienst­verord­nung – fünf Jahre danach (9278/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Sammelklagen in Österreich – Belastung der Justiz“ (9279/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Führerscheinlose Autolenker in Österreich“ (9280/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend „Hausunterricht – Abmeldung von öffentlichen Schulen“ (9281/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Ski- und Snowboarddiebstähle in Österreich – Wintersaison 2010/2011“ (9282/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publikationen (9283/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Einhebung und Abführung der Um­satzsteuer bei Post-Produkten außerhalb des Universaldienstes“ (9284/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Beschränkung der Übernahme von Sachwalterschaften durch Rechts­anwälte (9285/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Rodel- und Bobunfälle in der Wintersaison 2010/2011“ (9286/J)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend: Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! Volks­abstimmung jetzt! (9287/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Alkoholisierung von Jugendlichen – Behandlung von Alkoholvergiftungen – Zahlen für 2009 und 2010“ (9288/J)

Oswald Klikovits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend verfassungsrechtlich bedenkliche Versuche für ein Berufsheer (9289/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 14

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­ver­teidigung und Sport betreffend Zukunft der Salzburger Einheiten, speziell des Pionierbataillons PiB2 (9290/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ansuchen des Kärntner Landeshauptmannes Gerhard Dörfler um Geldmittel für einen Radweg durch die Lieserschlucht (9291/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Vollziehung und Kontrollen nach dem Pyrotechnikgesetz 1974 und dem Pyrotechnikgesetz 2010“ (9292/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Beihilfe zur Steuerhinterziehung (9293/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Gesundheitsgefahren im Sexspielzeug für Erwachsene (9294/J)

Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend Tierschutzkontrollen bei der Ausstellung von Milchkühen (9295/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Berufung des Caspar Einem in den Auf­sichtsrat der Austro Control (9296/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9297/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9298/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9299/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9300/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9301/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9302/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9303/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9304/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9305/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9306/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9307/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 15

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9308/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Initiative „Unternehmen Hund“ (9309/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publika­tionen (9310/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publikationen (9311/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publikationen (9312/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Druck­kostenbeiträge für wissenschaftliche Publikationen (9313/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Druckkostenbeiträge für wissenschaftliche Publikationen (9314/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Gesundheit betreffend Bioplastik-Verpackungen für „Activia“ (9315/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend bezahlte Anzeige in der Wochenzeitung „News“ (9316/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Almfutterflächen (9317/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Steuergeld für abgewirt­schaftete Biogasanlagen“ (9318/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „Steuergeld für abgewirtschaftete Biogasanlagen“ (9319/J)

Alois Gradauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Zweckwidmung des Wohnbauförderungsbeitrages (9320/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Abmeldungen vom Religionsunterricht (9321/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Mehrwertsteuersenkung für die Hotellerie (9322/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Teuerungswelle (9323/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Sommer-Tourismusbilanz (9324/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung betreffend die Ärztebedarfsstudie (9325/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 16

Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Vorgänge um die Ausschreibung eines Geschäftsführers der MuseumsQuartier Errichtungs- und BetriebsgesmbH (9326/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Donautourismus (9327/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anzahl von Mandatswohnungen im Bundesland Salzburg (9328/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Anbieten von HALAL-Gulasch durch das öster­reichische Bundesheer (9329/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Nachfolger(in) für die neue SC Mag. Zechner in der Schienen-Control (9330/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das Einsparungspotenzial der drei Wetter­dienste (9331/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Web-2.0-Auftritte des Bundeskanzlers (9332/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Schlachtungen in Österreich (9333/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend UN High-Level Meeting und Non-communicable Diseases (9334/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Liese-Prokop-Stipendium (9335/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Ressortübereinkommen (9336/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend verblüffende Arbeitsgeschwindigkeit (9337/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Landesverteidigung und Sport betreffend muslimisches Fastenbrechen (9338/J)

Johann Rädler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Fahrplanänderung ab Dezember 2011/Südbahn (Gemeinde Breitenstein) (9339/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft Wien (9340/J)

*****

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates betreffend Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft Wien (64/JPR)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 17

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend angebliche Intervention des ÖBB-Aufsichtsratspräsidenten bei der Justiz zugunsten von ÖBB-Exchef Huber – aus Sorge um ÖBB-Optik und -Image (9212/J) (Zu 9212/J)


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 18

09.06.28Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen und eröffne die Sitzung.

*****

Ich darf zwei kurze Informationen geben.

Erstens: Wir bedanken uns sehr herzlich bei der Plattform Wald-Holz-Papier, die heute den ganzen Tag in der Säulenhalle anlässlich des Internationalen Jahres des Waldes auf die Bedeutung des Waldes für Österreich hinweist. Wer das noch nicht gesehen hat, möge vielleicht irgendwann untertags einen kurzen Abstecher dorthin machen.

Zweitens bedanke ich mich sehr herzlich bei der Krebshilfe Österreich, die in Koope­ration mit uns, mit dem Parlament, bereits heute – und viele von Ihnen tragen ja schon das Pink Ribbon – auf den Internationalen Brustkrebstag am 1. Oktober hinweist. Noch einmal herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Die Amtlichen Protokolle der 116. und 117. Sitzung vom 13. September 2011 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Auer, Mag. Fuhrmann, Ing. Hofer, Mag. Jarmer, Dr. Königshofer und Dr. Glawischnig-Piesczek.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundeskanzler Werner Faymann wird durch die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied und der Bundesminister für europäische und inter­nationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger durch den Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Wolfgang Waldner vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek wird durch den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer vertreten.

09.08.46Angelobung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wie bereits in der 116. Sitzung bekannt gege­ben, ist von der Bundeswahlbehörde die Mitteilung eingelangt, dass Frau Abge­ord­nete


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 19

Maria Rauch-Kallat auf ihr Mandat verzichtet hat. Frau Christine Marek wurde an ihrer Stelle in den Nationalrat berufen.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und die Genannte im Haus anwesend ist, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die neue Mandatarin ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Bitte, Frau Schriftführerin Mag. Lohfeyer.

 


9.09.26

Schriftführerin Mag. Rosa Lohfeyer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Ich gelobe.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich begrüße die neue Abgeordnete herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Ich gebe bekannt, dass der ORF die Aktuelle Stunde und die Aktuelle Europastunde in ORF 2 live übertragen wird. Weiters wird TW 1 die Sitzung bis Sitzungsschluss live übertragen.

09.09.50Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Qualität und Leistung für die österreichischen Universitäten und Hochschulen“

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 


9.10.10

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einer wirtschafts- und gesellschaftspolitisch wichtigen Gestaltungsphase. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise erfordert rasche, neue Lösungsansätze der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die Öster­reiche­rinnen und Österreicher erwarten sich von uns vor diesem Hintergrund die Gestaltung zukunftsorientierter Rahmenbedingungen. Und eines steht dabei außer Streit: Bildung und Wissenschaft sind die beste Voraussetzung, unseren Wohlstand zu erhalten, Arbeitsplätze zu schaffen und wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Moser: Gleichzeitig hungern Sie sie aus!)

Viele unserer international anerkannten Wissenschafterinnen und Wissenschafter, viele unserer motivierten, engagierten und leistungsbereiten Studierenden erwarten sich jetzt Lösungen von uns. Was würde das Beibehalten populistischer Wahlver­sprechen bringen? – Unsere Hochschulen würden in die Mittelmäßigkeit abrutschen. Das gilt es zu verhindern. Daher brauchen wir ein Gesamtkonzept, wir brauchen Lösungen, nicht populistisches Beibehalten vergangener Maßnahmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das Abschneiden unserer Universitäten bei internationalen Vergleichen verfolgen wir immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit einem lachenden Auge, weil unsere Universitäten trotz international unüblicher Rah­menbedingungen hervorragende Ergebnisse aufweisen, aber mit einem weinenden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 20

Auge, weil sie aufgrund unserer Rahmenbedingungen international nicht wirklich wettbewerbsfähig sind. Deswegen brauchen wir den Mut, neue Wege zu beschreiten, neue Maßnahmen zu ergreifen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Im Kino und im Fußballstadion ist es selbstverständlich, dass nur so viele Karten zur Verfügung gestellt werden, wie es Sitzplätze gibt. (Abg. Dr. Grünewald: Das kenn’ ich schon!) Es kann nicht sein, dass auf den Universitäten Studierende ohne jegliche Kapazitätsbegrenzungen tagtäglich in überfüllten Hörsälen sitzen müssen. Es ist aber ein Faktum, dass mit der derzeitigen gesetzlichen Regelung jeder Europäer, jede Europäerin in Österreich studieren kann, ohne einen finanziellen Beitrag dafür zu leisten. Herr Bundesminister Töchterle hat daher ein neues Gesamt­konzept vorgelegt, das europakonform ist, das Österreich in die Zukunft bringt und das uns die Möglichkeit gibt, für die Studierenden und für die Wissenschafterinnen und Wissenschafter moderne, zukunftsorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir heißen die Studierenden aus der ganzen Welt bei uns willkommen, aber wir wollen, dass sie nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten ihren Beitrag für ein Studium in Österreich leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Volkspartei hat sich immer ganz klar positioniert. Unsere Gesell­schaft braucht international wettbewerbsfähige Universitäten, unsere Wirtschaft braucht starke Universitäten, Österreich braucht starke Universitäten. Deswegen haben wir ein Drei-Säulen-Modell, das es heute zu diskutieren gilt, das die Leistung und Qualität unserer Hochschulen steigern soll, faire Bedingungen schaffen soll, europaweit umsetzbar ist und mit den Europarechtskriterien konform ist.

Dieses Drei-Säulen-Modell sieht erstens mehr zusätzliche Mittel vor. Herr Bundes­minister Töchterle ist in sehr aussichtsreichen Verhandlungen mit Frau Bundesminis­terin Fekter, dass in der nächsten Leistungsperiode für die Universitäten eine zusätz­liche Hochschulmilliarde vorgesehen wird, also mehr Budget mit mehr Qualität. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Drei-Säulen-Modell sieht zweitens ein sozial gerechtes Studienbeitragsmodell vor. „Sozial gerecht“ heißt, jede österreichische Studierende, jeder österreichische Studierende, die/der sozial bedürftig ist, soll nicht aufgrund fehlender ökonomischer Rahmenbedingungen vom Studium abgehalten werden. Die Studienbeihilfe soll ausgebaut werden, aber die Betreffenden sollen auch einen entsprechenden Beitrag leisten. Das gilt für österreichische Studierende, das gilt für europäische Studierende, das gilt für von außerhalb der EU kommende Studierende. Wir brauchen ein sozial gerechtes Studienbeitragsmodell, das die Kinder der Österreicherinnen und Öster­reicher nach sozialen Kriterien unterstützt, aber allen einen kleinen Beitrag abverlangt, damit nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs einen Beitrag leisten für die Kinder der Ölscheichs, die sich das Studium in Österreich sehr wohl leisten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit der Hochschulmilliarde und dem Studienbeitragsmodell zeigt die Österreichische Volkspartei, dass sie unsere Hochschulen nicht im Stich lässt, sondern in die Zukunft investieren und faire Rahmenbedingungen schaffen möchte. Die Studierenden aus der ganzen Welt sind, wie ich schon gesagt habe, bei uns herzlich willkommen, aber das Kriterium, in Österreich zu studieren, soll nicht sein, weil hier alles gebührenfrei ist. Das Kriterium dafür, in Österreich zu studieren, soll sein, weil wir so exzellente, international wettbewerbsfähige Studienangebote haben. Das soll das Kriterium sein, nach Öster­reich zu kommen, und nicht, weil es hier gratis ist. Wir haben nichts gratis zu vergeben! Wir haben Qualität zu vergeben, und für diese Qualität gilt es einen kleinen Beitrag zu leisten. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 21

Die jüngste OECD-Studie hat einmal mehr aufgezeigt, Österreich liegt, was die Gesamtkosten eines fertigen Akademikers, einer fertigen Akademikerin betrifft, im obersten Drittel. Der österreichische Steuerzahler zahlt 150 000 € für einen fertigen Akademiker, für eine fertige Akademikerin. Das ist eine Spitzenleistung, das ist ein Spitzenangebot für unsere Akademikerinnen und Akademiker! Deswegen ist es uns wichtig, dass ein kleiner Beitrag auch von den Studierenden kommt.

Also: Eine Milliarde vom Staat, bis zu 500 € pro Semester von den Studierenden und Ausbau der Studienbeihilfe, um maßgeschneidert jene mit sozialen Unterstützungs­maß­nahmen zu erreichen, die wir erreichen wollen. Ganz Europa ist in Österreich willkommen, die ganze Welt ist in Österreich willkommen, aber die Qualität unserer Studien soll ausschlaggebend dafür sein, dass jemand kommt!

Ein letzter Satz: Es ist nur recht und billig, dass Studierende – nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten – 500 € pro Semester leisten, wenn die Universitäten dies vorsehen – es liegt in der Autonomie der Universitäten –, denn jeder Baumeister in Österreich zahlt 12 000 € aus der Privattasche für seine Ausbildung, und ein Studierender würde für ein Bachelorstudium 3 000 € zahlen. Daher wäre die Höhe dieses Beitrags, den Studierende in Österreich leisten sollten, nur fair und billig. (Beifall bei der ÖVP.)

Kein kategorisches Nein-Sagen, sondern ein Ja brauchen wir jetzt!

Sehr geehrte Damen und Herren, heute haben Sie die Möglichkeit, das Modell des Herrn Bundesministers Töchterle authentisch zu hören und sich von den eigenen populistischen Wahlversprechen zu verabschieden.

Entschließen Sie sich für die Zukunft! Entschließen Sie sich für unsere Hochschulen! Entschließen Sie sich für Österreich! Springen Sie über Ihren Schatten, denn wir brauchen Licht, wir brauchen Sonne, wir brauchen Zukunft für unsere Hochschulen. Geben wir unserem Herrn Bundesminister die Chance, seine Ideen hier in diesem Haus zu beschließen und umzusetzen!

Österreich ist ein kleines Land, das seine Vielfalt bündeln muss. Der Hochschul-Plan ermöglicht uns dies. Er sieht eine Zusammenarbeit der Universitäten vor, einen größeren Beitrag der Universitäten zu mehr Effektivität. Aber wir brauchen Beiträge aller, des Staates, der Privaten und unserer Hochschulen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.21

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Töchterle zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


9.21.14

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Kollegin Karl! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Die österreichischen Universitäten haben Qualität und bringen Leistung, um die Generalthemen der heutigen Aktuellen Stunde zusammenzufassen. Ihre Qualität ist international absolut vergleichbar, ihre Leistungen sind es ebenso. Leider kommen in der öffentlichen Debatte meistens nur die Probleme und nicht die Stärken der öster­reichischen Universitäten und Fachhochschulen zur Sprache. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Hauptprobleme, die dieses Bild in der Öffentlichkeit zu Unrecht verdunkeln, sind Finanzierungsprobleme und Probleme der Massenfächer. In beiden Fällen kann ich im Rahmen eines Gesamtkonzeptes Lösungen anbieten, die dazu führen könnten, dass danach das Licht der österreichischen Fachhochschulen und Universitäten so hell strahlt, wie es aufgrund ihrer Stärke strahlen soll und kann.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 22

Ein Grund für diese Stärke ist das Universitätsgesetz 2002. Dieses Gesetz ist in ganz Europa wegweisend geworden, das weiß ich als Mitglied der Universität, als einer, der am Anfang durchaus auch eine gewisse Skepsis gegenüber diesem Gesetz gehabt hat. Ich habe gelernt, dass das ein Königsweg war, der bis heute in ganz Europa imitiert wird. Auch in Ländern, von denen wir immer gemeint haben, sie seien uns in diesen Feldern voraus, wird er bis heute nachgeahmt.

Der Kern dieses Gesetzes ist die Autonomie der Universitäten. Es ist der schlüssige Gedanke, dass man die Entscheidungen dorthin verlegt, wo man am besten weiß, was einer Institution guttut, was für sie richtig ist, dass man allerdings gute Rahmen­bedingungen setzt und innerhalb dieser Rahmenbedingungen die Institutionen sich selbst weiterentwickeln lässt. Das war der Schlüssel zum Erfolg. Und zu diesem Erfolg darf ich diesem Hohen Haus, das dieses Gesetz beschlossen hat, gratulieren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neubauer.)

Diese autonome Entwicklung bedeutet aber auch, dass es eine gesamthafte Steuerung braucht, weil natürlich jede einzelne Institution primär auf sich selbst schaut, der Geld­geber, der Staat, der immer noch den größten Anteil der Finanzierung des tertiären Bereiches in Österreich trägt, jedoch darauf achten muss, seine Mittel effizient, klug und zukunftsträchtig einzusetzen. Deswegen braucht es einen Hochschul-Plan. Dieser Hochschul-Plan muss eine Strategie haben, er muss eine Strategie verwirklichen, eine Vision.

Meine Vision der Weiterentwicklung der österreichischen Universitäten schaut folgen­der­maßen aus: Ich will nicht, wie es in manchen Ländern international der Trend ist, hin zu einer Auseinanderentwicklung in ein, zwei starke, international glänzende For­schungsuniversitäten und mehrere darunter befindliche Lehruniversitäten. Ich will, dass in Österreich weiterhin verteilt auf das ganze Bundesgebiet so wie jetzt mehrere ganz starke Universitäten in Forschung und Lehre international höchstes Niveau haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Das bedingt allerdings, dass man die Mittel dafür sehr gezielt einsetzt, es bedingt auch, dass man da vor allem einen qualitativen Ausbau macht und dass man die vermehrte Nachfrage nach tertiären Studienplätzen und tertiären Absolventinnen und Absol­venten, die ich sehe, die ich akzeptiere und der ich nachkommen will, primär über die Fachhochschulen bedient. Das heißt, wir müssen die Universitäten eher qualitativ und den Fachhochschulsektor sowohl qualitativ als auch quantitativ ausbauen.

Das führt dann zu einer Verteilung zwischen den beiden Institutionen, die internatio­nalen Gegebenheiten entspricht, vor allem den Gegebenheiten, wie wir sie in unserem Nachbarland Schweiz haben.

Der Hochschul-Plan kann aber nicht dirigistisch von oben verordnet werden. Gerade in einem Gebilde mit autonomen hohen Schulen kann er nur im Gespräch und in Abstim­mung mit diesen hohen Schulen durchgezogen und durchgeführt werden. Deswegen sieht der Hochschul-Plan die Einrichtung einer Hochschulkonferenz vor, in der Vertreter des Ministeriums, Vertreter der Universitätenkonferenz, also der Universi­täten, und Vertreter der Fachhochschulen an einem Tisch sitzen und gemeinsam die­sen Plan erarbeiten, gemeinsam diesen Plan umsetzen. Das ist ein permanenter Prozess und nicht einer, der irgendwann zu Ende ist.

Wir sind jetzt dabei, diesen Plan aufzusetzen. Wir haben dabei eine große Stütze in der von meiner Vorgängerin, die neben mir sitzt, einberufenen ExpertInnen­kom­mission, die von außen einen sehr scharfen und sehr genauen Blick auf unser Hochschulsystem geworfen hat und uns mit vielen sehr konkreten Überlegungen bei der Erarbeitung und Durchführung des Hochschul-Planes unterstützen wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 23

Ein wesentlicher Punkt, auf den die Experten hingewiesen haben, ist die Tatsache, dass wir sehr viele inaktive Studierende haben. Wir haben an den Universitäten etwa 285 000 Studierende und davon fast 100 000 Studierende, die nur einen ganz geringen Teil ihrer Arbeitszeit an der Universität verbringen. Das heißt, wir müssen, wenn wir mehr Akademiker wollen, versuchen, die sehr inaktiven Studierenden zu aktivieren. Das können wir, indem wir dort die Verbindlichkeit erhöhen, sodass das Gefühl ent­steht, ich muss mich mehr meinem Studium zuwenden, ich muss mir mehr Zeit für das Studium nehmen, um schneller oder überhaupt zu einem Abschluss zu kommen. Dann steigern wir das, was wir steigern sollen, nämlich die AbsolventInnenzahl an unseren Universitäten.

Wie kann man diese Verbindlichkeit erhöhen? Wie kann man überhaupt die zwei dunklen Wolken, von denen ich anfangs gesprochen habe, Finanzierungsprobleme und Massenfächer, vom Universitätshimmel verscheuchen, sodass er so strahlt, wie er strahlen soll? – Man kann es tun, indem man einerseits das Problem der Massenfächer angeht und andererseits die Finanzierungsprobleme löst.

Das Problem der Massenfächer kann man angehen, indem man da, wo die Universitäten einfach nicht mehr Platz und nicht mehr Kapazität an Lehrpersonen haben, Kapazitätsgrenzen einzieht. Das kann man nur machen, indem man Zugangs­regelungen vorsieht. Diese Zugangsregelungen bedeuten nicht, dass man Leute aus der Universität aussperren will, sie bedeuten nur, dass man sie darauf hinweist, dass in einem Studium, das sie nachfragen, unter Umständen begrenzte Kapazitäten da sind, und man ihnen empfiehlt, sich auf dem weiten Feld der Universitäten umzusehen und zu erwägen, etwas anderes zu studieren, wo noch Platz ist.

Man braucht allerdings in diesen Massenfächern Zugangsregelungen. Der Hochschul-Plan sieht eine solche Maßnahme im Rahmen der Studienplatzfinanzierung vor. Die Studienplatzfinanzierung ihrerseits ist Teil einer größeren kapazitätsorientierten Univer­sitätenfinanzierung, wo man einschleifend im Laufe von mehreren Leistungsver­ein­barungsperioden, also im Laufe von mehreren Jahren, versucht, das Finanzierungs­system der Universitäten auf diese Kapazität umzustellen. Dann muss man allerdings, das ist zwangsläufig so, in den Massenfächern solche Grenzen einziehen.

So kann man dieses eine Problem lösen, und man muss nicht mehr von überfüllten Hörsälen, von verschobenen Prüfungen, von nicht durchgeführten Lehrveranstaltungen lesen. Dann ist dieses Problem gelöst, und zwar richtig gelöst. Denn es ist nicht richtig, wenn wir Studierenden zumuten, in überfüllten Hörsälen zu sitzen, und Studierenden, die studieren wollen, vorgaukeln, sie könnten alles studieren, was sie nur wollen, und es wären überall genügend Platz, ausreichende Kapazität und gute Qualität vor­handen. Das ist ein Betrug an den jungen Menschen, sowohl an jenen, die drinsitzen, als auch an jenen, die hinein wollen. Diese Lügen müssen wir ihnen ersparen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Problem der Hochschulfinanzierung ist auch lösbar. Wir wissen, Hochschulen, Universitäten haben letztlich nie genug Geld, weil sie unendlich viel investieren können, in teure Forschungsgeräte, in hochklassige Professuren. Wenn wir die öster­reichischen Universitäten mit den Spitzenuniversitäten der Welt vergleichen, mit denen sie sich in Rankings immer vergleichen lassen müssen, dann sieht man, dass sie teilweise um das Zwanzigfache unterfinanziert sind. Angesichts dieser Tatsache ist ihre Leistung absolut beachtlich. Es ist eigentlich erstaunlich, wie viel sie angesichts ihrer nicht sehr guten Finanzierung leisten.

Diese Finanzierung wollen wir allerdings verbessern. Die Finanzministerin hat hier in diesem Haus zu Beginn ihrer Tätigkeit angekündigt, dass sie einen strengen Konso­lidierungskurs fahren muss und will, dass sie von diesem strengen Kurs allerdings zwei


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Bereiche ausnehmen will, die Familien, aber auch Wissenschaft, Forschung und Bil­dung. Und die Finanzministerin steht zu ihrem Wort. Wie schon gesagt, es ist sehr chancenreich, dass wir für die Hochschulen 2013 bis 2015 eine zusätzliche Hochschul-Milliarde zur Verfügung stellen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dieser zusätzlichen Milliarde können wir die dringendsten Finanzierungsprobleme der Universitäten und Hochschulen lösen. Wir werden diese Milliarde allerdings nicht mit der Gießkanne ausschütten, sondern wir werden sie im Zuge der Implementierung des Hochschul-Planes so vergeben, dass sie auch steuernde Wirkung hat, steuernde Wirkung vor allem im Sinne von Synergien, von Kooperationen, von Abstimmungen, von Konzentration von Forschungsstärken, von Profilierung. All das kann mit diesem Geld und mit entsprechenden Anreizsystemen geschaffen werden.

Diese Hochschul-Milliarde ist auch ein ganz wichtiger Schritt auf einem Weg, den Sie, verehrte Abgeordnete des Hohen Hauses, 2007 hier einstimmig beschlossen haben, nämlich auf dem Weg zum 2-Prozent-Ziel bis 2020. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einerseits der Anstrengung der öffentlichen Hand – wir strengen uns an –, es bedarf aber auch weiterer Mittel aus dem privaten Bereich. Wir wissen, dass in Österreich für den tertiären Sektor nur 0,1 Prozent dieser 2 Prozent aus dem privaten Sektor kommen. Das ist nur die Hälfte dessen, was im EU-Schnitt an privaten Geldern in diesem Bereich fließt. Es ist gar nur ein Fünftel dessen, was im OECD-Schnitt in den tertiären Sektor fließt. Das heißt, wir müssen, wenn wir auf dem 2-Prozent-Pfad erfolgreich weitergehen wollen, dringend auch private Mittel für die Universitäten lukrieren.

Ein Weg, private Mittel zu lukrieren, sind Studienbeiträge. Ich habe ein Modell vor­gelegt, das, wie ich glaube, auch die größten Bedenken gegen Studienbeiträge aus­räumt, die mir sehr ernst sind und die ich wichtig nehme, nämlich dass niemand aus finanziellen Gründen nicht studieren können soll und aufgrund von sozialen Aspekten vom Studium abgehalten wird, dass also niemanden dieses Schicksal treffen darf. Jeder und jede in Österreich soll, wenn die entsprechende Neigung und Eignung gege­ben sind, studieren können. Deswegen habe ich ein Modell vorgelegt, das all diese Probleme bedenkt und das aufgrund seiner sehr ausdifferenzierten Möglichkeiten bis hin zur Stundung eines Betrags von 3 000 €, den man, wenn man einmal im Berufsleben steht, relativ leicht zurückzahlen kann, jedem die Möglichkeit bietet, zu studieren.

Deswegen bitte ich diejenigen, die noch skeptisch sind, diese Skepsis aufzugeben, meiner Argumentation zu folgen und diesem Modell an Studienbeiträgen zuzustimmen. Dann haben wir nämlich einen stimmigen Mix aus öffentlichen und privaten Geldern, die dazu beitragen werden, den Beschluss, den Sie, verehrte Abgeordnete, hier ein­stimmig gefasst haben, nämlich 2 Prozent des BIP bis 2020 zu erreichen, umzusetzen. Dann werden die Universitäten so finanziert sein, dass sie ihre Qualität steigern können, und sie werden von den Rahmenbedingungen her so ausgestattet sein, dass sie jedem internationalen Vergleich standhalten können. Sie tun es in vielen Fällen jetzt schon, bei den wenigen, wo sie es noch nicht tun, haben wir Handlungsbedarf.

Ich bin bereit, diesen Handlungsbedarf im Rahmen des Gesamtkonzeptes Hochschul-Plan zu sehen und anzugehen. Ich bitte Sie um Ihre Mithilfe. Ich bitte Sie darum, gehen Sie mit mir auf diesem Weg. Es ist ein Weg, der für die Zukunft Österreichs extrem wichtig ist. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

9.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 25

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

 


9.36.50

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister, ich möchte ausdrücklich positiv hervorheben, dass Sie sich offensichtlich wirklich bemühen, das notwendige Geld, die notwendigen budgetären Mittel für die Universitäten aufzustellen, bei der Finanzministerin durchzusetzen, und dass Sie auch ein Bekenntnis dazu abge­legt haben, dass die Vielfalt des Studienangebots an den österreichischen Univer­sitäten erhalten bleiben soll. Das sind zwei sehr entscheidende und wichtige Punkte, die ich unterstreichen und als sehr positiv herausheben möchte.

Was die Frage der Studiengebühren betrifft, so ist es tatsächlich nicht so, dass die Sozialdemokratie ein Wahlversprechen einzuhalten hätte. Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, Sie werden sich daran erinnern, dass wir gemeinsam mit anderen Parteien vor der Wahl die Studiengebühren abgeschafft haben. (Abg. Rädler: Das hat damit nichts zu tun!) Offensichtlich geht es darum, dass – es tut mir leid – die ÖVP bis heute nicht verkraften kann, dass dieser Beschluss gegen die Stimmen der ÖVP gefasst worden ist. Das dürfte eine wesentliche Triebfeder bei der Intention sein, diese Studiengebühren wieder einzuführen.

Uns, sehr geehrte Damen und Herren, geht es aber darum, dass wir keine neue Hürden, keine neuen finanzielle Hürden zu höherer Bildung einführen wollen. Die Zeiten sind unsicher genug, und wir müssen sehr behutsam damit umgehen, wo wir neue Belastungen einführen. Bei all dem, was wir wissen, wie notwendig es ist, mehr gut ausgebildete junge Menschen in diesem Land zu haben, ist es für uns überhaupt nicht erstrebenswert, eine neue Bildungssteuer einzuführen, eine Bildungssteuer, die in Form von Studiengebühren vor allem die mittelständischen Familien treffen würde, und zwar angesichts des geringen Einkommens, das viele dieser Familie haben, durchaus spürbar, ja hart treffen würde.

Ich weiß nicht, warum die ÖVP sich gerade auf eine Abgabe versteift, die in großem Ausmaß die mittelständischen Familien treffen würde. Warum unterstützen Sie uns nicht dabei, dort das Geld für das Budget zu holen, wo Geld vorhanden ist, wo Geld zu holen ist? Warum unterstützen Sie uns nicht entschlossener, intensiver dabei, vermö­gensbezogene Steuern einzuführen, dort das Geld zu holen, wo es bei Reichen liegt, wo die derzeitige Steuersituation sehr ungerecht ist und wo es viel gerechter wäre, den Hebel entsprechend anzusetzen? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und, Herr Bundesminister, auch wenn Sie sagen, Ihr Modell sei sozial ausgewogen: Wir haben uns das ganz genau angeschaut. Das Modell hat eine kleine Tarnkappe auf. Ein bisschen einen Sozialfonds, ein bisschen eine Verbesserung bei der Studien­förderung, aber nicht so, dass das wirklich in erheblichem Ausmaß spürbar wäre. Es würde also dann weiterhin bei flächendeckenden Studiengebühren, die alle spüren, ein bisschen was „tropferlweise“ zustehen.

Schauen wir uns einmal die Situation, die finanzielle Situation der Familien an, aus der Studierende kommen! Wir müssen uns vor Augen halten, dass mittlerweile – und das ist ein Erfolg! – fast die Hälfte der Studierenden aus einem Elternhaus kommt, wo die Eltern keine Matura und ein entsprechend niedriges Einkommen haben, dass ein Viertel akute Geldsorgen hat, dass bereits zwei Drittel der Studierenden neben dem Studium arbeiten, und zwar im Durchschnitt 20 Stunden in der Woche. Das heißt, eigentlich studieren sie bereits neben der Arbeit. Und nur jeder Achte bekommt heute ein Stipendium, und das ist nicht besonders hoch. Das heißt, diesen Familien noch


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zusätzlich eine Bildungssteuer zuzumuten, das ist nicht in unserem Sinne und das lehnt die Sozialdemokratie daher auch weiterhin ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, es ist richtig, wir brauchen ein Gesamtkonzept für den öster­reichischen Hochschulbereich. Daher fordern wir seit vielen Jahren einen Hoch­schul­plan ein, der genau diese strategischen Optionen aufzeigen soll (Abg. Ing. Höbart: Sie sind in der Regierung! – Das gibt’s doch nicht! – Ruf bei der FPÖ: Warum machen Sie es nicht?), in dem auch Effizienzsteigerungen aufgezeigt werden sollen. Das fehlt für eine offensive Hochschulpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

9.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Franz zu Wort. – Bitte.

 


9.42.19

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, schon bald werden unsere Universitäten wieder ihre Tore öffnen, und überdurchschnittlich viele Studierende werden die Hörsäle überfüllen. Die hohe Zahl an Studenten ist an und für sich sehr erfreulich, stellt aber unsere Universitäten vor große Herausforderungen, sollen sie doch für die Zukunft unseres Landes hervorragende Spitzenkräfte hervorbringen. Qualität ist gefragt, und dazu brauchen wir ein neues Universitätskonzept, mehr Geld und bessere Steuerungsinstrumente. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir brauchen also beste Rahmenbedingungen, um mehr Studierenden einen Studienabschluss zu ermöglichen. Es darf nicht sein, dass ein Studierender heute an der Uni keinen Prüfungstermin bekommt oder gar keinen Platz im Hörsaal vorfindet. (Abg. Neubauer: Dafür haben Sie die Familienbeihilfe entzogen!)

Nun hat uns Bundesminister Töchterle ein umfassendes Leistungs- und Qualitätspaket für die Hochschulen vorgestellt. Erstens: Der Hochschulplan wird umgesetzt. Standard und Qualität sollen gestärkt werden durch ein Mehr an Kooperation in Lehre, For­schung und Infrastruktur. Dieser bietet auch Planungssicherheit.

Dann soll es, zweitens, mehr Mittel geben. Wir haben es gehört, es gibt eine Hoch­schulmilliarde für die Jahre 2013 bis 2015, und es gibt gute Verhandlungen mit unserer Finanzministerin.

Drittens: Ein neues Studienbeitragsmodell liegt als Kompromissvorschlag auf dem Tisch, sollen doch die privaten Mittel, die in Österreich nur 1,0 Prozent des BIP aus­machen, deutlich gesteigert werden. Im OECD-Durchschnitt sind sie fünfmal so hoch. Auch der Verfassungsgerichtshof fordert von uns klare Handlungsschritte – klare Handlungsschritte der Politik.

Das neue Studienbeitragssystem, welches Bundesminister Töchterle vor etwa zwei Wochen vorgelegt hat, ist wohl eines der sozialsten Studienbeitragsmodelle, die Europa je gesehen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Universitäten erhalten die Möglichkeit, autonom die Studienbeiträge bis zu maximal 500 € festzusetzen. Dieses Modell ist bereits bekannt und erprobt. Die Universitäten erhalten jedoch auch die Möglichkeit, von manchen Studierenden keine Studien­gebühren einzuheben, zum Beispiel Studierenden, die wenig finanzielle Mittel zur Verfügung haben, die Studienbeiträge zu stunden oder auch ganz zu erlassen. Dies liegt in der Autonomie der Universitäten und ist somit ein revolutionärer Vorstoß unseres Bundesministers. (Beifall bei der ÖVP.)


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Das Modell sieht darüber hinaus folgende Ausnahmen bei den Studienbeiträgen vor: für alle Studienbeihilfebezieher, für alle Studierenden in Mobilitätsprogrammen. Es gibt Ausnahmen für Studierende, die längere Zeit krank sind. Es gibt Ausnahmen für Stu­die­rende, die ein Kind zu betreuen haben, für Studierende mit Behinderung und für Studierende, die beurlaubt sind. Diese Regelung gilt für alle EU- und EWR-Bürger sowie für alle österreichischen Staatsbürger. Von Bürgern aus Drittstaaten, ausgenom­men natürlich Entwicklungsländern, kann ein kostendeckender Studienbeitrag eingefor­dert werden, sodass der österreichische Steuerzahler den ausländischen Studierenden das Studium nicht finanzieren muss. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist soziale Gerechtigkeit! Und ich frage mich: Ist es sozial gerecht, wenn Studie­rende oder auch deren Eltern, die einen Beitrag leisten könnten, ein Gratisstudium bekommen, zumal sie dann als Akademiker mit einem höheren Einkommen rechnen können? Ist es denn sozial gerecht, wenn die arbeitende Bevölkerung, das heißt, die Billa-Verkäuferin, den Kindern der oberen 80 000, wie unser Herr Bundeskanzler zu sagen pflegt, das Studium zu finanzieren hat? (Ruf bei den Grünen: Deswegen wollen wir ja eine Vermögensteuer!) Ist es sozial gerecht, wenn junge Familien oftmals hohe Beiträge für die Kindergärten zahlen müssen, während etablierte Familien ihre Kinder dann gratis studieren lassen? – Dieser Vergleich stammt aber nicht von mir, sondern von der Landeshauptfrau Burgstaller. (Beifall bei der ÖVP.)

Studienbeiträge sind also keine Hürde für sozial Schwache. Das zeigen uns ganz deutlich die Fachhochschulen: An beitragspflichtigen Fachhochschulen ist die soziale Durchmischung um vieles besser. Studienbeiträge haben das System verbessert, denn 56 Prozent der Studierenden gaben 2002 an, dass Studienbeiträge zu einer Verkür­zung des Studiums geführt haben. Die Drop-out-Quote ist gesunken. Studienbeiträge sind also ein wirkungsvolles Steuerungsinstrument.

Natürlich müssen sie so organisiert werden, dass sie von einem guten Beihilfensystem begleitet sind, und das ist auch geplant. Denn es ist ganz klar für uns: Es darf kein Student aus finanziellen Gründen vom Studium ausgeschlossen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Erhöhen wir also die Verbindlichkeit durch Studienbeiträge! Das erhöht auch gleich­zeitig die Qualität an unseren Hochschulen und bedeutet soziale Gerechtigkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders von der SPÖ! Lasst uns eine Brücke bauen! Lasst uns Verantwortung übernehmen für unsere Jugend und für deren Zukunft in Österreich! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

9.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek zu Wort. – Bitte.

 


9.48.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Herr Bundesminister! Wir sollen heute über Qualität und Leistung für Univer­sitäten diskutieren. Diese Diskussion ist zu diesem Zeitpunkt, kurz vor dem Start ins Studienjahr, auch gut und sinnvoll, wenn sie geführt wird. Die Betitelung „Qualität und Leistung“ ist aber sehr wohl hinterfragbar. Erlauben Sie mir als Techniker, einfach hinsichtlich „Leistung“ zu sagen: Das ist Arbeit in der Zeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeit: 25 Jahre Regierungsbeteiligung, elf davon den Wissenschaftsminister stellend – das ist eine relativ lange Zeit. Und wie schaut es mit der Arbeit aus? – Den Unis geht es schlechter. Die Universität Wien ist auf Platz 137 abgesunken. (Hö-Ruf bei der FPÖ.) Das Verhältnis Studenten/Lehrer wurde schlech­ter. Wir haben weniger Geld auf den Universitäten zur freien Verfügung. Und den


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Studierenden geht es auch schlechter, so schlecht, dass sie mittlerweile, vor einiger Zeit, zum Mittel des Streiks gegriffen haben.

Und, bitte, führen wir diese Diskussion nicht unter dem Motto, wie es manchmal unter der Bevölkerung gemacht wird, dass wir sagen: Wir haben ja eh schon genug Stu­dierte! De facto ist es ja so – und, Herr Bundesminister, Sie haben es auch gesagt –: Wir haben einen Akademikermangel. Wir haben einen Mangel an Absolven­ten. Und das ist die Arbeit, die in Summe eine schlechte Leistung gibt – bei zu viel Zeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, Ihren Plan in Ehren, aber wenn Sie sich die parlamentarischen Materialien anschauen, dann gibt es da einen 12-Punkte-Plan unseres Wissen­schafts­sprechers Präsident Graf. Da sind genügend Punkte drinnen, die 1 zu 1 umsetzbar sind. Was hat die Regierung, was haben die Regierungsparteien und vor allem die ÖVP damit gemacht? Was war ihre Leistung?, wie es so schön heißt. – Ablehnen und vertagen! Nicht einmal diskutieren! – Bitte, wir hatten heuer mehr Studenten, oder mehr Studierwillige, mehr Maturanten, in Österreich, wir hatten in Deutschland zwei Maturajahrgänge, und die Eingangsphase, die Aufnahmephase wurde komplett „vergeigt“, wie Sie es auch selbst schon gesagt haben.

Herr Bundesminister, wenn Sie sagen, eine Uni-Milliarde, dann wollen wir da klare Aussagen, und nicht nur klare Aussagen, sondern vor allem klare Handlungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Bis jetzt gibt es nur Ideen und einen Plan. Aber wenn man sich die Rede von Frau Kollegin Cortolezis-Schlager von der ÖVP anhört, dann sind ja eigentlich das Wich­tigste an diesem Universitätsplan die Studiengebühren. Und wenn man sich jetzt nach­folgend die Ausnahmen davon anhört: Bitte, wir diskutieren über ein paar Milliarden, die nach Griechenland gehen, da wird nicht mit der Wimper gezuckt – aber über die paar Milliönchen, maximal, die da rauskommen können bei diesen Ausnahmen, wird groß diskutiert. Und die sollen die Universitäten retten?! – Das glauben Sie selber nicht, Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bin nicht bereit, meine Damen und Herren, hier eine Neiddebatte und einen Popu­lismus zu schüren, denn es wird nur über Studiengebühren gesprochen, es wird nicht gleichzeitig über die Rektorengehälter diskutiert – das wäre aber notwendig –, es wird nicht über die Verwaltungskosten an den Universitäten diskutiert, es wird nicht über die Dienstzeiten des Universitätspersonals diskutiert, und es wird insgesamt nicht über Einsparungen an den Universitäten diskutiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber über die Studiengebühren! Die sollen das dann alles retten. Und ich warne Sie, Herr Bundesminister: Begeben Sie sich nicht auf ein gefährliches Terrain, nämlich das Terrain, das wir bei den Fachhochschulen haben. Das ist alles nett: Dort werden auch Studiengebühren bezahlt, dort haben wir auch besonders viel an tertiären Mitteln aus der Wirtschaft. Und wohin führt das? Kennen Sie die Qualität der Absolventen der FHs? Kennen Sie die Durchkommensquote? Ich nenne sie jetzt bewusst positiv „Durch­kommensquote“. Wollen wir das auch an den österreichischen Universitäten, dass dort das Niveau der Absolventen sinkt? Wollen wir auch, dass wir keine forschungsgeleitete Lehre mehr haben? – Das kann es ja alles, bitte, wirklich nicht sein.

Und daher sage ich ganz klar: Herr Bundesminister, wir unterstützen Sie, wenn Sie die Uni-Milliarde umsetzen wollen – da haben Sie all unsere Kraft dahinter –, aber Nein zu einer Populismus- und Neiddebatte auf dem Rücken der Studenten! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Riepl.)

9.52



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 29

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Grünewald –: Jetzt tät’ ich alles klarmachen, langsam!)

 


9.53.03

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin und Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, solange wir uns nicht darüber einigen können, was wir unter Qualität verstehen, wird jede Diskussion im Beliebigen enden. Und wenn ich jetzt höre, dass Kino und Oper letztlich die Uni-Politik bestimmen sollen, und von Öl-Scheichs mit ihren unzähligen Kindern und Frauen gesprochen wird, die die arme Billa-Verkäuferin noch finanzieren muss, muss ich sagen: Billa-Verkäuferinnen verdienen nicht so viel, dass mit ihren Steuern dieses System finanziert wird, und zwar nicht wesentlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das ist richtig!)

Ich glaube auch, die Universitäten und Fachhochschulen haben viele schwere Prob­leme, und Studierende sind nicht das wesentliche Problem. Und ich finde es schon beschämend, wenn man sagt, Studierende, die studieren wollen und nicht können, sind das Problem der Uni, und wenn man dieses löst, sei alles sozusagen „in Butter“.

Ich hätte gern mehr Qualität, aber schauen wir uns jetzt nicht nur die Qualität der Universitäten und der Bildungseinrichtungen an, sondern auch die Qualität unserer Debatten: Was soll man hier in fünf Minuten Wesentlicheres dazu beitragen als ein kleines Blitzlicht oder ein paar stenographische Sätze? – Das ist nicht qualitativ gut. Und wenn in Ausschüssen 28 TOPs aus dem Bereich Wissenschaft in drei Stunden runtergehudelt werden, dann ist das auch nicht gut und spricht auch nicht für Qualität. Wenn es bürokratisch ein unendlicher Spießrutenlauf ist, Expertinnen und Experten in die Ausschüsse zu holen, um sich aufklären zu lassen, um sich zu bilden, um in einen Dialog zu treten, ist das auch keine Qualität.

Ich würde daher sehr darum bitten – auch Sie, Frau Präsidentin –, dass auf uns ge­schaut wird, auf die Qualität der Ausschüsse, wo man hin und wieder den Eindruck hat, die Parteien entsenden hier nach einem Glücksrad-Prinzip des Peter Rapp und die Leute sitzen drinnen und sagen das, was ihr Chef ihnen befiehlt. Das kann es ja nicht sein. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann mich erinnern, ich war einmal von Busek eingeladen, so ein Impulsreferat in Alpbach zu halten, und man hat den Titel gewählt: „Massenuniversität oder Elite?“ Das hat mich schon gestört, hier einen künstlichen Schnitt zu setzen: Entweder Massen­universität – dann überhaupt keine Elite, und nichts ist da gut –, oder aber: Hurra, die Elite!

Wären Sie bei der Akademie der Wissenschaften und ihrem Festakt im heurigen Jahr gewesen, wo Ihr herausragender Wissenschafter Professor Lutz, ein Demograph, einen Vortrag über Bildung gehalten hat! Den hätte ich gerne hier gehört. Vielleicht glauben Sie ihm! Er sagt, breite Bildung hat enorme Auswirkungen auf die Gesundheit, auf das BIP, auf das Lebensalter, auf die Handlungsspielräume und die Emanzipierung von Leuten. Und er sagt dazu vor der honorigen Gesellschaft durchaus vielfach sehr konservativer Leute: Einzelne Prestigeobjekte oder Eliteeinrichtungen können diesen Effekt einer breiten Bildung nicht induzieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Es braucht einen breiteren Zugang! Und auch die EU-Bildungskommissarin Vassiliou sagt, 35 Prozent der Jobs der Zukunft werden eine akademische Ausbildung brauchen.

Und dann weiter zur Qualität: Dann wird ein unwürdiges Gerangel entfacht über die Frage: Was ist akademische Ausbildung? Vor dem Fernsehen hat mir Kollegin


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 30

Cortolezis-Schlager erklärt, dass in manchen Staaten Köche bereits eine akademische Ausbildung haben. – Das ist ja alles Humbug! Ich möchte das wirklich definieren. Und Berufsschüler oder HTL sozusagen maturagleich und dann sogar noch hochschul­gleich zu setzen, das ist in der OECD nicht üblich.

Und nun zu den Rankings. Da gebe ich Töchterle völlig recht. Bei diesen Rankings, sollten Sie wissen, fließen teilweise die Gehälter der HochschullehrerInnen ein, ihre Arbeitsbedingungen und all das. Und auch das bestimmt die österreichische Position.

Manche Beiträge auch der Industriellenvereinigung sind nicht nur von Qualität gezeich­net. Als ich mit meinem guten Bekannten und vielleicht auch Freund Riemer diskutierte und er mir vorwurfsvoll die Frage stellte: Wie viele österreichische Universitäten sind unter den ersten 200?, habe ich ihm die Frage gestellt: Kannst du mir sagen, wie viele österreichische Betriebe unter den ersten 200 sind? Da sagte er: Ach ja, das stimmt! – Man sollte da also vorsichtiger argumentieren.

Ich glaube, man sollte mehr wollen, aber da braucht es schon ganz klare Angaben. Wenn Kratky in einer Diskussion mit Bundesminister Töchterle sagt – und da denkt das Parlament ja auch anders –, dass nationale Schwerpunktsetzungen noch in keinem Staat der Erde funktioniert haben, dass Bottom-Up die richtige Förderung ist und auch die wesentliche Förderung bleiben soll, hier aber drei Viertel aller Projekte – inter­national positiv beurteilte Projekte! – abgelehnt werden müssen, weil das Geld nicht da ist, und wenn der Forschungsfonds sagt, Österreich sei ein Land der Halbtagsforscher, weil die Leute nur halbtags angestellt werden, dann ist das ein Armutszeugnis.

Ganz zum Schluss: Ich bitte wirklich alle – auch von der Präsidiale abwärts, alle Sektoren und alle Menschen –: Lassen Sie sich auf das Abenteuer Bildung ein und schauen wir, dass wir einen qualitativen Beitrag leisten, um Universitäten, ForscherIn­nen und Studierenden gerecht zu werden! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Widmann zu Wort. – Bitte.

 


9.58.42

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Qualität und Leistung für die Unis in Österreich – no na net!, könnte man meinen. Aber ich habe den Verdacht, dass wir hier zwar ein wichtiges und richtiges Thema diskutieren, das Ergebnis, das diese Regierung bisher abgeliefert hat, macht mich aber nicht sehr zuversichtlich, dass die Studienbedin­gun­gen an den Unis wirklich besser werden.

Wir diskutieren auch eine Menge von Skandalen in Österreich, wir diskutieren auch die Griechenland-Hilfe derzeit im Hohen Haus, und wissen Sie, was das alles gemeinsam hat mit der Situation, die die Studierenden in Österreich vorfinden? – Es ist ein Skandal, wie diese jungen Menschen in Österreich studieren müssen: an Massenuni­versitäten, oft unter widrigen Bedingungen, die die Voraussetzungen für ein gutes Studium vermissen lassen und ein solches nicht ermöglichen. (Beifall beim BZÖ.)

Und es ist ein Skandal, wenn wir in zwei Wochen 2,3 Milliarden € Steuergeld ganz locker nach Griechenland nachschießen, aber an den Unis ein paar Millionen fehlen. (Ruf beim BZÖ: Das ist unerhört!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer so Politik macht, darf sich dann nicht wundern, wenn die Menschen diese Politik nicht mehr mittragen werden. (Beifall beim BZÖ.)

Ich bin auch überzeugt davon, dass Minister Töchterle in einigen Grundsätzen, die er vom BZÖ übernommen hat, durchaus recht hat, etwa wenn es um Studien­bedin­


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gungen geht, die man verbessern muss, oder wenn es um Studiengebühren geht, die auch Ausdruck einer Leistungsgesinnung sind.

Die Gegenthese, die offenbar der Linksblock vertritt, lautet: Alles gratis, Massen­stu­dium, jede Menge Ausländer auch in Österreich, ohne Qualität, nach dem Motto: Tut, was ihr wollt! – Dabei kommt nichts heraus, und das sieht man auch. In Österreich beträgt die Abschlussquote 20 Prozent. (Abg. Dr. Grünewald: Das stimmt nicht!) Von fünf Studenten, die beginnen, wird gerade einmal einer fertig. (Abg. Dr. Graf: Das ist ein Blödsinn!) Der OECD-Schnitt liegt bei 40 Prozent. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.)

Herr Kollege, lesen Sie es nach! Ich kann Ihnen das belegen! Das ist kein Thema. Das ist Tatsache. Viele bleiben auf der Strecke, und dafür ist dieser Linksblock, bei dem auch die FPÖ mit dabei ist, voll mitverantwortlich. (Beifall beim BZÖ.)

Der Kollege von den Grünen hat die Leistung und auch die Gehälter der Rektoren angesprochen, und auch die FPÖ hat das angesprochen. Herr Kollege Van der Bellen! Soweit ich informiert bin, sind Sie Unibeauftragter der Stadt Wien. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das?) Und soweit ich informiert bin, bekommen Sie für diese Tätigkeit oder Nichttätigkeit 220 000 € pro Jahr von der Stadt Wien, von Herrn Häupl beziehungsweise von der SPÖ. Was ist Ihre Leistung dabei, Herr Kollege Van der Bellen? Was ist Ihre Leistung?  Wir wissen es nicht! Wir wissen es nicht. Ist das Parteienfinanzierung? Ist das Korruption? (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Korrup­tion!) Ist das der nächste Skandal, den es hier in Österreich aufzudecken gilt, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall beim BZÖ.)

Diese Punkte müssen wir bei einer ordentlichen und gerechten Diskussion, die Sie von den Grünen ja immer in Anspruch nehmen, näher betrachten, tatsächlich aufzeigen und aufdecken. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Daher habe ich – und damit komme ich zum nächsten Thema – den Verdacht, dass das Ganze ein Pflichtprogramm der ÖVP ist, um von den echten Problemen in der ÖVP abzulenken. In Wien zerbröselt sie ohnedies schon, und bundesweit sind die Umfragen auch nicht gerade die besten. Daher glaube ich, dass das Ergebnis ein Nichtergebnis sein wird.

Schauen Sie etwa an die Universität Innsbruck: Was haben Sie getan? Kollege Kickl von der FPÖ, ich finde es nicht lustig, wenn 42 Prozent der Studierenden Ausländer sind! (Abg. Dr. Grünewald: Da zählen die Südtiroler dazu!?) Nicht dass wir gegen Auslandsstudenten oder so wären! Ganz im Gegenteil! Aber es geht um die Verhält­nismäßigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, und es geht auch darum, wer dafür zahlt. Und es freut mich ganz besonders, dass der Wissenschafts­sprecher der FPÖ, Kollege Graf, dazu lächelt. 42 Prozent Ausländer in Innsbruck, und der Wis­senschaftssprecher der FPÖ lächelt dazu. Das ist nicht der Weg, den wir vom BZÖ gehen! (Beifall beim BZÖ.)

Daher brauchen wir ganz klare Zugangsregelungen, Beschränkungen beziehungs­weise bilaterale oder im besten Fall europäische Abkommen, um auch von den Auslandsstudenten entsprechende Beiträge adäquat einheben zu können. Das ist Leistungsorientierung, und das ist auch ein Instrument für die Steuerung. Das heißt letztlich: Wir brauchen neue Wege zum akademischen Erfolg, und da führt kein Weg an gerechten Studiengebühren, gekoppelt mit sozial gerechten Stipendien vorbei.

Das Thema Studienplatzfinanzierung wurde angesprochen: Das ist wichtig, richtig und durchzuführen. Es geht aber auch um eine Notfallfinanzierung, und zwar nicht erst 2013 im Wahlkampf, Herr Minister! Jetzt brauchen die Unis Geld. Jetzt brauchen wir 250 bis 300 Millionen! In Summe brauchen wir eine Milliarde in den nächsten vier


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Jahren, denn wer weiß, ob Sie nach den nächsten Wahlen noch in der Regierung sitzen!

Wir brauchen auch ein Ende der sinnlosen Voranmeldung. Diese war ein völliger Flop. Den sollten Sie abschaffen! Sie bekommen in Teilbereichen auch Unterstützung vom BZÖ betreffend den Hochschulplan, wenn es um Qualität geht, wenn es um Strukturreformen geht, wenn es darum geht, wirklich gute Voraussetzungen für die Studierenden zu schaffen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Frau Präsidentin, ich komme schon zum Schlusssatz.

Ich möchte nicht, dass am Ende dieser Periode Herr Faymann, Herr Töchterle oder Herr Spindelegger einander in der Regierung fragen: Wo war deine Leistung in der Hochschulpolitik? (Beifall beim BZÖ.)

10.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Rudas zu Wort. – Bitte.

 


10.04.20

Abgeordnete Mag. Laura Rudas (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde gerne auf meinen Vorredner eingehen. Leider hat dieser aber nicht über Unipolitik geredet, und deswegen tue ich mich insofern schwer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Minister Töchterle hat etwas sehr Richtiges gesagt, dass nämlich bei dieser Debatte leider vor allem das Image der Universitäten leidet.

Auch ich frage mich, was heute eine 18-Jährige denkt, wenn sie gerade maturiert hat, gerne studieren möchte und heute in der Debatte hört, dass die Zustände katastrophal sind und sie ein Ticket wie für die Oper oder fürs Kino braucht, bevor sie an die Uni kommt, und dass wir darauf achten müssen, dass nicht zu viele an die Universitäten kommen und es Beschränkung und Gebühren geben muss. – Ich glaube, das ist nicht motivierend! Überall auf der Welt bemühen sich Universitäten, aber auch die Politik um Studierende. Wir hingegen diskutieren hier, wie man Studierende davon abhalten kann, auf die Universität zu kommen!

Deshalb sollten wir uns, glaube ich, bevor wir in die Debatte eingehen, die Frage stellen, ob wir überhaupt mehr Studenten wollen. – Dazu sagen wir, wie mein Kollege von der FPÖ und die Grünen: Ja, wir wollen mehr Studierende! Ja, wir wollen mehr Akademikerinnen und Akademiker! Aber ich glaube, wir werden, bevor hier nicht Einigkeit herrscht, in der gesamten Debatte nicht weiterkommen.

Deswegen ist es, wie ich glaube, wichtig, darüber zu diskutieren, welche die Ziele der Universitätspolitik sind. Wohin wollen wir unsere Unis führen? Worum soll uns die ganze Welt im Hinblick auf unsere Absolventen beneiden? Wie schaffen wir es, dass mehr Frauen auf die Technische Universität gehen? – Es ist wichtig, solche Themen zu behandeln, anstatt zu überlegen, wie man es schafft, Zugänge zu erschweren und Studierende abzuhalten, und wenn es nur damit ist, dass man ständig unsere Universitäten schlechtredet. (Abg. Kickl: Vielleicht sollte der Kanzler inserieren!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie ist der aktuelle Stand? Wir haben weit über 100 Fächer, und zehn davon sind überfüllt. – Das heißt, diese Diskussion um Zugangs­beschränkungen ist auch ein bisschen eine Alibidiskussion. Nur zehn Fächer sind überlaufen, weit über 100 Fächer suchen hingegen Studierende und werben um diese. In Leoben fährt man seitens der Universität mit dem Bus herum und versucht, junge Menschen für die Uni zu bekommen. Es geht also nur um zehn Fächer. Dafür gibt es


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einen Notfalls-Paragraph, der nicht zur Anwendung kommt, weil sich die Universitäten nicht auf einen Antrag einigen. Daher bitte ich, hier keine Alibidiskussionen zu führen!

Wir wissen, dass die Akademikerarbeitslosigkeit bei 2 Prozent liegt. Je höher der Bildungsabschluss ist, umso niedriger ist die Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit und umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein junger Mensch sein Leben lang einen Job hat. Das heißt, es muss doch unser Ziel sein, jungen Menschen diese Chance zu geben, einen höheren Bildungsabschluss zu machen und an der Uni zu studieren!

Noch einmal: Deshalb verstehe ich die Diskussion nicht, die hier von jenen geführt wird, die sich tagelang und nächtelang Gedanken darüber machen, wie sie junge Menschen davon abbringen, auf die Universität zu gehen! – Das ist nicht unser Job! Unser Job ist es, junge Menschen zu motivieren, einen Bildungsabschluss zu machen und sich weiterzubilden, und hier die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher möchte ich, dass wir alle hier einen Strategiewechsel vornehmen, und daher freut es mich, dass der Minister angekündigt hat, dass ein Hochschulplan nicht von oben herab, sondern unter Einbindung der Beteiligten erstellt werden soll. (Zwischen­rufe beim BZÖ.)

Das heißt, klären wir die Fragen: Was ist das Ziel unserer Universitätspolitik? Wie schaffen wir es, die 2 Prozent Budget, die wir beschlossen haben, auch einzuhalten? Wie sieht der entsprechende Stufenplan aus? Wie können wir die Universitäten dazu bringen, Studierende zu werben, und folglich ein Finanzierungsmodell schaffen, das von Globalbeiträgen weggeht und flexible Beträge je nach Studierendenzahl an die Universitäten liefert? (Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler.) Wir müssen klären, wie wir es schaffen, die Orientierungsphasen, die wir beschlossen haben, mit Leben zu füllen, damit junge Menschen wirklich wissen, dass es mehrere Fächer und nicht nur die zehn gibt, die überfüllt sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich selber habe mit und ohne Studiengebühren studiert – und es hat sich genau nichts geändert. Es gab keinen Unterschied. (Abg. Dr. Bartenstein: Wie bitte? So ein Unsinn!) Es war genauso überfüllt wie vorher. Die Studienbedingungen haben sich nicht geändert!

Deswegen noch einmal mein Appell. Der Trend geht in Richtung Abschaffung von Studiengebühren. Die besten Universitäten sind weltweit Universitäten ohne Studien­gebühren. Ich glaube, wir sollten dem internationalen Trend folgen und dabei bleiben, dass die Studiengebühren nicht eingeführt werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Sie – auch die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP – um noch etwas bitten: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine echt zornige Generation bekommen. (Abg. Dr. Bartenstein: Wir lassen uns doch nicht für dumm verkaufen!) Wir verwehren nämlich jungen Menschen die Rechte, die die ältere Generation hatte. Ich glaube, hier sitzen einige Kreisky-Kinder, also einige Personen, die wegen Kreisky studieren konnten. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo? – Abg. Scheibner: Wer? – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Verwehren Sie Ihren Kindern nicht das, was Kreisky Ihnen ermöglicht hat. Kreisky hat die Türen zur Universität geöffnet. Ich bitte Sie: Verschließen Sie die Türen nicht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere lebhafte Zwischenrufe beim BZÖ.)

10.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mayer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 



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10.10.11

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Bundesminister! Jetzt kann man es sich aussuchen: Unser Kreisky-Kind sagt: Wir brauchen mehr Studierende! (Abg. Grosz: Ist das Kind ehelich oder unehelich?) Kollege Deimek sagt: Wir brauchen mehr Absol­venten! – Wenn ich es mir aussuchen kann, dann bin ich bei Herrn Kollegen Deimek, weil es wichtig und richtig ist, dass wir mehr Absolventen brauchen, die auch auf dem Arbeitsmarkt entsprechend benötigt werden.

Wenn man als Mandatar im Wahlkreis unterwegs ist und sich mit Betriebsleitern kleiner und mittlerer Betriebe unterhält, dann hört man: Das mit dem Studieren ist schon recht und schön, aber eigentlich bräuchte ich mehr Lehrlinge und Facharbeiter. Es gehen aber alle an die Hochschule und studieren, weil das nichts kostet. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist ein Missstand! Überall sonst kostet Ausbildung nämlich Geld, und man muss in den verschiedensten Bereichen etwas in die Hand nehmen.

Man glaubt es kaum: Mein Sohn geht zum Beispiel in die vierte Klasse Hauptschule. Er muss die Wahl treffen, was er nachher macht. Er interessiert sich für eine HBLA mit einer bestimmten Fachausrichtung. Dort wird ihm gesagt: Wir haben 60 Plätze zu vergeben und 150 Bewerbungen. Wenn du nicht zumindest einen Notendurchschnitt von 1,2 oder 1,3 erreichst, wirst du bei uns nicht anfangen können! Es gibt also schon in einem so banalen Bereich eine Zugangsbeschränkung beziehungsweise eine Art Numerus clausus. Und das ist der Punkt! Es kann nicht sein, dass überall Bildung etwas kostet und ein Beitrag verlangt wird und nur an den Hochschulen alles gratis sein soll!

Frau Kollegin Rudas hat das angesprochen: Was ist besser geworden durch Studien­gebühren? – Da muss ich die Frage stellen: Was hat sich verbessert, als die Studien­gebühren abgeschafft wurden? Es ist der Fall eingetreten, dass den Universitäten wieder einmal 150 Millionen € im Budget fehlen, das zweckgebunden war. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Noch ein Beispiel aus der Praxis: Eine landwirtschaftliche Meister-Ausbildung kostet 1 800 €, die derjenige selbst bezahlen muss. Er muss Zeit opfern und ein ganzes Jahr Kurse besuchen. Und letzten Endes wird er für sein Produkt wahrscheinlich nicht mehr erhalten, und der bewirtschaftete Grund und Boden wir dadurch auch nicht mehr wert. Aber ein Absolvent einer Hochschule, ein fertiger Akademiker, kann damit rechnen, dass er in der Berufswelt wahrscheinlich später zu den besser Verdienenden gehört. Und daher ist es mehr als gerecht, wenn man dafür einen Studienbeitrag leistet, auch wenn es in Zukunft nur – wie ich jetzt sage – maximal 500 € sein werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in den meisten Umfragen, in denen es um Studiengebühren geht, ein Großteil der Bevölkerung befürwortet, dass sie wieder eingeführt werden sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch etwas festhalten: Die Nationalratssitzung im September 2008 war wirklich keine Sternstunde! Ich war damals noch nicht hier im Hohen Haus, ich habe mir das am Fernseher angesehen, und ich dachte mir: Was ist das? Ist das ein Basar oder ein Stimmenkauf? Jeder hat seine Klientel bedient, und damals wurde auch der Riesenfehler mit der Abschaffung der Studiengebühren begangen, der eigentlich – wie alle sagen – nicht hätte passieren dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird immer wieder von der Hochschul-Milliarde geredet. Diese wurde von fast allen Fraktionen seit langem gefordert, und sie wird dank unseres Einsatzes und des Einsatzes des Bundesministers Töchterle kommen. Ich sage aber: Kein frisches Geld ohne Reformen! Daher ist das Leistungs- und Qualitätspaket, das der Herr Minister


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angekündigt hat, sicherlich sehr zu begrüßen! Ich meine nämlich: Man darf auch etwas Leistung von den Studierenden verlangen, das ist nicht verkehrt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man kann sich aber schon ausmalen, dass natürlich speziell Ihre Jugendorganisa­tionen wieder Sturm laufen werden, und so manche Hochschulbesetzungen sind ja bereits vorprogrammiert. – Ich erinnere mich daran, wie es letztes Mal abgelaufen ist, als der Hörsaal besetzt wurde und man letztlich nach der Räumung, als die Sicher­heitskräfte die Personen hinausbugsiert hatten, oft nicht mehr wusste, ob es sich jetzt um irgendeinen Sandler von der Straße oder doch um einen Studenten handelte. Und ich möchte sehr wohl auch von dem Sachschaden sprechen, der dabei angerichtet wurde. Dieser betrug mehrere tausend Euro beziehungsweise, wie ich glaube, sogar mehrere hunderttausend Euro, und diesen Schaden mussten wieder einmal die Steuerzahler bezahlen und nicht die Personen, die ihn angerichtet hatten! (Beifall bei der ÖVP.)

In Hinblick darauf frage ich mich schon: Soll das goutiert werden? Soll das die geistige Elite von morgen sein? – Ich glaube nicht! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Letzten Endes geht es um die Wertschätzung der Bildungseinrichtung. Es geht darum, die Plätze optimal zu nützen und die inaktiven Studenten zu motivieren, mehr zu tun, denn es ist erschreckend, wenn man hört, dass ein Drittel der Studierenden prüfungs­inaktiv ist. Ich glaube, dieser Missstand muss unbedingt behoben werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich aber trotzdem auf die soziale Komponente eines Studien­beitra­ges hinweisen: Es werden ja die sozial Schwächeren unserer Gesellschaft, Studienbeihilfenbezieher sowie Studierende, die ein Kind betreuen müssen, ausge­nommen, und auch krankheitsbedingte Einschränkungen, die jemand in Kauf nehmen muss, und so weiter und so fort werden berücksichtigt. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass eine Einkommensgrenze für Studien­gebühren auch den Mittelstand entsprechend entlasten würde. (Beifall bei der ÖVP.)

10.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dritter Prä­sident Dr. Graf zu Wort. – Bitte.

 


10.15.56

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Meine sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist eine Frage der Qualität und letztlich auch der Leistung, in welche Bahnen diese Diskussion jetzt gedriftet ist.

Ein Wort zu Kollegen Widmann. Ich widme mich diesem Thema sonst nicht viel, aber ich möchte sehr wohl festhalten: Wenn Sie Südtiroler, die in Innsbruck studieren, als Ausländer bezeichnen, dann ist das Ihr Problem, aber nicht das Problem, das wir haben! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Widmann.)

Ich bin froh, dass viele Südtiroler in Innsbruck studieren! – Sie sind es offensichtlich nicht!

Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie sind entzaubert! Sie sind wirklich entzaubert, denn wir haben die Hoffnung gehegt, dass Sie als Mann aus der Praxis, als Rektor, der dieses Ministeramt jetzt bekleidet, endlich eine andere Note in die Diskussion bringen werden! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Was ich heute von Ihnen gehört habe, hätte ich aber auch vom Pressesprecher Ihres Bundesministeriums hören können! Die


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Diskussion dreht sich bei Ihnen überhaupt nicht weiter! Am Ende gibt es – mit anderen Worten ausgedrückt – zwei Themen, die da lauten: Studienbeiträge und Zugangs­beschränkungen.

Sie, Herr Bundesminister, sind offensichtlich, wie Ihre Vorgängerin und Ihre Vorgänger und wie die gesamte ÖVP, in diesem Punkt beratungsresistent und nicht mehr bereit, in Alternativen zu denken. – Ich sage immer: Wer als Politiker nicht mehr bereit ist, Alternativen durchzudenken und durchzuargumentieren, der hat seinen Job verfehlt! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie nennen es nicht mehr „Studienbeiträge“ und „Zugangsbeschränkungen“, sondern Sie sagen: Es gibt zwei Probleme, die da lauten: Finanzierung und Massenfächer. – Am Ende wollen Sie Zugangsbeschränkungen einführen, fahren bewusst einen Crashkurs an Österreichs Hochschulen weiter, und die geringere Zahl an Studierenden wollen Sie dann noch abzocken. – Das ist keine Perspektive, die ein Minister oder die Politik vorgeben sollten!

Gehen Sie doch einmal in die Tiefe! Warum haben wir mehr Studierende? Unser Ziel ist es – und diesbezüglich gibt es ein gemeinsames Verständnis aller fünf Parteien, es gibt aus den Jahren 2000 und 2001 genug Anträge hier im Haus –, mittelfristig 300 000 Studierende an den Universitäten zu haben. Außerdem ist es unser Ziel, zwei Prozent des BIP für die Universitäten auszugeben. – Das sind die Ziele, auf die Sie hinzuarbeiten haben!

Sie vermehren zwar die Zahl der tatsächlich Studierenden an den Universitäten, aber nicht, weil mehr Studierende die Universitäten besuchen, sondern weil Sie die Studien­zeiten durch die Einführung des Baccalaureats, des dreigliedrigen Studiums nach dem Bologna-Prozess, verlängern.

Früher studierte man in den meisten Fächern acht Semester; heute ist das gleiche Stu­dium mit zehn Semestern im Minimum begrenzt. (Zwischenruf des Abg. Neugebauer.) Selbstverständlich ist das so! Damit erhöhen Sie schrittweise die Zahl der Studierenden, ohne dass Sie etwas tun und ohne dass es in Zukunft einen Akademiker mehr gibt, um 20 Prozent.

Sehen Sie sich das an! Sie schauen sich die Geburtenstatistik nicht an, an der Sie ablesen können, dass in drei bis fünf Jahren um 25 Prozent weniger Österreicherinnen und Österreicher 18 Jahre alt werden als noch in den letzten fünf Jahren. Das heißt, wir werden auf Grund der geringeren Zahl an Kindern, die wir in Österreich haben werden, um 20 bis 25 Prozent weniger Studierende haben. Und Sie müssen auch auf die Generationen-Chancengleichheit achten! Sie müssen der heutigen Generation die gleichen Chancen einräumen, die eine zukünftige Generation auch hat, und das tun Sie nicht.

Sie haben genug Geld. Sie haben selbst in der Anfragebeantwortung beauskunftet, dass Sie 330 Millionen € frei zur Verwendung in Ihrer Rücklage im Ministerium haben. Dann geben Sie diesen Betrag endlich für die Universitäten aus und versuchen Sie nicht, wieder neue Steuern und Abgaben einzuführen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hören permanent, dass man in Österreich durchschnittlich sieben Monate für den Staat arbeitet. Sieben Monate – aufgrund der Lohnnebenkosten, Steuerbelastungen, Abgaben und Gebühren! Die ÖVP – das nehme ich zur Kenntnis – möchte jetzt, dass eine Studierenden-Familie auch noch ein achtes Monat ihr Einkommen an den Staat abliefert. Das ist keine Perspektive! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre internationalen Vergleiche hinken alle. Alle! (Zwischenruf des Abg. Hornek.) Wenn Sie sagen, im Umland gibt es Studienbeiträge, dann sage ich: In Ordnung, führen wir zunächst die Steuer- und Abgabenquote unserer Nachbarstaaten in Öster­


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reich ein, dann führen wir auch die Studienbeiträge ein! (Beifall bei der FPÖ.) Damit habe ich überhaupt kein Problem. Wir haben 43,5 Prozent Steuer- und Abgabenquote. In keinem vergleichbaren Land in der OECD finden Sie eine derart hohe Quote – und Sie wollen neue Gebühren einführen, damit die Quote 45 Prozent beträgt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Das ist die Unternehmerpartei und die angebliche Steuer­ersparnis-Partei ÖVP?! Das ist nicht in Ordnung! Reden wir über Chancengleichheit für unsere Studierenden und nicht darüber, wie wir sie vom tertiären Studium fernhalten können und wie wir sie bestmöglich abzocken können! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort. – Bitte.

 


10.21.20

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Töchterle, Sie haben richtigerweise gesagt, glaube ich, dass es Kapa­zitäts­grenzen gibt. Das zu leugnen sei eine Lüge, die wir den Studentinnen und Studenten ersparen sollen oder müssen. Ich habe gedacht, auf den ersten Blick würde ich dem zustimmen, weil ich Erfahrungen gemacht habe, gerade darin, was es bedeutet, in einem sogenannten Massenfach zu studieren; vielleicht komme ich noch darauf zu sprechen. Auf der anderen Seite, Herr Bundesminister, wissen Sie natürlich genauso gut wie ich, dass der Begriff „Kapazität“ keine naturwissenschaftliche – wie soll ich sagen? – gottgegebene Qualität hat, sondern dass Kapazität natürlich eine abhängige Variable ist, nämlich abhängig von den Finanzmitteln für Infrastruktur, für Räume, für Lehrende, für Professoren, et cetera, et cetera, die einer Universität zur Verfügung stehen. Das soll jetzt nicht heißen, dass sich die Universität passiv an jede Nachfrageveränderung bei den Studierenden anpassen kann, aber man muss schon dazusagen, dass Kapazität etwas ist, das wir als Politiker, als Minister, als Parlament gestalten müssen. – Das habe ich bei Ihren Ausführungen peinlich vermisst. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Ich weiß, was das heißt, in einem Massenfach zu studieren. Anfang der sechziger Jahre – ich habe Ihnen hier im Plenum das schon einmal erzählt, glaube ich – war das grauenhaft! Erstes Proseminar: 250 Teilnehmer, Thema: Karl Marx, Adam Smith (Abg. Kickl: Hauptsächlich Marx wahrscheinlich!) und noch irgendjemand, dessen Namen ich vergessen habe, und der größte Witz war, dass ich ein Genügend bekommen habe, obwohl ich in diesem sogenannten Proseminar nichts verstanden habe. Diese Erfahrung möchte ich niemandem zumuten. Die Situation ist dann schlagartig, nein, nicht schlagartig, langsam besser geworden zu Zeiten der schwarzen Alleinregierung gegen Ende der sechziger Jahre und sehr rasch dann unter Hertha Firnberg, für mich immer noch eine der größten Hochschulreformerinnen des 20. Jahrhunderts.

Herr Minister Töchterle, im Gegensatz zu Frau Abgeordneter Cortolezis-Schlager haben Sie das 2-Prozent-Ziel genannt, wozu sich die Bundesregierung verpflichtet hat. 2 Prozent des BIP für den tertiären Sektor bis zum Jahr 2020! – Aber, Herr Minister Töchterle, rechnen Sie einmal nach! Sie haben gesagt: inklusive privater Mittel. Das stimmt, die 2 Prozent kommen nicht vom Staat allein, das steht nirgendwo, nicht im Kommissionsbericht, nirgendwo, vollkommen richtig. Derzeit stehen wir bei 1,3, 1,4 Prozent des BIP. Das heißt, für den tertiären Sektor müssen derzeit über den Daumen gepeilt plus/minus 4 Milliarden € budgetiert sein, und somit fehlen uns auf das 2-Prozent-Ziel 2 Milliarden pro Jahr. 2 Milliarden pro Jahr, Herr Minister!

Rechnen wir einmal großzügig, für den Fall, dass wir die Studiengebühren, die Studienbeiträge, oder wie immer sie dann heißen mögen, einführen: Sagen wir,


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200 000 Studenten netto zahlen, alle zahlen 500 € pro Semester – das sind nach Adam Riese 200 Millionen € pro Jahr. Rechnen wir dann großzügig die 300 Millionen dazu, die Sie angekündigt haben, die aber natürlich noch nirgendwo festgeschrieben sind. Der Bundesfinanzrahmenplan, meine Damen und Herren, muss geändert werden für diese 300 Millionen, die noch kommen sollen. Aber nehmen wir einmal an, der Plan wird geändert, die 300 Millionen wird es geben, weil die Finanzministerin, die in diesem Fall ja wichtiger ist als der Wissenschaftsminister, sich überzeugen lässt, dass diese Ausgabenerhöhung tatsächlich zentral ist, dann haben wir 300 Millionen und 200 Mil­lionen aus den Studiengebühren. Das ergibt für das Jahr 2015 immer noch eine Lücke von 1,5 Milliarden € pro Jahr. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Bis zum Jahr 2020 wollen wir dann noch die restlichen 1,5 Milliarden aufbringen. – An welche privaten Mittel denken Sie dabei noch, Herr Minister? Ich weiß, es gibt Mäzene in Österreich; Bertalanffy, ein österreichischer Industrieller, zum Beispiel hat einige Millionen € gespendet für das Institute of Science and Technology in Gugging. Hannes Androsch, ein österreichischer Industrieller, hat sehr viel Geld gespendet für die Akademie der Wissenschaften. Aber 1,5 Milliarden pro Jahr, Herr Bundesminister, werden Sie wohl nicht ernsthaft auf diese Weise aufbringen können und wollen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Also wenn Sie in diesem Zusam­menhang schon von Lebenslügen sprechen, dann hoffe ich doch, dass dieses 2-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 nicht auch noch zu diesen Lebenslügen zählen wird.

Herr Kollege vom BZÖ, Herr Widmann: Jemandem gegenüber, der mich als „Lehrbeauftragten“ bezeichnet und – wie eben – durch seine Ausführungen beweist, dass er in keiner Weise rechnen kann, bin ich nicht rechenschaftspflichtig! (Beifall bei den Grünen. – Rufe beim BZÖ: Aber dem Steuerzahler gegenüber! Das ist Steuer­geld!) Für meine Tätigkeit für die Stadt Wien bin ich dem Bürgermeister, der Stadt­regierung in Wien und dem Gemeinderat in Wien rechenschaftspflichtig, aber sicher nicht solchen Wichten wie Ihnen!

Herr Bundesminister, abschließend: Geld ist nicht alles, das wissen wir schon (Prä­sidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), aber warum blockiert das Ministerium Kooperationen, die ja schon stattfinden wollen zwischen der Angewandten und dem Konservatorium, das formal eine Privatuniversität der Stadt Wien ist? (Zwi­schenruf des Abg. Mag. Stadler.) Dort, wo durch Kooperationen Synergieeffekte möglich sind, sagt das Ministerium: Sorry, geht nicht!, statt auf der Stelle eine Novelle vorzulegen, die derartige Kooperationen ermöglicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

10.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Petzner zu Wort. – Bitte.

 


10.27.26

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Van der Bellen, Sie haben schon recht, wenn Sie meinen, sich gegenüber dem BZÖ nicht rechtfertigen zu müssen, aber Sie müssen sich rechtfertigen gegenüber den Wählerinnen und Wählern in Wien, denen Sie versprochen haben, dass Sie sich in Wien auf Gemeinderatsebene für die Wienerinnen und Wiener einsetzen werden. Sie haben Wählertäuschung betrieben. Das ist ein Faktum, das Sie nicht abstreiten können! – Erster Punkt. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache. – Abg. Dr. Grünewald: Zur Sache!)

Zweiter Punkt: Sie haben einen Kollegen in Ihren Reihen sitzen, nämlich Herrn Kollegen Pilz, der nicht davor zurückschreckt, die ganze Zeit über mit irgendwelchen abstrusen Anschuldigungen um sich zu werfen. Herr Pilz sollte in seinen eigenen


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Reihen für Ordnung sorgen (Bravorufe beim BZÖ), denn wenn Sie mehr Geld für die österreichischen Unis fordern, dann könnten Sie bei sich selbst beginnen, indem Sie auf die 220 000 € aus Steuergeldern verzichten, die Sie kassieren, ohne irgendeine Leistung zu erbringen! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache. – Abg. Mag. Kogler: Eine unglaubliche Verleumdung!)

Oder ein anderes Beispiel: Da auch die SPÖ mehr Geld für die österreichischen Unis fordert, bringe ich ein aktuelles Zitat von Herrn Staatssekretär Ostermayer, der gesagt hat – Zitat –, er „brauche einige Millionen für den Werner“. Geflügelte Worte sind das mittlerweile geworden, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Wieso Sie mit Ihrem Niveau überhaupt zur Uni-Politik reden?!) Ich antworte Ihnen: Sorgen Sie dafür, dass nicht der Herr Bundeskanzler „Werner“ diese Millionen bekommt, sondern die österreichischen Studierenden, denn die brauchen das Steuergeld, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Kogler: Der ist so verwirrt, dass er nicht einmal weiß, was jetzt Sache ist!)

Das Grundsatzproblem geht in zweierlei Richtungen. Einerseits haben wir steigende Studierendenzahlen und andererseits stagnierende Unibudgets, und das erzeugt die aktuelle Schieflage, die wir derzeit haben, meine Damen und Herren! Der ent­schei­dende Fehler und der Ausgangspunkt dieser nunmehrigen Misere war jene denk­würdige Sitzung am 24. September 2008, aus der ich einige Zitate bringen darf, was damals gesagt wurde.

Herr Abgeordneter Graf beklagt sich heute (Abg. Dr. Graf: Ich habe mich nicht beklagt! Ich war der Einzige, der sich nicht beklagt hat!) über die schrecklichen Zustände an Österreichs Universitäten. Was hat Herr Martin Graf am 24. September 2008 gesagt? – Zitat Graf: „Daher ist dieses Paket, das wir heute hier verabschieden, eines der größten Universitätspakete, ich meine sogar das größte seit über 30 Jahren.“ (Oh-Rufe beim BZÖ.)

Das hat Herr Abgeordneter Graf gesagt. Herr Abgeordneter Graf hat mit der Zustim­mung seiner FPÖ dafür gesorgt, dass wir 42 Prozent Ausländeranteil zum Beispiel an der Universität Innsbruck haben (Abg. Dr. Graf: Südtiroler! – Abg. Mag. Stadler: So viele Südtiroler gibt es gar nicht!), dass wir insgesamt über 60 000 ausländische Studie­rende haben, die unseren Studenten den Platz versitzen. Wir dürfen die Aus­bildung ausländischer Studierender bezahlen. – Das ist das Ergebnis Ihrer Univer­sitätspolitik, Herr Graf! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Graf: Ich bin nicht in der Regierung!)

Herr Abgeordneter Graf gibt dann auch relativ offen zu, was eigentlich damals seine Intention war.

Frau Mag. Karl, damals noch Abgeordnete, hat dem entgegengehalten, Zitat: „... ich kann Ihnen sagen, was sich Kollege Graf wünscht: mehr deutsche Studierende.“

Weiters vermerkt das Protokoll einen schönen Zwischenruf des Herrn Graf: „(Abg. Dr. Graf: So ist es!)“

Mehr braucht man dazu nicht mehr zu sagen, meine Damen und Herren! Sie geben selbst zu, was Ihre Intention ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich will nicht mehr ausländische Studierende, auch keine Deutschen, ich will, dass die österreichischen Studenten einen Platz an der Universität haben, dass sie eine ordentliche Ausbildung bekommen, dass sie Kursplätze zur Verfügung haben, dass sie in Mindestzeit beziehungsweise in der Zeit, in der sie es vorhaben, ihr Studium abschließen können, dass insgesamt die Akademikerquote in Österreich und nicht in Deutschland oder sonst irgendwo steigt, wie das die Damen und Herren von der FPÖ wollen, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 40

Ich bringe ein weiteres Zitat von Frau Abgeordneter Rudas, auch sie war heute schon sehr amüsant. (Abg. Ing. Westenthaler: Kreisky-Tochter! – Abg. Mag. Stadler: Kreisky-Enkelin!) Kreisky-Kinder haben sich bisher noch nicht gemeldet, ich bin jedenfalls keines, dafür bin ich zu jung, aber Frau Abgeordnete Rudas hat ebenfalls am 24. September 2008 etwas Spannendes gesagt.

Zitat: „Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause, die den Moment miterleben wollen, in dem diese bildungspolitische Katastrophe endlich ein Ende nimmt!“

Welch pathetische Worte! Die bildungspolitische Katastrophe hat ihre Fortsetzung gefunden. Das, meine Damen und Herren, haben Sie alle heute in Ihren Ausführungen bewiesen, denn keiner von Ihnen hat heute hier erklärt, dass an den österreichischen Universitäten alles eitel Wonne ist. Dafür müssen die Damen und Herren von SPÖ, Grünen und FPÖ die Verantwortung übernehmen, die wesentliche Mitverantwortung für diese Zustände heute tragen, weil sie am 24. September 2008 diese Studien­gebühren aufgehoben haben. (Abg. Dr. Graf: Aber es ist nicht so schlimm, wie du das immer sagst!)

Wir sind dafür, dass Studiengebühren wieder eingeführt werden – nicht, um Leute vom Studieren abzuhalten, sondern, um für mehr Chancengerechtigkeit nach dem Leis­tungs­prinzip zu sorgen, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.) Wir sind für Zugangsregelungen und nicht zuletzt auch dafür, dass die österreichischen Univer­sitäten mehr Geld bekommen. Das heißt, wenn Herr Minister Töchterle die Uni-Milliarde ankündigt, hat er unsere Unterstützung. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Schlusssatz: Die Frage ist, ob er sich bei der zuständigen Ministerin Maria Fekter auch durchsetzen wird, und das möchte ich mehr als bezweifeln. (Beifall beim BZÖ.)

10.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


10.33.05

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Unis sind finanziell am Ende; das, glaube ich, wissen mittlerweile alle. Anscheinend aber ist das zu Ihnen noch nicht durchgedrungen, Herr Minister, denn in Ihren Ausführungen heute haben Sie von Visionen gesprochen, und wenn Sie dann ins Detail gehen, ist die einzige Vision, die Sie haben, dass alles so bleibt, wie es ist.

Ich habe es selbst erlebt an der Universität. Ich habe vor einiger Zeit berufsbegleitend studiert, und ich hatte das Problem, dass ich im zweiten Abschnitt, in dem ich in etwa acht bis zehn Seminare pro Semester gebraucht hätte, um in der Mindestzeit zu bleiben, aufgrund der langen Warteliste – es waren für 30 freie Plätze ungefähr 130 Studenten auf der Warteliste – maximal ein bis zwei Seminare pro Semester bekommen habe. – Genau das ist das Problem!

Wenn Sie sich heute hier herstellen, Herr Minister, und behaupten, dass es viele Bummelstudenten gibt, angeblich über 100 000, die so faul sind, dass man mit der Peitsche hinterher sein muss, damit etwas weitergeht, dann kann ich Ihnen nur sagen: Natürlich gibt es solche, die das Studium nicht allzu ernst nehmen, natürlich können Studienbeiträge ein bisschen Geschwindigkeit in das Bemühen hineinbringen, aber eines ist auch sicher: Die meisten Studenten wollen, können aber nicht, weil Sie nämlich nicht in der Lage sind, die Universitäten mit jenen Mitteln auszustatten, die diese brauchen. Das ist genau der Punkt!

Wenn Sie, Herr Minister, sich hier herstellen und behaupten, die Universitäten seien ein Fass ohne Boden, das ganze Geld fließe dorthin, wenn Sie unterstellen, die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 41

Universitäten könnten wohl nicht wirtschaften, zumal genug Geld vorhanden sei, sie müssten sich ihrer Autonomie entsprechend, die sie ja ganz toll finden, eben mehr anstrengen, dann möchte ich sagen: Hören wir auf einen Experten, was der sagt! – Ich glaube, dass Sie ein Experte sind, also hören wir auf Sie! Sie sagen im selben Atem­zug, die Universitäten seien im internationalen Vergleich 20-fach unterkapitalisiert. Das sagen Sie selbst! Sie sagen, die Universitäten haben zu wenig Geld.

Im selben Atemzug sagen Sie auch noch, dass es für Sie erstaunlich ist, dass die Universitäten aufgrund dieser Unterkapitalisierung überhaupt eine Leistung erbringen. Sie freuen sich‚ dass Frau Ministerin Fekter, unsere Finanzministerin, den Univer­sitäten nicht noch mehr Geld wegnimmt, anstatt sich stark zu machen und dafür zu sorgen, dass die Universitäten endlich das Geld bekommen, das sie allein für den normalen Betrieb brauchen. Ich spreche gar nicht davon, dass die Universitäten wieder aufholen sollen zum internationalen Spitzenfeld. Das ist auch eine Baustelle, die wir angehen müssen, aber im Moment geht es nur darum, den Universitäten das Geld zu geben, das sie für den normalen Betrieb brauchen.

Wenn wir uns darin einig sind, dass es mehr Studenten in diesem Land geben soll, dass es mehr Absolventen geben soll, Sie aber auf der anderen Seite kein Geld herausrücken und Zugangsbeschränkungen machen, um die Leute vom Studieren abzuhalten, dann weiß ich nicht, wie Sie, was die Akademikerquote betrifft, was die Leistung der Studenten und der Absolventen betrifft, international aufschließen wollen. Wie wollen Sie da international aufschließen?

Deshalb: Machen Sie sich stark, dass die Universitäten das Geld bekommen, das sie brauchen! Sie selbst haben gesagt, die Universitäten seien unterkapitalisiert, 20-fach unterkapitalisiert. Also machen Sie da etwas!

Zu dem Argument, das Sie gebracht haben: Die Kassen sind leer, was soll man tun?, kann ich Ihnen nur eines sagen: Wir geben für den normalen Haushalt jedes Jahr 70 Milliarden € aus. Wenn man den Gesamthaushalt betrachtet, so sieht man, es ist mehr als das Doppelte. Das heißt, wir geben jedes Jahr Unmengen Geld aus. Die Frage, die zentrale Frage ist: Wofür geben wir es aus? – Wir geben das Geld zum Beispiel aus für ÖBB-Frühpensionisten, die mit 51 Jahren bei bester Gesundheit durchs Land laufen. Wir geben es aus, indem wir in jeden x-beliebigen Berg ein Loch hineinbohren. Wir geben es aus für Griechenland, das angeblich gerettet werden muss; niemand weiß, ob das wirklich so ist, ob das überhaupt möglich sein wird, ob wir es überhaupt retten können. Das heißt, wir geben Unmengen Geld aus, aber was uns fehlt, ist die Prioritätensetzung.

Eines ist auch ganz sicher: Wir stehen vor einer Kostenexplosion in vielen Bereichen, beispielsweise in den Bereichen Pensionen, Gesundheit, und, und, und. Wer, glauben Sie, wird das einmal bezahlen? – Das werden jene bezahlen, die jetzt studieren. Jene, die bestens ausgebildet sind, die einen Spitzensteuersatz leisten, werden das einmal bezahlen. Und Sie sabotieren sozusagen die Möglichkeiten jener Menschen, die in der Zukunft die Rechnung bezahlen werden. Das ist der Punkt!

Deshalb, Herr Minister, in Bezug auf diese Studiengebühren-Debatte: Hören Sie auf mit diesem Scheingefecht! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ob Sie das in der Sache weiterbringen oder nicht, weiß ich nicht, ich kann es mir nicht vorstellen, entscheidend aber ist, dass Sie sich bedingungslos zur Finanzierung der Universitäten bekennen und das auch bei der Frau Finanzministerin verhandeln und durchsetzen. Das ist das Gebot der Stunde, das erwarten wir von Ihnen! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 42

Die Debatte ist geschlossen.

10.38.36Aktuelle Europastunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Korruptionsbekämpfung in der EU“

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Ich mache darauf auf­merksam, dass Ihre Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 


10.39.10

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Österreich ist eine „Korruptionsoase“. Dieses Zitat stammt vom Chef der Arbeitsgruppe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, von Mark Pieth. Er hat es mehrmals wiederholt, zunehmend von der Sorge ergriffen, dass die diesbezüglichen Missstände in unserem Land immer schlechter werden. Es kann sich jeder davon überzeugen, dass auf der einen Seite immer mehr Skandale publik werden, und auf der anderen Seite nach wie vor viel zu wenig unternommen wird, um so etwas in Zukunft zu verhindern.

Warum thematisieren wir das in der Aktuellen Europastunde? – Weil am 6. Juni die Europäische Kommission dem Parlament und dem Rat ein 40-seitiges Dokument übermittelt hat, in dem ganz klar darauf hingewiesen wird, welchen Schaden Korruption in den einzelnen Mitgliedsländern, aber auch in der Union anrichtet. – Aber darum geht es primär gar nicht.

Die Kommission hat auch – das EU-Parlament hat das am 15. September, eben erst, mit einer entsprechenden Resolution aufgegriffen, die sich auch an die nationalen Parlamente richtet, also an uns hier – darauf hingewiesen, dass in diesem Bereich wesentlich mehr geschehen muss, zum einen bestehende Gesetze einzuhalten, dass es aber auch Mitgliedstaaten gibt – und da würde ich Österreich auch ganz klassisch darunter einreihen –, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen und die Bemühungen der Behörden bis hin zur Staatsanwaltschaft, Frau Bundesministerin Karl, weit „unterausgeprägt“ sind. Ich versuche, das an dieser Stelle relativ neutral zu formulieren.

Wir haben also eine Reihe internationaler Organisationen und Institutionen, die Öster­reich darauf aufmerksam machen, dass sich hier etwas ändern muss – wie die Grünen meinen, rasch etwas ändern muss. Und dazu wollen wir hier und heute einen Beitrag leisten und einen Fahrplan mit vorgeben.

Eines ist auch klar: Wenn wir nicht in der Lage sind – so viel darf ich zur innen­politischen Situation schon vorwegnehmen –, die Dinge erstens rasch aufzuklären und aufzuarbeiten und zweitens entsprechende Strafsanktionen, wenn die Täter dingfest gemacht werden können, folgen zu lassen, schaut es nicht gut aus.

Drittens soll der Schaden von den Betreffenden möglichst wiedergutgemacht werden, aber und vor allem und viertens muss in diesem Land ein Neustart passieren, weil sonst die Politik insgesamt, aber ich glaube, die Parteien, die besonders in diese Skandale verstrickt sind, im Besonderen die Glaubwürdigkeit, will sagen: die letzte Glaubwürdigkeit in diesem Zusammenhang verlieren. Wir werden daher noch darauf zurückkommen, was es mit den Bemühungen des österreichischen Nationalrats auf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 43

sich hat, um diesen Empfehlungen zu folgen, respektive sie auch zu unterlaufen oder zu verweigern.

Aber noch einmal: In diesem Bericht der Kommission vom 6. Juni wird eine ganze Reihe von klaren Vorschlägen gemacht. Und jetzt müssen wir das einfach miteinander durchgehen und schauen, was da für Österreich am dringendsten geboten ist. Das wird sich ja auch, teilweise wenigstens, mit der Agenda decken, die sich einige von uns schon vorgenommen haben.

Es geht in jeder Hinsicht immer um mehr Transparenz, und zwar völlig egal, ob es um die Parteispenden geht oder um die Offenlegung der Politikereinkommen, und zwar aller Einkommen und auch der Vermögensverhältnisse, um die Anti-Korruptions­bestimmungen im strafrechtlichen Sinn, um den Schutz der Aufdecker und natürlich auch um solche Dinge, wie dass die öffentliche Hand, Bundesminister, manchmal sogar Bundeskanzler nicht hergehen können und auf Steuerzahlerkosten Rieseninse­ratenkampagnen finanzieren, damit nicht nur einen Missbrauch des Steuergeldes begehen oder jedenfalls eines öffentlichen Unternehmens und sich dann noch zusätz­lich dafür die Medienberichterstattung kaufen wollen, um die Meinung zu manipulieren. Das ist alles ganz klar umrissen. Das ist völlig klar. Nur in Österreich wird so getan, als ob es sich da um Kavaliersdelikte handelte.

Noch einmal: Die Definition von Korruption ist auch völlig klar, nämlich dass jemand die Macht, die er nun zugesprochen bekommen hat, verwendet, um sie zu missbrauchen, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen, aber und vor allem – und das ist den internationalen Organisationen so wichtig, das ist die Definition von Transparency International, aber auch der EU, völlig zu Recht, aber auch der OECD – ist es deshalb ein derartiges Anliegen, weil ja damit auch ein gigantischer ökonomischer Schaden entsteht durch Korruption im öffentlichen, im halböffentlichen bis hinein in den privaten Bereich. Für all das sollen Vorkehrungen getroffen werden.

Nach Schätzung der Kommission geht es dabei um 120 Milliarden € im europäischen Raum. Wenn wir uns die Zustände und die Zahlen in Österreich anschauen, was hier an Potenzial der letzten Jahre zusammengezählt wird, dann kommen wir auch ganz locker auf viele Milliarden Euro, und zwar nicht nur Beschaffungssummen, sondern definitive Schadenssummen. Das muss ja irgendjemand zu verantworten haben.

Das ist aber Sache der Untersuchungsausschüsse. Über die wird heute noch zu reden sein. Das ist Sache der Medienaufklärung. Das ist Sache der Beteiligung der Abgeord­neten hier. Und Ihr bester Beitrag ist, die Aufklärung nicht zu blockieren und die Unter­suchungsausschüsse freizugeben, und zwar für einen umfassenden Untersuchungs­gegenstand. Das wird Ihr Beitrag sein! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt geht es aber gleichzeitig darum, diesen glaubwürdigen Neustart für die Politik zu organisieren. Und dazu möchte ich einen Vorschlag besonders herausgreifen, den die Kommission hier macht. Sie werden sich den Bericht ja ganz leicht organisieren können, diese Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und die folgende Resolution.

In der deutschen Fassung auf Seite 17 heißt es hier ganz prominent: „Verhütung und Bekämpfung politischer Korruption“. „Die Kommission ruft die Mitgliedstaaten, die nationalen Parlamente“ – gut, dass Sie so andächtig zuhören, das sind wir hier –„ und das Europäische Parlament“ – die haben ja schon reagiert –„ auf, für mehr Trans­parenz zu sorgen und eine effiziente Überwachung der Finanzierung von politischen Parteien und sonstigen Interessengruppen zu ermöglichen.“ – Voilà. (Beifall bei den Grünen.)


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Das ist der Punkt: Herzstück jeder Korruptionsbekämpfung ist die Offenlegung der Parteispenden. Es ist ja nur in diesem Land so, dass wir noch Gesetze haben, die das Verdecken von Transfers zu den Parteien begünstigen. Spendenwäsche ist bei uns per Gesetz erlaubt. Wir haben ein Parteiengesetz, das eigentlich ein Gesetz ist, das die Parteien in Schutz nimmt, wenn möglichst viele Gelder dubioser Quellen, manchmal sogar Rückflüsse von Schmiergeldern, in die Parteikassen fließen, weil dort Tat­bestände definitiv ermöglicht werden, außer Strafe gestellt werden, wofür man im Nachbarland, der Bundesrepublik Deutschland, auch als Politiker in den Häf’n geht, und zwar zu Recht. (Beifall bei den Grünen.)

Und wenn wir, Herr Klubobmann Kopf, diese Missstände jetzt nicht möglichst rasch beseitigen, dann sind wir am Punkt des endgültigen Glaubwürdigkeitsverlustes. Ich sage Ihnen jetzt an dieser Stelle und vorgezogenerweise etwas, weil sich gerade der Herr Klubobmann Cap dankenswerterweise vom Kollegen Pilz einmal erklären lässt, wie das jetzt weiterzugehen hat. Vielleicht hilft es ihm ja etwas. (Abg. Riepl: Die reden über ganz was anders! – Abg. Kopf: Dein Kollege hält ihn vom Zuhören ab!)

Es ist ja nicht so, dass alles aussichtslos wäre. Immer wieder versuchen wir, diesen Neustart einzuleiten. Jetzt ist aber das historische Fenster offen, dass das auch geschehen kann, weil Sie den öffentlichen Druck gar nicht mehr aushalten werden. – Und das ist gut so.

Bereits zu Ende des Vorjahres haben wir auf Parteisekretärebene – oh Wunder! – tatsächlich eine Punktation zustande gebracht, über alle Parteien hinweg, die genau in diesem Bereich, in diesem Herzstück jeder Korruptionsbekämpfung sehr, sehr maßgebliche Dinge vorgegeben hat, die wir hier im Parlament umsetzen sollten.

Was ist passiert? – Zu Beginn dieses Jahres ist auf Klubobleuteebene gestartet worden. Sie haben regelmäßig die Termine verweigert, Sie haben irgendwelche Leute geschickt, die sich nicht ausgekannt haben. Das ist Monat für Monat so weiter­gegangen, um im Mai, als der Druck dann auch wieder zu groß war nach den vielen Affären, die schon aus Ihrer schwarz-blauen Ära herausgeeitert sind, endlich einmal ein Signal zu setzen.

Herr Kopf, ich habe das Zitat hier, Herr Cap hat ja assistiert, „Mittagsjournal“, 6. Mai: Wir werden den Oppositionsparteien in der kommenden Woche – also noch im Mai – einen inhaltlichen Vorschlag übermitteln und die Terminvorschläge einleiten.

Nichts ist geschehen, bis heute nicht! Fünf Mal haben wir darüber geredet, wie dieser Fahrplan weitergeht. So geht es nicht. Sie sind bei diesem Neustart völlig unglaub­würdig. Das muss korrigiert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen ein Parteiengesetz, ein Offenlegungsgesetz, das genau das beinhaltet, worum es nämlich letztlich geht, eben alle Zahlungsströme offenzulegen – nicht das, was Sie hinter den Kulissen versucht und deshalb so lange verzögert haben, dass die ÖVP vielleicht schon etwas tut, aber der Wirtschaftsbund nicht, der Bauernbund nicht und der Arbeitnehmerbund nicht und was weiß ich, was es noch alles gibt. (Abg. Kopf: Das ist nicht das Thema!) Ja, was bleibt denn dann übrig von der ÖVP? Die Landesorganisationen nicht, und, und, und.

Sie müssen überhaupt einmal erklären, woher Ihre Landesorganisationen (in Richtung ÖVP) und auch jene von der SPÖ das Geld im vorigen Jahr hatten, um eine derartige Kampagne zu fahren, die in jedem Bundesland, speziell in der Steiermark, in Wien Millionen gekostet hat, und zwar Millionen mehr als das, was die öffentliche Parteien­finanzierung hergibt. Sagen Sie einmal, wo Sie das Geld herhaben! Die WählerInnen haben ein Recht darauf, das zu erfahren, und die Kommission verlangt es vom


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österreichischen Parlament. Und Sie blockieren es! Das ist kein Neustart. (Beifall bei den Grünen.)

Und bei jeder Bankendiskussion, wo es um inhaltliche Dinge geht, hört man dann, mittlerweile immer offizieller (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), die Bankenregelungen in Österreich schauen deshalb so aus, weil auch die Banken an die Parteien spenden. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Meine Damen und Herren, es ist Zeit, die Dinge offenzulegen. Diese Unglaub­würdigkeit sollte sich der Nationalrat, sollten sich aber speziell die ÖVP und die SPÖ nicht mehr leisten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das Ende Euro­pas! Sie lassen jedes Thema zu!)

10.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich der Frau Bundesministerin das Wort erteile, möchte ich tatsächlich einen Einwand aufgreifen, den Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler gerade gemacht hat.

Wir sollten die Aktuelle Europastunde nicht als Krücke dafür verwenden (Abg. Kopf: Das war ein Missbrauch der Geschäftsordnung!), um innenpolitische Themen zu diskutieren, die natürlich auch legitim diskutiert werden sollten und können (Abg. Mag. Stadler: Das ist aber jetzt geschehen! – Rufe beim BZÖ: Ist schon passiert!), aber ich darf an alle appellieren, beim Thema der Aktuellen Europastunde „Korrup­tionsbekämpfung in der EU“ zu bleiben. (Abg. Vilimsky: Das kann es nicht sein! – Abg. Strache: Sind wir nicht Mitglied der EU? Was soll denn das? – Abg. Dr. Stummvoll: Sie haben es zugelassen!)

*****

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Kopf: Er hat zwei Mal „Europa“ gesagt! – Abg. Strache: Es ist interessant, dass die ÖVP jetzt festgestellt hat, wir sind ja kein Teil der Europäischen Union mehr, oder?! – Heiterkeit.)

 


10.50.37

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Man sieht, wie die ÖVP durcheinanderkommt, wenn sie sich ausgerechnet von Klubobmann Strache erklären lassen muss, dass sie ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, wenn Sie sich zur Geschäftsordnung melden, dann bitte auch zur Geschäftsordnung sprechen! – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Ja, Frau Präsidentin! Es wäre nur äußerst nützlich, zu akzeptieren, dass wir hier von einer Berichtsbasis der Euro­päischen Kommission an das Europäische Parlament ausgegangen sind (Abg. Mag. Stadler: Was hat das mit der Europastunde zu tun?) und entsprechende weitere internationale Institutionen zitiert wurden, wobei der österreichische Nationalrat aus­drücklich von der Kommission und vom Parlament zum Handeln aufgefordert wurde. (Abg. Mag. Stadler: Er hat tatsächlich drei Mal „Europa“ gesagt!) Das haben wir hier vorgelegt. Das sind Berichte, das sind Dokumente ...

10.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, das ist wieder eine Wort­meldung. Das haben Sie schon ausgeführt. Ich habe ja bereits darauf aufmerksam gemacht, dass in den Wortmeldungen schon beim Thema der Aktuellen Europastunde geblieben werden soll.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 46

Herr Abgeordneter Vilimsky hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.51.44

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsident! Wenn Sie heute die internationale Medienberichterstattung verfolgen, etwa in der Zeitung „Die Welt“ oder in der „Süddeutschen Zeitung“, dann sehen Sie, dass das, was wir hier in Österreich unter dem Titel „Inseratenkorruption“ diskutieren, mittler­weile breitestes Thema in der Europäischen Union ist. Ich ersuche Sie wirklich, auch im Sinne der Geschäftsordnung das freie Wort der Mandatare nicht zu blockieren und den Skandal, der gerade aus Österreich weit über die Grenzen hinausschwappt, hier auch in einer Offenheit diskutieren zu lassen, und das nicht mit parteipolitischer Mit­über­legung zu reglementieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Macht doch eine Dringliche Anfrage!)

10.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme für mich in Anspruch, natürlich objektiv den Vorsitz zu führen. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass es ein Gesetz gibt, das Geschäftsordnungsgesetz heißt, das auch vorsieht, dass zur Sache gesprochen werden muss und dass es Aufgabe der/des vorsitzenden Präsi­dentin/Präsidenten ist, dafür zu sorgen, dass auch zur Sache gesprochen wird. – Das nur zur Erinnerung, mehr wollte ich damit nicht zum Ausdruck bringen.

*****

Nun ist für eine einleitende Stellungnahme Frau Bundesministerin Dr. Karl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.53.02

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Kogler hat seine Rede damit begonnen, zu zitieren, dass Österreich eine „Korruptionsoase“ sei. (Abg. Mag. Kogler: Das sagt die OECD!) Das Thema Korruption beschäftigt aktuell nicht nur den Abgeordneten Kogler, Korruption ist derzeit in aller Munde. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Vor allem in den Parteikassen der ÖVP!)

Was in den letzten Wochen und Monaten vorgefallen ist, ist tatsächlich inakzeptabel, ist wirklich auf das Schärfte zurückzuweisen und es ist auch auf das Schärfste dagegen vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir als politische Verantwortungsträger in diesem Land haben in diesem Zusam­men­hang natürlich auch eine Vorbildfunktion und können angesichts solcher Vorfälle nicht ohne Weiteres zum Alltag übergehen.

Als Justizministerin ist es mir in diesem Zusammenhang aber auch wichtig zu erwähnen, dass die Staatsanwaltschaft mit Hochdruck daran arbeitet, die straf­rechtlichen Verfehlungen aufzuklären. Das ist der Auftrag der Staatsanwaltschaft, und diesem Auftrag kommt sie auch sehr gut nach.

Man muss aber gerade angesichts der aktuellen Verfehlungen zwischen einer strafrechtlichen Verantwortung und einer politischen Verantwortung differenzieren. Nicht alles, was politisch, nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist auch strafrechtlich relevant. Und nur die strafrechtliche Verantwortung aufzuklären, das ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Die Aufklärung der politischen Verantwortung ist Aufgabe des Parlaments.


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Wir alle in diesem Saal haben eine Vorbildfunktion. Ich habe bereits darauf hinge­wiesen. Und für uns alle gelten natürlich auch besondere moralische Maßstäbe. Wenn wir gemeinsam das Interesse haben, dass das Vertrauen in die Politik nicht noch weiter schwinden soll, dann kann es hier auch keine Kompromisse geben.

Es ist aber nicht nur die Aufklärung unser Job. Es ist auch unsere Aufgabe, dass wir die richtigen Maßnahmen für die Zukunft setzen, damit derartige Machenschaften in Zukunft einfach nicht mehr vorkommen und auch strengere Konsequenzen nach sich ziehen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Cap.)

Mit dem Lobbyinggesetz, das ich Ihnen in den kommenden Wochen zur parla­men­tarischen Behandlung übermitteln werde, soll mehr Transparenz einziehen. (Abg. Mag. Kogler: Zahnlos!) In Zukunft soll sich niemand mehr fragen: „Wo woar mei Leistung?“ Diese Frage soll es zukünftig nicht mehr geben, zukünftig soll klar sein, welche Leistung welcher Gegenleistung gegenübersteht.

Mit der Einrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat das Justizministerium bereits einen ganz wesentlichen Schritt gesetzt, um den Behörden auch das richtige Instrumentarium, das richtige Werkzeug in die Hand zu geben, um ganz entschieden gegen Korruption und Wirtschaftsdelikte vorgehen zu können.

Meine Mitarbeiter sind zudem gerade dabei, ein österreichisches Modell des Whistle­blowing zu erarbeiten. Auch im Hohen Haus wird ja mit Hochdruck an einem Anti-Korruptionspaket gearbeitet; darauf wurde bereits hingewiesen.

Wenn ich Ihnen als Justizministerin auch einige Wünsche diesbezüglich kundtun darf, dann sind das die folgenden: Ich wünsche mir eine klare, transparente Regelung zur Parteienfinanzierung, ein Verbot dubioser Provisionen, strengere Richtlinien für Politi­kerinnen und Politiker, die auch dem besonderen moralischen Anspruch gerecht werden, eine klarere Regelung des Anfütterns, maximale Transparenz bei der Vergabe von Inseraten und bei der Offenlegung von Eigentümerverhältnissen von Medien­unternehmen.

Herr Abgeordneter Kogler hat ja in seiner Rede bereits darauf hingewiesen, dass es um mehr Transparenz geht. Und ich gebe Ihnen völlig recht. Transparenz ist einfach ein ganz zentrales Instrument, um den Sumpf der Korruption austrocknen zu können.

Ich stelle dem Parlament natürlich auch sehr gerne das Know-how und die Expertise des Justizministeriums zur Verfügung, damit dieses Paket tatsächlich die notwendige Transparenz zustande bringt und damit wir hier wirklich gemeinsam effizient gegen Korruption vorgehen können.

Es war in der Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Kogler auch von Glaubwürdigkeit die Rede. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns schon alleine im Interesse unserer Glaubwürdigkeit der besonderen Verantwortung bewusst sein müssen (Zwischenruf des Abg. Brosz), denn eines muss dieses Anti-Korruptionspaket auch klar machen: Korruption ist kein Kavaliersdelikt; dabei darf kein Auge zugedrückt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade vor dem Hintergrund der österreichischen Debatte ist es auch wichtig, den Blick über die Grenzen zu richten, um in unsere Überlegungen mit einzubeziehen, wie dieses Phänomen der Korruption unter dem Blickwinkel der europäischen Wertegemeinschaft betrachtet wird.

Ich fasse daher gerne jene Aktivitäten zusammen, die die Europäische Kommission bei der Ratssitzung der Justizminister und Innenminister am 9. und 10. Juni dieses Jahres präsentiert hat. Vor dem Hintergrund, dass vier Fünftel der Bevölkerung der euro­päischen Mitgliedstaaten Korruption als ernstes Problem sehen, fordert auch die Europäische Kommission dazu auf, noch stärkere Anstrengungen im Kampf gegen


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Korruption zu unternehmen, und zwar auf Ebene der Mitgliedstaaten, aber auch auf internationaler Ebene und natürlich auch auf EU-Ebene.

Die Europäische Kommission betrachtet die Umsetzung der internationalen Instru­mente in den Mitgliedstaaten als zu unterschiedlich, weshalb kein zufriedenstellender Harmonisierungsgrad erreicht werden konnte. Aus diesem Grund wird auch die Strafverfolgung zur Bekämpfung von Korruption in der Praxis als mangelhaft bewertet. Die Kommission schlägt zur Stärkung des Kampfes gegen Korruption einen EU-Anti-Korruptionsbericht vor, der 2013 das erste Mal erscheinen und dann alle zwei Jahre veröffentlicht werden soll. Dieser Berichtsmechanismus soll die Korruptionssituation in der EU periodisch prüfen, Trends und Best Practices herausarbeiten und allgemeine sowie maßgeschneiderte Empfehlungen enthalten. Die Kommission wird diesen Bericht erstellen, wird aber bei der Erstellung auch eine Expertengruppe sowie ein Netzwerk von WissenschafterInnen beiziehen.

Anti-Korruptionsmaßnahmen der Mitgliedstaaten sollen dadurch geprüft werden, gefördert werden und natürlich auch genauer als jetzt beobachtet werden. Darüber hinaus soll in allen EU-Politiken ein stärkerer Fokus auf Anti-Korruptionsmaßnahmen gelegt werden. Insbesondere soll das Augenmerk auf eine engere justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit, moderne Bestimmungen zu vermögensrechtlichen Maß­nahmen in Strafverfahren sowie die Überarbeitung von vergaberechtlichen Rechts­grundlagen, eine verbesserte Statistik und auf begleitende Maßnahmen im Erweite­rungs­prozess gelegt werden.

Weiters kündigt die Kommission im Bereich der Strafverfolgung und der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit in der EU einen stärkeren Fokus auf Anti-Korruptions­maßnahmen an. Europol, Eurojust und EACN  sollen intensiver in der Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Korruption eingebunden sein.

Noch heuer wird ein überarbeiteter Vorschlag zu Bestimmungen bezüglich Beschlag­nahme und Vermögensrückgabe in Aussicht gestellt. 2012 wird die Kommission eine Strategie zur Verstärkung der Finanzermittlungen vorlegen.

Zum Whistleblower-Schutz, den ich schon für die nationale Ebene angesprochen habe, wird die Kommission eine Evaluierung vorlegen. Vorschläge für Maßnahmen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Vergabeverfahren, zu Rechnungslegungs­vor­schriften, zur Verhütung von politischer Korruption und zur Verbesserung der Statis­tiken et cetera sind ebenfalls geplant.

Auch im Bericht der Kommission zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 568 aus dem Jahr 2003 zur Bekämpfung der Korruption im privaten Sektor wird die Umsetzung in den Mitgliedstaaten als nicht zufriedenstellend bezeichnet, wobei eine umfassende Evaluierung mangels vergleichbarer Statistik und vergleichbarer Fälle von Korruption im privaten Sektor nicht möglich gewesen sein soll.

Auch Österreich wird von der Kommission zur vollständigen Umsetzung aufgerufen, wobei insbesondere eine klarere Regelung der strafrechtlichen Verantwortung für das Fordern und Annehmen von Vorteilen durch leitende Organe für pflichtwidrige Befug­nisausübung und die Ausdehnung der Strafbarkeit auf den Non-Profit-Sektor einge­mahnt werden.

Schließlich schlägt die Kommission vor, dass die EU GRECO als vollständiges Mitglied beitreten soll, um wechselseitige Vorteile, den Austausch von Expertise und Mecha­nismen des Monitoring betreffend, zu nutzen. Ich unterstütze selbstverständlich alle Maßnahmen, die den Strafverfolgungsbehörden eine effektivere Bekämpfung von Korruption ermöglichen, und ich habe deshalb in der Tagung der Justiz- und


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Innenminister auch die parteiübergreifende Initiative der Mitglieder des Europäischen Parlaments  Othmar Karas, Elisabeth Köstinger, Hannes Swoboda, Jörg Leichtfried und Ulrike Lunacek unterstützt.

Die Europäische Kommission wird darin aufgefordert, einen Richtlinienvorschlag vorzulegen, mit dem der Straftatbestand der Korruption für alle Mitglieder des Euro­päischen Parlaments sowie Mindeststandards für die Strafbestimmungen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich geregelt werden und dem europäischen Betrugsbekämpfungsamt OLAF ein Mandat zur Durchführung von Voruntersuchungen und Vorerhebungen in den entsprechenden Fällen eingeräumt wird.

Die jüngst behandelten Fälle haben aber vor allem auch die Notwendigkeit einer rascheren Entscheidungsfindung im Europäischen Parlament gezeigt, weil es für die Justiz nicht möglich war, vor der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität beweissichernde Maßnahmen zu ergreifen.

Geschätzte Damen und Herren, der Bericht der Europäischen Kommission, auf den ich nun näher eingegangen bin, zeigt zwar, dass die Korruption ein europaweites Phä­nomen ist, aber das entbindet uns natürlich nicht davon, auch auf nationaler Ebene die entsprechenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption zu setzen. Wir müssen einfach mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Korruption bekämpfen und bestehende Lücken schließen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Herr Abgeordneter Kogler hat den Vorwurf erhoben, dass die Staatsanwaltschaft unzureichend ermittelt. Diesen Vorwurf möchte ich ganz entschieden zurückweisen. Durch die bislang erfolgreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde eine Fülle von strafrechtlich, moralisch und ethisch bedenklichen Praktiken erst aufgedeckt, nämlich genau Praktiken, die an der Schnittstelle zwischen öffentlichen Unternehmen und Politik angesiedelt sind. (Abg. Mag. Kogler: Habt ihr ja gar nicht!) Da hat die Staatsanwaltschaft wirklich vieles aufgedeckt und daher weise ich den Vorwurf der Untätigkeit oder des unzureichenden Ermittelns wirklich auf das Entschiedenste zurück. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Mag. Kogler: Der Vorwurf von Transparency!)

Diese Aktivitäten der Staatsanwaltschaft sind natürlich zu einem Großteil darauf zurückzuführen, dass nun die Kronzeugenregelung das erste Mal zur Anwendung gelangt und durch diese Kronzeugenregelung der Staatsanwaltschaft ein Wissen zugänglich wurde, das ihr auf andere Weise wahrscheinlich nicht zugänglich geworden wäre. (Abg. Mag. Kogler: Gott sei Dank!)

Die derzeit laufenden Ermittlungen zeigen aber auch, dass das österreichische Korrup­tionsstrafrecht durchaus wirksam ist, aber wir müssen natürlich auch in diesem Bereich des Strafrechts immer wieder sehen, ob diese Straftatbestände noch immer mit den gesell­schaftlichen Entwicklungen Schritt halten oder ob es notwendig ist, Nach­besserungen, Aktualisierungen vorzunehmen. Dann müssten wir natürlich die ent­sprechenden Lücken schließen, die entsprechenden Maßnahmen setzen. Wir müssen aber auch gemeinsam dafür sorgen, dass Korruption bereits im Keim erstickt wird, denn Korruption ist ganz einfach Gift für unseren Rechtsstaat, und unser Rechtsstaat ist die Basis unserer Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir dürfen dabei natürlich auch eines nicht vergessen: Es geht auch um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Verwaltung. Gerade dieses Vertrauen ist unverzichtbar für eine funktionierende Demo­kratie. Daher bitte ich Sie, auch in Wahrnehmung unserer politischen Verantwortung für dieses Land, gemeinsam mit mir an einem Strang zu ziehen und wirklich alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um Korruption wirklich wirkungsvoll zu bekämpfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.05



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 50

Präsident Fritz Neugebauer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Europastunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


11.06.13

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich halte es für äußerst sinnvoll, dass es heute diese Aktuelle Europastunde genau zu diesem Thema gibt. Wir können natürlich auch einen Blick auf die EU selbst werfen: Wenn die Kommission zugibt, dass in ihrem Bereich der Korruptionsrahmen an die 120 Milliarden € ausmacht und in der EU selbst über 1,3 Milliarden € (Abg. Mag. Kogler: Alle Länder zusammen!), und OLAF – als eine der Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung, die da sehr erfolgreich tätig ist, auch schon 249 Millionen € rückerkämpft hat –, dann zeigt das, dass Korruption ein europäisches Phänomen ist und die EU das auch erkannt hat.

Wir hier im österreichischen Parlament haben ja vor, dass wir Unvereinbarkeits­rege­lungen beschließen wollen und dass wir eine Meldepflicht der Einkommen der Abge­ordneten beschließen werden – analog dem Deutschen Bundestag. (Abg. Mag. Kogler: Wann? Schon seit sieben Jahren!) Wir werden ein Lobbyismusgesetz, ein Lobbyis­tenregister beschließen, damit da endlich Transparenz vorherrscht. Wir werden Tran­sparenz natürlich auch bei der Frage der Parteispenden – wie das einer der Vorredner angesprochen hat – beschließen, und wir werden auch die Bestimmungen zum Anti-Korruptionsgesetz verschärfen.

Wir werden aber auch im Medienbereich einiges vorhaben und wir werden natürlich – wenn GRECO die Prüfberichte macht und die EU wieder auf Österreich schaut, so wie wir auf die EU schauen werden, denn das sollte man natürlich auch tun – auch ein Medientransparenzgesetz hier in diesem Haus beschließen wollen, damit dieses Thema Inserate, diese Debatte unter dem Stichwort Inseratenkorruption einer Rege­lung unterzogen wird. (Abg. Mag. Kogler: Richtig!)

Da möchte ich aber in diesem Zusammenhang schon eines sagen: Man diskutiert gerade darüber, dass jetzt die halbe Regierung der schwarz-blauen oder schwarz-orangen Zeit der Jahre 2000 bis 2007 im Fokus der öffentlichen Diskussion und Betrachtung steht (Abg. Vilimsky hält demonstrativ eine Zeitung mit der Überschrift „Rot in Not“ in die Höhe), und man redet über diese gigantischen Korruptionsvorwürfe gegen diese halbe Regierung (Zwischenrufe bei FPÖ, ÖVP und BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Es geht um Veruntreuung!), und jetzt wird zur Entlastung – Korruptionsvorwürfe Gorbach, Reichhold, Scheibner, Strasser, das ist alles ein Punkt, da können Sie noch so viel schreien, das war so – versucht, das Inserieren in Zeitungen wie „Krone“, „Heute“ oder „Österreich“ zu kriminalisieren. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das ist sehr durchschaubar und eigentlich ohne jeden Hintergrund. Das wissen Sie ganz genau. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe der Abgeordneten Steibl und Hornek.)

Wenn sich gerade derjenige, nämlich der Herr Huber, in die Öffentlichkeit stellt – aus welchen Motiven auch immer –, unter dessen Verantwortung 600 Millionen € damals, in der schwarz-blauen Zeit, in den ÖBB verspekuliert wurden, wenn sich gerade er heute herstellt und groß über Inseratenaufträge philosophiert, die ein weisungs­ungebundenes Organ der ÖBB zu vergeben hatte, dann verstehe ich, was der Hintergrund ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Strache und Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Ich sage Ihnen noch etwas, ich sehe noch einen anderen Hintergrund: Wir haben da eine marktwirtschaftliche Konkurrenzsituation, das wissen Sie ganz genau. Eine markt­


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wirtschaftliche Konkurrenzsituation zwischen den Gratiszeitungen auf der einen Seite, die von Inseraten abhängig sind, und auf der anderen Seite sind die anderen Zeitungen, die natürlich um Marktanteile, um Anteile bei den Inseraten, um Anteile bei den Lesern kämpfen. Das ist ja selbstverständlich! (Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Ing. Westenthaler: „Sieben Millionen für den Werner!“)

Schauen Sie, ich gehöre zu denjenigen, die dafür eintreten, dass es diese Titelvielfalt gibt, aber dann soll man, wenn sich in einem Organ Leute zusammensetzen und werben wollen, sagen: Wo werbe ich? Werbe ich in der größtmöglichen Zeitung mit dem größtmöglichen Leserkreis oder mache ich eine Medienförderung und werbe in der kleinsten Zeitung mit dem kleinen Leserkreis? (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Kopf: Wenn Sie es selber nicht wissen, fragen Sie den ...!)

Dann muss ich noch sagen: Die Verpflichtung der Mitglieder der Organe ist es eigentlich, die Mittel des Unternehmens möglichst effizient einzusetzen und den größt­möglichen Leserkreis zu wählen. Da sagen Sie, da sagen viele dazu: Nein, das ist eigentlich kriminell, das gehört untersucht. Da muss alles Mögliche getan werden, um das hier debattieren zu können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wissen Sie, das ist einer der Hintergründe. Wenn künftig, wie ich lese, der Rechnungs­hof in einer Kommission darüber entscheiden soll, ob noch Inserate vergeben werden oder eine Fraktion sagt, nur mehr in begründeten Fällen – wer das definiert, müssen Sie dann erklären –, oder wenn manche sagen, verbieten wir das Inserieren den Landesregierungen, Bundesregierungen, halb- oder ganzstaatlichen Unternehmungen überhaupt, dann laden Sie den Erwin Pröll in Ihre Klubsitzung einmal ein und fragen Sie ihn, was er dazu sagt als Landeshauptmann von Niederösterreich. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Vilimsky hält neuerlich eine Zeitung mit der Überschrift „Rot in Not“ in die Höhe.)

Oder laden Sie den Herrn Dörfler ein und hören Sie, was er dazu sagt. Der wird sich ja noch erinnern können, dass das BZÖ damals bei den öffentlichen Inseraten seiner Ministerien gleich das BZÖ-Sujet verwendet hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein paar Millionen für den Werner!) Das haben wir ja hier alles diskutiert, und zig Millionen sind damals ausgegeben worden. Das ist nicht unter dem Titel „Inseratenkorruption“ abgehandelt worden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Steibl.)

Also bitte, versuchen wir einmal, das wirklich so zu diskutieren, dass wir sehen, was die wirtschaftlichen Hintergründe sind – die sehe ich, das ist Wettbewerb. Ich muss Ihnen sagen, da bin ich ein Vertreter der Marktwirtschaft und nicht der Planwirtschaft; man sollte nicht mit den Mitteln der Politik jetzt eingreifen und die Inseratenverteilung planwirtschaftlich steuern – nein, Marktwirtschaft! Die Medien müssen sich am Markt bewähren. Das, glaube ich, ist ein Grundsatz, den man wirklich befolgen sollte. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei ÖVP und BZÖ.)

11.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Kopf. – Bitte.

 


11.11.40

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Also wenn der Klubobmann der SPÖ sich jetzt zum Retter der Marktwirtschaft aufschwingt, dann wird mir schwindelig, dann kriege ich Angst. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter.)

Aber das Thema, das vorher angesprochen wurde, ist ernst genug. Korruption ist in der Tat – und um das Wort Europa auch einmal zu verwenden in der Aktuellen Europastunde – in ganz Europa ein Riesenproblem. (Abg. Mag. Kogler: Das ist eh schon was Besonderes für die ÖVP!) Kollege Kogler, aber ob die Themenwahl in


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diesem neu geschaffenen oder vor nicht allzu langer Zeit neu geschaffenen Instrument der Aktuellen Europastunde jetzt gerade glücklich ist? – Es gäbe genug andere Gelegenheiten, um über die innenpolitische, tatsächlich ernste Situation im Umgang mit Korruption zu reden. (Abg. Mag. Kogler: Sie haben noch nicht einmal die Dokumente gelesen!)

Wir haben in Griechenland ein Riesenproblem, es steht nahe an der Pleite. Türkei/Israel: Da spitzt sich ein Konflikt zu, über den man außenpolitisch reden könnte. Ungarn schröpft unsere österreichischen Banken im Augenblick per Gesetz in einer unzulässigen Art und Weise. Tschechien will 15 neue Atomkraftwerke bauen. – Das wären Themen, die wir unter diesem Titel „Europa“ zu diskutieren hätten. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Das ist unglaublich!)

Aber gut, reden wir über die Korruption in Österreich. Das ist leider ein wirklich ernstes Kapitel. (Abg. Mag. Kogler: Sie blockieren jede Aufklärung, und die Kommission weist darauf hin!) – Sie hatten schon Ihre Gelegenheit zu reden, jetzt bin ich dran. In Österreich haben wir tatsächlich ein Problem mit Moral und Anstand. Dieses Problem muss gelöst werden, und zwar an der Schnittstelle von Politik und öffentlicher Wirtschaft, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Mag. Kogler.)

Das Problem und die konkreten Fälle müssen einerseits lückenlos aufgeklärt werden, ohne Ansehen der Person muss der Sachverhalt, muss alles auf den Tisch. Zum Zweiten brauchen wir auch neue Gesetze, strengere Gesetze, die letzten Endes diese Schnittstelle einmal säubern und bereinigen, ansonsten geht das in dieser Art und Weise weiter. Das schädigt nicht nur das Ansehen der Politik, das schädigt das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Österreich in einem Maße, wie wir es alle nicht wollen können. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe der Abgeordneten Riepl und Mag. Korun.)

Meine Damen und Herren, das Schlimmste an dem Ganzen ist, dass dieser Skandal inzwischen die oberste Spitze unserer Bundesregierung erreicht hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Cap, es ist nicht so, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, wie der Herr Staatssekretär Ostermayer vorgestern in der „Zeit im Bild 2“ gesagt hat, dass sich ein Vertreter des damaligen Verkehrsministers und heutigen Bundeskanzlers mit einem Staatsunternehmen zusammensetzt und mit ihm darüber redet – vornehm ausgedrückt „redet“, da gibt es andere Zeugenaussagen, die eher von Druck und Repression sprechen –, wie die Inseratentätigkeit dieses Unternehmens auszuschauen hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Grosz und Dr. Pirklhuber.)

Das hat dieses Unternehmen, das Management dort nach dem Aktienrecht selber zu verantworten, allenfalls noch dem Aufsichtsrat gegenüber zu verantworten, wenn es ein bestimmtes Volumen hat, aber mit Sicherheit nicht gegenüber dem Herrn Verkehrsminister. Das ist mit diesem nicht einmal zu besprechen! (Beifall bei ÖVP, BZÖ und FPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler.)

Das zeigt schon ein Verständnis, ein Amtsverständnis, das nicht meines ist und bei dem ich klar sagen muss: Das geht so nicht! Die Aussagen des Herrn Staatssekretär Ostermayer in der „Zeit im Bild 2“, die waren eine Offenbarung. (Abg. Ing. Westen­thaler: Das war ein Geständnis! Abg. Strache: Das war ja peinlich!) Darum habe ich gestern auch gesagt, eigentlich ist in dieser Frage nichts mehr zu untersuchen, weil es ja ein Geständnis gibt. Es gibt ein klares Eingeständnis dessen, dass diese Einflussnahme stattgefunden hat. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und BZÖ. Zwischenrufe der Abg. Dr. Moser.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 53

Meine gestrige Aussage umzuinterpretieren, ich sei gegen eine Untersuchung in diesem Fall, das ist unzulässig. Das habe ich gestern auch nicht gesagt. (Abg. Mag. Kogler: Her mit dem Untersuchungsausschuss!) Ein Letztes: Ich erwarte mir in dieser wirklich kritischen Situation und bei dieser ganz kritischen Angelegenheit, sobald der Herr Bundeskanzler von seiner Auslandsreise zurück ist, dass er hier gegenüber diesem Hohen Haus eine saubere Erklärung über diese ganzen Vorwürfe abgibt, die ihn als damaligen Verkehrsminister betreffen – denn so können wir diese Dinge mit Sicherheit nicht im Raum stehen lassen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

11.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vilimsky. – Bitte.

 


11.16.57

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte eingangs fest: Österreich ist Mitglied der Europäischen Union, genauso wie die benachbarte Bundesrepublik Deutschland Mitglied der Europäischen Union ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wer heute in die internationale Berichterstattung schaut, erkennt, dass Ihr Inseraten­korruptionsfall weit über die Alpenrepublik Österreich hinausgegangen ist und Thema einer sehr kritischen Berichterstattung ist. „Mit der Bahn ins Kanzleramt“. Große Bild­berichte über Ihren Vorsitzenden, der, wie man jetzt den Zeitungen entnehmen kann, 7 Millionen für sich und seine Inseratenzwecke dem Steuerzahler und der Bundesbahn vorenthalten hat. Das ist Thema, und ich lasse es mir als frei gewählter Mandatar mit Sicherheit nicht nehmen, heute in einer Korruptionsdebatte auch darauf hinzuweisen. (Beifall bei der FPÖ.)

„Sieben Millionen für den Werner“. – Das ist jetzt nicht meine hemdsärmelige Formu­lierung, sondern das ist aus dem Einvernahmeprotokoll des früheren ÖBB-Chefs Huber, der zu Protokoll gegeben hat, dass Faymann auf ihn Druck ausgeübt haben soll, dass 7 Millionen dem Steuerzahler vorenthalten werden sollen und dass 7 Millio­nen der Bundesbahn vorenthalten werden sollen, um für Ihre Zwecke zu inserieren. Ja, genau das ist es! (Beifall bei der FPÖ.  Abg. Heinzl: Geh hör auf!)

Eines sage ich Ihnen auch: 400 000 € für den Herbert Scheibner, die sind nichts, aber 7 Millionen € für Ihren Werner, die sind auf einmal nicht untersuchungswürdig?! (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Heinzl.)

Hören Sie auf! Sie sitzen so etwas von tief drinnen in dem Korruptionsskandal. „Rot in Not“, das ist heute Thema auf allen Titelseiten. Da werden Sie mit Sicherheit nicht herauskommen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen eines: Das Ganze geht weiter. Meine Sachverhaltsdarstellung hat das Ganze ins Rollen gebracht, und ich danke dem Staatsanwalt, dass er ausreichend Mut gehabt hat, das auch zu untersuchen und zu ermitteln. (Abg. Heinzl: Wer war der Minister, der ...?! Der Gorbach war das!) Und es wird eine zweite Sach­verhaltsdarstellung von mir zu diesem Thema geben.

Im Jahre 2007, als der Infrastrukturminister Faymann hieß und eine EU-Verordnung umzusetzen war, hat er die Weichen dafür gestellt, dass der Bund in Form der Schieneninfrastrukturgesellschaft einen Vertrag mit den ÖBB abschließt, wonach ein Mehrerlös von 2 Milliarden für die ÖBB zu erzielen sein wird, und das auch im Bericht des Schienenregulators festgehalten wird. Sie sitzen bis über beide Ohren im Korrup­tions­skandal drinnen. Das ist kein blauer Skandal! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 54

Niemand von uns hat auch nur irgendetwas damit zu tun. Sie werden keinen einzigen Namen eines FPÖ-Mitgliedes finden, das auch nur am Rande irgendetwas damit zu tun hat!

Und jetzt lesen wir, auch die ASFINAG sei Teil Ihrer erpresserischen Methoden gegenüber den Tageszeitungen und den öffentlichen Unternehmen. Das ist schäbig – und das wird auch dementsprechend aufzuklären sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich danke Herrn Klubobmann Kopf, der gesagt hat: Auch für die ÖVP ist das ein untersuchungswürdiger Gegenstand! Nicht, dass das in einem Kuhhandel untergeht. Ganz im Gegenteil! (Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Ihr Parteivorsitzender hat inserieren lassen. Sie fragen – Faymann antwortet. Ich sage Ihnen eines: Dass Sie fragen und Faymann antwortet, das wird in einem Unter­suchungsausschuss Thema sein, wo Herr Bundeskanzler Faymann Rede und Antwort zu stehen haben wird! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Heinzl: ... Gorbach!)

Folgendes werden wir auch untersuchen: Der Herr ÖBB-Chef Kern, der ja kein parteipolitisch Unbefleckter ist und in der Zeit Kostelka im Kabinett war, war im Klub der SPÖ über viele Jahre Pressesprecher – und jetzt auf einmal sind die Protokolle komplett andere! Da gibt es mutige Leute, die über AustroLeaks den Tageszeitungen Informationen zur Verfügung stellen, dass genau diese erpresserischen Methoden durch Sie, durch die SPÖ stattgefunden haben.

Und jetzt frage ich Sie eines: Wer wird da lügen – sind es die Tageszeitungen (Abg. Heinzl: Nein, Sie!), die diese Protokolle ordentlich publizieren, oder ist es vielleicht im roten Dunstkreis der ÖBB, wo man das vertuschen möchte?

Auch diese Beweismittelfälschung wird Thema in einem Untersuchungsausschuss sein müssen, und das werden Sie nicht verhindern können. Da können Sie wie das Rumpelstilzchen hüpfen, das ist mir völlig egal. (Abg. Heinzl: Ich sitze sehr gemütlich!) Sie sind hier in der Ziehung! Sie stecken bis über beide Ohren im Korruptionsskandal. Und die FPÖ wird heute einen Untersuchungsausschuss dazu beantragen, Herr Klub­obmann Cap, und das nicht so langsam angehen, nämlich erst am 28. September darüber reden. (Beifall bei der FPÖ.)

Setzen wir uns heute zusammen, definieren wir jetzt ohne irgendwelche Vorbehalte im Großen und Ganzen die Untersuchungsgegenstände und misten wir diesen Saustall ordentlich aus, indem wir das alles aufklären!

Meine Damen und Herren, es ist doch unglaublich, was da ins Rollen gekommen ist. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Ich danke der Öffentlichkeit, den Medien und dem Staatsanwalt für diese mutige Aufklärungsarbeit.

Herr Klubobmann Cap, wirken Sie bitte auf Ihre eigenen Leute ein, um diesen gigan­tischen Korruptionsskandal, der nicht von uns konstruiert wurde, sondern Gegenstand internationaler Berichterstattung ist, mit Mut, Ehrlichkeit und Anstand, und zwar mit parlamentarischem Anstand aufklären zu können! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.22


Präsident Fritz Neugebauer: Wenn ein Thema mit dem Begriff „Korruption“ beginnt, dann ist die Gefahr der generellen Vorwürfe sehr groß. Und, Herr Kollege, auch der Ausdruck „Saustall“ muss nicht sein. (Abg. Vilimsky: Der gehört ausgemistet!)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


11.22.47

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren hier und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Ja, europäische


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 55

Problematik ist auch die Korruptionsproblematik. Frau Ministerin, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie jetzt all diese Nachholnotwendigkeiten, die wir in Österreich haben, auf Ihre Agenda setzen beziehungsweise in Ihr Programm aufnehmen. Nur: Was hilft uns das jetzt momentan beim Aufarbeiten? Ich höre vom Herrn Klubobmann Cap: Wir wollen! Wir werden! Ich höre von der ÖVP: Es muss gelöst werden! – Das sind wieder lauter Ansagen für die Zukunft.

Und wenn ich jetzt auf die Mitteilung der Europäischen Kommission an das Euro­päische Parlament zurückkomme, die praktisch der Kern der Debatte „Korruptions­bekämpfung in der EU“ ist, dann darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Kommission die Mitgliedstaaten, die nationalen Parlamente, also uns, und das Euro­päische Parlament aufruft, für mehr Transparenz und eine effiziente Überwachung der Finanzierung von politischen Parteien zu sorgen.

Da sind wir wieder beim Kernpunkt, nämlich mehr Transparenz betreffend die Finan­zierung von politischen Parteien und sonstigen Interessengruppen zu ermög­lichen. Bitte, da sind wir genau dort, wo Sie wieder blockieren und hinauszögern. Wir haben es ja gehört: Im Mai waren Verhandlungen anberaumt, und jetzt ist schon der 21. Sep­tember.

Die Frau Bundesministerin hat eine ganze Liste von Vorhaben aufgezählt, die schon in der Vergangenheit hätten angegangen werden müssen. Wir haben ja selber eine Verschärfung beim Anfüttern für Abgeordnete gehabt. 2009 ist das alles wieder aus dem Gesetz herausgestrichen worden. Wir sind massiv im Vollzugsdefizit gegenüber dem, was europäischer Standard sein sollte und teilweise auch europäischer Standard bei unseren Nachbarstaaten ist.

Daher können wir ja in den internationalen Medien, vor allem auch in den deutschen Medien, wie zum Beispiel in der „Süddeutschen Zeitung“, immer wieder eine scharfe Kritik an den österreichischen Zuständen lesen, die ja nicht erst heute publik werden – ich verweise auf die Inseratengeschichte –, sondern die Ihnen allen seit dem Jahr 2008 über Faksimile-Abdrucke – der Auftrag von Verkehrsminister Faymann an die ASFINAG, zu inserieren, war Gegenstand einer meiner parlamentarischen Anfragen – bekannt sind. Da hat sich niemand aufgeregt! Da habe ich Dokumente vorgelegt, und da hat der Herr Verkehrsminister geantwortet: Ja, es werden Gespräche geführt! Er hat es gar nicht in Abrede gestellt. Doch da hat sich niemand aufgeregt. Aber jetzt auf einmal ist es ein Megathema.

Ich bin ja froh darüber, dass Sie sich jetzt endlich einmal darum kümmern und erkennen, dass es notwendig ist, die Finanzquellen der Parteien genauer darzulegen. Wir sind ja immer wieder Zeugen im Rechnungshofausschuss, wo der Herr Präsident relativ machtlos, relativ tatenlos einfach nur mitteilt: Ja, ich habe die Mitteilungen der Parteien entgegengenommen, aus welchen Quellen sie sich speisen, aber leider kann ich sie Ihnen nicht zur Verfügung stellen, leider kann ich sie auch der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stellen!

Da sind wir genau dort, wo die Europäische Kommission uns fordert, nämlich bei der Transparenzfrage, beim Kern der Anti-Korruptionsmaßnahmen, der Korruptionsbe­kämpfung! Es geht um Transparenz!

Und jetzt ein Vorschlag, den auch mein Kollege Van der Bellen mir gegenüber geäußert hat: Bitte, in Zukunft bei jedem Regierungsinserat, bei jedem ÖBB-Inserat, bei jedem ASFINAG-Inserat dazuzuschreiben, wie viel das kostet und woraus das finanziert wird! (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.) Dann werden sich nämlich die Leserinnen und Leser ein gutes Bild davon machen können, mit welchen Mitteln das Füllhorn gefüllt wird. Das wäre zum Beispiel ein Schritt, der relativ pragmatisch ist.


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Und da es heißt: Schädigung des Wirtschaftsstandortes! – Ja, tun Sie doch etwas dagegen! Immer nur Ankündigungen!

Heute werden wir wieder die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen diskutieren, wo es darum gehen soll, aufzuklären und auch Konsequenzen zu entwickeln. Diese Aufklärung und die Transparenzfrage und auch die gesetzlichen Konsequenzen sind auch Kern des Anliegens der Europäischen Kommission. Aber Sie werden heute Nachmittag – und das garantiere ich Ihnen, da gehe ich jede Wette ein! – das alles wieder ablehnen, wozu Sie jetzt in der Europastunde am Vormittag sagen: Ja, wir werden und wollen!

Bitte, am Nachmittag sollen Sie tun und wollen, nämlich dann, wenn es um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geht (demonstrativer Beifall bei den Grünen), der unseres Erachtens aufgrund der Breite der Korruptionspalette in Österreich – bei Schwarz-Blau fünf Minister: Grasser, Reichhold, Gorbach und dann noch zwei, nämlich Strasser und  (Abg. Dr. Matznetter: Scheibner!) Vielleicht habe ich sogar noch jemanden vergessen, ich kann ja nachschauen.

Das ist der Kern der Ermittlungen – aber es geht nichts weiter! (Ruf bei der SPÖ: Van der Bellen haben Sie vergessen! – Abg. Ing. Westenthaler: Faymann haben Sie auch vergessen!) Nein, ich rede von Ministern! Und da geht nichts weiter: bei der Telekom-Angelegenheit zum Beispiel. Die BUWOG-Angelegenheit wollen Sie jetzt wieder im Kuhhandel abtauschen gegen Behördenfunk „Tetron“ oder gegen die Inseratenfrage.

Machen wir einen großen Anti-Korruptionsausschuss! Kommen wir den Anliegen der EU-Kommission nach und arbeiten wir systematisch, Schritt für Schritt, gut untergliedert diese Vorfälle auf! Und da hat sicherlich auch die Inseraten-Causa Platz, denn so etwas, bitte, gehört jenseits der strafrechtlichen Agenda sicherlich auf die politische Tagesordnung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


11.28.55

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal ist zu sagen: Das hier ist keine „Aktuelle Europastunde“! Das sei den Damen und Herren von der grünen Fraktion gesagt. Die ist damit tot, die ist damit erledigt. Ich hätte mich vielmehr dafür interessiert, von euch zu erfahren, wieso ihr die Zweidrittel­mehrheit zur Verfügung stellt für die Milliarden, die wir jetzt wieder in Griechenland versenken sollen. Das hätte ich gern einmal erklärt.

Das erklärt einmal der österreichischen Öffentlichkeit! (Demonstrativer Beifall beim BZÖ.) Aber darüber werden wir mit euch heute Nachmittag diskutieren, denn wir werden das mit einer Dringlichen Anfrage klären.

Herr Kollege Van der Bellen ist bis heute, bis zur Stunde schuldig geblieben zu erklären, wieso er sein Mandat für 210 000 € pro Jahr in Wien verhökern konnte. Das wäre eine Erklärung gewesen, die ich mir erwartet hätte! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Frau Bundesminister, ich höre Ihre Botschaft, dass Sie Korruption bekämpfen wollen, wohl, aber ich erinnere daran, dass Sie auch ein Glaubwürdigkeitsdefizit haben, und ich muss sagen: Das alles glaube ich Ihnen erst dann, wenn Sie gutmachen, dass Sie seinerzeit mitgestimmt haben, als der Untersuchungsausschuss, in dem wir den Telekom-Deal aufklären wollten, abgewürgt wurde. Mit Ihrer Stimme, Frau Bun­desminister, haben Sie damals geholfen, diese Aufklärung im Untersuchungsaus­schuss abzuwürgen, mit der wir heute schon viel weiter wären.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 57

Frau Bundesministerin, Ihre Glaubwürdigkeit wird getestet werden am Fall der Be­schuldigten Werner Faymann und Dr. Josef Ostermayer, denn – und da hat Kollege Kopf recht – dieser Auftritt in der „ZiB 2“ war ein einziges Geständnis! So kann man seine eigene Mittäterschaft auch eingestehen. (Abg. Dr. Matznetter:... beim Herrn Scheibner!)

Das ist etwas anderes, Herr Kollege Matznetter! 7 Millionen € Steuergeld sind über eine Bestimmungstäterschaft Ihres Staatssekretärs Ostermayer zugunsten des Bundeskanzlers Werner Faymann geflossen. 7 Millionen €! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Nicht herumdoktern und herumdeuteln! 7 Millionen € Steuer­geld, weil das Ihr Herr Staatssekretär Ostermayer verlangt hat. Das ist etwas ganz anderes als beim Kollegen Scheibner! Das erkläre ich Ihnen gleich einmal. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Sie wollen kaschieren, dass Ihre Staatssekretäre und Ihr Bundeskanzler die Unver­schämtheit besitzen, bei einem staatlichen Betrieb, der vom Steuerzahler und von Subventionen lebt, Inserate für Ihren Bundeskanzler und Parteivorsitzenden zu bestel­len, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Demonstrativer Beifall beim BZÖ.)

Das ist ein Gradmesser fürs Schämen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Sie sollten schweigen! Die Frau Präsidentin hat wenigstens gesagt, das werden wir jetzt ändern, da werden wir jetzt ein Gesetz machen. Aber der Herr Staatssekretär außer Dienst brüllt da herunter, wahrscheinlich hat er Ähnliches auch zu verantworten gehabt. Schauen wir uns einmal seine Staatssekretärstätigkeit an! (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Sie sollten schweigen und nicht mit dem langen Finger auf andere zeigen! – Ich wiederhole: 7 Millionen € Steuergeld verschleudert für eine Inseratenkampagne für den Parteivorsitzenden der SPÖ, meine Damen und Herren!

Und dann hat Kollege Cap – wo ist er jetzt? – noch den Mut, hier herauszukommen und zu sagen: Die Korruptionisten wie der Herbert Scheibner! – Ich weise diese Nieder­trächtigkeit ganz entschieden zurück! (Beifall beim BZÖ. – Anhaltende Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Scheibner hat nicht einen einzigen Euro Steuergeld in Anspruch genommen. (Abg. Dr. Matznetter: ... kassiert!) Sagen Sie, welchen! Kommen Sie heraus und sagen Sie, welchen! (Abg. Dr. Matznetter: ... Eurofighter!) Kommen Sie heraus und sagen Sie, welchen Euro Steuergeld der Kollege Scheibner in Anspruch genommen hat! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Kommen Sie heraus und führen Sie den Beweis! Das, was der Kollege Scheibner gemacht hat, ist lächerlich im Vergleich zu den 7 Millionen €, die Ihr Bundeskanzler aus einem Staatsbetrieb heraus­gepresst hat. (Beifall beim BZÖ.)

Ich bedauere, dass der Peter Pilz jetzt nicht hier ist, denn aus folgendem Vorgang einen Korruptionsfall zu machen, ist ja wirklich grotesk. Also: Acht Jahre nach der Typenentscheidung soll der Herbert Scheibner angeblich bei einer Tochtergesellschaft von Eurofighter 60 000 € dafür verlangt haben, dass er ein Milliardengeschäft ermöglicht hat. Also so einen Blödsinn habe ich überhaupt noch nie gehört! Und die Hälfte davon soll er dann noch als Steuergeld abliefern, so dass ihm 30 000 übrig bleiben. Also wenn das der Korruptionist Scheibner ist – nicht einmal Steuergeld, nebenbei gesagt! –, dann gehört der Korruptionist Scheibner wegen 30 000 € besachwaltet. Und dazu kommt ja noch, dass das über eine österreichische schwarze Bank abgewickelt wurde.

Übrigens, Herr Kollege Kopf, über diese schwarze Bank werden wir noch extra reden müssen. Wenn Raiffeisen glaubt, die ÖVP entlasten zu können, indem sie ein Konto


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von einem Kunden offenlegt – das ist nicht von dir bestellt worden; die Raiffeisen-Mafia aus Niederösterreich weiß schon, was sie tut –, also wenn man ein Konto eines Kunden nur deswegen der Öffentlichkeit preisgibt, um damit Politik machen zu können, und glaubt, der ÖVP damit einen Dienst zu erweisen, dann kann ich alle Zuseherinnen und Zuseher nur warnen, dort ein Konto zu haben, meine Damen und Herren! (Demonstrativer Beifall und Bravorufe beim BZÖ.) Ich kann alle nur warnen, dort ein Konto zu haben! Ich habe Gott sei Dank kein Konto dort.

Wenn eine Bank – Herr Kollege Maier!; wo ist er jetzt?; wo sind all die Raiffeisen-Lobbyisten: Maier, Auer? –, also wenn eine Bank mutwillig Kontodaten nur deswegen weitergibt, weil sie damit Politik machen will, dann ist das eine Unverschämtheit, meine Damen und Herren, dann gehört vor dieser Bank gewarnt!

Ich warne ausdrücklich vor einer Kontoinhabung bei Raiffeisen. Wir werden das heute noch mehrfach diskutieren, verlassen Sie sich darauf! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sofort alle Konten auflösen!)

11.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


11.34.34

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Abgeordneter Stadler, auch mit dem lautesten Gebrüll kann man die „Eurofighter-Causa Scheibner“ nicht übertönen. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

Hohes Haus! GRECO, der Europarat, wird im Jahr 2012 einen Bericht über die Situation in Österreich legen. Es geht dabei in erster Linie um zwei Fragen, nämlich: Wie schaut es aus mit den Parteispenden in Österreich? Wie schaut es aus mit Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung?

Ich war es, meine Damen und Herren, der in dieser Hinsicht eine Initiative gesetzt hat, und wir haben im Kreis der Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer verhandelt und Folgendes beschlossen: In Zukunft sollen Spenden über 7 000 € auf der Homepage des Parlaments und des Rechnungshofs veröffentlicht werden. Es wird ein Stückelungs- und Umgehungsverbot und harte Sanktionen beim Zuwiderhandeln geben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Das ist schon fertig, und, Kollege Kogler, das werden wir demnächst beschließen. (Abg. Mag. Kogler: Seit einem Jahr sollten wir das haben! SPÖ und ÖVP blockieren!)

Bei der Korruptionsbekämpfung geht auch einiges weiter – nicht in allen Fällen, Frau Ministerin, in einigen Fällen! –, es wird jetzt etwas forscher ermittelt. Es gibt Konto­öffnungen, Hausdurchsuchungen und so weiter.

Aber das ist jetzt eine „Aktuelle Europastunde“, also schauen wir nach Europa! Korrup­tion mit österreichischer Beteiligung: Warum sind wir im Index von Platz 12 auf Platz 15 zurückgefallen, was die Korruption anlangt?

Na ja, Mensdorff-Pouilly: Meine Damen und Herren, wie viele kriminelle Verwicklungen muss man eigentlich kennen, bei wie vielen Verbrechen muss man eigentlich Mitwisser oder Mittäter sein, wenn EADS 288 Millionen € hinlegt, um bei den britischen Behörden Schweigen zu erzielen?

Ein einfacher Bauer? – Ich wundere mich, warum dieser Mann in Österreich noch auf freiem Fuß ist, Frau Ministerin! Und für sieben Tage U-Haft 430 000 €? Also da fragt sich die Bevölkerung, da fragen sich die Arbeiter, die kleinen Angestellten, die kleinen Gewerbetreibenden, die diese Summe in ihrem ganzen Leben nicht ersparen können, schon: Was ist denn das für ein System? Versteht das irgendjemand noch?


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Also auch da gibt es wirklich Aufgaben für GRECO und international. Ich treffe immer wieder Leute, die sagen: Das will ich auch machen, mich eine Woche auf die faule Haut legen und dafür 430 000 € abkassieren!

Oder: Grasser, die internationalen Verflechtungen mit seiner Stiftungs- und Firmen­konstruktion. – Wir wollen endlich wissen, was da los ist. Es ist schwierig, das von Liechtenstein zu bekommen. Die wehren sich dort erbittert gegen jegliche Information. Wir wollen wissen, wie viel Vermögen der Herr Grasser in der schwarz-blauen Regierung, bei den Skandalen BUWOG, Eurofighter, Hypo Alpe-Adria und Telekom, angesammelt hat. (Abg. Strache: ... BAWAG!)

Weil Sie hereinkeppeln, Herr Strache: Was ist mit Scheuch, Ihrem Spezi? – Wir wollen auch einmal den mutmaßlichen Versicherungsbetrug aufklären, was das Verschwinden seines BMW in Ungarn betrifft. (Beifall bei der SPÖ.) Da hat man sich außergerichtlich geeinigt? Na, was ist denn das, was heißt denn das? Was gibt es denn da für Begleit­umstände, meine Damen und Herren von der FPÖ?

Oder: Strasser. – Der hat für Österreich natürlich auch den Korruptionsindex nach unten beschleunigt. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: ... Werner Faymann!) Strasser war österreichischer Delegationsleiter der ÖVP, Spitzenkandidat der ÖVP, ehemaliger ÖVP-Innenminister – und er hat dann Europa und weltweit vorgeführt, wie politische Korruption und politische Prostitution funktioniert. Unglaublich! Da fehlt auch noch, meine Damen und Herren von der ÖVP, Aufklärung.

Na wie war denn das damals mit der Strasser-Wahlwerbung bei der EU-Wahl? Ist das korrekt gewesen, meine Damen und Herren von der ÖVP? – Vom Steuerzahler bezahlt: da die offizielle Benachrichtigung des Innenministeriums, der höchsten Wahl­behörde, und hier, meine Damen und Herren, ÖVP-Wahlwerbung! Ich glaube, es sieht wirklich jede/jeder, dass das offenbar zusammengehört. Na was ist denn das? Amtsmissbrauch? Anstiftung zum Amtsmissbrauch? Ich werde Ihnen etwas sagen: Ich habe das bereits am 1. Juni 2009 zur Anzeige gebracht, Frau Ministerin. Mehr als zwei Jahre ist diesbezüglich nichts geschehen. Ich verlange, dass da einmal gefälligst Anklage erhoben wird, denn der Augenscheinsbeweis ist ja geführt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: Das Parlament verlangt von der Staatsanwaltschaft?!)

Jetzt aber noch kurz zum Inseratenthema. – Meine Damen und Herren, der Herr Martin Huber ist jetzt der große Aufdecker – der Herr Huber, der bei den ÖBB wegen der Grundstücksgeschäfte seiner Gattin hinausgeflogen ist – meine Damen und Herren von der ÖVP, jetzt bitte Aufmerksamkeit! –; der Herr Huber, der bei der Landtags­wahl 2005 als Wahlhelfer der ÖVP mit der Frau Klasnic mit ÖBB-Geld inseriert hat; der Herr Huber, der einen Wahlkampf für den Herrn Bundeskanzler Schüssel seinerzeit über ÖBB-Gelder gestaltet hat; der Herr Huber, der dafür gesorgt hat, dass in jeder Fahrzeuggarnitur die ÖVP-Pamphlete gelegen sind?! – Also der Herr Huber, meine Damen und Herren, ist kein glaubwürdiger Ankläger der SPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich empfehle übrigens der ÖVP und vielen anderen die Lektüre „Lukas-Evangelium: Kapitel 18 Vers 11“. Da geht es nämlich um die Pharisäer! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

11.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. – Bitte.

 


11.40.01

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Ausführungen meiner


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 60

Vorredner muten natürlich schon wie klassische Ablenkungsmanöver an. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Werter Herr Kollege Kräuter, wenn plötzlich derjenige, der unter Wahrheitspflicht eine Aussage macht, bei Ihnen zum Schuldigen avanciert, dann ist das nichts anderes als der Versuch einer Ablenkung, und zwar ein untauglicher Versuch. (Beifall bei der ÖVP.) Ermittlungen haben die Strafverfolgungsbehörden zu machen, und die Gerichte haben die rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen – und sicher nicht Sie von diesem Rednerpult aus! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber auch beim Kollegen Stadler orte ich so ein Ablenkungsmanöver. Wenn er plötzlich Raiffeisen als kontoführendes Institut dafür verantwortlich macht, dass es seiner gesetzlichen Verpflichtung, Verdachtsmeldungen in Geldwäschefällen abzuge­ben, nachkommt (Abg. Bucher: ... ein ORF-Interview auch noch geben!), dann ist das kein Beitrag gegen Korruption, sondern ebenfalls solch ein Ablenkungsmanöver und der Versuch, von offensichtlichem Fehlverhalten abzulenken. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bucher: Das ist kein Ablenkungsmanöver!)

Das spricht, meine sehr geehrten Damen und Herren vom BZÖ, wirklich nicht für die vermeintlich saubere Weste und das reine Gewissen vom Herrn Kollegen Scheibner, wenn man so ein Ablenkungsmanöver notwendig hat. (Abg. Bucher: Das ist ja keine Ablenkung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute eine Aktuelle Euro­pastunde, und es wurde ja schon mehrmals betont, dass die Bekämpfung und Vermeidung von Korruption auch innerhalb der Europäischen Union ein wichtiges Anliegen ist und erst vor wenigen Tagen im Europäischen Parlament ein ent­sprechender Entschließungsantrag mit gemeinsamen Anstrengungen und Bemühun­gen zur Korruptionsbekämpfung behandelt und beschlossen worden ist. Das ist wichtig, auch für Österreich. Wir bekennen uns dazu, auch die Österreichische Volks­partei bekennt sich dazu, die geeigneten Maßnahmen gegen Korruption zu setzen.

Aber auch ein klares Wort, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Situation in Österreich: An den in den letzten Wochen und Monaten bekannt gewordenen Einzelfällen ist ja nicht zu rütteln. Die sind auch kompromisslos aufzuklären, ohne Ansehen der Person und der Parteien, sie sind ohne Ausnahme zu verfolgen und dann entsprechend zu bestrafen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Und natürlich ist auch jede ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) – Ja, werter Kolle­ge Kogler, das gilt auch für die Grünen! Es ist auch jede Partei aufgerufen, die entsprechenden politischen Konsequenzen daraus zu ziehen. (Abg. Dr. Moser: Wir haben ja schon längst alles offengelegt!) Die Österreichische Volkspartei hat das getan, bei anderen Parteien fehlen uns noch die entsprechenden Konsequenzen. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Sind Sie schon völlig durchgeknallt? Es braucht einmal einen Skandal! Von dem haben Sie ja genug!)

Aber bei all den Einzelfällen, die publik geworden sind und die natürlich, wie gesagt, zu bekämpfen sind, möchte ich auch eines ganz klar sagen, weil es, glaube ich, wichtig ist – wichtig für viele ehrliche und anständige Bürgerinnen und Bürger, für viele Menschen, die sich engagieren, die sich auch politisch und auf allen Ebenen, nämlich auf Gemeindeebene, auf Landes- und auf Bundesebene engagieren –: Österreich ist keine korrupte Republik, meine sehr verehrten Damen und Herren (Abg. Mag. Kogler: Aber eine Oase!), auch das soll einmal ganz klar und offen ausgesprochen werden. Für diese Annahme gibt es keinen Anlass, und auch der Korruptionsindex, der ja von Transparency International erstellt wird, reiht Österreich unter die vordersten, das heißt


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unter die besten Länder, was die Bekämpfung und Vermeidung von Korruption betrifft, ein. (Abg. Mag. Kogler: Das ist ja unglaublich!)

Wir haben den 15. Platz von 178 Ländern in der Welt (Abg. Mag. Kogler: Entschul­digung, wir fallen ständig zurück!) und sind unter den ersten zehn in der Europäischen Union. Das heißt, zu solch einer pauschalen Verurteilung und Verdächtigung, meine sehr verehrten Damen und Herren, besteht wirklich kein Anlass. (Abg. Mag. Kogler: Nein, wir machen so weiter wie bisher! Es gibt keine Skandale!)

Trotzdem ist es wichtig – und das möchte ich nicht verhehlen , die notwendigen Maßnahmen, die sich jetzt auch zeigen, natürlich zu setzen. Sehr geehrter Herr Kollege Kogler, wir haben ja in den letzten Wochen solche Maßnahmen sehr intensiv diskutiert, und wir stehen auch für diese Maßnahmen ganz klar zur Verfügung.

Es ist wichtig, dabei folgende Stichworte oder Bereiche im Fokus zu behalten: erstens Transparenz, zweitens klare Regeln und Rahmenbedingungen und drittens eine kompromisslose Aufklärung und Bestrafung krimineller Handlungen. Was heißt das jetzt für die einzelnen Materien und für notwendige Maßnahmen?

Erstens, zur Transparenz: Es wurde schon betont, dass es die Vorlage eines Medien­transparenzgesetzes gibt. Das liegt vor und wurde begutachtet. Das könnten wir also wirklich in den nächsten Tagen und Wochen abschließen und auch hier in diesem Hohen Haus beschließen und umsetzen.

Es gibt einen Verhandlungsgegenstand, der die Transparenz von Zuwendungen, Nebeneinkünften von Abgeordneten betrifft. Auch da sind wir schon sehr weit in den Verhandlungen und werden das in den nächsten Wochen abschließen können.

Es geht um die Transparenz von Parteispenden, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber nicht nur von Parteispenden, es geht auch darum, dass in eine solche Betrachtung, in eine solche Regelung parteinahe Unternehmen auch mit einbezogen werden  damit es nicht so ist, wie es durchaus bei der SPÖ Wien gang und gäbe ist, nämlich dass durch parteinahe Unternehmen, die von öffentlicher Hand entsprechende Aufträge erhalten, wieder der Partei Gewinne zufließen. Auch das soll Gegenstand dieser Transparenz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Und es braucht auch im Bereich des Lobbying-Registers Transparenz. Dazu gibt es ja auch schon einen Gesetzesvorschlag, der vor der Umsetzung steht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir weg von gegenseitiger Schuld­zuweisung, gehen wir hin zu konstruktiven Verhandlungen! Wir stehen dafür  auch in den nächsten Tagen, so wie in den letzten Wochen  zur Verfügung, die notwendigen Maßnahmen zu schaffen und auch auf diesem Gebiet besser zu werden. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


11.45.31

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Donnerbauer! Alles, was Sie sagen, kann man natürlich unterschreiben – das sagen wir aber seit Jahren, und das bedeutet nicht, dass sich etwas ändert. Dazu brauchen wir auch keine Berichte der EU-Kommission, weder an Österreich noch an die anderen Länder. Das sind Dinge, die selbstver­ständlich sind, die eigentlich jeder weiß, der sich auch nur mit einem abgeschlossenen Jus-Studium mit der Materie beschäftigt. Das sind keine komplexen Sachverhalte, das sind Dinge, die auf der Hand liegen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 62

Dieser Bericht der Kommission, den Sie auch wieder genannt haben, um vielleicht auch ein paar europapolitische Ausführungen zu machen, kommt ja auch von den Richtigen. Die geben zwar viele gute Tipps, diese werden aber in der EU-Kommission und im gesamten Apparat der EU überhaupt nicht angewandt, denn die EU ist ja ein Organismus, der geradezu zu korrupten Praktiken einlädt.

Was tut die EU mit dem Geld? – Sie verwaltet sich mit einem Viertel selbst, und drei Viertel vergibt sie als Subventionen. Das ist alles; weitere Leistungen werden dort nicht erbracht. Das liegt im Wesen einer solchen überstaatlichen Natur. Dass da die Versuchung, etwas abzuzweigen, mitzunaschen und zu profitieren blüht, ist klar. Noch dazu, wenn ich mir die Struktur der Mitgliedsländer anschaue.

Haben Sie in den letzten Jahren etwas von Korruptionsskandalen in der EU, in der Kommission gehört? – Nichts mehr! Seit den großen Fällen der Jahre 2007, 2008 – Schweigen. Wenn Sie sich den Bericht der OLAF, also der EU-Betrugsbehörde, durchlesen – übrigens ist der letzte, den Sie im Internet finden, aus dem Jahr 2009, also auch nicht ganz aktuell –, dann finden Sie darin gar nichts außer guten Tipps, was man gegen die Korruption machen kann. Sie müssen also auf die Belletristik oder auf Sachbücher zurückgreifen. Ich empfehle Ihnen zum Beispiel – wie heißt es? – „Brüsseler Spritzen“, ja, sehr interessant. „Brüsseler Spritzen“ – nicht Spitzen, sondern Spritzen – von Jeanne Rubner, mit dem Untertitel „Korruption, Lobbyismus und die Finanzen der EU“. Ein dicker Wälzer, darin haben Sie das alles aufgeführt.

Lassen wir uns also nicht von der EU oder von der Kommission belehren, was wir zu tun haben, sondern tun wir es selbst! Die Frau Ministerin hat ja auch vollkommen richtig gesagt, was zu tun wäre. Ich darf aber einiges hinzufügen.

Damit die Korruptionsbekämpfung bei uns funktionieren kann, müssen erstens einmal die Justiz und die Korruptionsbekämpfung vollkommen sauber sein. Es kann nicht passieren, dass die faulen Äpfel am Stamm der Justiz in Frühpension gehen oder still­schweigend verschwinden. Das kann nicht passieren, da muss ein klares Zeichen gesetzt werden!

Ich erinnere nur an die Causa Ronald S., die ich auch mit Ihrer Vorgängerin be­sprochen habe. Bezüglich Ronald S., dem früheren Leiter der Wirtschaftsstaats­anwalt­schaft Wien, betreffend den ein wahrer Sack von Anzeigen bei den Medien aufgetaucht ist (Abg. Mag. Stadler: Aber wie lange hat man da zugeschaut? Wie lange?), die alle eingestellt wurden, die sich über zehn, zwölf Jahre erstreckt haben, mit Tausenden Seiten von Akten, hat die Frau Ministerin hier in diesem Haus gesagt, na ja, die Verfehlungen wären ja immerhin noch vertretbare Rechtsmeinungen gewesen. – Das kann nicht sein!

Ich habe jetzt nur Herrn Ronald S. erwähnt, es gibt aber viele andere Fälle, die Sie sicher auch kennen, nicht nur in der Justiz, sondern auch in der Verwaltung. Es ist wichtig: Da darf es kein Pardon geben! Um den Respekt vor dem Gesetz und die Freude daran, sauber arbeiten zu können, zu stärken, müssen diese faulen Äpfel gepflückt und nicht versteckt werden.

Das Zweite ist: Wir müssen Fehler eingestehen. Das müssen vor allem die Regie­rungsparteien tun, denn in diesem Haus – ich habe es nicht mitbeschlossen, aber miterlebt – wurde 2009 das Korruptionsgesetz massiv aufgeweicht. Die sogenannten Anfütterungsbestimmungen sind gefallen. Damals hat es geheißen: Wir dürfen ja die Salzburger Festspiele nicht schädigen! Es kann ja nicht sein, dass man, wenn man zu den Salzburger Festspielen eingeladen wird, in den Verdacht kommt, ein Korruptionist zu sein! – Damit wurde gleich die gesamte Anfütterung „ausgegossen“.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 63

Heute kann ich mich als Amtsträger von dritter Seite bezahlen lassen, solange ich nur glaubhaft machen kann, dass ich jetzt akut keine Amtshandlung setze. Jeder Verwaltungsbeamte kann sich von Siemens oder IBM oder von einer Zeitung monatlich bezahlen lassen, so wie der Kollege Scheibner – er kann sich also, wenn er es versteuert, bezahlen lassen –, solange er nur sagt: Na, ich tu eh nichts für die! (Heiterkeit des Abg. Rädler. – Abg. Rädler: ... die Leistung?) Das ist die öster­reichische Rechtslage, die überall zu Recht kritisiert wird – wenn wir das lesen –, die aber bis heute nicht geändert wurde. Ich vermisse das Gesetz, um das zu reparieren, am Tisch.

Und dann ein Letztes, das natürlich ganz wichtig ist, und das ist der Bereich zwischen Justiz und Politik. Das ist die Korruption der österreichischen Medienlandschaft mittels der heute angesprochenen Inseratenpraxis. Das kann es natürlich nicht sein, dass die Medien, die eigentlich die Aufdecker – Frau Minister Fekter würde sagen, der Watchdog, um ihr Lieblingswort zu verwenden –, der Watchdog gegen Korruption sein sollen, dass die von denjenigen, die sich den Watchdog vom Leibe halten wollen, mit Inseraten abgefüttert und bezahlt werden. Damit stellen wir alles auf den Kopf, und damit funktioniert die demokratische Korruptionskontrolle nicht mehr. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. – Bitte.

 


11.50.35

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Justizministerin, Sie haben sehr ausführlich aus dem Bericht der Europäischen Kommission zitiert. Zwei Sätze haben Sie interessanterweise nicht zitiert. Der eine lautet folgendermaßen: „Einige Mitgliedstaaten haben die wichtigsten völkerrechtlichen Korruptionsbekämpfungsinstrumente noch immer nicht umgesetzt.“ Der zweite Satz, den Sie nicht zitiert haben, lautet: Es gibt einen „Mangel an politi­schem Willen der politischen (...) Entscheidungsträger, gegen sämtliche Formen der Korruption (...) vorzugehen“.

Ich vermute, Sie haben die Sätze deswegen nicht zitiert, weil Sie genau wissen, dass auch Österreich gemeint ist – und das ist genau der entscheidende Punkt. Der Sün­denfall hat in Österreich im Jahr 2009 stattgefunden, als die strengen Anti-Korruptionsstrafregeln aufgeschnürt wurden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte zitieren, was der damalige Sektionschef Dr. Bogensberger über diesen Sündenfall gesagt hat – man muss wissen, Herr Dr. Bogensberger war gegen das Aufschnüren der strengen Anti-Korruptionsstrafbestimmungen und wurde deshalb auch von der damaligen Justizministerin Bandion-Ortner abgelöst. Was sagt der ehemalige Sektionschef Bogensberger zu diesem Aufschnüren? – Er hat aus Anlass seines Ausscheidens eine Abschiedsrede gehalten. Er sagt Folgendes:

„Zu den weniger geglückten Legislativprozessen zählt wohl das Korruptions­strafrechts­aufweichungsgesetz,“ – so hat das Gesetz nicht geheißen, aber das war die Einschätzung des damaligen Sektionschefs – „mit dem den unverblümt offen vorge­tragenen Wünschen von potenten Anfütterern und den von ihnen finanziell abhängigen Einrichtungen meines Erachtens allzu bereitwillig entsprochen wurde.“

Also er bestätigt, dass sich damals die Lobbyisten im Justizministerium die Türklinke in die Hand gegeben haben, um eine Gesetzesänderung zu erreichen. – Dann sagt er weiter:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 64

„Dieses Gesetz war auch ein Tiefpunkt in formaler Hinsicht, weil es in einer befremd­lichen Distanzierung von der hauseigenen Straflegislative zunächst außer Haus vorbereitet worden war.“

Das heißt, das hochsensible Antikorruptionspaket, das novelliert wurde, wurde nicht von der Straflegislative im Justizministerium vorbereitet, sondern es wurde offen­sicht­lich an irgendjemanden zur Gesetzeserstellung ausgelagert. Ich möchte nicht wissen, welche Lobbyisten bei diesem Gesetz mitgewirkt haben. – Dann sagt er weiter:

„Wir in der Straflegislative konnten zwar nachträglich noch die ärgsten handwerklichen Defizite an diesem Außer-Haus-Entwurf beseitigen, aber zufrieden oder gar stolz machte uns letztlich weder Inhalt noch Art des Zustandekommens dieses Gesetzes.“

Und dann sagt er weiter:

„Und heute zeigt sich, dass zwar Anfütterer und Angefütterte wieder einander sym­biotisch zulächeln können, das Gesetz aber doch der internationalen Reputation Öster­reichs stark abträglich ist. Das scheint offenbar hingenommen zu werden, was ich als Ausdruck einer gewissen antiinternationalen Grundhaltung interpretiere.“

Und genau das ist das Problem: Österreich war egal, was international über dieses Aufschnüren des Korruptionsstrafpakets geredet wird, Hauptsache es wird den Lobbyisten im Inland entsprochen. Die SPÖ hat zugestimmt, die ÖVP hat zugestimmt, aber auch die FPÖ hat zugestimmt. Insofern verwundert es mich nicht, dass heute die ÖVP auf die FPÖ zeigt, die FPÖ zeigt auf die SPÖ und die SPÖ zeigt wieder auf die ÖVP. (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Dr. Graf: Und wo zeigen Sie hin?) Das ist das Sittenbild, meine Damen und Herren, das Sie abgeben.

Wir wollen etwas anderes in dieser Republik: Wir wollen, dass es einen Neustart gibt, denn nichts ist abträglicher als eine Situation, in der das Vertrauen in die Demokratie verloren geht. Und, Frau Justizministerin, ich freue mich, dass Sie sich in die Allianz jener, die einen Neustart wollen, möglicherweise einreihen, wenn Sie vorschlagen, dass der Straftatbestand des Anfütterns jetzt endlich wieder novelliert werden soll.

Es wird aber nicht reichen, dass Sie vorschlagen, dass das Parlament das macht, denn es gibt ja schon eine Gesprächsrunde, und eines war immer klar: In dieser Gesprächs­runde über die Korruptionsstrafbestimmungen darf über alles geredet werden, aber nicht über das Aufschnüren von 2009, nicht über das Anfüttern. Wir haben das mehrmals eingefordert, und SPÖ und ÖVP haben unisono erklärt, da wird es keine Änderung geben, das Anfüttern bleibt ein Scheintatbestand, es wird keine Verschär­fung geben.

Wenn Sie es ernst meinen, dann legen Sie eine Novelle vor! Wir werden Sie unter­stützen, aber wir werden Sie an Ihren eigenen Worten messen. Und das sollen keine Schönwetterworte sein, sondern da wird es eine Novelle brauchen. Nur so ist ein Neustart möglich. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, wer die Demokratie verteidigt, muss die Korruption bekämpfen. Nichts ist abträglicher für die Demokratie als das Misstrauen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Donnerbauer: Die aktuellen Fälle haben alle nichts mit Anfütterung zu tun!)

11.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


11.56.06

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Wer so viel Butter am Kopf hat wie Österreich beim Thema Korruption sollte sich nicht unter die Brüsseler Sonne trauen und sollte auch sehr schweigsam sein, wenn es um Korruption in Brüssel geht; denn


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das, was wir die letzten Wochen und Monate oder überhaupt die letzten 40 Jahre erlebt haben, passt – volkstümlich gesagt – in keine Hutschachtel.

Sehr geehrte Damen und Herren, Korruption aus Österreich ist auch in Brüssel bekannt, die Fälle sind auch bekannt. Strasser, Ranner, Hans-Peter Martin: öster­reichische Abgeordnete, nach Brüssel entsandt, die Schande über unser Land gebracht haben.

Daher sage ich Ihnen: Solange wir nicht imstande sind, im eigenen Bereich endlich Ordnung zu schaffen, brauchen wir uns hier in diesem Haus über die Korruption von Beitrittskandidaten wie Kroatien in Zukunft nicht mehr viel zu unterhalten (Abg. Mag. Kogler: Von dem reden wir ja! – Beifall beim BZÖ), solange wir nicht endlich imstande sind, eine ehrliche, eine transparente, eine anständige Staatsführung zu garantieren und eine anständige Republik zu werden. Daher antworte ich durchaus auch mit Matthäus, Kapitel 3 Vers 12: (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Rädler: He!)

„Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.“

Sehr geehrte Damen und Herren, das wollen wir: Wir wollen einen ständigen Unter­suchungsausschuss, einen ständigen Antikorruptionsausschuss im Parlament, auch in der Manier der Heiligen Inquisition, damit in dieser Republik endlich wieder Anstand und Charakter in den politischen Gremien Einzug halten, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist nämlich wichtig, denn wenn wir über Anstand und Charakter, über Steuergeldskandale reden, dann sollten wir auch über einen Skandal reden, der hier in diesem Haus noch nicht beleuchtet worden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren von Raiffeisen, ich spreche Sie direkt an: Abge­ordneter Auer, Abgeordneter Ferry Maier, Frau Höllerer, Herr Karl Donabauer, sehr geehrte Damen und Herren ÖVP-Raiffeisen-Abgeordnete: Der Raiffeisen-Konzern bekommt vom damaligen Finanzminister und Vizekanzler der Republik Österreich, Josef Pröll, 1,75 Milliarden € Steuergeld cash und zusätzlich 4,25 Milliarden € Steuer­geld als Haftung, auch durch die Bürgerinnen und Bürger des Landes finanziert. 6 Milliarden € haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren von Raiffeisen in der ÖVP, in schändlichem Lobbyismus dem Raiffeisen-Konzern in den Rachen geworfen, und wenige Monate später, nach seinem Austritt aus der Politik (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer), wird der Herr Josef Pröll plötzlich Vorstand der Leipnik-Lundenburger-Gesellschaft des Raiffeisen-Konzerns.

Ein Finanzminister, der sich mit Steuergeld seine künftige Existenz erkauft hat, und das mit 6 Milliarden € – und Sie reden über 2 Milliarden € bei Eurofighter, sehr geehrte Damen und Herren? (Beifall beim BZÖ.) Jawohl, auch ein Skandal, der aufgedeckt wird, aber ich bitte Sie darum, hier nicht etwas aus dem Lot laufen zu lassen, sehr geehrte Damen und Herren, und zu übersehen, dass Steuergeld von einem Finanz­minister dazu gebraucht worden ist, seine künftige persönliche Existenz abzusichern! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dieser Raiffeisen-Konzern, der gemeinsam mit der ÖVP Gefahr läuft, in Zukunft in dieser Republik nach dem Mafia-Paragraphen abgeurteilt zu werden – die Bildung einer kriminellen Vereinigung, sehr geehrte Damen und Herren (der Redner stellt eine Tafel mit folgendem Text auf das Rednerpult: „An die Banken & Spekulanten: ,Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten.‘ (Hosea 8,7) Genug gezahlt!“) –, dieser Raiffeisen-Konzern reagiert auf Plakate des BZÖ, auf denen Josef Bucher die Banken, die Spekulanten und die EU zu Recht anspricht – Wer Wind sät, wird Sturm ernten –,


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dergestalt, dass über Raiffeisen ein Skandal gegen Herbert Scheibner konstruiert wird, dass Raiffeisen Bankdaten herausgibt, um einen Skandal gegen einen Oppositions­abgeordneten anzuheizen, der sich in seiner politischen Karriere nichts hat zuschulden kommen lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Sehr geehrte Damen und Herren, da reden Sie noch von Skandal? Da reden Sie noch von Charakter und Anstand, wenn Sie und Ihre Genossinnen und Genossen eine österreichische Bank missbrauchen, um gegen einen Abgeordneten vorzugehen? – Ich sage Ihnen eines: Wer Wind sät, wird Sturm ernten! Für Ihre Flatulenzen und die Ihres Raiffeisen-Konzernes werden Sie einen Herbststurm ernten, nämlich mit einem ständigen Untersuchungsausschuss, in dem wir Ihre Malversationen in Zukunft auf­decken werden, aber auch die Malversationen eines amtierenden Bundeskanzlers und eines Staatssekretärs und weiterer drei SPÖ-Minister, gegen die die Staatsanwalt­schaft der Republik Österreich aufrecht ermittelt. (Beifall beim BZÖ.)

Nicht irgendwelche Oppositionsabgeordnete von Blau, Grün oder Orange ermitteln, nein, sondern ein Staatsanwalt der Republik Österreich, der demnächst im Bundes­kanzleramt ein und aus gehen wird und vielleicht noch den Inhalt des Schreibtisches des Herrn Bundeskanzlers konfisziert.

Ja, ist das ein gutes Signal, das wir nach Europa liefern, ist das ein gutes Signal, das wir den Menschen unseres Landes liefern, dass an der Staatsspitze die Korruption Einzug gehalten hat und dieses Parlament nichts dagegen tut?! – Daher bitte ich Sie, unserem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses heute zuzustim­men. Wir, Ewald Stadler, Josef Bucher und ich, werden heute einmal mehr einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einbringen.

Wir werden auch darauf drängen, dass ein ständig tagender Antikorruptionsausschuss in diesem Land, der nicht von Rot und Schwarz abgedreht werden kann, endlich wieder Sauberkeit in dieses Land bringt, damit die Österreicherinnen und Österreicher nicht zu Recht sagen, alle Politiker sind Verbrecher, und am Ende des Tages vielleicht auch noch recht damit behalten. Es werden sich die anständigen Politiker in diesem Haus von den unanständigen abheben, und die Spreu wird in dem nie erlöschenden Feuer eines Antikorruptionsausschusses verbrennen. – Ich danke Ihnen! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Finden da BZÖ-Selbstverbrennungen statt?)

12.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


12.01.50

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn man die aufgeregte Debatte verfolgt und sich auch die Zeitungsberichte ansieht, dann hat man fast den Eindruck, als würde es einige in diesem Land überraschen, was wir derzeit erleben. Anscheinend ist es für viele eine Überraschung, dass es Korruption gibt, bis hinauf in die höchsten Kreise. Nur: Wen überrascht das wirklich? Wen überrascht das, wenn man weiß, dass die Korruption wahrscheinlich schon so lange besteht wie die Menschheit selbst? – Korruption hat es immer schon gegeben.

Um das etwas gelassener zu analysieren, muss man sich anschauen, welche zwei Faktoren die Korruption begünstigen. Das ist erstens die Möglichkeit, sich einen Vorteil zu verschaffen – der erste Faktor. Der zweite Faktor ist die Bereitschaft, das auch zu tun; und genau da kann man ansetzen. Beim ersten Punkt, der Möglichkeit, mir Vorteile zu verschaffen, da kann man schwer ansetzen, denn jeder Politiker hat mehr oder weniger die Möglichkeit, sich Vorteile zu verschaffen. Ob das der einfache Abgeordnete in der Opposition aus den hinteren Bankreihen ist oder der Regierungs­


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abgeordnete oder der Minister oder gar der Bundeskanzler, jeder hat, in einer gewissen Abstufung, Möglichkeiten, sich Vorteile zu verschaffen.

Jetzt ist die Frage: Warum ist nicht jeder korrupt, der die Möglichkeit dazu hat? – Da gibt es auch wieder mehrere Möglichkeiten, mehrere Varianten. Es gibt welche, die haben einfach einen moralischen Anspruch an sich selbst und sagen, ich habe die Möglichkeit, aber ich tue es nicht. Das ist der Idealfall. Nur leider haben wir in der Vergangenheit gesehen – und da meine ich auch die ältere Vergangenheit –, dass nicht jeder so einen hohen moralischen Anspruch hat, und es gibt einige, zwar wenige, aber doch einige, die sich diesen Vorteil verschaffen – und zwar deshalb, weil sie davon ausgehen, damit durchzukommen. Und genau da müssen wir ansetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Da sind wir nämlich eindeutig zu halbherzig. Wenn jeder, der sich Vorteile verschafft, damit rechnen muss, nicht damit durchzukommen, was glauben Sie, wie viele das dann noch machen werden? – Es gibt einfache Beispiele. Es gibt Gegenden, wo die Einbruchsrate immens hoch war. Da hat man einfach an jede Ecke einen Polizisten gestellt. Was glauben Sie, was passiert ist? – Die Einbruchsrate ist praktisch gegen null gegangen, weil jeder damit rechnen musste, erwischt zu werden. Genau so ist es in der Politik und genau so ist es in anderen Bereichen der Gesellschaft: Wenn jemand damit rechnen muss, erwischt zu werden, dann wird er es sich dreimal überlegen.

Deshalb brauchen wir ein enges Netz und vollkommene Transparenz, und je höher die Position ist, desto transparenter muss die Sache werden. Das heißt, ein einfacher Oppositionsabgeordneter braucht bei Weitem nicht so viel offenzulegen wie zum Beispiel ein Kommissar in der Europäischen Union oder ein Minister. Es wird sich erst dann etwas ändern, wenn wir dazu bereit sind, jeden Minister für eine komplette Transparenz zu begeistern.

Damit meine ich nicht, die Daten im Internet zu veröffentlichen. Es geht ja niemanden etwas an, was der betreffende Minister sonst noch macht, aber ich meine damit, zum Beispiel der Korruptionsstaatsanwaltschaft alle Daten, alle Kontobewegungen offenzu­legen, denn dann sieht man sofort, wenn da irgendwelche Unregelmäßigkeiten passieren. Ich weiß, dass das nicht einfach sein wird, ich weiß, dass sich niemand gern in seine Bücher schauen lässt, aber es wird nicht anders gehen.

Wenn wir es ehrlich meinen – und da meine ich alle Parteien damit – und für die Zukunft Korruption verhindern wollen, und ich glaube, darum geht es, dann müssen wir über diesen Schatten springen und absolute Transparenz in allen Bereichen zulassen, und da meine ich auch die Parteienfinanzierung. Wenn wir dazu nicht bereit sind, dann wird diese Schlammschlacht, die hier geführt wird, wo der eine den anderen anpatzt, wo man überall Korruption sieht und versucht wird, jeden in den Sumpf der Korruption hinunterzuziehen, letztlich nur dazu führen, dass die Bevölkerung sich mit Scham abwendet und davon ausgeht, dass jeder Politiker Dreck am Stecken hat.

Ich weiß, dass zumindest 90 Prozent – zumindest 90 Prozent – der Politiker einen sehr hohen moralischen Anspruch an sich selbst haben, und die wenigen, die sich Vorteile verschaffen, ziehen uns alle mit runter. Deshalb: Wenn wir nicht wollen, dass der Spruch meines Schwiegervaters, der einmal gesagt hat: Wenn man alle Politiker in einen Sack steckt und von außen draufhaut, dann trifft man nie den Falschen!, wahr wird, wenn wir nicht wollen, dass die Bevölkerung sich das denkt, dann müssen wir absolute Transparenz zulassen. Das Netz muss so eng sein, dass jeder – jeder, ob das nun ein Oppositionsabgeordneter, ein Regierungsabgeordneter oder ein Minister ist – davon ausgehen muss, dass er erwischt wird, wenn er krumme Dinge macht. Das Netz muss so eng sein, dass das gewährleistet ist.


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Wenn wir das schaffen, dann können wir sagen, in Zukunft gibt es keine Korruption mehr, zumindest nicht mehr bei den Abgeordneten und bei den Ministern, und dann haben wir schon einiges bewegt, und das Ansehen der Politik wird auch wieder steigen.

12.07


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

12.07.12Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Fritz Neugebauer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 9234/J bis 9286/J;

Zurückziehungen: 9212/J;

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1399 d.B.).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (604 St 8/11z) um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 165 Abs. 1 und 4 StGB;

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 120 betreffend „Petition der Gemeinde Kirchstetten zur Erhaltung der Hausapotheken“, überreicht vom Abgeordneten Johann Höfinger,

Petition Nr. 121 betreffend „Petition zur Sicherung der IC-Zugverbindungen Salzburg–Graz–Salzburg“, überreicht vom Abgeordneten Mag. Johann Maier;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Budgetausschuss:

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2010 (III-263 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):


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Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht der Bundesministerin für Inneres betreffend Vollzugspraxis aus den Bereichen Asyl-, Fremdenpolizei- sowie Niederlassungs- und Aufenthaltswesen aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 29. April 2011, E 159-NR/XXIV. GP (III-270 d.B.);

Justizausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend die Rechtspraxis des Ermittlungs­verfahrens nach der Strafprozessreform aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 5. November 2009, 53/E XXIV. GP (III-272 d.B.).

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Fritz Neugebauer: Kolleginnen und Kollegen! Um den Punkt 13 der Tages­ordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussbe­richtes abzusehen.

Es handelt sich hiebei um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Es ist weiters vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 5 bis 8 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Werden Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Fritz Neugebauer: Der BZÖ-Klub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 9287/J der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend „Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! Volksabstimmung jetzt!“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung der Dringlichen Anfrage frühes­tens drei Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, also um 15.09 Uhr, erfolgen.

12.08.57Fristsetzungsantrag

 


Präsident Fritz Neugebauer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass die Abgeordneten Krainer, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über das Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird, 1390 der Beilagen, eine Frist bis 27. September 2011 zu setzen.


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Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durch­zuführen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

12.09.10Ankündigung von Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Fritz Neugebauer: Die Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungs­aus­schuss zur Untersuchung der politischen Verantwortung für Korruptionsfälle unter der schwarz-blauen Regierung einzusetzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Weiters haben die Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur um­fassenden Untersuchung von mittelbaren und unmittelbaren Geldflüssen ohne ent­sprechende Gegenleistungen in das direkte Umfeld von Politikern und politischen Parteien in den Fällen Telekom, BUWOG, Behördenfunk und ÖBB-Inserate einzu­setzen.

Auch dazu liegt das Verlangen von fünf Abgeordneten vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss betref­fend Untersuchung von Korruptionsvorwürfen einzusetzen.

Auch dazu liegt das von fünf Abgeordneten unterstützte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Ich werde, da der Gegenstand der drei Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses ähnlich gelagert ist, im Einvernehmen mit den Antragstellern im Sinne einer in diesen Fällen geübten Praxis vorgehen, nämlich dass zunächst die drei Anträge begründet werden und die Debatte hierüber unter einem durchgeführt wird.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmungen nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart. Es ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ und ÖVP je 84 Minuten, FPÖ 75 Minuten, Grüne 66 Minuten, BZÖ 63 Minuten.


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Ich schlage vor, die Redezeit der Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minu­ten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

12.11.441. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Sechsten Bericht des Bundes­minis­ters für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Lage der Jugend in Österreich (III-248/1269 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


12.11.56

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen, Zuhörer hier im Haus und zu Hause an den Fernsehapparaten! Der jüngste Bericht der Regierung zur Lage der Jugend in Österreich ist zwar besser als der, den wir 2007 vorgelegt bekom­men haben, aber noch lange nicht das, was wir uns unter einem Jugendbericht vorstellen. Einige Themen wurden gar nicht behandelt. So zum Beispiel ist nicht erwähnt, dass die Bildungssituation schlechter und damit einhergehend auch die Nei­gung zu Extremismus, was religiöse Handlungen betrifft, größer ist unter der migrantischen Jugend der zweiten und dritten Generation als bei ihren Eltern, die bereits hier sind, aber noch im muslimischen Land geboren sind.

Die reale Situation der muslimischen Mädchen, der Migrantinnen ist nicht dargestellt worden, nichts davon, dass diese nachweislich nicht den gleichen Bildungsstand erreichen können wie die männlichen Migranten. Das bleibt ihnen versagt, nach dem Pflichtschulbesuch sind sie weg, man findet sie nicht mehr. Sie werden im In- und Ausland verheiratet und sind nicht mehr da.

In diesem Zusammenhang ist auch die Zusammenstellung der Sachverständigen­kom­mission zu hinterfragen. Es ist begrüßenswert, dass neben Wissenschaftern, neben Experten in der Jugendarbeit auch Jugendliche die Gelegenheit bekommen, in dieser Sachverständigenkommission mitzuarbeiten. Allerdings ist es sehr fraglich, warum in dieser Vertretung, in diesem Komitee lediglich ein Jugendvertreter der muslimischen Gemeinde Gehör findet und mitarbeiten kann. Nichts dagegen, dass auch diese Herren und Damen dort gehört werden und mitarbeiten, aber dann wollen wir auch, dass unsere Jugendlichen von unseren Vertretungen hier zu Wort kommen (Beifall bei der FPÖ) oder auch Vertreter von Religionsgemeinschaften in diesem Gremium sitzen und diesen Gehör geschenkt wird.

Die Sachverständigenkommission kommt auch sehr richtig zum Schluss, dass die Kinderkonvention wichtig ist. Ja, sie ist wichtig, aber, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang muss man speziell hervorheben, dass das Recht der Kinder auf beide Elternteile, auf Vater und Mutter, das Um und Auf für das Wohl der Jugend ist, für das Wohl der Kinder und unserer Familien. (Beifall bei der FPÖ.)

Besonders muss hier der Staat in die Pflicht genommen werden – das muss ich hier ganz deutlich betonen –, dass auch ausreichende finanzielle Grundlagen vorhanden


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sind, um als Familie leben zu können, dass eine entsprechende Grundversorgung gegeben ist. Angesichts der steuerlichen Regelungen, die wir beim österreichischen Mittelstand haben, stellt sich eben die Frage, ob das der Fall ist. Von Familien­förderung kann hier wohl nicht die Rede sein, wenn man sich die Situation der erwerbstätigen Steuerpflichtigen ansieht. Speziell die Alleinverdiener sind nach wie vor ganz hinten angestellt und bleiben auf der Strecke.

Meine Damen und Herren, da Jugend, Familie und Kinder absolut nicht zu trennen sind, bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Kitzmüller und weite­rer Abgeordneter ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungsvorlage vorzulegen, die eine Entlastung der Familien durch Einführung eines Familiensteuersplitting-Modells vorsieht.“

*****

Wir haben dazu auch schon einige Vorarbeit geleistet, und Sie, meine Damen und Herren, können gerne bei uns Anleihe nehmen und unsere Vorschläge hier einbauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Mittel zur Verbesserung der Situation der Jugendlichen wird im Jugendbericht ausschließlich auf Jugendwohlfahrt, offene mobile Jugendarbeit und Jugendsozial­arbeit gesetzt. Meine Damen und Herren, Sie kennen die Situation bei der Jugend­wohlfahrt, Sie wissen, was da alles im Argen liegt. Und wenn man dann auf dieses Pferd setzt, dann hat man schon einmal verloren und ist im Rennen ganz hinten.

Der Begriff „Familie“ findet in diesem Schlussbericht kaum Erwähnung, er wird maximal zehnmal erwähnt, und dann finden sie ihn nur im Zusammenhang mit Problemen, Gewalterfahrung, Suchtbelastung und Familieninterventionen. Das ist eine Sichtweise, die den gesamten Bericht entwertet, weil es sich hier nicht um eine objektive, sondern um eine ideologische und verblendete Sichtweise handelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Alle Jugendlichen, die befragt worden sind – und das ist auch in diesem Jugendbericht nachzulesen –, wünschen sich eine Familie, aber der Begriff kommt wenig vor. Also, meine Damen und Herren, ermöglichen Sie es diesen Jugendlichen, auch eine Familie zu gründen!

Zum Abschluss bleibt noch festzuhalten, dass der Jugend sehr wohl Freiheit zuge­standen gehört, sie braucht Freiheit. Aber in Einklang damit brauchen die Familien eine ideelle und finanzielle Stärkung, aber sie brauchen nicht, was bei dieser Sachver­ständigenkommission immer wieder vorkommt, eine Verstaatlichung oder eine links­gefärbte Ideologie. (Beifall bei der FPÖ.)

12.18


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kitzmüller und weiterer Abgeordneter betreffend Einführung eines Familiensteuersplitting Modells


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 73

eingebracht in der 118. Sitzung des Nationalrates am 21. September 2011, XXIV. GP, im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Familien­aus­schusses über den Sechsten Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Lage der Jugend in Österreich (III-248/1269 d.B.)

Befragungen von Jugendlichen und auch jüngst der Jugendmonitor zeigen, dass die Familie die wichtigste Lebenswelt von Jugendlichen darstellt. Darum ist die staatliche Verpflichtung hervorzuheben, Familien so zu stellen, dass eine ausreichende finan­zielle Grundversorgung vorhanden ist. Dies ist angesichts der steuerrechtlichen Regelungen vor allem beim österreichischen Mittelstand nicht gegeben. Die Familien­beihilfe und der Kinderabsetzbetrag stellten nämlich nicht einmal die auf dem Unterhalt liegende Steuerbelastung frei. Von Familienförderung kann in Österreich bei erwerbs­tätigen Steuerpflichtigen daher keine Rede sein.

Im derzeitigen Steuerrecht besteht eine Benachteiligung von Familien mit Kindern bei der Bemessung der Lohn- und Einkommensteuer. Da die finanzielle Lage eines Steuerzahlers nicht nur von seinem Einkommen sondern auch von seinen Unterhaltsverpflichtungen abhängt, ist das jetzige System der Individualbesteuerung eine grobe Verletzung des Prinzips Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Ein pro­gressiver Steuertarif muss daher, um offensichtliche Ungerechtigkeiten zu vermeiden, so angewandt werden, dass Familien in gleicher wirtschaftlicher Lage, d.h. Familien, die sich annähernd den gleichen Lebensstandard leisten können, unabhängig von der Haushaltsgröße den gleichen Prozentsatz ihres Einkommens als Steuer abführen. Eine grundsätzliche Lösung dieses Problems bietet eine Haushaltsbesteuerung nach dem sog. gewichteten Pro-Kopf-Einkommen, wie dies seit Jahrzehnten z.B. in Frankreich mit dem dortigen Splittingmodell bei der Einkommensteuer verwirklicht ist.

Grob gesprochen berücksichtigt das Konzept des gewichteten Pro-Kopf-Einkommens die Tatsache, dass der finanzielle Aufwand zur Erhaltung eines gewissen Lebens­standards zwar mit der Anzahl der Personen zunimmt, aber schwächer als propor­tional. Ein Alleinstehender kann etwa so „gut“ leben wie eine vierköpfige Familie mit dem 2 bis 3-fachen Einkommen. Praktisch wird das gewichtete Pro-Kopf-Einkommen ermittelt, indem jedem Familienmitglied ein Gewichtsfaktor der kleiner oder höchstens eins ist, zugeordnet wird und das gesamte Familieneinkommen durch die Summe dieser Gewichtsfaktoren dividiert wird.

Das Familiensplitting soll Familien ermöglichen, wahlweise zur weiterhin möglichen Individualbesteuerung, eine Besteuerung des Familieneinkommens nach ihrem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen in Anspruch zu nehmen, was sicherstellt, dass sie etwa gleich besteuert werden wie Alleinstehende gleicher finanzieller Leistungsfähig­keit.

Die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld sind, wie auch aus den Diskus­sionen bei ihrer Einführung hervorgeht, eine (sehr unvollständige Abgeltung) der Leistungen, die alle Eltern mit dem Aufziehen der Kinder für die Allgemeinheit erbrin­gen und kein Ausgleich für die steuerliche Benachteiligung von Familien. Sie sind daher im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Problem der Herstellung einer horizontalen Steuergerechtigkeit nicht zu berücksichtigen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 74

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine Entlastung der Familien durch Einführung eines Familiensteuersplitting-Modells vorsieht.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

 


12.18.14

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte noch hier im Saal anwesende Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kitzmüller, ich glaube, Sie waren mit Ihrer Sprache noch in der Europastunde. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich denke, dass es gut ist, dass man gerade jetzt bei diesem Jugendbericht einmal vernünftig diskutiert und das eine oder andere nicht sofort in einen Topf wirft und schlechtmacht.

Der Sechste Jugendbericht wurde nämlich vom Ministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend mit einem neuen Ansatz angegangen, es wurde ein neuer Weg gewählt, und da waren wir Abgeordnete, die im Familienausschuss sind und schon länger mitar­beiten, auch involviert. Das heißt, es gibt erstmals einen interdisziplinären Ansatz, der einen breiten Einblick in die wirklich umfassende Thematik Jugend und Jugendpolitik bietet. Im Gegensatz zu früheren Berichten, wo ein Institut diesen Bericht erstellt hat, ist eine unabhängige Sachverständigen-Kommission, bestehend aus ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis, mit über 50 handelnden Personen aus verschiedenen Forschungseinrichtungen eingebunden gewesen.

Dieser Bericht zeigt sehr deutlich, dass Jugendpolitik eine Querschnittmaterie ist. Umso wichtiger ist es auch, dass unser zuständiger Bundesminister die Möglichkeit hat, in dieser Thematik eine ressortübergreifende Zusammenarbeit herbeizuführen. Es wird nicht anders gehen, denn man kann das nicht in einem Ressort machen. Das ist so ähnlich wie in der Frauen- oder Familienpolitik, das sind Querschnittmaterien, die ressortübergreifend bearbeitet werden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich wissen wir, dass nicht alles, was in diesem Bericht steht, positiv ist – no na, dann wäre es ja auch kein guter Bericht –, es werden ja auch Verbesserungspotenziale aufgezeigt. Auch das muss man einem Bericht zugestehen, denn wir kaufen uns ja keinen Bericht, der himmelblau und rosarot ist, sondern es geht um Tatsachen und um Zukunftsgestaltung. Und dieser Jugendbericht stellt eben keinen Schlusspunkt dar, sondern eine Grundlage für zukunftsorientiertes Arbeiten im Sinne unserer Jugend­lichen und einer wissensorientierten Politik. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Inhalt des Berichtes: Der Bericht gibt enorm viel her und ist eine wirklich gute Lektüre, nicht nur am Abend, sondern möglicherweise auch jetzt während der Plenar­sitzung, wenn Sie sich einmal in eine gute Lektüre vertiefen wollen. Es geht da um die Lebenssituation von jungen Menschen, beginnend mit entwicklungspsychologischen Bereichen zum Thema Jugend, Bildung, Arbeit bis hinein in den Gesundheitsbereich. Es wird aufgezeigt, wie sich die Jugendarbeit in Österreich in ihren Strukturen, Zugän­gen und Methoden darstellt.

Dass Familie und Freunde einen enorm hohen Stellenwert haben, sehen und hören wir alle, die wir vor Ort unterwegs sind und mit jungen Menschen reden. Und damit das politische Interesse der Jugendlichen wieder steigt – ich hoffe, nach den beiden Aktuellen Stunden, die wir gerade absolviert haben, sinkt es nicht wieder –, muss es für uns ein Auftrag sein, Vorbild zu sein, die jungen Menschen zu motivieren, sie in die Politik zu tragen – eine Demokratie lebt von den Menschen –, damit sie sich enga­gieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 75

Ich möchte zurückkommen auf die Einstellungen und Werte: Auch der im Auftrag unseres Familien- und Jugendministers Reinhold Mitterlehner durchgeführte Jugend­monitor hat für mich sehr positive Ergebnisse gebracht. Er zeigt, dass Jugendliche einen sehr hohen Begriff von Familie und Freunden haben, dass sie gerne daheim sind, dass sie sich eine Familie wünschen – in welcher Form auch immer; es müssen nicht immer Vater und Mutter in einem Familienverband sein, es gibt auch andere Formen.

Es wäre noch viel zu diesem Thema zu sagen, aber nur noch Folgendes: Ich meine, dass die Eltern Verantwortung tragen, Vater und Mutter (Beifall bei der ÖVP), sie müssen einen Blick in die Zukunft richten und dürfen die Kinder und Jugendlichen nicht sich selbst überlassen. Wir haben die Verantwortung, sie bis in die Erwachsenenwelt zu begleiten. Und die Politik ist dafür verantwortlich, die erforderlichen Rahmen­bedin­gungen zu schaffen, Rahmenbedingungen zum Beispiel für die Kinderbetreuung, etwa mit dem Gratiskindergarten, wo wir weiterhin jährlich 70 Millionen für die Länder zur Verfügung stellen, für die Schulen, die Ausbildungsbereiche und vieles mehr.

Zusammenfassend möchte ich sagen, an die Jugendlichen werden vor dem Hinter­grund sozialer Veränderungen viele neue Herausforderungen gestellt. Familie und Freunde, das habe ich bereits erwähnt, sind für 70 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren am wichtigsten. Das heißt, eine gute Familienpolitik ist ein Grundpfeiler, ein Zukunftspfeiler für unsere Jugend, aber auch für Österreich. Und wir von der ÖVP zeigen, dass Familien, Kinder, Jugendliche uns etwas wert sind, und werden an dieser Familienpolitik weiterarbeiten, gemeinsam mit unserem Familien­minister, dem wir gerne den Rücken stärken. (Beifall bei der ÖVP.)

12.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


12.24.21

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Ich habe mich heute zum Thema Jugend zu Wort gemeldet, weil das ein Zukunftsthema ist, das, was die Regierung aktuell macht, dem allerdings nicht entspricht, eben keine Zukunfts­politik ist, die jedoch notwendig wäre, um der Jugend das erforderliche Rüstzeug in die Hand zu geben, um die Probleme der Zukunft bewältigen zu können. (Abg. Hörl: Das BZÖ löst sich langsam auf!)

Wir stehen vor riesigen Herausforderungen: Unser Pensionssystem steht kurz vor dem Kollaps. Das Gesundheitssystem ist nicht mehr zu finanzieren. Die Verwaltung ist viel zu teuer und muss reformiert werden. Die Länder haben Kompetenzen, die ihnen endlich genommen werden müssen, und, und, und. Das heißt, es gibt unwahr­schein­lich viele Problemfelder, viele Baustellen, und all diese Baustellen müssen die Jungen einmal beseitigen, weil wir hier anscheinend unfähig sind, die Hausaufgaben zu machen.

Im Zusammenhang mit der Bildung der Jugendlichen muss ich festhalten, dass es mittlerweile so ist, dass bis zu 20 Prozent der Schulabgänger nach der Pflichtschule nicht einmal die einfachsten Kulturtechniken tadellos beherrschen (Abg. Amon: Es sind noch mehr!), wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Die ÖVP sagt, es sind noch mehr. Mehr als 20 Prozent können nicht ordentlich lesen, schreiben und rechnen! Da frage ich Sie: Wie soll das funktionieren? Wie sollen die Jugendlichen – und die Zahl der Jugendlichen, die letztlich in den Arbeitsprozess eintreten, sinkt – mit ihren schmalen Schultern mit solch einer Ausbildung bei einer gewaltig steigenden Zahl an Pen­sionisten das alles bewältigen? – Ich kann Ihnen sagen, es wird nicht funktionieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 76

Meinem Bruder, der in Wien ein Installationsgeschäft hat, ist es nicht mehr möglich, geeignete Lehrlinge zu finden. Da kommen potenzielle Lehrlinge, Pflichtschulabgänger, die nicht einmal die einfachsten Rechenaufgaben lösen können, die nicht einmal einen ordentlichen Satz schreiben können. Mein Bruder ist, wie gesagt, Installateur, und die Anforderungen, die er stellt, sind ohnehin nicht weiß Gott wie hoch.

Ich frage mich: Wie sollen wir mit solch einem Bildungssystem die Herausforderungen der Zukunft meistern? – Ich kann Ihnen sagen, wir werden sie nicht meistern und wir werden im internationalen Vergleich immer weiter zurückfallen, und das ist genau der Punkt, auf den ich hinaus möchte.

Die Regierung nimmt sich der Zukunftsfragen nicht an. Die Regierung wurschtelt von einem Tag zum nächsten. Es wird da ein bisschen gedreht, es wird dort ein bisschen gedreht, ein bisschen Geld verschoben, damit ja alles irgendwie am Laufen bleibt, aber niemand macht sich Gedanken über die nächsten 10, 20 Jahre. Anscheinend sieht niemand, wohin das Ganze läuft. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Im Jugendbericht sind genau diese Punkte angeführt: das Bildungssystem, die Per­spektivenlosigkeit in vielen Bereichen. All das steht drinnen, aber es geschieht nichts. Und warum geschieht nichts? – Ich kann mir das nur so erklären: Das, was wir jetzt an den Jugendlichen verbrechen – und das ist ein Verbrechen –, macht sich erst in 10, 15, 20 Jahren wirklich bemerkbar, und anscheinend hoffen einige, dass sie dann nicht mehr in diesem Hohen Haus sein werden, vielleicht schon in Pension sein werden, ja vielleicht sogar noch eine Politikerpension genießen können. Und deshalb ist das nicht so vordringlich.

Verantwortungsvolle Politik würde bedeuten, dass wir uns der Zukunftsfragen anneh­men, und das erwartet man auch von uns. Es ist kein Wunder, dass sich die Men­schen, wenn wir nicht imstande sind, das zu leisten, von uns abwenden, dass die Menschen sagen: Okay, ihr bereichert euch nur selbst, aber wenn es darum geht, etwas Positives für die Zukunft zu bewegen, dann versagt ihr!

Jetzt muss ich hier eine Enthüllung machen: Ich bin auch ein Lobbyist. Ich bin ein Lobbyist! Ich muss diese Enthüllung heute machen. Ich bin ein Lobbyist für meine Kinder, die jetzt fünf und sechs Jahre alt sind. Mein Sechsjähriger geht gerade zur Schule, und ich bin ein Lobbyist meines Sohnes und möchte, dass er eine ordentliche Schulbildung bekommt. Ich möchte ihn nicht in eine Privatschule stecken müssen, damit er überhaupt etwas lernt.

Das heißt, ich bin ein Lobbyist und bin nur meinen Kindern verantwortlich, sonst niemandem. Und deshalb: Wenn wir es nicht schaffen, die Probleme der Zukunft zu lösen, und wenn wir das nicht sofort machen, dann werden unsere Kinder das aus­baden müssen. Und dann wird mein Sohn mich eines Tages fragen: Papa, warum hast du es zugelassen, dass es uns schlechter geht als euch damals? – Genau das würde nämlich eintreten, und das möchte ich verhindern. (Beifall des Abg. Tadler.)

12.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


12.29.30

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Die schriftliche Unterlage, die wir heute hier im Plenarsaal diskutieren, ist der Jugendbericht. Bereits im Jahr 1988 wurde mit einem Entschließungsantrag gefordert, dass der jeweilige Minister einmal pro Legislatur­periode einen Bericht zur Lage der Jugend zu erstellen hat.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 77

Mit diesem Auftrag ist auch verbunden, Daten, Fakten und Zahlen zu erheben. Dieses Mal sind zum ersten Mal auch Expertinnen und Experten zu Wort gekommen, und der gesamte Bericht wurde in zwei Teile gegliedert, einerseits gibt es diese Expertise der Wissenschaft und andererseits den Bericht der PraktikantInnen über die Jugendarbeit.

Wir hatten in der Sitzung des Familienausschusses am 21. Juni die Möglichkeit, mit Experten und zum Teil auch Schriftstellern dieser Expertise zu diskutieren, ein Hearing mit ihnen durchzuführen.

Ich möchte mich in meinen Ausführungen jetzt noch einmal speziell der Bildung, Ausbildung und dem Übergang zum und dem Einstieg ins Berufsleben widmen.

Die Bildungsbeteiligung an den unterschiedlichsten Bildungs- und Ausbildungsformen wird für die untere und für die obere Sekundarstufe, aber auch für den postsekundären und tertiären Bildungsweg dargestellt. Lernen erfolgt aber nicht ausschließlich über ein formales Bildungsprogramm, und die Datenlage zeigt, dass das informelle Lernen für die Jugendlichen ganz einfach nicht greifbar ist – nicht nur für die Jugendlichen, auch für Erwachsene.

Die durch die regionalen Unterschiede gegebene Vielfalt an unterschiedlichsten Schul­formen, Typen und Standortprofilen führt oft zu einer Unübersichtlichkeit und zu einer Desorientierung, was bewirkt, dass es einerseits für die Jugendlichen sehr schwierig ist, sich zu entscheiden, aber auch für die Eltern, die die Jugendlichen mit beraten sollen. Dieser Bericht stellt eine gute Grundlage für eine Prüfung dar, ob es gleiche Berechtigungen, gleiche Zugangsmöglichkeiten für alle Jugendlichen gibt. Diese würden auch die Mobilität und die faktische Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schnittstellen in Österreich wesentlich verbessern. Ziel muss es ja sein, die Potenziale der Jugendlichen zu nützen und nicht durch Selektion an diesen Schnittstellen zu ver­geuden.

Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat im Rahmen dieser Studie gleichzeitig eine Befragung von Jugendlichen zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr, die höchstens einen Pflichtschulabschluss haben, gemacht und anhand dieser Befragung eine Analyse betreffend bildungsferne und bildungsnahe Jugendliche erstellt. Und da sind wir alle zu einem Nachdenken auf den verschiedensten Ebenen gefordert. Sowohl die Familien, die Ausbildungs- und Beratungszentren, die Vereine als auch die Schulen sind gefordert, die Jugendlichen zu unterstützen. Das kann aber nicht immer aus Mitteln der öffentlichen Hand erfolgen, das muss zum Teil auch so gestaltet werden, dass die Jugendlichen ihren Rahmen haben, wo sie wissen, dass sie unsere Unter­stützung haben. Es ist für uns auch wichtig, ein öffentliches Zeichen zu setzen, ein Signal zu setzen, dass wir hier gemeinsam für die Jugendlichen arbeiten.

Ein Großteil der Jugendlichen, die die Pflichtschule absolviert haben, geht dann in einen Lehrberuf – und selbst da gibt es Disparitäten, und zwar räumlich, geschlech­terspezifisch und Jugendliche mit oder ohne Migrationshintergrund.

Landen die Jugendlichen dann letztendlich auf dem Arbeitsmarkt, dann sind sie – ich könnte das jetzt so sagen – im europäischen Vergleich in Österreich in einer guten Situation; aber das nützt keinem arbeitslosen Jugendlichen und keiner arbeitslosen Jugendlichen. Daher müssen wir uns das genau anschauen.

Sozialminister Hundstorfer hat mit seinen Programmen richtig eingegriffen. Ich erwähne hier nur die Ausbildungsgarantie und die überbetrieblichen Werkstätten, die erste gute Ansätze sind.

Es ist aber auch die Wirtschaft gefordert. Es reicht nicht aus, immer nur zu schreien, dass man keine Fachkräfte hat. Es ist auch die Wirtschaft gefordert, weiterhin auszu­bilden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wie schaut dann der Einstieg in die Berufswelt aus? – Der Einstieg in die Berufswelt erfolgt dann oft in der Form, dass man über ein unbezahltes Praktikum in die Berufs­welt kommt oder dass man als ersten Einstieg einen prekären Arbeitsplatz hat, damit man eine fixe Anstellung bekommt.

Was hat das wieder zur Folge? – Junge Menschen haben ein hohes Armutsrisiko, sie sind nicht imstande, selbst eine Familie zu gründen, und die Verschuldung ist einer der Hauptpunkte.

Ich meine, dass uns dieser Bericht Zahlen, Daten, Fakten liefert, wir aber viele Ebenen betreffend nachdenken müssen. Sie, Herr Minister, haben im Sommer davon ge­sprochen, dass Sie einen Familienrelaunch machen möchten. Ich würde mir gerne einen Jugendrelaunch wünschen, dafür müssten wir aber eine aktive Jugendpolitik haben. Ich wünsche mir und bin auch gerne bereit, daran mitzuarbeiten, dass auf Basis dieses Berichtes eine aktuelle Jugendstrategie erarbeitet wird. Dann können wir die Ziele, die wir in Zukunft für unsere Jugendlichen haben wollen, erreichen.

Nur zwei Sätze zum Entschließungsantrag der Kollegin Kitzmüller betreffend Familien­steuersplitting. Nachgewiesen ist, dass eine Familie, in der beide Elternteile arbeiten gehen und nicht viel verdienen, genau davon nichts haben, dass eine Familie, in der es ein Einkommen auf mittlerer Ebene gibt, in der Höhe von zirka 5 € vom Familien­splitting profitieren würde (Abg. Ing. Höbart: Wer sagt denn das?) – dazu gibt es Statistiken –, dass Dazuverdienerinnen einen kleinen Teil davon hätten und dass jene Familien, in denen es einen Alleinverdiener gibt, der gut verdient, am meisten davon profitieren würden. Da sind Ihre Alleinverdienerinnen, Frau Kitzmüller, überhaupt nicht drinnen. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Und somit werden wir diesen Antrag sicherlich ablehnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Höbart: Lesen Sie den Vorschlag einmal durch!)

12.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


12.36.14

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! In jeder Gesprächsrunde mit Jugendlichen, in jeder Diskussion mit Jugendlichen stelle ich liebend gerne die Frage: Wer ist in Öster­reich für die Belange von Jugendlichen auf der Regierungsbank zuständig? – Die Jugendlichen schauen mich mit großen Augen an, und dann kommen immer wieder Antwortvorschläge (Abg. Mag. Hakl: Umdrehen und schauen!), Bundesminister Hundstorfer zum Beispiel als Sozial- und Arbeitsminister, der ja für Jugendarbeits­losig­keit zuständig ist, oder Bundesministerin Schmied, die zuständig ist für den Bereich Unterricht und Bildung, aber niemals – niemals! – der für Familie, Wirtschaft und Jugend zuständige Minister Mitterlehner. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist bezeichnend für die Jugendpolitik in Österreich. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Höbart: Wenn er wenigstens Arbeitsplätze für Jugendliche schaffen würde!)

Es ist schon eine Entlarvung, und der Jugendbericht entlarvt diese Tatsache, dieses Faktum, dass es keine fokussierte Jugendpolitik gibt, genauso.

Im Jugendbericht sind enorm viele Empfehlungen enthalten, die – und das wäre gar nicht so schwierig – umsetzbar sind, die miteinander, durchaus auch abseits der Koalition, besprochen und umgesetzt werden könnten. Aber es geschieht nichts. Auch den gerade hier gehaltenen Reden – ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist – war ganz klar zu entnehmen: Man muss enorm viel tun. Es gilt, total viele Maßnahmen und Empfehlungen umzusetzen, es gibt viel zu tun! – Aber getan wird nichts, meine sehr


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verehrten Damen und Herren. Und das ist das, was entlarvt, das ist das, was die Jugendlichen in der öffentlichen Debatte wahrnehmen, und auch das, was die Expertinnen und Experten im Jugendbericht ganz klar kritisieren: der mangelnde Fokus der Jugendpolitik dieser Bundesregierung. (Abg. Ing. Höbart: Es gibt gar keinen Fokus!)

Die Themenfelder im Jugendbericht waren ganz klar: Bildung und Arbeit, Interessen und Werte, Gesundheit und Delinquenz, Jugendarbeit, Jugendwohlfahrt et cetera – und ganz, ganz viele Empfehlungen dazu. Ja, der Jugendbericht ist eine gute Grund­lage, ein guter Status, eine gute Basis, um hier klare Rahmenbedingungen zu setzen, wofür ja auch die Politik zuständig ist.

Ein Beispiel ist der Jugendschutz. Es gibt eine extrem lange Historie zum Thema Vereinheitlichung des Jugendschutzes. Noch einmal zur Information: Wir haben bis jetzt noch immer neun Jugendschutzgesetze. Das beste Beispiel dafür ist der Sem­mering, niederösterreichisch-steirische Grenze. Wenn Jugendliche dort snowboarden oder Ski fahren, müssen sie schauen, wo die Grenze ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grenze ist nicht markiert. Auf der einen Seite müssen sie früher zu Hause sein, auf der anderen später, auf der einen Seite dürfen sie Alkohol nicht trinken, auf der anderen Seite schon. Und das kann es nicht sein. Da gehört eine Vereinheitlichung für ganz Österreich umgesetzt. Dafür ist der Jugendminister zuständig, und das soll er endlich angehen! (Beifall bei den Grünen.)

Zum Kinder- und Jugendhilfegesetz: Heute hat im Radio die Vorarlberger Experten- und Expertinnenkommission einmal mehr moniert, dass es keine bundeseinheitlichen Regelungen gibt, was Kinder- und Jugendhilfe betrifft. Diese Beschlussfassung wurde einmal mehr auf 2012 verschoben. Jetzt haben wir eigentlich – in der Schublade des Ministers müsste das liegen – einen großartigen Entwurf, damals noch unter Ministerin außer Dienst Kdolsky mit Experten und Expertinnen erarbeitet. Es wäre gar nicht so schwierig: Man kann diesen Entwurf gemeinsam mit den Jugendwohlfahrtsträgern einfach umsetzen! Es wäre nicht schwierig, aber es wird einmal mehr verschoben.

Genau so schaut es auch mit der Anerkennung der Kinder- und Jugendrechte aus: Auch hier ist die klare Umsetzung verschoben. Im Bericht steht ganz klar drin, dass die Jugendarmut steigt, dass sie sehr gefährdend ist – das ist ein Alarmsignal, meine sehr verehrten Damen und Herren! –, und gleichzeitig wird die Anerkennung der Kinder­rechte auf die lange Bank geschoben. Nur ein Verfassungsgesetz zu beschließen heißt noch lange nicht, dass es eine Umsetzung gibt, sondern was es braucht, ist ganz klar eine Umsetzungsstrategie, ein Kinderrechte-Monitoring-Ausschuss und klare Regeln und Rahmenbedingungen. Und das geschieht einfach nicht!

Aus den Empfehlungen des Jugendberichtes kommt ganz klar heraus, dass es eine dauerhafte ministerielle Zuständigkeit und eigentlich auch einen parlamentarischen Jugendausschuss braucht. Unser Vorschlag wäre, einen Unterausschuss zum Familienausschuss zu machen, um die klare Umsetzung der Maßnahmen, der Empfehlungen, die im Jugendbericht stehen, zu forcieren – nämlich gemeinsam! Das sollte weiterhin besprochen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die öffentliche Debatte zeigt ganz klar, dass Euro-Rettungsschirm, Pensionen, Jugendarbeitslosigkeit, Integration, Diversitätspolitik, Jugendverträglichkeitsprüfung, Staatsschulden, dass das alles Themen sind, die für Jugendliche, für die jungen Menschen wirklich relevant sind. Es kommt immer wieder die Frage: Wo sind denn eigentlich die Jungen? – Ich bin davon überzeugt: Sie sind da! Dann kommt die Frage: Sind sie politikverdrossen? – Und ich sage: Nein, natürlich nicht!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 80

Aber was sie sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das: Sie sind system­verdrossen, sie sind parteisystemverdrossen! Jedes Mal wenn ich die Zeitung auf­schlage, jeden Tag, an dem ich von angeblichen Korruptionsvorverdachtsfällen lese, von Anfütterungsvorverdachtsfällen, möglicherweise Wirtschaften in die eigene Tasche, von Inseratenschaltungen anstatt pünktlicher Züge bei den ÖBB, dann brauche ich mich als Politiker und Politikerin nicht darüber zu wundern, dass es diese Systemverdrossenheit gibt, überhaupt nicht! (Abg. Hagen: Sie haben etwas verges­sen! Wien, die Stadt Wien ...!)

Der vorliegende Bericht ist eine klare Chance für eine aktive, fokussierte Jugendpolitik. Es liegt am Jugendminister, hier endlich aktiv zu werden! (Beifall bei den Grünen.)

12.43


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Minister.

 


12.43.12

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke, Frau Abgeordnete Souschill-Windbüchler, für diese wirklich freundliche Einbegleitung! Irgendwo haben Sie die falsche Art der Politikvermittlung, habe ich den Eindruck, denn dasselbe, was Sie jetzt gesagt haben, haben Sie schon vor zirka einem dreiviertel Jahr gesagt. (Abg. Brosz: Das spricht aber nicht dagegen! – Abg. Windbüchler-Souschill: Aber Sie ändern nichts!)

Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Sie das in der Zeit nicht vermitteln können, dann tut es mir wirklich leid. Ich will es Ihnen ersparen, wenn ich den Umkehrschluss ziehe und sage: Wer ist die grüne Jugendvertreterin? – Das ist irgendwo eine kindliche Ebene und keine sachliche Auseinandersetzung. (Abg. Windbüchler-Souschill: Aber ich bin nicht Ministerin! Ich kann Ihnen auch sagen ...!) Es tut mir wirklich sehr leid, dass Sie in dem Zusammenhang keine neue Platte brin­gen. (Abg. Windbüchler-Souschill: Sie sind der Minister, nicht ich!) Auch der sonstige Teil der Rede ist mir relativ bekannt vorgekommen. (Abg. Windbüchler-Souschill: Es ändert sich ja nichts!) Er hat sich eher weniger mit den Schlussfolgerungen des Jugendberichtes auseinandergesetzt als mit Ihren bekannten Vorhalten.

In dem Zusammenhang möchte ich aber auf das eingehen, was andere schon bemerkt haben. Frau Kitzmüller, Sie haben angemerkt: Der Jugendbericht liegt vor, und das eine oder andere Kapitel wäre nicht enthalten. – Ich muss Ihnen dazu sagen, wir haben den ganzen Bericht insgesamt neu aufgestellt. Die Zusammensetzung der Teilnehmer und Experten ist nicht von mir geprägt oder gestaltet worden, die Themen haben sich teilweise auch die Experten selbst gewählt und ausgesucht oder präzisiert. Daher ist die Auseinandersetzung darüber, was fehlt, eigentlich nicht der richtige Weg, sondern der richtige wäre die Auseinandersetzung mit dem, was da ist.

Da würde ich sagen: Es ist sehr viel da, nämlich in Relation zum letzten Bericht, denn der letzte Bericht hat sich ausdrücklich nur mit dem Thema Gender auseinan­der­gesetzt. Gendergerechtigkeit ist natürlich auch ein wichtiges Thema, aber diesmal ist es wesentlich interdisziplinärer angelegt, und da, Frau Kollegin Souschill, ist jetzt genau der Punkt dabei. Wenn Sie den Bericht genau lesen, dann kommen Sie drauf, dass die Experten sagen: Jugendpolitik ist nicht fokussiert, und es besteht nicht die Erwartungshaltung, es wäre in der Zuständigkeit einer Person, die Jugendpolitik machen muss (Abg. Windbüchler-Souschill: Sie haben den Bericht nicht gelesen!), sondern Jugendpolitik wird als Querschnittsmaterie definiert (Abg. Windbüchler-Souschill: Und Sie sind zuständig!), wo Bund, wo Länder, wo alle anderen, auch die Jugendeinrichtungen, insgesamt dafür verantwortlich sind.


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Wenn Sie das anschauen, was wir hier mit der Jugendvertretung und mit anderen an Beratungsangeboten entwickelt haben – da muss ich sagen: nicht ich, sondern auch schon andere vor mir –, dann sind wir, auch was die Finanzierung, was die Struktur anbelangt, im Bereich der Jugend gut aufgestellt! Das sehen Sie weniger, aber das können Sie auch den Daten entnehmen, wenn Sie eines bedenken: Im Endeffekt ist die Jugend auch in einem Spannungsfeld, insbesondere natürlich, was die Wertever­änderungen und die gesellschaftliche Entwicklung anbelangt, auch geprägt durch die Demographie.

Sie sehen das allein schon dann, wenn Sie daran denken: Wir haben derzeit in Österreich unter 20 Jahren einen Anteil an der Bevölkerung von 21,2 Prozent; noch im Jahr 1988 waren es 4 Prozent mehr. Wir haben – dazu gibt es heute auch eine APA-Aussendung – eine Entwicklung hin zu einer Altersgesellschaft: Wir werden in rund 20 Jahren kaum mehr als 18 Prozent Jugendliche in dem Alter haben, was natürlich bestimmte Fragestellungen im Hinblick darauf aufwirft, wie wir unsere Sozialein­richtungen, wie wir andere Elemente der Politik finanzieren und die Verteilung ent­sprechend entwickeln.

In diesem Zusammenhang ist es – es wird sehr oft zitiert – ganz einfach unrichtig, dass hier eine bestimmte Politikverdrossenheit gang und gäbe wäre. Ich weiß nicht, ob Sie das auch so sehen, aber ich merke es an den Mails, an den Anrufen, an den Diskus­sionsveranstaltungen. – Übrigens, Herr Kollege Lugar: Wenn Sie von Beispielen und von „Verbrechen“ an der Jugend und so weiter reden, finde ich, dass das auch nicht die richtige Sprache ist. Man sollte doch auch in dem Bereich etwas adäquater auftreten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zurück zu dem, was das politische Interesse anbelangt: Wir haben eine Tendenz, die so ausschaut, dass im Jahr 2004 9 Prozent der befragten 16- bis 18-Jährigen sehr interessiert an der Politik waren. 2008 waren es 23 Prozent, die sehr interessiert waren. Das heißt, das Element, dass mit vielem von dem, was jetzt passiert, jemand vielleicht nicht einverstanden ist, mag schon stimmen, aber die Jugend ist durchaus bereit, bevor man gestaltet wird, selber in die Gestaltung einzugreifen. Ich finde das aus­gesprochen positiv.

Selbst unsere Entscheidungen, was das Wahlalter anlangt – dieses auf 16 Jahre herabzusetzen –, zeigen eine richtige Entwicklung. Wie auch der Jugendbericht bestätigt, nimmt die Auseinandersetzung mit Politik zu, wir haben eine Wahl­beteiligung, die besser als bei den Erwachsenen ist. Das heißt, wir haben auch – und darüber ist ja auch im Rahmen des Jugendberichtes befragt worden – eine positive Äußerung, was die Demokratie anbelangt. Natürlich gibt es Systementwicklungs-Notwendigkeiten, aber im Prinzip ist die Jugend positiv zur Demokratie eingestellt.

In dem Zusammenhang: Wir werden natürlich auch Auseinandersetzungen haben, was die Nutzung des Internets anbelangt – die „Piraten“ sind Ihnen allen ja noch vom letzten Sonntag her ein Begriff –, aber selbstverständlich werden diese Tendenzen in Richtung einer besseren Mitgestaltung der Jugend auch ihre Auswirkungen haben.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt nicht darauf konzentrieren, das Positive darzustellen. Es ist vieles im Jugendbericht enthalten. Ich halte das nicht für weiterführend, das sehen wir sowieso, insbesondere, was die Auseinandersetzung und auch die positive Einstellung zum System insgesamt anbelangt, sondern ich möchte mich den wichtigsten Problemfeldern widmen, und zwar deswegen, weil man daraus auch den Handlungsbedarf ableiten kann.

Das erste und wichtigste Themenfeld ist sicherlich die ganze Frage Bildung, Aus­bildung und Arbeitsplatz. Da können wir erfreulicherweise feststellen: Was die Arbeits­marktentwicklung insgesamt anbelangt, haben selbst in der Wirtschaftskrise unsere


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Jugendlichen Ausbildungsplätze vorgefunden. Wir haben die geringste Jugendarbeits­losigkeit in ganz Europa über Monate hinweg – für Sie eine Selbstverständlichkeit, für uns auch ein Beweis, dass die Betriebe und die Mitarbeiter die richtige Einstellung haben und dass die Rahmenbedingungen nicht falsch sind.

Wir haben aber natürlich schon die Problematik, dass wir einfach Korrelationen sehen, beispielsweise die Korrelation, dass jemand, der seine Schulausbildung abbricht, wesentlich stärker von Arbeitslosigkeit gefährdet ist. Im Allgemeinbereich haben wir die bekannten 7,8 Prozent, die ich hier angesprochen habe; wenn das nicht der Fall ist, haben wir die Situation von 29 Prozent Arbeitslosen. Das heißt, dass der Schulabbruch eine der wesentlichsten Ursachen für die Arbeitslosigkeit ist.

Wir haben überhaupt das Problem, dass jeder Zehnte der 18- bis 24-Jährigen keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss hat. Das heißt, unser Bemühen muss dahin gehen, dass wir insgesamt ansetzen und die richtigen Maßnahmen setzen. In dem Zusammenhang haben die Experten unter anderem angeregt, dass auch die Eltern früher einbezogen werden sollen in die Ausbildungsfragen, aber auch in die Bildungsfragen, weil das natürlich eine positive Entwicklung fördert.

Wir setzen daher mit unseren Angeboten relativ früh an. Was meinen wir damit? – Berufsberatung und Berufsorientierungsangebote. Das Job-Coaching beginnt in der Jugendarbeit, die in ganz Österreich meines Erachtens wirklich gut aufgestellt ist. Das heißt, die in der Jugendarbeit Tätigen helfen als Erstberater/innen bei beruflichen Einstiegsproblemen und bringen in vielen Fällen die geeignete Berufsentscheidung zustande.

Wir haben die „Jobtalks 2.0“-Seminare und -Workshops zur sicheren und effektiven Nutzung des Internets, wie schon vorher bei der Politik angesprochen, auch bei Bildungs- und Berufsfragen. Wir haben tolle Berufseinstiegsangebote, wir haben die Förderung von Soft Skills im Rahmen der Jugendarbeit als Ort non-formalen Lernens in Höhe von jährlich 6,3 Millionen. Ich möchte Ihnen jetzt nicht alle die Maßnahmen aufzählen, aber es soll einfach auch gegensteuern und für das Bemühen stehen, dass man nicht so tut, wie wenn es im Bereich der Jugend keine Angebote, keine Politik und keine Möglichkeiten gäbe. Ganz im Gegenteil, wir liegen auch von den Zahlen her im Spitzenfeld Europas.

Zweiter Punkt: Was Gesundheit, Sport und Lebensqualität anbelangt, glaube ich, dass wir dort schon einige Ansätze vorfinden, wo wir etwas tun müssen oder mehr tun sollen. Wir haben bei der Lebensqualität der 11- bis 15-Jährigen ein relativ hohes Niveau, es zeichnet sich allerdings ein Einbruch ab dem 13. Lebensjahr bei Sucht­giften – insbesondere bei Rauchen, aber auch bei Alkohol – ab. Das heißt im Klartext, der Jugendliche beginnt nicht mit 16 oder 17 Jahren, sondern in der Regel mit 12 oder 13 Jahren mit Alkohol- und Rauchkonsum. Die Quote derjenigen, die sich sozusagen für diese Tätigkeiten, für diese Suchtgifte entscheiden, bleibt dann auch im Alter relativ konstant bestehen. Das heißt im Klartext: Wenn es uns gelingt, hier anzusetzen und die Quote nach unten zu drücken, werden wir das Problem des Rauchens oder des Alkohols auch insgesamt besser in den Griff bekommen.

Wir folgen den Empfehlungen des Jugendberichtes beispielsweise – weil das hier angeregt wurde – damit, am Kinder- und Gesundheitsdialog sowie an der Entwicklung von bundesweiten Rahmengesundheitszielen mitzuwirken, wobei dies interdisziplinär, insbesondere auch mit dem Gesundheitsministerium, erfolgt, weil hier ein Gesamt­ansatz notwendig ist. Es gibt auch, was die Suchtprävention anlangt, in den letzten Jahren professionelle Angebote von der ARGE Suchtvorbeugung, aber auch von anderen, und es gibt Projekte bei beispielsweise „Risk & Fun“, wodurch die Förderung


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der Risikokompetenz vorgenommen wird in dem Sinn, dass man wissen muss und wissen kann, was man tut und was nicht.

Wir haben das Themenfeld „Werte – Lieben – Leisten – Hoffen“, wo meines Erachtens, was jetzt die Werte betrifft, ganz wichtige Grundlagen und Einstellungen zu finden sind, die ausgesprochen interessant sind. Das haben wir auch bestätigt bekommen durch den Jugendmonitor, den Herr Professor Filzmaier für uns macht.

Was ist daraus und auch aus dem Jugendbericht abzuleiten? – Dass die Jugend ein relativ traditionelles Werteverständnis hat: Wir haben, was Freunde anbelangt, was die Sehnsucht nach Familie anbelangt, eine Rückkehr zu traditionellen Werten. Das heißt, man muss sich natürlich auch mit der Frage der Finanzierung auseinandersetzen, und das tun wir auch. Ob hier die Frage des Splittings, wie in dem Antrag vorgesehen, die ideale Möglichkeit ist, bleibt dahingestellt. Ich möchte es nicht endgültig bewerten, aber die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass es hier steuerlich bessere Möglichkeiten gibt, sollte man zumindest diskutieren, und dies ist ja auch, zumindest in unserer Partei, Gegenstand der Überlegungen.

Die Jugendlichen sehnen sich auch nach glücklichen Beziehungen, und sie haben eine hohe Leistungsbereitschaft. Es gibt in dem Bereich auch Problemfelder. Dann, wenn jemandem das nicht erfüllt wird, aber auch aus anderen Motiven heraus gibt zumindest ein Drittel der 13- bis 15-jährigen Schüler/innen an und zu, sich bereits mindestens einmal gewaltbereit verhalten zu haben, wobei männliche Jugendliche eine höhere Tendenz zur Gewaltanwendung haben.

Daher setzen wir auch hier stark an, im Ressort und in Kooperation mit anderen Ressorts, mit Beratung, mit der Förderung beispielsweise von Eltern, mit Bildungsmaß­nahmen zur Stärkung der Erziehungskompetenz. Wir haben dort beispielsweise 90 000 Teilnehmer/innen jährlich, wir geben die Elternbriefe heraus, wir haben eine eigene Website in dem Bereich. Wir haben 390 Familienberatungsstellen, wovon 94 Beratungsstellen mit den Schwerpunkten Gewalt, Kinderschutzzentren, Frauen- und Männerberatungsstellen agieren. Hier ist also ein wirklich gutes Angebot vorhanden.

Die Plattform „Gegen die Gewalt“ koordiniert die Arbeit von 45 einschlägigen Orga­nisationen. Es gibt eine Reihe von gemeinsamen Querschnittsprojekten. – Ich möchte es nicht mehr weiter verbal illustrieren. Wenn Sie Interesse haben: Wenn Sie Fach­experte sind, kennen Sie es sowieso, sonst können wir Ihnen das gerne im Detail sagen.

Es ist aber, da wir in einer Konsumwelt leben, in dem Bericht auch stark herausge­kommen, dass die Verschuldung, die Neigung zu Konsum insofern zunimmt, als Jugendliche immer stärker auch die Beratungsstellen in Anspruch nehmen müssen. Im Jahr 2006 war beispielsweise jeder Fünfte der überschuldeten Klient/innen der Bera­tungsstellen in Oberösterreich jünger als 25, in anderen Bundesländern genauso. Die erste Kontoüberziehung findet bei der Mehrheit der jungen Verschuldeten, bei 64 Prozent, ab 16 Jahren statt, nur 5 Prozent geben einen früheren Zeitpunkt an. Es muss also etwas passiert sein, wenn wir damit so umgehen. Das heißt im Klartext, dass ... (Abg. Mag. Schwentner: Ja, im System ist was falsch!) Bitte? (Abg. Mag. Schwentner: Im System ist was falsch!)

Es ist immer am System oder an der Schulausbildung etwas falsch. Es könnte auch an der Gesellschaft etwas falsch laufen, oder in der Gesellschaft, und hier der entsprechende Ansatzpunkt gefunden werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich habe das deswegen gesagt, weil es auch im Bereich der Verschuldung tolle Beratungs- und Coach-Angebote gibt. Aber in Wirklichkeit wird es allein damit – mit Beratungen die Symptome, die schon vorhanden sind, die Umset­


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zungen, die es leider schon gibt, zu bekämpfen – natürlich nicht getan sein. Deswegen geht unser Bemühen und auch das der Europäischen Union vor allem in den Bereich Partizipation – die Demokratie und die Beteiligung in dem Bereich wurde ange­sprochen –, es geht aber vor allem um das bessere Leben der Querschnittskompetenz in dem Bereich.

Daher: auf europäischer Ebene mehr Verbindung, und Gleiches auch – weil das hier schon angemerkt worden ist – in der Jugendstrategie. Wir arbeiten an einer Jugend­strategie, in der die Generationengerechtigkeit ein wichtiger Punkt ist, aber auch – wie neulich von Staatssekretär Kurz angeregt, das steht auch im Regierungsprogramm drin – die Jugendverträglichkeitsprüfung. Im Endeffekt ist es nicht nur bei Gesetzen ein wichtiger Punkt, dass man die Ausrichtung schon vorher prüft und damit die einen oder anderen Auswirkungen vermeidet, sondern es geht auch darum, dass man überhaupt, auch was die Finanzen anbelangt, was die Einstellungen anbelangt, wahrscheinlich dann, wenn man zeitgerecht ansetzt, das meiste erreichen kann.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Ich glaube, der Jugendbericht gibt eine ganze Reihe von Ansatzmöglichkeiten für weitere Verbesserungen. Klar ist – und hier sind wir auch in sehr guter Zusammenarbeit mit den Jugendvertretungen –, dass das auch ein gemeinsames Wirken erfordert, um eine entsprechend positive Veränderung und noch mehr Partizipation der Jugendlichen an der Gestaltung des Gesellschafts­lebens insgesamt zu erreichen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


12.57.47

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe mir in der Vergangenheit immer gedacht, es ist die Gepflogenheit des Hohen Hauses, dass der Minister zumindest am Ende, wenn jede Fraktion einmal gesprochen hat, spricht. Anscheinend können Sie jetzt ... (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Aber Herr Lugar hat geredet!) Ich wollte gerade sagen, da können Sie nichts dafür. Wahrscheinlich muss man sich nur als Contra-Redner melden, dann wird man automatisch vorgereiht. Ich glaube, das sollten wir in Zukunft einmal diskutieren. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Kogler: Da muss ich die Bundesregierung ausdrücklich in Schutz nehmen!) Ja, genau, mach das! (Abg. Mag. Kogler: Wenn nicht mehr erkennbar ist ...! – Weitere Zwischenrufe.) Danke, Herr Kogler, das haben wir jetzt auch vernommen. Ihre Äußerungen werden hier niedergeschrieben.

Auf alle Fälle ist es so, dass der Bericht sehr umfangreich ist. 1988, als der erste Bericht herausgekommen ist, waren es etwa 100 Seiten; jetzt umfasst er deutlich mehr und beinhaltet sehr viele Empfehlungen. Allerdings bin ich sehr gespannt, ob das Empfohlene wirklich umgesetzt wird. Einen Punkt haben Sie ja richtig angesprochen, und darüber wurde jetzt auch kurz diskutiert, nämlich die Verschuldung der Jugend­lichen und Kinder. Aber da liegt es sehr wohl auch an der Werbung! Wenn ich etwa nur „spark7“ ansprechen darf: Da werden Jugendliche speziell und gezielt darauf hinge­wiesen, ein Konto zu eröffnen, um sofort ein Startkapital zu bekommen. Wir wissen, das ist quasi der Anfang einer Verschuldung von Jugendlichen! Hier sagen wir: Genug gezahlt, hier gehört einfach die Bremse gezogen. (Beifall beim BZÖ.)

Aber das BZÖ wird es Ihnen ohnehin leichter machen, indem wir einen Ent­schließungsantrag einbringen, wo eine Schuldenbremse gefordert wird, weil ja auch die Finanzministerin diesbezüglich in ihrer letzten Rede davon gesprochen hat, dass wir einen Weidezaun mit Starkstrom brauchen. – Aber wir brauchen viel mehr: Wir brauchen einen Weidezaun mit Starkstrom und herum noch am besten einen Stacheldraht, damit die Schuldenbremse eingehalten wird und damit nicht die Jugend­


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lichen und Kinder, wenn sie auf die Welt kommen, schon einen Rucksack von 29 000 € mittragen. Deswegen finden wir: Absolut genug gezahlt! Wer soll es denn zurückzahlen außer den Jugendlichen und Kindern?

Deswegen bringen wir hier einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Bucher und Markowitz zur Einführung einer Schuldenbremse für die öffentliche Verschuldung ein. Er lautet:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesministerin für Finanzen wird – insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für die Jugend – aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst einen be­schluss­reifen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine Schuldenbremse der öffentlichen Verschuldung gesetzlich verankert. Die Höhe der erlaubten Verschuldung soll den Maastricht-Kriterien von 60 Prozent des BIP bei der Gesamtverschuldung und 3 Pro­zent des BIP bei der Neuverschuldung entsprechen.‘“

*****

Ich bitte Sie, dies breit zu unterstützen, denn wir finden, dass gerade Jugendliche und Kinder ohnehin genug an dieser Last, an dieser Bürde tragen. Wenn man in den letzten Tagen gehört hat, dass die Miete um 5 Prozent erhöht wird, dass die Wasser­gebühren in Wien um 30 Prozent erhöht werden, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Kinder und die Jugendlichen von heute keine Kinder mehr in die Welt setzen, weil sie es sich einfach nicht mehr leisten können. (Abg. Rädler: Wegen der Wasserpreise?!) Man darf sich darüber nicht lustig machen, Kollege! Sie sind Bürgermeister, soweit ich weiß, von der ÖVP. Man kann nicht einfach alles abwälzen. Wenn man einfach drüberfährt über die Bevölkerung, dann gibt es ohnehin einen Zahltag, und das ist der nächste Wahltag. Wir werden ja sehen, wie es dann ausschaut.

Ein wichtiger Punkt, den wir ansprechen müssen, wäre ein Flat-Tax-Modell. Wir brauchen speziell eine Entlastung des Mittelstands und auch der Jugend. Sonst wird gibt es auf lange Sicht nur mehr Arm und Reich und die Mittelschicht wir immer dünner. Hier müssen wir entschieden entgegenwirken. Deswegen auch hier ein Ent­schließungsantrag. Wir werden uns ganz genau ansehen, wer da mitstimmt. Wir finden, wir müssen runter mit den Steuern und die Jugend unbedingt fördern und vor allem nachhaltig entlasten. (Abg. Mag. Kogler: Keine Steuern, mehr Ausgaben – und kein Defizit! Wie das geht, weiß allein das BZÖ!)

Nun folgender Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Markowitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Einkommensteuer in Richtung eines Flat-Tax-Modells

„Die Bundesministerin für Finanzen wird – insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für die Jugend – aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst ihre Reform­pläne für die Lohn- und Einkommenssteuer zu präsentieren.“

*****

Warum? – Die Finanzministerin selbst hat ja gesagt, dass alles weniger, einfacher und leistungsgerechter werden muss. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)


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Na ja, so schaut es einmal aus. Das wäre das Ziel, und ich erwarte mir auch von der Ministerin, dass Steuern gesenkt werden, damit sich die Menschen auf lange Sicht das Leben wieder leisten können und damit wichtige Punkte, die im Bericht stehen, auch finanziell umgesetzt werden können und das Ganze auch leistbarer wird. Das wäre der richtige Weg für die Zukunft, und das wäre auch der richtige Weg für die österreichi­sche Jugend. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

13.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die beiden soeben eingebrachten Entschließungs­anträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Einführung einer Schuldenbremse für die öffentliche Verschuldung

eingebracht in der 118. Sitzung des Nationalrats am 21. September 2011 zum TOP 1, Bericht des Familienausschusses über den Sechsten Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Lage der Jugend in Österreich (III-248/1269 d.B.)

Nachdem die Frau Bundesminister für Finanzen lange Zeit die Einführung einer Schul­denbremse als nicht notwendig erklärt hat, kam sie am 8. September 2011 doch zur Erkenntnis, dass eine Schuldenbremse als „Weidezaun mit Starkstrom“ gesetzlich verankert werden sollte.

Ein diesbezüglicher Antrag wurde seitens des BZÖ bereits am 18. September 2009 eingebracht, die Beratung im Finanzausschuss wurde allerdings vertagt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Finanzen wird – insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für die Jugend – aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst einen beschlussreifen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine Schuldenbremse der öffent­lichen Verschuldung gesetzlich verankert. Die Höhe der erlaubten Verschuldung soll den Maastricht-Kriterien von 60 % des BIP bei der Gesamtverschuldung und 3 % des BIP bei der Neuverschuldung entsprechen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Reform der Einkommensteuer in Richtung eines Flat Tax-Modells

eingebracht in der 118. Sitzung des Nationalrats am 21. September 2011 zum TOP 1, Bericht des Familienausschusses über den Sechsten Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Lage der Jugend in Österreich (III-248/1269 d.B.)

Nachdem die Frau Bundesminister für Finanzen bereits bei ihrem Amtsantritt im April 2011 angekündigt hat, eine Reform der Einkommensteuer in Richtung „weniger,


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einfacher, leistungsgerechter“ durchzuführen, wird es Zeit, dass sie dem Nationalrat entsprechende Vorschläge präsentiert.

Ein diesbezüglicher Antrag wurde seitens des BZÖ bereits am 21. April 2009 einge­bracht, allerdings im Finanzausschuss noch nicht in Verhandlung genommen wurde.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Finanzen wird – insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für die Jugend – aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst ihre Reform­pläne für die Lohn- und Einkommensteuer zu präsentieren.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.02.32

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Gäste! Es ist doch unser aller Anliegen, der Jugend bestmögliche Chancen zu eröffnen. Wie schaffen wir das? Gott sei Dank leben die Österreicher immer länger; es gibt aber auch immer weniger junge Erwerbstätige. Wie wirkt sich das aus? – Der Herr Minister hat es ja schon angesprochen. Der vorliegende Bericht kommt zum Schluss, die Sozialausgaben würden sich von den Jungen hin zu den Älteren verschieben, und die Autoren warnen, daraus könnte sich ein Genera­tionen­konflikt entwickeln.

Meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Wir werden alles daransetzen, dass es nicht zu einem Konflikt zwischen Jung und Alt kommt. Unser Credo: Keine Generation darf auf Kosten der anderen leben. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit uns das gelingt, braucht es aber auch Reformen und Maßnahmen. Unser Vorschlag dazu: ein neuer Generationenscan für das Budget. Nicht nur die Jugend­verträglichkeit soll geprüft werden, Herr Minister, es soll auch die Verträglichkeit der Gesetze für alle Generationen geprüft werden. Warum? – Wir wollen wissen: Wie wir­ken sich die Gesetze für Jung und Alt aus? Wie wirken sich Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Geburtsjahrgänge aus? Ziel ist eine gerechte Verteilung der Mittel auf alle Generationen. Das nützt den Jungen und das nützt den Alten. Niemandem wird etwas weggenommen. Ich erwarte mir auch mehr Klarheit, mehr Transparenz.

Und da es immer wieder heißt, Pensionisten bekommen Zuckerln und Geschenke: Die jährliche Pensionsanpassung ist eine reine Abgeltung der Teuerung. Da ist kein Geschenk dabei, und das ist fair gegenüber den Jungen. Das sollte auch ganz klar sein.

Wir wollen, dass die Jungen einmal faire Pensionen bekommen. Das liegt in unserem Verantwortungsbereich. Wenn die Menschen immer kürzer arbeiten und länger leben, kann sich die Rechnung nicht ausgehen. Das heißt, wir brauchen Reformen. Weg mit den Privilegien im staatsnahen Bereich! Wie erklären Sie einem jungen Lehrling, dass ÖBBler mit 53 in Pension gehen? Das kann man nicht erklären. Die Österreicher gehen im Schnitt mit 58 in Frühpension. Das bedeutet enorme Kosten für das Budget. Ein Jahr länger arbeiten würde 1 Milliarde € bringen. Würden wir Österreicher so lange


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arbeiten wie die Schweden – und das ist ja ein sehr sozialer Staat –, dann hätten wir im Bund sogar einen Budgetüberschuss. Ja, Sie hören richtig: einen Budget­über­schuss. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Dann macht es doch! – Abg. Dolinschek: Das muss man auch machen!)

Und mit diesem Budgetüberschuss könnten wir Schulden zurückzahlen. Das ist der richtige Weg. Dann hätten die Jungen nicht so einen großen Schuldenrucksack.

Meine Damen und Herren! In Österreich lassen sich Jung und Alt nicht gegeneinander ausspielen. Packen wir es an! Her mit den effizienten Strukturen in der Bildung! Her mit der Gesundheitsreform! Weg mit Pensionsprivilegien! Dann ist genug da für alle Gene­rationen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Binder-Maier. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.06.07

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zuallererst vielen Dank für den vorliegenden Bericht, der sehr umfangreich ist. Ich stelle natürlich fest, dass der Zugang zu den Inhalten sehr unter­schiedlich ist, auch sehr unterschiedlich diskutiert wird. Das ist Teil des Parla­men­tarismus und daher auch richtig und notwendig, weil eben unterschiedliche Zugänge zugelassen werden müssen.

Eine Bemerkung zu Ihren Ausführungen, Frau Kollegin Aubauer: Seit 1996 gibt es für Neuzugänge bei den Österreichischen Bundesbahnen die Regelung, dass diese Kolleginnen und Kollegen im ASVG versichert sind, also schon seit langer Zeit. Alle anderen Regelungen laufen aus. Ich denke, wir sollten jetzt einmal die ÖBBler arbeiten lassen und sie nicht immer wieder mit unrichtigen Vorwürfen belasten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, dieser Bericht gibt Auskunft über die Situation der Jugend in Österreich. Die Prozesse und Anforderungen an junge Menschen sind natürlich sehr unterschiedlich. Unsere Aufgabe ist es, junge Menschen zu begleiten. Dieser Bericht stellt einerseits die Analyse der Lebensbedingungen dar, zum anderen Situations­berichte. Dieser Bericht zeigt auch die Chancen und Entwicklungsperspektiven auf, die Kinder und Jugendliche in Österreich haben. Es zeigt sich auch eindeutig, dass Jugend­politik nicht nur ein Politikfeld betrifft, sondern die Problemfelder von Jugend­lichen sehr, sehr unterschiedlich sind. Mit guten Konzepten kann diesen Problemen im Vorfeld begegnet werden, und es wird ihnen auch begegnet. Es hat sich viel getan, und es wurden viele Maßnahmen für die Jugendlichen in Österreich gesetzt. Der Bericht zeigt auch sehr klar, dass sich unterschiedliche Rahmenbedingungen sehr wesentlich auf die Zukunftschancen von Kindern in Österreich auswirken.

Einige grundsätzliche Bemerkungen zum Bericht: Jugendpolitik betrifft in Österreich fast 3 Millionen junge Menschen. Durch die Ausdehnung der Bildungszeiten wird Jungsein mit SchülerInnensein gleichgesetzt. Das Alter zwischen 18 und 25 Jahren wird als junges Erwachsenenalter bezeichnet, und gerade diese zweite, nachschu­lische Phase ist oft sehr kompliziert. Sehr viele Lebensbereiche sind sehr unbestimmt und beinhalten viele Risiken. Diese Phase wird auch von verschiedensten Anforderun­gen geprägt. Alle, die jugendliche Erwachsene in ihrem Umfeld haben, wissen, wovon ich rede. Es ist alles nicht so einfach, und die Orientierung der Jugendlichen ist oft sehr schwierig. Der Bericht zeigt auch auf, dass die Jugendlichen von den Familien abhängig sind und erst im Berufsleben Fuß fassen müssen.


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Prävention, Vorsorge sind Themenbereiche, die sehr umfangreich im Bericht aus­geführt werden. Prävention soll einerseits Abschreckung beinhalten und andererseits wirklich vorbeugend sein. In vielen Bereichen wurde in den letzten Jahren Prävention geboten: Suchtprävention, Gewaltprävention, Kriminalprävention, Suizidprävention, um einige zu nennen. Viele Projekte wurden in Österreich in diesem Zusammenhang umgesetzt, weil sich gezeigt hat, dass vorbeugende Maßnahmen auch einen Kosten-Nutzen-Effekt haben, dass sich Prävention also rechnet. Ich nenne hier nur einige dieser Maßnahmen: das Projekt „Gesunde Schule“, das Wiener Projekt „samara“, Suchtprävention, Suchthilfe, Suchthilfe-Kompass. Jeder Euro, der für Prävention eingesetzt wird, rechnet sich, ist wichtig und notwendig.

Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, dass wir auf Grundlage dieses Berichts weiterarbeiten werden, Konzepte neu erstellen, finanzielle Ressourcen stär­ken, bestehende Einrichtungen personell und finanziell weiterhin gut ausstatten müs­sen, verpflichtende Kooperationen eingehen müssen und vieles andere mehr.

Wesentlich erscheint mir, meine Damen und Herren, dass die Begleitung, Betreuung und Unterstützung der Kinder und Jugendlichen im Einklang und als Ergänzung zu den unterschiedlichsten Familienformen im Vordergrund zu stehen hat und absolute Priorität genießt. (Beifall bei der SPÖ.)

13.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.11.10

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Ein bisschen befremdend ist es schon! Unsere Jugendsprecherin, die grüne Jugend­sprecherin Windbüchler-Souschill – jetzt sage ich auch den Namen einmal richtig –, hat einige Dinge klargelegt, die in Österreich im Jugendbereich nicht nachvollziehbar sind, Aufgaben aufgezeigt, die zu erledigen sind und in Ihren Bereich fallen. Und was machen Sie? – Sie berichten uns mehr oder weniger zusammenfassend, was im Jugendbericht drinnensteht. Von den wenigen Abgeordneten, die da sitzen, waren die meisten im zuständigen Jugendausschuss, im Familienausschuss und wissen daher ungefähr Bescheid, was da drinsteht. Insofern wäre es interessanter, auf Basis dieses Berichts weiterzudiskutieren, was zu tun wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu gehört vor allem ein ganz großes Kapitel, nämlich ein einheitlicher Jugendschutz in Österreich. Wie schizophren die Situation ist, erleben nicht nur Eltern Jugendlicher wie ich derzeit. Man hört es auch von Jugendlichen, die an der Grenze wohnen, zum Beispiel an der Grenze Steiermark/Burgenland. Da gehen die Jugendlichen in der Steiermark am Abend weg in ihrem Ort, und dann nach elf – denn in der Steiermark dürfen sie nur bis elf Uhr weggehen – gehen sie in den Nachbarort über die Grenze und können dort bis eins bleiben, und dann schlafen sie irgendwie bei Freunden. Es ist sicher auch nicht im Sinne der Erziehungsberechtigten, dass man keinen Überblick mehr hat und wir nicht genau wissen, wie das funktioniert. Es gibt da eine Unein­heitlichkeit, die für niemanden nachvollziehbar ist – und schon gar nicht für die Jugend­lichen selbst.

Sie haben erwähnt, Jugendliche interessieren sich für Politik. Das ist so. Sie sind sehr offen. Mit denen kann man wirklich super diskutieren und reden, aber gerade in dem Punkt, und dieser Punkt kommt immer wieder vor in Jugenddiskussionen, gibt es absolut kein Verständnis für die Politik. Wenn es Ihre ÖVP-Landeshauptleute sind, die verhindern, dass es einen gemeinsamen Jugendschutz gibt, dann würde ich Sie ein­dringlich bitten, dem nachzugehen und sich darum zu kümmern, dass es endlich einmal dazu kommt.


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Ein zweiter Punkt – Sie haben es angesprochen – ist die Jugendverträglichkeitsprüfung bei sämtlichen Maßnahmen, die da jetzt irgendwie im Raum steht. Ich finde das schon gut, muss aber dazusagen, dass es wie eine ganz große PR-Blase klingt. Das ist jetzt ein bisschen aufgedampft, und dann sagen wir alle: Ja, es muss alles gecheckt werden, ob es jugendgerecht ist oder nicht!, aber wo, bitte, wird das überprüft? Wie wird es ausschauen? Wird es so ausschauen wie Gender-Mainstreaming oder Gender-Budgeting? – Dann wissen wir aber, dass das gesetzlich verankert werden muss, dass es ganz konkrete Maßnahmen geben muss, die nachvollziehbar sind, und dass es Jahre dauert, bis es auch nur in den Köpfen der Zuständigen der einzelnen Ressorts ankommt. Das wissen wir vom Gender-Budgeting, dass das ein sehr zäher Prozess ist. Das heißt: Eine schöne Idee, aber immer nur PR-Blasen rauszublasen wie Seifen­blasen, davon halte ich nicht sehr viel. Stattdessen gibt es konkrete Dinge, wo man ansetzen kann.

Damit wäre ich beim Gender-Thema. Sie haben es heute schon angesprochen, und wir haben es auch im Ausschuss kritisiert. Es ist schön, dass es über den ganzen Bericht drübergelegt wurde. Ich nehme das zur Kenntnis, nur fehlt dann leider in ganz entscheidenden Kapiteln das Gender-Thema. Wir stehen zum Beispiel kurz vor dem Equal Pay Day. Am 4. Oktober wird es heuer wieder so weit sein, dass Frauen in Österreich vom 4. Oktober bis zum Jahresende gratis arbeiten, weil sie umgerechnet ab dem Zeitpunkt nichts mehr verdienen, weil sie nämlich rund ein Viertel weniger verdienen als die Männer im Land. Das wissen wir alle. Es wird auch jedes Jahr rund um diese Zeit beteuert und geredet, was nicht alles getan werden muss. Besonders viel kann in Ihrem Ressort dafür getan werden, dass es in dem Zusammenhang Maßnahmen gibt, die schon sehr frühzeitig dahingehend wirken, dass es zu einer Geschlechtergerechtigkeit und zu einer Geschlechterbalance kommt.

Ich würde Sie dringend bitten, da genau hinzuschauen, denn wenn man nicht ganz früh bei den Jugendlichen anfängt, dann wird die Schere immer so weit auseinander bleiben, denn da geht es um die Berufswahl, da geht es um das Rollenverständnis. Es zeigt sich auch im Bericht, dass es da teilweise großen Handlungsbedarf gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.15.43

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Sechste Jugendbericht, der uns vorliegt, der auch im Ausschuss entsprechend diskutiert wurde, zeigt einmal mehr und ganz klar auf, dass es sich bei der Jugendpolitik um eine Querschnittsmaterie handelt und dass letztendlich alle politisch Verantwortlichen gefordert sind, sich dort einzu­bringen, wo junge Menschen ihre ganz zentralen Lebenserfahrungen machen: im Bereich der Bildung, Ausbildung, am Arbeitsmarkt, in der Freizeit, in der Familie und in vielen anderen Bereichen.

Der Minister muss jedoch der Motor dafür sein, damit endlich – ähnlich wie in der Frauenpolitik – auch in der Jugendpolitik etwas vorangeht. Es ist notwendig, dass die Rahmenbedingungen passen für junge Menschen, damit sie Familie haben können, Familie leben können, damit sie ihre eigenen Ressourcen, ihr eigenes Kapital sozu­sagen gut einsetzen können. Wir wissen, dass sie sich Kompetenzen aufbauen können. Und vor allem geht es darum, dass sie sich gedeihlich entwickeln zu mün­digen Bürgerinnen und Bürgern und vor allem auch zu leistungsbereiten, zu verant­


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wortungsvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft. (Beifall beim BZÖ sowie der Abg. Fürntrath-Moretti.)

Das Problem der Verschuldung wurde jetzt schon mehrfach angesprochen. Wir sollten das wirklich nicht nur so nebenbei abhandeln und kleinreden. Herr Minister! Sie haben ja gesagt: Projekte sind zu wenig. Da gebe ich Ihnen völlig recht. Was machen wir aber wirklich dagegen? Wäre nicht auch ein Ansatz, gerade im Ausbildungs- und Bildungs­bereich, in der Schule die wirtschaftlichen Zusammenhänge, das Grundwissen als Konsument vermehrt zu lehren, zu vermitteln? Wir haben einen Ausschuss für Konsu­mentenschutz, und wir wissen dort sehr viel. Die Erwachsenen, die sich interessieren, können auch viele Informationen einholen. Gerade in der Ausbildung von jungen Menschen wäre es wichtig, in einem entsprechenden Ausbildungsfach oder zusätzlich die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln. Bildung in allen Bereichen ist das beste Mittel, um nicht über den Tisch gezogen zu werden.

Ein zweiter Bereich, der auch schon von einigen angesprochen wurde und für mich auch sehr wichtig ist, ist die demographische Entwicklung, die sehr nachdrücklich, eigentlich sehr plakativ dargestellt wird. Es zeigt sich ganz klar, dass wir in den nächsten Jahren einen starken Einbruch bei den 15- bis 20-Jährigen haben werden, vor allem bis zum Jahr 2018. Sie, Herr Bundesminister, haben schon gesagt, dass der Anteil der jungen Menschen in den nächsten Jahren von 21 Prozent auf 18 Prozent schrumpfen wird. Davor darf die Politik wirklich nicht die Augen verschließen.

Frau Kollegin Aubauer, ich stimme dem, was Sie gesagt haben, völlig zu. Allerdings muss ich ganz ehrlich sagen: Sie sind Mitglied einer Partei, die Regierungs­verant­wortung trägt. Sie sind nicht in der Opposition. Wenn ich Regierungsverantwortung trage, dann kann ich das nicht nur immer ankündigen und sagen: Das müssen wir tun, das sollten wir tun. Tun Sie es endlich! (Beifall beim BZÖ.)

Tun Sie endlich etwas, um diese Entwicklung einzubremsen. Tun Sie etwas zum Beispiel beim Pensionssystem. Ich unterstreiche alles, was Sie gesagt haben, und ich habe Sie gestern auch in der Diskussion gehört. Ich habe zuerst nicht hingeschaut und geglaubt, jemand meiner Kolleginnen oder Kollegen aus dem BZÖ nimmt an der Diskussion teil, weil Sie diese Argumente gebracht haben. Tun Sie auch etwas im Gesundheitsbereich, im Pflegebereich! Aber diese Regierung von SPÖ und ÖVP ist eine Ankündigungsregierung, eine Stillstandsregierung. Sie sind so entscheidungs­schwach, Sie sind nicht reformfähig. Das Wissen allein ist zu wenig. Die Zeit läuft uns davon, und wir verspielen gerade für die jungen Menschen jede Chance für die Zukunft und werden ihnen leider Gottes etwas hinterlassen, mit dem sie sehr, sehr schwer zu kämpfen haben werden.

Gerade die Frau Bundesministerin für Finanzen hat am 30. August bei den Alpbacher Gesprächen erfreulicherweise gesagt, dass Generationengerechtigkeit eine der ent­schei­denden Fragen der Zukunft sein werde und dass es nicht angeht, dass der zukünftigen Generation ein Rucksack an Vorbelastungen hinterlassen wird. Nonanet! Das ist ganz klar. Das will niemand von uns.

Wir haben schon im Juli einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, der natürlich noch nicht in Verhandlung genommen worden ist. Daher möchte ich das noch einmal unterstreichen und noch einmal unterstützen und bringe in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Finanzen wird – insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung diese Frage für die Jugend – aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst ihre Reform­pläne für eine verbesserte Generationengerechtigkeit zu präsentieren.“

*****

(Beifall beim BZÖ.)

Ein letztes Kapitel aus dem Jugendbericht – und da werde ich mir wahrscheinlich von Ihnen wieder Kritik einholen, weil Sie das auch schon so oft von mir gehört haben, aber ich kann es Ihnen nicht ersparen – ist das Kapitel Jugendwohlfahrt. Da wird von den Experten ganz klar gesagt, welche Aufgabe die Jugendwohlfahrt hat, dass in erster Linie Elternarbeit entscheidend ist, aber dass viele Eltern beratende und unter­stützende Maßnahmen brauchen und dass diese beratenden und unterstützenden Maßnahmen von 1999 bis 2006 um 37 Prozent gestiegen sind.

Das sagt doch, dass es notwendig ist, dieses Jugendwohlfahrtsgesetz aus dem Jahr 1989 anzupassen. Das muss adaptiert werden. Wir können nicht noch zig Jahre mit dem gleichen Gesetz arbeiten, vor allem dann nicht, wenn hier im Bericht festge­stellt wird, dass es zwar Leistungen in allen Bundesländern gibt, aber diese Leistungen sehr unterschiedlich sind in der inhaltlichen Gestaltung, in der Dynamik und im Aus­maß.

Daher, Herr Bundesminister, sage ich, auch wenn Sie schon angekündigt haben – auch in der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage von uns –, dass im Herbst 2012 ein neues Jugendwohlfahrtsgesetz beziehungsweise eines mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen vorliegen wird: Die Zeit vergeht. Machen Sie Druck auch bei den Ländern! Es kann doch nicht sein, dass einige Bundesländer sagen: Hier zahlen wir nicht mit, wir haben kein Geld!, und dass der Bund sagt: Na gut, wir wollen ohnehin, aber die Länder zahlen nicht! In die Pleitestaaten zahlen wir Milliarden, aber hier können wir nicht einige Millionen aufbringen für unsere Kinder, für das Wohl unserer Kinder, für den Schutz unserer Kinder. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben auch diesbezügliche Anträge eingebracht, und ich bitte Sie, hier wirklich nicht säumig zu sein, denn die Liste ist schon lang: Frau Ministerin Kdolsky, Frau Staatssekretärin Marek, Frau Staatssekretärin Remler – alle haben uns versprochen, dass jetzt das Jugendwohlfahrtsgesetz kommt. Versprochen und nicht gehalten! (Abg. Ing. Höbart: Nie wieder gehört und gesehen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen diesen Bericht als eine wichtige Grundlage, auch für uns als parlamentarische Abgeordnete, mit dem wir arbeiten können, wo wir neue Ideen einbringen können. Ich sehe aber diesen Bericht insgesamt auch als einen parteiübergreifenden politischen Auftrag für eine generationengerechte Politik, ohne Jung und Alt gegeneinander auszuspielen, als einen Auftrag, in eine Zukunft zu investieren, die für uns alle wichtig ist, aber besonders für unsere Jugend. (Beifall beim BZÖ.)

13.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundes­minister Dr. Mitterlehner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.24.09

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, dass ich Ihnen jetzt noch einmal sozusagen Redezeit wegnehmen muss, aber das Thema ist mir zu wichtig. In


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diesem Sinn finde ich es einfach zu billig, Frau Kollegin Haubner, wie Sie vorgehen, indem Sie da jetzt die Themen beschreiben und sagen, angesichts der Wichtigkeit, angesichts der Notwendigkeit, der Seriosität ist endlich einmal Geschwindigkeit angebracht. Dann zählen Sie bestimmte Verantwortliche auf.

Ehrlich gesagt, ist Ihnen entgangen, wer in den Jahren 2000 bis 2006 Sozialminister war, aus welchem Bereich der gekommen ist? Und ich frage Sie: War das Thema Jugendschutz dazumal nicht im Regierungsprogramm? (Zwischenruf der Abg. Ursula Haubner.) Eben! Dann kennen Sie das Thema Jugendwohlfahrt ganz genau. (Abg. Ursula Haubner: Ja, eh!) Dann kennen Sie die Kompetenzlage ganz genau, und ich sage Ihnen, die Kompetenzlage im Bereich ... (Abg. Markowitz: Wer hat denn blockiert? Die ÖVP hat blockiert! – Abg. Grosz: Ihr habt immer blockiert!) Schreien Sie nicht so viel, das wird nicht besser. Ich glaube, du warst doch der Berater vom Herbert Haupt, nicht? Ist irgendwie schiefgegangen. (Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.) Also ich glaube, es ist etwas zu einfach, dann immer alles nur mit Blockieren abzutun.

Ich möchte einfach herausarbeiten, wie die Kompetenzlage ist. Es ist gar kein Vorwurf, sondern einfach eine Beschreibung. (Abg. Grosz: Drum sage ich ja, das ist gelogen, wenn man einfach nur sagt, man hat nichts gemacht! – Abg. Grillitsch: Was heißt „gelogen“?) Die Kompetenz im Jugendschutz ist bei den Bundesländern. Wir haben uns intensiv  (Zwischenruf der Abg. Mag. Schwentner.) Warten Sie einfach, ich komme auch zu dem anderen. (Abg. Mag. Schwentner: Nein, da kann man nicht mehr warten! – Abg. Grosz: Tun Sie sie nicht so abschasseln!)

Frau Abgeordnete Schwentner, beim Thema Jugendschutz war die Problematik die, dass wir im April so etwas wie eine Einigung gehabt hätten, aber die Einigung ist daran gescheitert, dass Vorarlberg dann eine Abstimmung bei den Jugendorganisationen gemacht hat. Diese ist etwa fifty-fifty ausgegangen. Und dann ist man mit dieser Ände­rung nicht einverstanden gewesen. Die Änderung muss nämlich so stattfinden, dass entweder die Bundesländer die Kompetenz abgeben oder dass es zu einer 15a-Vereinbarung kommt. Das ist einfach das Problem.

Im Übrigen muss ich Ihnen auch sagen: Ich finde es richtig, das Thema Jugendschutz gehört gelöst, weil wir in ganz Österreich einheitliche Standards brauchen. (Beifall beim BZÖ. – Bravorufe des Abg. Petzner.) Aber stilisieren Sie es nicht zum Popanz hoch! Heutzutage ist jeder schon über Internet und sonst wie in der Lage, alle Informationen, die er will, einzuholen. Wenn sich jemand regelmäßig von einem Bundesland ins andere bewegt, dann hat er leicht einen Überblick, wenn er es nicht regelmäßig tut, dann kann er sich überall entsprechend informieren. Also da würde ich schon sagen, das Problem wird ein bisserl strapaziert und die Lösung ist zwar wichtig, aber so ent­scheidend auch nicht.

Jugendwohlfahrt finde ich etwas wichtiger. (Abg. Ursula Haubner: Ich habe nicht von Jugendschutz gesprochen, ich habe von Jugendwohlfahrt gesprochen!) Sie haben es nicht näher gesagt, aber Sie haben schon etwas anderes auch gesagt. (Abg. Ursula Haubner: Der Minister verwechselt da etwas!) Frau Abgeordnete Schwentner hat das angesprochen. Bei der Jugendwohlfahrt ist die Problematik eine ähnliche. Wissen Sie, was erforderlich ist, damit wir dieses Vier-Augen-Prinzip, das ich als dringend not­wendig erachte, umsetzen können? – Entsprechende Personalausstattung bei den Bundesländern. Und die Bundesländer sagen: Freunde, ihr habt so viele richtige Ge­setz, aber ihr könnt doch nicht einfach die Kosten an uns weitergeben, ohne dass wir die Mittel haben! Sagen Sie, wo haben wir das budgetiert, wo haben wir in einer Sparzeit zusätzliche Mittel? Da verhandeln wir in Richtung einer Übergangsregelung, zumindest bis zum nächsten Finanzausgleich.


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Das, was ich Ihnen schriftlich beantwortet habe, wird auch in der Umsetzung so erfolgen. Das heißt, nehmen Sie dann den Zeitplan, den ich Ihnen genannt habe, sagen Sie, es ist wahr oder nicht wahr, und dann reden wir wirklich weiter, aber nicht immer auf der Basis so halb, halb, halb. Das ist einfach nicht die Wahrheit. (Abg. Ursula Haubner: Nicht halb, halb, halb!)

Deswegen zu den Themen: Bei dem einen sind wir dabei, eine Übergangslösung sicherzustellen. Das andere Thema, Jugendschutz, ist so, wie es ist. Geben Sie mir die Kompetenzlage in die Hand! (Abg. Ursula Haubner: Die Bundesländer sind rot und schwarz!) Ändern Sie die Verfassung! Ich mache es Ihnen morgen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

13.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der von Frau Abgeordneter Haubner eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Generationengerechtigkeit ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Uschi Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Generationengerechtigkeit

eingebracht in der 118. Sitzung des Nationalrats am 21. September 2011 zum TOP 1, Bericht des Familienausschusses über den Sechsten Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Lage der Jugend in Österreich (III-248/1269 d.B.)

Am 30. August 2011 hat die Frau Bundesminister für Finanzen bei der Eröffnung der Wirtschaftsgespräche in Alpbach erklärt, dass Generationengerechtigkeit eine der ent­scheidenden Fragen der Zukunft sein werde, da es nicht angehe, dass der zukünftigen Generation ein „Rucksack“ an Vorbelastungen hinterlassen wird.

Ein diesbezüglicher Antrag wurde seitens des BZÖ bereits am 8. Juli 2010 einge­bracht, wurde aber im Verfassungsausschuss bislang noch nicht einmal in Vorberatung genommen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Finanzen wird – insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für die Jugend – aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst ihre Reform­pläne für eine verbesserte Generationengerechtigkeit zu präsentieren.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Abgeordnete Fürntrath-Moretti. 4 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.28.27

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Ich möchte das Wort „Jugendschutzgesetz“ nicht noch weiter strapazieren, aber Tatsache ist auch – und das muss man wirklich festhalten –,


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Bundesminister Mitterlehner ist jener Minister, der mit der Regelung dieses Problems schon am weitesten vorangeschritten ist, und ich vertraue seinem Verhandlungs­geschick, dass er eine Lösung herbeiführen wird. Das ist nämlich wirklich toll. Er wird das regeln, er wird das sicher mit uns gemeinsam regeln. (Abg. Markowitz: Bis wann?) Bis wann, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, das wissen Sie sehr genau. Aber er ist wirklich ein Minister, der sich engagiert für dieses Thema, und er wird es sicher positiv erledigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jetzt zu diesem Jugendbericht zurückkommen. Für mich ist der Jugendbericht dieses Mal besonders gut, und zwar deswegen, weil er sehr breit aufgestellt ist und nicht nur eine Seite widerspiegelt. Er zeigt für mich auch wirklich die Situation der Jugendlichen auf, wie sie tatsächlich ist. Frau Kollegin Binder-Maier hat ja schon definiert, was ein junger Erwachsener ist. Ich möchte schon noch einmal ganz klar herausarbeiten: Was ist jetzt ein Jugendlicher? Was verstehen wir unter einem Jugendlichen?

Jugendliche sind junge Menschen in Österreich zwischen dem 15. und dem vollendeten 18. Lebensjahr, bis zum 24. Lebensjahr sind es junge Erwachsene. Das muss man vorweg einmal festhalten, denn das hat heute auch noch niemand gesagt.

Wie sieht es nun bei den 15- bis 18-Jährigen aus? – Rund 331 000 Jugendliche besuchen eine Schule. Das kann jetzt eine AHS sein, ein Realgymnasium, eine allgemein bildende höhere Schule, eine BULME oder wie auch immer. 40 Prozent der Pflichtschulabgänger machen eine Lehre, sind also im dualen Ausbildungssystem.

Wir haben uns heute am Vormittag sehr intensiv mit der Frage Studierende und zukünftige Akademiker in Österreich auseinandergesetzt. Ich möchte das ein bisschen mit den Lehrlingen tun, denn das sind unsere zukünftigen Fachkräfte, die wir dringend brauchen.

Gerade bei der Lehre, die aus den Berufsschulmodulen und dem praktischen Teil in den Betrieben besteht, haben wir ja in Österreich die besten Erfahrungen gemacht. Durch Fördermaßnahmen der Bundesregierung – beispielsweise sei hier der Blum-Bonus erwähnt – ist es uns in den letzten Jahren gelungen (Abg. Ing. Höbart: Den gibt es ja nicht mehr, den Blum-Bonus!), die Lehre nicht nur für die Jungen attraktiv zu machen, sondern auch für die Unternehmen. (Abg. Markowitz: Der Blum-Bonus gehört wieder eingeführt!) Denn das ist ja auch wesentlich: Ohne Unternehmen gibt es keine Lehre.

Auch durch die Lehre mit Matura wurde für die österreichischen Jugendlichen ein weiterer Schritt in Richtung guter Ausbildung und, was das Wesentliche ist, guter Jobs gesetzt. Österreichische Lehrlinge und österreichische Fachkräfte sind ja nicht nur bei nationalen, sondern auch bei internationalen Veranstaltungen weit vorne dabei. Der Medaillenspiegel bei Olympiaden und so weiter zeigt dies ja auch ganz deutlich: Die duale Ausbildung in Österreich gehört zu den besten der Welt.

Bei dieser Gelegenheit auch ein Danke an alle Berufsschullehrerinnen und Berufs­schullehrer und alle Ausbilder, an alle Unternehmerinnen und Unternehmer. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Als Unternehmerin weiß ich, wie schwierig es ist, mit jungen Auszubildenden umzugehen und aus ihnen tolle Fachkräfte zu machen.

Wie sieht es nun bei den 19- bis 24-Jährigen aus? – Da zeigt sich folgendes Bild: In etwa 146 000 junge Erwachsene machen ein Studium, 329 000 haben bereits einen Job und 33 000 sind arbeitslos beziehungsweise auf Arbeitssuche. Der Bericht zeigt deutlich, wir sind in Österreich auf dem richtigen Weg. Die Jugendarbeitslosigkeit in


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Österreich, meine Damen und Herren, ist die zweitniedrigste in der Europäischen Union.

Bestärken wir doch unsere Kinder und Jugendlichen in ihren Begabungen! Zwingen wir sie nicht in Berufe, in denen sie sich nicht wiederfinden! Nur was man gerne macht, macht man gut. Und unsere Verantwortung als Politiker, als Eltern, Großeltern oder Ausbilder steht auch fest: Fordern und fördern sind wichtiger denn je. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lipitsch. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.32.53

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Zuhörer! Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Sechste Bericht zur Lage der Jugend in Österreich ist ein hervorragendes Nachschlagewerk, das auf mehr als 600 Seiten wichtige Analysen als Grundlage für Entscheidungen beinhaltet und natürlich auch zielgerichtete Vorschläge.

Es ist ja heute schon mehrmals angesprochen worden, dass wir laut EU-Benchmark, was die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich betrifft, sehr gut liegen und eine sehr hohe Beschäftigungsrate bei den Jugendlichen haben.

Meine Vorrednerin hat auch gesagt, 40 Prozent der Pflichtschulabgänger gehen in eine Lehre. Dieser Übergang zwischen Schule und Lehre ist oft problematisch, und es zeigt sich auch, dass sehr oft falsche Entscheidungen getroffen werden. Ich glaube, dass es sehr, sehr wichtig ist, diesen jungen Menschen gerade bei der Berufsorientierung Hilfe­stellung zu geben, damit sie die richtige Entscheidung treffen.

Wir haben 260 gesetzlich anerkannte Lehrberufe in Österreich. Für die zehn häufigsten bewerben sich 48 Prozent der männlichen Lehrlinge. Aber was noch viel schlimmer ist: Für die zehn häufigsten Lehrberufe bewerben sich 70 Prozent der Frauen, weil ihnen das einfach vom Elternhaus oder von der Beratung her so vorgegeben wird, dass das ein Frauenberuf oder ein Männerberuf ist.

Da hat man gerade in den letzten Jahren in der Beratung verstärkt bei technischen Berufen für Frauen angesetzt. Man versucht, Frauen oder Mädchen zu unterstützen, die Entscheidung zu treffen, auch in technische Berufe zu gehen. Und etwas, was mich persönlich immer wieder stört, ist – Kollege Lugar hat es kurz angesprochen –: Es wird immer so getan, als ob die Lehrlinge nichts könnten. Es wird immer von jenen gesprochen, die eigentlich nicht rechnen und nicht lesen können. Wir müssen den Lehrlingen wieder den Stellenwert geben, den sie brauchen. Das sind unsere Fach­arbeiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe selbst eine Lehre absolviert, und ich glaube, dass es wichtig ist, dass jemand, der eine Lehre absolviert hat, dann auch sagen kann: Ich bin ein Facharbeiter, ich bin nicht irgendwo zweite Klasse, ich bin etwas Besonderes, ich habe einen Beruf ausgelernt.

Da ist es ganz, ganz wichtig, diesen jungen Menschen bei der Berufsorientierung – es sind ja heute auch schon die Jugendorganisationen angesprochen worden, sei es die Gewerkschaftsjugend, die im Bereich der Berufsorientierung Bewerbungstraining macht, oder auch das Projekt „Stellenwert – Jugend will Arbeit“ der Katholischen Jugend sowie Jugendzentren – Hilfe zu geben, wenn es im Elternhaus nicht möglich ist, Entscheidungen herbeizuführen.


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Es ist ganz wichtig, dass diese jungen Menschen die Chance bekommen, eine Aus­bildung in ihrem Wunschberuf zu erhalten, denn das bedeutet auch, dass 90 Prozent dieser Jugendlichen, die den Wunschberuf anstreben und auch eine Ausbildung erhal­ten, diese dann auch abschließen. Und wenn ich diese Berufsausbildung abgeschlos­sen habe, dann bin ich erstens einmal zufriedener und habe zweitens die Chance, auch besser zu verdienen. Und wie wir heute auch schon gehört haben, sind diese Menschen weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als andere, die ihren Job abbrechen.

Ein Drittel der Lehrverhältnisse wird ja derzeit schon gefördert, das sind 15 000 bis 17 000 Lehrplätze. Ich möchte da schon sagen, dass diese Ausbildungsgarantie ein hervorragendes Werkzeug ist, um Menschen auch für die Zukunft zu helfen, damit sie einmal in den Bereich eines Jobs kommen.

Es wurde die Lehre mit Matura angesprochen. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass es ein doch sehr großer Aufwand und eine sehr große Belastung ist, neben der Lehre die Matura zu machen. Ich gratuliere jedem, der das überhaupt angeht und auch schafft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist hier in diesem Bericht auch eine Anregung drinnen, dass es erforderlich wäre, den Jungen kurz nach Verlassen einer Erstausbildung eine Chance zu geben, kosten­los eine zusätzliche Ausbildung zu machen, um einfach Defizite abzubauen. Außerdem sollte man jenen, deren Firma, sage ich jetzt einmal, zusperrt und die deshalb ihre Lehrabschlussprüfung nicht machen können, die Chance geben, die Berufsschule weiter zu besuchen, denn der Abschluss der Berufsschule bietet die Möglichkeit, einen Lehrabschluss zu erlangen.

Die Qualität der Ausbildung muss beobachtet und analysiert werden, sagt der Bericht. Da müssen wir noch genauer werden.

Ich möchte enden mit einem Zitat aus dem Bericht: Nach der Befundung der Forschung präsentiert sich die Arbeitsmarktsituation für Jugendliche in Österreich günstig. Die Politik hat auf Herausforderungen für die Jugendbeschäftigung rasch reagiert. – Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Musiol. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.38.01

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Jugendminister, das, was Sie vor allem in Ihrem zweiten Beitrag geliefert haben, ist Regie­rungssudern vom Feinsten – sudern, wie wir es hier in Wien nennen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie halten der Kollegin Haubner vor, sie hätte diesen Jugendbericht Kapitel für Kapitel hier vorgestellt, beschrieben, wo sie und ihre Fraktion doch selbst damals in der Regierung gewesen seien.

Sie selber, Herr Minister, haben nichts anderes gemacht. Sie haben zu erwähnen ver­gessen, dass Ihre Partei, die ÖVP, damals mit in der Regierung war, dass es sich damals eben um eine schwarz-blau-orange Regierung gehandelt hat, und Sie haben auch vergessen – in Ihrer ersten Ausführung vor allem –, auf Ihre Regierungsverant­wortung Rücksicht zu nehmen. (Beifall bei Grünen und BZÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.)

Herr Minister, Sie haben hier nur ein Thema nach dem anderen abgearbeitet. Regie­ren, Verantwortung übernehmen bedeutet aber auch, Maßnahmen zu überlegen, Maß­nahmen anzukündigen und Maßnahmen zu setzen. Das haben Sie in keinem einzigen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 98

Bereich, der hier heute von meinen KollegInnen, von den KollegInnen der anderen Fraktionen angesprochen wurde, auch nur im Entferntesten getan.

Tatsache ist, wir haben hier einen Bericht, der schon im Ausschuss sehr intensiv mit Expertinnen und Experten diskutiert wurde und in dem Ergebnisse drinnen stehen, die wir auch schon aus anderen Berichten kennen, beispielsweise aus dem Armutsbericht, beispielsweise aus dem Familienbericht, aus diversen Bildungsstudien – und das seit Jahren. Es genügt daher nicht, wenn Sie als Minister sich hier herstellen und uns diesen Bericht zitieren, sondern notwendig wäre es, dass Sie als ein Teil dieser Bun­desregierung (Abg. Grillitsch: Ein sehr wichtiger Teil!) wirklich einmal Aktion zeigten und tatsächlich auch einmal Maßnahmen setzten, Herr Kollege.

Wenn ich das Beispiel Bildung hernehme, so muss ich sagen, es ist altbekannt, dass die Anforderungen an die Jugendlichen, was Schule und Ausbildung betrifft, verschärft sind, dass sie unter extrem hohem Bildungs- und Leistungsdruck stehen, dass harter Wettbewerb herrscht. Das ist bekannt, das steht auch in dieser Studie wieder.

Es ist auch hinlänglich bekannt, dass Bildung vererbt wird. Das heißt, dass Bildungs­chancen vererbt werden, dass sich bei Haushalten, die existentielle Schwierigkeiten haben, die sozial oder bildungsmäßig benachteiligt sind, das auch an ihre Kinder vererbt; dass es eine Geschlechterfrage im Bereich der Bildung gibt. Da bringt es nichts, uns das hier wieder vorzubeten, sondern es ist notwendig, endlich Maßnahmen zu setzen.

Wenn Sie von der Querschnittsmaterie Jugend sprechen, dann kann ich Sie als Jugend­minister auffordern beziehungsweise einladen: Sprechen Sie doch als Jugendminister mit Ihrem „Querschnittskollegen“, dem Familienminister, der zufällig ebenfalls Sie sind (Heiterkeit bei den Grünen), und besprechen Sie einmal, wie Sie in einem Ihrer Aufgabenbereiche, nämlich im Bereich der Kinderbetreuung, für alle Kinder in Österreich Bedingungen schaffen können, die eben von Beginn an Bildungschancen von hoher Qualität gewährleisten, sodass es nicht von der Postleitzahl und vom Geld der Eltern abhängt, ob diese Kinder von Beginn an eine Bildungschance erhalten oder nicht. Besprechen Sie das als Jugendminister mit dem Familienminister und setzen Sie Taten anstatt nur Worte! (Beifall bei den Grünen.)

Der Kollege vorher hat schon erwähnt – und das ist beschämend für Österreich, muss ich Ihnen sagen –, dass es eine hohe Anzahl von Jugendlichen gibt, die ihren Wunsch­beruf nicht ergreifen können. Dabei geht es da nicht um irgendwelche Fantasieberufe, die man in irgendwelchen Hollywood-Filmen gesehen hat und die man ergreifen möchte; sondern da geht es um ganz banale Berufe, alle, die es in diesem Land gibt. Es gibt zahlreiche Jugendliche, die diese nicht ergreifen können, und das führt dann dazu, dass Jugendliche Ausbildungen, Lehrberufe und vieles mehr vorzeitig ab­brechen.

Was mich besonders freut – Kollegin Windbüchler-Souschill hat die Politikver­dros­senheit klar als Systemverdrossenheit definiert –, ist, dass Jugendliche sich nicht in ihr Schicksal fügen und sehr wohl aufstehen und sich wehren. Heute früh haben wir über die Studienbedingungen und die Universitäten gesprochen. Einer der Kollegen, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, hat dabei gesagt, ja, an den Universitäten sind wieder Proteste und besetzte Hörsäle zu erwarten.

Dazu muss ich sagen: Gut so, dass die Jugendlichen sich nicht gefallen lassen, was diese Bundesregierung mit ihrer Zukunft macht; gut so, dass Jugendliche von all ihren demokratischen Möglichkeiten Gebrauch machen und sich zur Wehr setzen – ob das nun SchülerInnen-Demonstrationen sind, ob das die Besetzung des Audimax ist oder


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ob es diverse Petitionen und andere Dinge sind, die die Jugendlichen unterstützen, wo sie mittun. An dieser Stelle gehören auch die Jugendarbeiterinnen und -arbeiter erwähnt, die nämlich das Schlimmste abfedern, die Jugendliche dabei unterstützen, dass sie trotz vieler Frustrationen doch noch einen Weg sehen. (Beifall bei den Grünen.)

Vor diesem Hintergrund möchte ich zum Abschluss ganz klar noch etwas bewerben, nämlich das Bildungsvolksbegehren. Es beschäftigt sich mit dem Thema Bildung – von der frühkindlichen bis zur universitären. Vom 3. bis 10. November wird es die Mög­lichkeit geben, dieses zu unterstützen; und es ist wichtig, dass alle Menschen, die wollen, dass Kinder und Jugendliche in Österreich gleiche Chancen haben – das ist eine der wichtigsten Forderungen des Bildungsvolksbegehrens –, hingehen, unter­schreiben, diesem Bildungsvolksbegehren zum nötigen Erfolg verhelfen und damit auch die Regierung zum nötigen Handeln zwingen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prinz. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.44.14

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In diesem Jugendbericht wird uns deutlich gemacht, dass die Jugendpolitik eine Querschnittmaterie ist. Ich möchte auch den Autorinnen und Autoren dieser umfassenden Studie für ihre Genauigkeit bei der Daten­erfassung und ihre Analyse durchaus danken. Etwas überrascht hat mich allerdings, dass der Einfluss der neuen Medien und Technologien auf die jungen Menschen im Bericht zu wenig berücksichtigt wurde, zumal ja Internet, Handy und Computerspiele das Freizeitverhalten der jungen Menschen wesentlich beeinflussen.

Rund drei Viertel der jungen Österreicherinnen und Österreicher ab 14 Jahren nutzen das Internet regelmäßig. Alle, die Kinder in diesem Alter zu Hause haben, wissen, wovon ich spreche. Ich begrüße daher die Initiative des Familien- und Jugendministers, der die Gefahren und Risiken dieser neuen Informations- und Kommunikations­technologien erkannt und mit der ersten Medien- und Informationsstelle in Österreich ein Instrument zur Aufklärung und kritischen Auseinandersetzung installiert hat. Das Jugendministerium ist am Puls der Zeit, kennt die Lebenswelten der Jugendlichen und hat die Chance der Verknüpfung von Partizipation, politischer Bildung und sicherer Nutzung der Medien erkannt. Dafür durchaus ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun möchte ich mich aber noch verstärkt auf die Leistungen der Jugendlichen für die Gesellschaft konzentrieren. Vor allem was das Engagement der jungen Menschen auf dem Land betrifft, habe ich durchaus Erfahrung, weil ich die Zusammenarbeit der Generationen und das Engagement der Jugendlichen in diversen Bereichen sowohl als Bürgermeister als auch als Obmann der LEADER-Region Strudengau durchaus kenne und hautnah miterlebe.

Ich kann mit Stolz sagen, dass sich viele Jugendliche gerne und mit Ehrgeiz in Ge­meinden und bei diversen Projekten engagieren, um etwas für das Allgemeinwohl zu tun. Dazu gehören nicht nur die Betreuung und Arbeit in Jugendeinrichtungen, sondern vor allem die Mitarbeit in vielen Vereinen und ehrenamtliche Tätigkeiten.

Unsere Jugend ist aktiv, wenn es darum geht, für andere da zu sein. Das Bild, das von der heutigen Jugend gezeichnet wird, entspricht nicht dem, wie sie sich wirklich, in der Realität verhält. Die Jugend ist wesentlich besser als ihr Ruf. Immer mehr Jugendliche


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nutzen die Zeit nach der Matura oder nach dem Schulabschluss für ein Freiwilliges Soziales Jahr. Mit der Verlängerung der Familienbeihilfe um ein Jahr haben wir sicher­lich einen zusätzlichen Anreiz dafür geschaffen.

Wichtig für Jugendliche ist, dass sie als wertvolle Stütze anerkannt werden und wir ihnen das Gefühl geben, dass nicht nur ihre Mitarbeit gefragt ist, sondern auch ihre Mitbestimmung. Das Wichtigste ist, dass wir jungen Menschen etwas zutrauen, und zwar ohne Vorbehalte. Verantwortung aus der Hand zu geben, loszulassen und darauf zu vertrauen, dass Erziehung, Betreuung und Bildung die richtigen Stützen in den ersten Lebensjahren waren, das muss jeder lernen, der selber Kinder hat. Wir alle wissen, dass das nicht immer leicht fällt, es ist aber schlichtweg notwendig.

Ebenso gilt das für die politische Mitbestimmung der Jugendlichen. Wir müssen Hand in Hand mit den jungen Menschen Konzepte entwickeln und sie dabei als kompetente Mitgestalter anerkennen. Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr sich heutzutage die Jugendlichen über ihre eigene – und nicht nur über ihre eigene – Zukunft Gedan­ken machen und wie konstruktiv sie gemeinsam an Lösungen mitarbeiten und diese erarbeiten können. Man muss sie allerdings auch lassen.

Mit der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre – der Herr Bundesminister hat die Zahlen schon ausgeführt – ist das politische Interesse durchaus gestiegen. Das ist erfreulich, zumal unser demokratisches Gefüge nur dann funktionieren kann, wenn sich alle Generationen aktiv daran beteiligen. Unsere Aufgabe ist es daher, jungen Menschen nicht Steine in den Weg zu legen, sondern ihnen mehr freie Bahnen zur Verwirklichung ihrer Ideen zu lassen. Dazu braucht es nicht immer hohe finanzielle Unterstützung, sondern vor allem unseren Mut, diese Ideen auch zuzulassen.

In diesem Sinne stimmen wir dem Jugendbericht gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt gelangt Frau Abgeordnete Schönpass zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.48.28

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der Jugendbericht umfasst mehr als 600 Seiten. Ich erlaube mir nun, abschließend ein paar Details zum Thema Jugend und Sexualität herauszugreifen. Mit Schlagwörtern wie Generation Porno oder sexuelle Verwahrlosung wird das Thema Jugendsexualität oft problematisiert. Dahinter steht die diffuse Angst, dass junge Menschen Sexualität nicht mehr mit Liebe verbinden.

Pornographie ist tatsächlich für viele männliche Jugendliche Bestandteil ihres alltäg­lichen Medienkonsums. Sie kann natürlich Auswirkungen auf die Sexualmoral haben und zur Herausbildung falscher und einseitiger Rollenklischees führen. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht übersehen, dass viele Heranwachsende mit Migrationshinter­grund mit sehr überkommenen Werten in Bezug auf Sexualität und Partnerschaft aufwachsen und über sexualpädagogische Angebote häufig schwer zu erreichen sind.

Die Beschäftigung mit Jugendsexualität ist ganz grundsätzlich eine Gratwanderung. Einerseits gilt es natürlich Risikogruppen und besorgniserregende Entwicklungen zu identifizieren, andererseits muss eine Skandalisierung vermieden werden. Der Großteil der heutigen Teenager lebt Sexualität wesentlich verantwortungsbewusster als die Generationen davor. Das größte Problem in diesem Zusammenhang ist, dass der


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Forschungsstand zur Jugendsexualität in Österreich im Vergleich zu anderen euro­päischen Ländern noch immer sehr spärlich ist.

Geschätzte Damen und Herren! Bezüglich Aufklärung besteht großer Handlungs­bedarf. Die Mehrheit der Jugendlichen schätzt sich zwar als aufgeklärt ein, das Wissen über Verhütung und mögliche Risiken bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr wird aber kaum umgesetzt. Auch wünschen sich 84 Prozent, also mehr als drei Viertel der Befragten, mehr Information (Zwiegespräche und Heiterkeit bei den Abgeordneten Dolinschek und Markowitz) – Sie können ruhig lachen, Herr Abgeordneter – über sexuelle Praktiken, Geschlechtskrankheiten, Beziehung und Schwangerschafts­ab­bruch. Diese Themen dürften in der schulischen Sexualpädagogik offensichtlich zu kurz kommen oder auf diesem Weg nicht abgedeckt werden können.

Herr Minister! Der vorliegende Bericht zur Lage der Jugend in Österreich beinhaltet zahlreiche Empfehlungen und Maßnahmen. Ich ersuche Sie dringend, Konsequenzen daraus zu ziehen! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist noch Herr Abgeordneter Ing. Höbart gemeldet. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.51.28

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Was mich an den Regierungsparteien immer verwundert: Wir hören seit Stunden immer nur, was man tun muss, tun sollte, dort einen Masterplan, hier einen Plan. – Bitte, tun Sie es doch endlich! (Beifall bei der FPÖ.) Es ist für mich unerträglich, dass man immer nur hört, was alles getan werden muss. In diesem Hohen Haus sitzen Personen, die seit Jahren dieser Bundesregierung angehören und einfach nichts tun. Das muss man an dieser Stelle schon einmal sagen.

Nun zum sogenannten Bericht zur Lage der Jugend hier in Österreich. Wiederum dasselbe. Jetzt gibt es einen Bericht, das ist eine große Jubelveranstaltung für den Herrn Bundesminister, der vielleicht die Wirtschaftsagenden ganz gut vertreten mag, aber, um auf die Ausführungen des Kollegen Prinz zu sprechen zu kommen, das Minis­terium für Jugend ist sicher nicht am Puls der Zeit und hat sicherlich nicht die Augen und Ohren bei den Jugendlichen. Denn: Ich habe Sie, Herr Minister, noch niemals unter Jugendlichen in irgendwelchen Lokalen, Diskotheken et cetera gesehen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich glaube also nicht, dass Sie wissen, was unsere Jugend heute bewegt. Das muss man an dieser Stelle schon einmal festhalten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.)

Deshalb mein Appell an die Bundesregierung, endlich einmal mit voller Kraft für unsere Jugend zu arbeiten und nicht ständig an irgendwelchen Berichten zur Lage der Jugend zu zimmern. Denn: Was sind denn die Fakten, was unsere Jugend heute betrifft? Manche Punkte werden in diesem Bericht durchaus entlarvt. Arbeitslosigkeit: Sie haben richtig davon gesprochen, wir haben 50 000 arbeitslose Jugendliche, Tendenz steigend. Was tun Sie hier, um diese Zahl endlich nach unten zu bekommen?

Die Bildungsbeteiligung wurde vorher schon angesprochen, bei den15- bis19-Jährigen noch über 80 Prozent, bei den 20- bis 29-Jährigen nur noch rund 20 Prozent. Sie haben auch richtig erkannt: Da wo Bildung nachlässt, kommt es zu Arbeitslosigkeit.

An dieser Stelle möchte ich ein Beispiel bringen, nämlich was Jugendliche mit Migrationshintergrund betrifft. Herr Minister, Sie wissen ganz genau – das war eine Studie, die vor ungefähr einem Jahr aus Ihrem Ministerium gekommen ist –, dass bis zu 50 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund vorzeitig aus unserem


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Bildungssystem ausbrechen. Wundern wir uns dann, wenn Pariser und Londoner Zustände nach Wien kommen?! Bitte sorgen Sie dafür, dass diese Damen und Herren endlich einmal in unserem Bildungssystem verbleiben und für unsere Gesellschaft etwas leisten! (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Förderung der Grundkompetenzen – auch davon wurde heute schon gesprochen –: Viele Jugendliche haben heute Probleme beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Ich weiß es von Unternehmen. Die würden ganz gerne Lehrlinge anstellen, doch haben die Lehrlinge oft Probleme mit diesen Dingen. Ist es so schwierig, diese Kompetenzen weiterzugeben?

Körperliche Probleme, Übergewicht: Und da spricht man davon, dass man die Wehr­pflicht abschaffen soll! Herr Minister, setzen Sie sich bei Ihrem Koalitionspartner dafür ein, dass man sich von dieser hanebüchenen Idee endlich wieder verabschiedet! Denn das Bundesheer mit seiner Wehrpflicht ist der einzige Ort, wo Jugendliche noch zusammenkommen, Sport betreiben, Kameradschaft lernen, ein bisschen Disziplin lernen, Regeln lernen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.) – Doch, das ist so, reden Sie mit den Jugendlichen! Das schätzen sie an unserem Bun­desheer. (Beifall bei der FPÖ.)

Rund 97 Prozent der Jugendlichen bis 14 Jahre sind bereits alkoholerfahren, es gibt soziale Spannungen an den Schulen.

Sie haben sich ja gewundert, warum die Freiheitliche Partei über die Jugend­vorfeldorganisation RFJ die Initiative „Ja zu einheitlicher Schulkleidung“ statt Marken­zwang gestartet hat. Das ist eine hervorragende Idee, die ich heute auch hier vor­brin­gen muss. Denn wir wissen, dass soziale Spannungen durch diese Dinge entstehen, dass Gewalt – zu diesem Punkt komme ich jetzt auch noch – gerade unter Jugend­lichen mit Migrationshintergrund besonders stark ausgeprägt ist und dass gerade unsere österreichischen Jugendlichen oftmals darunter leiden.

Da frage ich mich, und diese Frage stelle ich an Sie, Herr Minister: Was tun Sie konkret, was die Fakten betrifft, die ich hier aufgezeigt habe?

Jeder wundert sich, dass teilweise 50 Prozent und mehr die Freiheitliche Partei wählen. Ich kann Ihnen die Punkte nennen, warum die Jugendlichen heute so stark zur Freiheitlichen Partei tendieren: weil unsere Jugend eben von diesem Gutmenschentum genug hat, weil sie vom politischen Establishment genug hat, weil sie eben Arbeit will und weil die Jugend heute nicht zu einer Minderheit im eigenen Land werden will.

Unsere Jugendlichen haben ein sehr stark ausgeprägtes Wertebewusstsein, sie sind Patrioten, darauf sollten wir stolz sein. Daher: Ja zu einer aktiven Jugendpolitik und Nein zum ständigen Bauen von Luftschlössern und zu einer Jubelpolitik über irgendwelche Berichte! (Beifall bei der FPÖ.)

13.56

13.56.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, den vorliegenden Bericht III-248 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Familien­steuersplitting-Modells.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer Schul­denbremse für die öffentliche Verschuldung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Einkommen­steuer in Richtung eines Flat-Tax-Modells.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Generationengerechtigkeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.58.392. Punkt

Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 34. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2010) (III-214/1317 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu diesem Tagesordnungspunkt gelangt Herr Abgeordneter Petzner zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.59.15

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Die Damen und Herren Volks­anwälte kommen hoffentlich noch. Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Volksanwaltschaftsbericht als einzige Fraktion nicht zu, um hier heute ein klares Signal des Protestes zu setzen. Worum geht es bei diesem Protest? – Die Volksanwaltschaft hat die Aufgabe, die Interessen der Bürger gegenüber den staatlichen Einrichtungen zu vertreten. Das ist eine unabhängige Einrichtung, die nicht parteipolitisch agieren darf und soll.

Die Volksanwaltschaft mit den amtierenden Volksanwälten Kostelka, Brinek und Stoisits hat aber das Gegenteil gemacht, indem sie sich als parteipolitischer Auftrags­täter in einen Wahlkampf hineinbegeben hat, nämlich als parteipolitischer Auftragstäter der Österreichischen Volkspartei, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Das ist eine inakzeptable Vorgehensweise, die wir auf das Schärfste verurteilen, nämlich dass die Volksanwaltschaft die Interessen einer Partei vertritt und nicht die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher, meine Damen und Herren. (Abg. Grosz: Missbrauch!) Aber wir kennen das ja schon von der Österreichischen Volkspartei: Wenn es ins politische Konzept passt, sind das immer die Ersten, die die staatlichen Einrichtungen für ihre eigenen parteipolitischen und machtpolitischen


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Interessen auf das Schändlichste missbrauchen. 2009 im EU-Wahlkampf war es die Volksanwaltschaft. Aktuell ist es die schwarze Finanzmarktaufsicht, die im Auftrag der Österreichischen Volkspartei und auf Zuruf aus dem Generalsekretariat der Öster­reichischen Volkspartei vertrauliche Informationen unter dem Tatdelikt des Amtsmiss­brauchs in der Causa Scheibner an die Öffentlichkeit spielte.

Da werden Sie nicht durchkommen, meine Damen und Herren, und das werden wir auch nicht zulassen, dass Sie irgendwelche Mandatare aus unseren Reihen heraus­schießen! Das können Sie sich hinter die Ohren schreiben. (Beifall beim BZÖ.)

Und da wird Ihnen auch der Herr Konrad vom Raiffeisenkonzern nicht helfen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin froh darüber, dass ich kein Konto bei Raiffeisen habe, und kann das nur auch jedem empfehlen, weil die Daten bei Raiffeisen nicht sicher sind und das Bankgeheimnis nicht gewahrt ist.

Aber nun komme ich zurück zur Volksanwaltschaft.

Was hat man da im Jahr 2009 gemacht? – Man hat versucht, den damaligen Spit­zenkandidaten des BZÖ, Ewald Stadler, mit Klagen einzudecken und so einen Wahlkampf auf Kosten des Steuerzahlers, auf Kosten der Republik zu blockieren. Man hat all diese Klagen letztendlich nicht erfolgreich zu Ende führen können und hat sie damit begründet, dass man sich an dem Begriff oder an der Schlagzeile „unser Volksanwalt in Brüssel“ gestoßen hat. Ich frage mich, ob Sie keine größeren Sorgen haben. (Abg. Mag. Brunner: Haben Sie jetzt keine größeren Sorgen?)

Ewald Stadler ist ja wohl auch als Volksanwalt sehr erfolgreich für diese Republik tätig gewesen. Es ist – noch einmal – unzulässig, verwerflich und auf das Schärfste zu verurteilen, dass Sie sich in einen laufenden Wahlkampf einmischen. Daher kündigen wir Ihnen auch unsere Zusammenarbeit auf, meine Damen und Herren Volksanwälte, weil das einfach eine inakzeptable Vorgehensweise ist.

Abgesehen davon zeigt dieser Bericht auch, dass Ihre Leistungsbilanz mehr als ernüchternd ist im Vergleich zur Ära Ewald Stadler, der einer der erfolgreichsten Volksanwälte war. Wir haben einen Rückgang der Beschwerdefälle von über 5 000 Fällen. (Abg. Mag. Stefan steht an der Regierungsbank und spricht mit Volks­anwältin Dr. Brinek.) – Herr Abgeordneter Stefan, vielleicht können Sie Ihre Flirt­versuche mit Frau Brinek einstellen. Wir sind im Parlament und nicht in einer Disco. Ja, ich frage mich: Was soll das? (Abg. Grosz: Ihr seid doch nicht multitaskingfähig!)

Wir haben einen Rückgang von über 5 000 Fällen, das heißt, dass die Volks­anwaltschaft weniger gefragt ist als zu Zeiten des Ewald Stadler. Wir haben stark sinkende Quoten, was die Sendungen des Bürgeranwaltes betrifft, was letztlich auch zeigt, dass offensichtlich das Vertrauen der Menschen in dieser Form in die Volksanwaltschaft nicht mehr gegeben ist. Das hat eben damit zu tun, dass die Menschen, vor allem auch uns nahestehende Menschen, nicht vergessen haben, dass unabhängige Volksanwälte sich als parteipolitische Akteure in die politische Wahl­kampfarena begeben.

Noch einmal: Das ist unanständig, und vor allem – als Schlusssatz – hat das auch zu nichts geführt, denn das BZÖ hat trotz Ihrer Agitation gegen uns, trotz Ihrer Klagen und Angriffe, die viel Geld gekostet (Ruf beim BZÖ: Steuergeld!) und nichts gebracht haben, das Wahlziel erreicht und wird auf Basis des Lissabon-Vertrages mit einem Mandatar, nämlich mit Mag. Ewald Stadler, die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher in Brüssel vertreten. Das ist gerade in Zeiten wie diesen, wenn wir nach Griechenland schauen und darauf blicken, was die EU hier für Fehlentwicklungen auch im Bereich der Finanzkrise zu verantworten hat, ganz wichtig, dass es wieder einen


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echten Vertreter, einen echten Volksanwalt, nämlich Mag. Ewald Stadler, in Brüssel gibt, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

14.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Fazekas. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.04.37

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Herr Präsident! Mein sehr geehrten Volks­anwältinnen! Kollege Petzner, es ist jedes Mal das selbe Spielchen: der Lobgesang auf Ihren Abgeordneten Stadler (Abg. Petzner: Lobgesang?! Er ist ja gut!), bei dem sie eben nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass hier die Volksanwaltschaft sich von der Rechtsprechung oder der österreichischen Gerichtsbarkeit das genommen hat, was jedem zusteht, und Sie haben eben ein Urteil daraus, und das ist Ihr Problem. Und jetzt der Volksanwaltschaft Parteilichkeit vorzuwerfen (Abg. Petzner: Das ist ja nicht Ihre Aufgabe!), das ist ja der Gipfel des Gesamten. (Abg. Grosz: Was ist unter dem Gipfel?) Und noch dazu das in dem Zusammenhang zu bringen, dass die Volksan­waltschaft nicht so viel leistet wie unter Ihrem Abgeordneten Stadler, das ist ja über­haupt das Beste.

Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass die Verwaltung aufgrund der Tätigkeit der Volksanwaltschaft besser geworden ist und dass viele Bürgerinnen und Bürger sich nicht mehr an die Volksanwaltschaft wenden müssen. Das spricht für beide: das spricht für die Volksanwaltschaft in ihrer jetzigen Aktivität und das spricht auch für unsere Verwaltung, nämlich die Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung, und das lasse ich, lieber Kollege Petzner, sicher nicht schlechtreden.

Außerdem kommen Sie ständig mit dem Jahr 2009 daher. Wir diskutieren heute den Bericht der Volksanwaltschaft 2010, und das ist ein ausgezeichneter Bericht.

Ich möchte mich recht herzlich bei Ihnen bedanken, meine sehr geehrten Damen. 7 600 Personen haben Sie in telefonischen Gesprächen kontaktiert, 15 000 Menschen haben an die Volksanwaltschaft geschrieben. Es gab 25 000 schriftliche Korrespon­denzen, 11 000 Briefe und Mails, 273 Sprechtage, 1 800 Vorsprachen. Also ich glaube, das ist keine schlechte Leistungsbilanz, und das muss man nicht schlechtreden, so wie Sie das tun. Die Volksanwältinnen und der Volksanwalt sind für uns wichtige und kompetente Ansprechpartner in der Erkennung von möglichen Gesetzeslücken oder legistischen Anregungen.

Ich möchte konkret auf zwei Bereiche eingehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die bereits auf Regierungsebene in Angriff genommen wurden: Das ist zum einen der eingeleitete Prozess des Kindergesundheitsdialoges, der von Bundesminis­ter Alois Stöger auf Schiene gebracht wurde und durch den Nationalen Aktionsplan gemeinsam mit Frau Bundesministerin Claudia Schmied noch intensiviert wurde. Erste Ergebnisse dazu werden kommende Woche präsentiert. Zum anderen möchte ich auf die Anregung betreffend Mindestgröße von Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern eingehen, die künftig kein Kriterium für eine Aufnahme zur Polizei darstellen wird. Meiner Meinung nach ist das ein sehr wichtiger Schritt, um die Qualität zu heben.

Andere Bereiche, wie etwa die Forderung nach einem Bundes-Kinder- und Jugend­hilfegesetz, sind noch offen. Wir haben das bei dem vorhergehenden Tagesord­nungspunkt diskutieren können. Da ist auch meiner Meinung nach dringender Hand­lungsbedarf gegeben. Wir wissen aber, dass wir da auch die Unterstützung der Bundesländer benötigen, und daher hier noch einmal mein Appell, auch an die Bundesländer, da wirklich mitzuarbeiten, damit gewährleistet wird, dass das Bundes-


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Kinder- und Jugendhilfegesetz auch dort ankommt, wo es sein muss, nämlich bei den jungen Menschen in unserem Land.

Ein weiterer Bereich, der für mich von Interesse ist, ist die Arbeit der Justiz und die Kooperation mit den Sicherheitsbehörden. Auch da ist es seitens der Volksanwalt­schaft zu Anregungen gekommen im Zusammenhang mit Ermittlungen in verschie­densten Bereichen. Ich finde es positiv, dass man darauf reagiert. Es wurden Handlungsanleitungen im Innenressort ausgearbeitet, auch standardisierte Vorgangs­weisen bei kriminalpolizeilichen Fällen.

Besonders positiv hervorzuheben ist im Zusammenhang mit der Diskussion der Straf­prozessreformevaluierung – da gibt es ja ein umfangreiches Werk momentan –, dass es da zu einer Plattform kommen soll, wo eine noch bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und der Justizbehörden ermöglicht wird.

Im Wesentlichen ist es ein sehr großes und umfangreiches Spektrum, und ich möchte hier die Gelegenheit noch einmal nützen, mich recht herzlich bei den Volksanwältinnen und bei unserem Volksanwalt für ihre Tätigkeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu bedanken. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hornek.)

14.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.09.12

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrte Volksanwältinnen! Herr Präsident! Die Leistungsbilanz der Volksanwaltschaft kann sich sehen lassen; das hat mein Vorredner schon sehr genau ausgeführt. Der Bericht der Volksanwaltschaft ist neu gestaltet. Er präsentiert sich kurz und bündig auf 320 Seiten. Er ist lesefreundlich und sehr übersichtlich.

Wir haben den Volksanwaltschaftsbericht 2010 in zwei Ausschussterminen sehr eingehend diskutiert. Der zweite Termin hatte sich einen Schwerpunkt gesetzt und den Bereich der Justiz ganz genau beleuchtet. Mit 708 Beschwerden, die gegen die Justiz bei der Volksanwaltschaft eingebracht wurden, gibt es einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Zahlreiche Beschwerden betrafen Gerichtsverfahren zu Obsorge und Unterhalt.

Tatsache ist, dass Familie in Österreich unterschiedlichst gelebt wird. Wir verzeichnen eine Scheidungsrate von 43 Prozent. 20 000 Kinder waren 2010 von Scheidungen betroffen.

Der besondere Schwerpunkt und die Beschwerden konzentrierten sich vor allem auf das Problem der Verfahrensverzögerungen. Dadurch entsteht Rechtsunsicherheit, und das ist für die Kinder, die davon betroffen sind, besonders belastend.

Bereits mehrfach wurde in Berichten der Volksanwaltschaft auch darauf hingewiesen, dass bei Scheidungsvergleichen doppelte Vergebührungen verrechnet werden. Es findet sich dazu auch eine entsprechende legistische Anregung im Bericht.

Thema im Ausschuss war auch die Missstandserklärung der Volksanwaltschaft betreffend Ferkelschutzkörbe. (Abg. Mag. Brunner: „Kastenstand“ heißt das!) Das ist im Verantwortungsbereich von Volksanwalt Dr. Peter Kostelka. Die Volksanwaltschaft hat damit ein Thema aufgegriffen, das gerade in der Schweinewirtschaft eine sehr große Verunsicherung ausgelöst hat.

Bundesweit haben wir zirka 9 000 Schweinezuchtbetriebe, die ohnehin in einer sehr schwierigen finanziellen Situation aufgrund eines sehr niedrigen Preisniveaus sind und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 107

genau wissen, dass sie Investitionen, die aufgrund von weiteren Produktionsvorschrif­ten notwendig wären, wirtschaftlich einfach nicht verkraften könnten. Es wären, so wird errechnet, bei neuen Auflagen 40 bis 50 Prozent der Betriebe gefährdet. Sie stünden vor einer Schließung. Insbesondere sind es die kleinen bäuerlichen Betriebe, die das so wirklich nicht verkraften könnten. (Ruf bei den Grünen: Das müssen Sie an den Landwirtschaftsminister weitergeben! Der ist dafür zuständig!) Die Folge davon wäre, dass es zu mehr Billigschweinefleischimporten käme und unsere Eigenproduktion stark rückläufig wäre.

Anzumerken ist auch noch, dass sich das in den letzten Wochen extrem zugespitzt hat. Es waren 2000 Bäuerinnen und Bauern, die von ihrer Existenzangst getrieben wurden, bei einer Kundgebung, die im Rahmen der Rieder Messe stattgefunden hat. Sie haben dort auf ihre Situation aufmerksam gemacht, während sich zeitgleich in Wien eine Handvoll Tierschutzaktivisten an die Tore des Lebensministeriums gekettet hat.

Die Bäuerinnen und Bauern gehen auf die Straße, weil sie wissen, dass sie bei einer Erhöhung der Produktionskosten Betriebe schließen müssen, einfach aufhören müs­sen, zu wirtschaften, während die Tierschutzaktivisten in Wahrheit nur provozieren wollen und sich damit die mediale Berichterstattung sichern wollen.

Wir wissen, dass die tierhaltenden Betriebe in Österreich vor allem auch Rechtssicher­heit brauchen, um wirtschaften zu können. Sie vertrauen auf das österreichische Tierschutzgesetz in der jetzigen Fassung, auch auf die zugehörigen Verordnungen, selbstverständlich. Und sie sind höchst interessiert daran und handeln auch danach, dass ihre Tiere bestmöglich versorgt werden, sie sind interessiert am Wohl ihrer Tiere. Und sie wollen auch an die Verbraucher entsprechende Informationen weitergeben. Sie sind vor allem auch gesprächsbereit, während die Tierschutzaktivisten Verunsiche­rung in der Bevölkerung auslösen. (Ruf bei den Grünen: Nein, der Landwirtschafts­minister ist nicht gesprächsbereit! – Abg. Mag. Gaßner: Stimmt!) – Es ist so: Sie verunsichern die Bevölkerung, die Konsumentinnen und Konsumenten und selbstver­ständlich auch die Bäuerinnen und Bauern! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bäuerinnen und Bauern sind gesprächsbereit. Jetzt gibt es wieder Verhandlungen mit den Vertretern der Schweinewirtschaft und mit Bundesminister Stöger. Ich hoffe, dass für die Bäuerinnen und Bauern und für die Konsumentinnen und Konsumenten eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann, damit dieses Thema im Sinne aller Betroffenen gelöst werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

14.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


14.14.40

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Die werde ich nicht brauchen. Ich wollte nur etwas nachholen, weil die zwei Volksanwältinnen vorher so launig ihren Kaffeeplausch fortgesetzt haben, während der Abgeordnete Stefan Petzner durchaus berechtigte Kritik geübt hat.

Sehr geehrte Frauen Volksanwältinnen, wissen Sie, was der Unterschied zu einer Volksanwaltschaftsdiskussion hier im Plenum und einer Diskussion über den Rechnungshofbericht ist? – Bei einem Rechnungshofbericht werfen sich zumindest die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen hier auf die Schienen sozusagen, um die Rechte des Rechnungshofes tatsächlich auszubauen, weil wir beim Rechnungshof, dem Instrument des österreichischen Nationalrates, erkennen, dass er qualitativ hochwertige Arbeit leistet.


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Das erkennen wir leider Gottes bei der Volksanwaltschaft in ihrer derzeitigen Formation nicht mehr. Wenn die Quoten im Fernsehen sinken, wenn sich immer weniger Menschen an sie wenden, dann ist das ein Vertrauensverlust der Menschen in die Behörde, in die Institution Volksanwaltschaft, der bei Ihnen zumindest die Alarm­glocken schrillen lassen sollte. Sie sollten da nicht mit dem Kollegen Hübner ein Kaffeepläuschchen machen. Da sollten Sie einmal darüber nachdenken, ob Sie noch als korrigierendes Instrument sensibel von den Menschen unseres Landes wahrge­nommen werden oder ob jeder ohnedies sagt: Bei der Volksanwaltschaft kommst ja auch nicht weiter!

Ich erkläre Ihnen nur einmal kurz meine Erfahrung: Wissen Sie, wie viele Menschen sich die letzten ein, zwei Jahre im Rahmen von Sprechtagen auch an einen Abgeord­neten, in diesem Fall an mich, gewandt haben mit irgendwelchen Angelegenheiten, mit sehr wichtigen Angelegenheiten, und dann irgendwo ein Brief von der Volksan­waltschaft dabei war, in dem stand: Wir haben Ihr Anliegen erhalten? Und dann bekamen sie – ich weiß nicht – irgendwann einmal, zwei Monate später das nächste Schreiben, obwohl offenkundig ein Fehler in der Verwaltung vorlag, und zwar einen Brief, in dem stand: Da können wir leider Gottes nichts tun!

Immer mehr Leute sagen: Die Volksanwaltschaft hängt jetzt auch schon mit denen zusammen! Das ist im Volksmund mittlerweile die Stoßrichtung, die sich wirklich gegen die Volksanwaltschaft richtet und wo Sie eigentlich den Auftrag hätten, das Vertrauen in die Volksanwaltschaft wiederherzustellen. (Beifall beim BZÖ.)

Entschuldigen Sie, niemanden interessieren mehr Ihre Sendungen beim ORF. Nie­mand wendet sich mehr an Sie. Und es sollte Ihnen zu denken geben, dass einst in der Sendung „Volksanwaltschaft“, wo ich damals Mitarbeiter des Sozialministers gewesen bin, immer kontroversiell und gut diskutiert worden ist. Heute wird so diskutiert, dass jeder abschaltet und sagt: Nein, wenn ich Schlaftabletten brauche, dann greife ich in mein Nachtkasterl, da brauche ich mir nicht die Volksanwaltschaftssendung anzu­schauen! Sehr geehrte Damen Volksanwältinnen, ich ersuche, das auch dem Volks­anwalt Kostelka auszurichten.

Ich erwarte mir von der Volksanwaltschaft mehr Initiative, auch mehr Hingabe für die tatsächlichen Probleme der Bevölkerung. Wissen Sie, der Titel allein, der Sie schmückt, bringt Ihnen nichts außer einer guten Gage, aber den Menschen unseres Landes bringt es nichts. Die Menschen wollen endlich wieder eine Vertretung, gerade bei einer Diskussion, bei der es um einen Vertrauensverlust in die Institutionen des Staates geht. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Wenn die Institutionen des Staates nur mehr in Skandalen, in Korruption et cetera verschwinden, dann sind Säulen wie Justiz, Rechnungshof und Volksanwaltschaft wichtiger denn je. Das wollte ich Ihnen nicht hinter die Ohren schreiben, aber Ihnen mitgeben auf Ihre Reise, damit Sie endlich wieder etwas im Interesse der Menschen tun. (Beifall beim BZÖ.)

14.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Winter. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.17.54

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Verehrte Volksanwältinnen! Hohes Haus! Herr Kollege Gerald Grosz, ich kenne den neuen Hang Ihrer Partei zur Bibel. War das ein Teil Ihrer Sonntagspredigt? – Ich hätte das sonst nirgendwo lesen können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 109

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesem Bericht der Volksanwaltschaft kön­nen auch wir von der FPÖ zustimmen, und zwar als Oppositionspartei, weil dieser Bericht ein großes Gegengewicht zu den vielen Berichten aus den Ministerien bildet, die sehr oft nur Hochglanzbroschüren sind, mit Selbstbeweihräucherung, mit Selbst­dar­stellung, aber mit wenig Inhalt und auch sehr oft mit nur wenigen Lösungsansätzen.

Das Zweite, was uns besonders positiv erscheint, ist, dass als allererster Punkt bereits die Leistungsbilanz angeführt ist. Bei der Leistungsbilanz gibt es Kennzahlen, die, wenn sie auch noch einige Male heute genannt werden, ich trotzdem noch einmal nennen möchte: Insgesamt sind 15 265 Menschen im Jahre 2010 an Sie herangetreten und haben ihre Anliegen an Sie herangebracht. Ungefähr 8 Prozent mehr in der Bevölkerung fühlen sich von den Behörden konkret schlecht behandelt oder unzureichend informiert.

Die zweite Statistik, die Herr Kollege Fazekas bereits zitiert hat, spricht auch Bände. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber nicht die Arbeit und den Einsatz der Volksanwaltschaft schmälern, sondern einen anderen Ansatz als Kollege Fazekas finden.

Diese beiden Zahlen müssten eigentlich ein Warnzeichen für die Regierung sein, denn die Leute gehen nicht umsonst zur Volksanwaltschaft. Sie beschweren sich über Verwaltung, Gesetzgebung, Verordnungen, und, und, und. Sie sind also mit der derzeitigen Regierung und damit, wie es jetzt läuft, unzufrieden. (Abg. Mag. Stadler: Mit der Regierung hat die Volksanwaltschaft aber gar nichts zu tun!) Wie Sie sagen, die Zahl steigt. Das spricht für sich. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Grosz: Wären Sie besser bei Mohammed geblieben!)

Sie haben auch eine Statistik über die Prüfungsverfahren in der Landes- und Gemeindeverwaltung vorgelegt, wobei die Steiermark in diesem Bereich besonders hervorsticht. Dort hat sich nämlich die Zahl der Fälle von 309 im Jahr 2009 auf 345 im Jahr 2010 erhöht. Ich durfte im Ausschuss nachfragen, was in ursächlichem Zusam­menhang mit diesem Zuwachs an Prüfungsverfahren steht. Herr Volksanwalt Kostelka hat das gesagt, was ich eigentlich vermutet habe, nämlich: Die Wahlen in der Steiermark – mit den rigiden Sparmaßnahmen durch die sogenannte Reformpart­ner­schaft – sind die Ursache!

Ich möchte noch hinzufügen, dass man demzufolge die Volksanwaltschaft als Seismograph für die politischen Aktionen oder Agitationen der Regierung nennen könnte, denn die Ausschläge kommen unmittelbar nach nicht richtig gesetzten Verord­nungen, Gesetzen und mehr.

Noch kurz zu den Kastenständen in der Schweinehaltung: Frau Kollegin, ich bin mit Ihrer Argumentation überhaupt nicht einverstanden. Wenn Sie die Aussendung der Volksanwaltschaft gelesen hätten, hätten Sie ganz anders argumentieren müssen. Ich finde es wunderbar, dass die Volksanwaltschaft ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet und dadurch das ganze System ins Rollen gebracht hat. Dazu gratuliere ich ihr.

Sehr enttäuscht bin ich in diesem Zusammenhang vom Landwirtschaftsminister. Für mich ist das reiner Lobbyismus, die Großbauern werden vertreten, denn in Österreich gibt es nahezu keine Kleinbauern mehr. Zwei Zahlen: 1995 wurden noch 3,75 Millionen Schweine in insgesamt 112 000 Betrieben in Österreich gehalten, 2010 waren es 3,13 Mil­lionen Schweine in 30 800 Betrieben. Das ist ein aussagekräftiges Zeichen: Den Wettbewerb und die Verdrängung durch den Wettbewerb gibt es in Europa, außerhalb von Europa und auch in Österreich! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 110

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.23.00

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Werte Volksanwältinnen! Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft leistet ganze Arbeit. Ich bin da nicht auf Seiten des BZÖ, das ist ein völlig falscher Vorwurf. Sie verdient unsere Achtung und unseren Applaus.

Herr Kollege Grosz, aber in einem Punkt haben Sie schon recht: Die Unterstützung durch Applaus ist zu wenig, wir müssen auch im Parlament einiges tun, falls Fehler, Missstände und so weiter aufgedeckt werden, um Änderungen herbeizuführen. Diese Missstandsfeststellungen kommen ja von allen Mitgliedern der Volksanwaltschaft, von den zwei Volksanwältinnen und vom Volksanwalt, und die kommen aus drei verschie­denen Parteien. Das BZÖ stellt halt keinen, aber Beschlüsse werden parteiunabhängig gefasst. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Grosz und Petzner.)

Es ist überhaupt nichts dabei: Wo Menschen zusammenarbeiten, können Fehler passieren. Die Fehler werden aufgedeckt und dann so gut es geht korrigiert. (Abg. Grosz: Aber seit der Nationalratswahl ...!) Wenn Sie in einem Ausschuss der Meinung sind, dass eine Missstandsfeststellung zu Unrecht getätigt worden ist, dann können Sie das sagen. Sie müssen auch nicht zustimmen, Sie sind ohnehin Kontraredner gewesen. Insgesamt ist das, glaube ich, nicht der richtige Weg. (Abg. Grosz: Martin Graf wird der nächste Volksanwalt!)

Es gibt tatsächlich viele Ministerien, die sich an den Empfehlungen der Volks­anwalt­schaft orientieren und das jeweilige Defizit reduzieren. Es gibt aber auch solche, die das völlig ignorieren, sie stehen sozusagen über dem Gesetz und wissen alles besser. Ein gutes Beispiel haben wir heute schon zweimal gehört, ich erwähne es auch: Der Landwirtschaftsminister ignoriert das Tierschutzgesetz aus dem Jahr 2005. Wie Sie wissen, regelt das Tierschutzgesetz die Haltung von Tieren. Die ministerielle Verord­nung zur Schweinehaltung entspricht einfach nicht diesem Tierschutzgesetz, und zwar in mehreren Punkten. Das hat die Volksanwaltschaft auch zur Kenntnis gebracht.

Diese Verordnung entspricht nicht dem Gesetz, deshalb müssen die meisten Zucht­sauen in Österreich ihr Leben lang in Käfigen vegetieren – denn leben kann man das nicht nennen –, die so groß sind wie sie selbst. (Abg. Hornek: Das ist Unsinn! Das stimmt nicht!) – Das stimmt schon, da brauchen wir jetzt nicht mehr ... (Abg. Hornek: Das stimmt nicht! Nein! Unsinn!) Ohne Stroh, ohne die Möglichkeit, einen Schritt vorwärts oder zurück zu machen, auch das Aufstehen oder Hinsetzen ist mühsam.

Meine Damen und Herren, hiebei handelt es sich um schwere Folter, das ist gar keine Frage. (Abg. Hornek: Sie sind doch völlig ahnungslos, Herr Kollege!) Dann gibt es auch noch Strafverschärfung, 85 Prozent haben noch Spaltböden. Mit einem Wort: Das ist nicht artgerecht, wie man so schön sagt. Wir wissen, dass Schweine soziale Wesen sind, die in Gruppen leben, Nest bauen, normalerweise Schlaf- und Kotbereich tren­nen. Alle diese Dinge sind nicht erfüllt.

Was entsteht dadurch? – Es entstehen natürlich großes Leid, Schmerz, Angst, Stress. Dieser Stress schlägt sich natürlich auch auf den Fleischgenuss nieder. (Abg. Hornek: Lassen Sie das, Sie haben wirklich keine Ahnung!) Der Stress geht über die Hormone ins Fleisch.

Auf all das weisen die Grünen seit Jahren hin. Jetzt hat auch die Volksanwaltschaft den Ball aufgenommen, und wir sind sehr froh über diese Missstandsfeststellung. Die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 111

Volksanwaltschaft hat Empfehlungen für eine neue Verordnung herausgebracht, die in die Richtung gehen, die Schweinezucht ohne Kastenstandhaltung möglich zu machen.

Gesundheitsminister Stöger hat erfreulicherweise positiv reagiert. Ich habe zuerst gesagt, dass es Minister und Ministerinnen gibt, die den Empfehlungen nachkommen, und solche, die sie ignorieren. Es gibt einen Minister, der diesen Empfehlungen nicht nachkommt, und er ist böse. Landwirtschaftsminister Berlakovich ist aus zwei Gründen böse. Der erste Grund ist, dass er einfach die Gesetze missachtet. (Abg. Hornek: Das ist unrichtig!) Diese Verordnung ohne Berücksichtigung der Gesetze ist nicht legitim. Herr Kollege, wir haben die gleiche Situation wie beim Ortstafelkonflikt. Es hat eine Topografieverordnung gegeben, die nicht den Gesetzen entsprach. (Abg. Hornek: Der Vergleich ist ja Unsinn! Absoluter Unsinn!) – Sie sagen immer, das ist Unsinn. Sie wissen genau, dass das richtig ist.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass der Minister an der Grenze des Amtsmissbrauchs herumtanzt. Er ist auch deswegen böse, weil er die wirtschaftlichen Anliegen irgend­welcher Lobbyisten vor jede Art von Ethik stellt. Meine Damen und Herren, lieber Tiere quälen als irgendwelche wirtschaftlichen Einbußen hinzunehmen – das geht nicht, nicht in unserer Kultur! Was ist das für eine Kultur, die kein Erbarmen für die Kreatur hat?

In diesem Sinne und auch im Interesse der Volksanwaltschaft wollen wir den Druck etwas erhöhen. Ich habe daher einen Entschließungsantrag vorbereitet und bitte Sie, mit uns den Druck zu erhöhen, damit das, was Herr Kollege Grosz gesagt hat, auch Wirklichkeit werden kann: damit das Parlament, wenn Missstände aufgedeckt werden, Druck ausübt, um sie zu beseitigen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wolfgang Zinggl, Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herstellung von Rechtskonformität der Tierhaltungsverordnung in Bezug auf das Tierschutzgesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Bundesminister werden aufgefordert, die erste Tierhaltungsver­ord­nung Anlage 5 (Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen) an die gesetz­lichen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes anzupassen.“

*****

Ich hoffe, dass Sie das unterstützen. (Abg. Hornek: Der Gesundheitsminister wäre gut beraten, seine Aufgaben wahrzunehmen!) – Es geht nicht um den Gesundheits­minister. Wie Sie wissen, kommt der Landwirtschaftsminister aus Ihrer Partei, und der hat Nachholbedarf. Die Argumentation, die Sie da vorbringen, ist genau die gleiche, mit der die Lobbyisten die Legebatterien verteidigt haben. Sie haben gesagt, es gäbe wirtschaftliche Einbußen. (Abg. Hornek: Sie wissen aber schon, dass die Eier jetzt aus dem Ausland kommen?!) Wissen Sie, seit wann es diese Art von Argumentation gibt? – Auch in den Südstaaten der Vereinigten Staaten hat man für die Sklaverei argumentiert, indem man gesagt hat, die Baumwollproduktion wird sonst verloren­gehen. (Abg. Hornek: Das ist eine scheinheilige Argumentation! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Das heißt, man hat die Sklaverei in Kauf genommen, um ja keine wirtschaftlichen Einbußen hinnehmen zu müssen. Das ist Ihr Problem.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 112

Ich sage Ihnen noch etwas: Es gibt Kulturen, die an eine Art von Wiedergeburt glauben. (Ruf bei der ÖVP: Die Grünen auch?!) Diese Kulturen und Religionen gehen sehr sensibel mit Tieren um, und das hat einen Grund. Sie haben eine Empathie in diese Richtung entwickelt, denn es könnte ja sein (Abg. Hornek: ... dass aus Ihnen eine Reinkarnation wird?!), dass Sie eines Tages auch einmal als Schweine auf die Welt kommen. Ich wünsche Ihnen, den Lobbyisten von der ÖVP, dass das nicht passiert, denn sonst kann das ganz blöd ausgehen. – Danke. (Beifall bei Grünen und BZÖ. – Abg. Hornek: Ich glaube, Sie waren früher auch mal ein Schwein!)

14.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde betreffend Herstellung von Rechtskonformität der Tierhaltungsverordnung in Bezug auf das Tierschutzgesetz

eingebracht im Zuge der Debatte TOP 2, Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 34. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2010), (III-214/1317 d.B.)

Begründung

Die Volksanwaltschaft beschäftigt sich in ihrem Jahresbericht 2010 auch mit Missständen in der Haltung von Schweinen. Zwar hat das Tierschutzgesetz 2004 – etwa mit dem Verbot der Haltung von Legehennen in Käfigen oder dem Verbot der dauernden Anbindehaltung von Rindern, Pferden und Ziegen – die Lebens- und Haltungsbedingungen vieler Nutztiere in Österreich verbessert. Für Schweine jedoch, deren Haltung in der Regel von tiergerechten Bedingungen besonders weit entfernt ist, gab es allerdings keinerlei Erleichterungen.

Rund 98 Prozent aller Zuchtsauen müssen ins Abferkelgitter, rund 72 Prozent aller Zuchtsauen leben ununterbrochen im Kastenstand, und fast alle Kastenstände sind ohne Stroheinstreu. Das ist nach der Tierhalteverordnung zwar möglich, widerspricht aber den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes.

Aus diesem Grund kam die Volksanwaltschaft zu der Erkenntnis, „dass die zufolge der ersten Tierhaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 485/2004 idF BGBl. II Nr. 219/2010 gemäß der Anlage 5, Z 3.1 sowie 3.2 und 3.3 unter bestimmten Voraussetzungen für rechtlich zulässig erklärte Haltung von Zuchtsauen in Kastenständen den Vorgaben des § 1 iVm den §§ 5 Abs. 2 Z. 10, 13 Abs. 2 sowie 16 Abs. 1 und 2 Tierschutzgesetz, BGBl. I Nr. 118/2004 idF BGBl I Nr. 80/2010 widerstreiten, und dies einen Missstand in der Verwaltung gemäß Art 148a B-VG darstellt“. Denn nach dem Stufenbau der Rechts­ordnung kann eine Verordnung ein Gesetz lediglich konkretisieren, nicht jedoch in einem Gesetz klar ausgesprochene Ge- bzw. Verbote abschwächen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 113

„Die zuständigen Bundesminister werden aufgefordert, die erste Tierhaltungsver­ord­nung Anlage 5 (Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen) an die gesetzlichen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes anzupassen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Volksanwältin Dr. Brinek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.29.46

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­schätzten Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich zum Bericht 2010 Stellung nehmen, denn diesen diskutieren wir heute. Ich habe aufmerksam gelauscht und schon eine falsche Jahreszahl von einem Abgeordneten hier gehört.

Wir reden über den Bericht 2010, und ich bedanke mich bei Herrn Abgeordneten Fazekas, dass er mit Frau Abgeordneter Winter und anderen NachrednerInnen schon vieles zur Statistik und zum Zahlenwerk gesagt hat. In der Tat wiederhole ich gerne auch in Richtung des Herrn Abgeordneten Grosz, dass es einen Zuwachs an Be­schwerden und einen Zuwachs an Arbeit gab. Bitte lesen Sie genau! (Abg. Petzner: Aber im Vergleich zum Jahr 2009! – Abg. Grosz: In den letzten zehn Jahren!) – Nein. Lesen Sie bitte genau, dann können wir solide darüber diskutieren.

Wo ist der Zuwachs schwerpunktmäßig abzulesen? – Wie in den Jahren davor be­schweren sich Personen – Männer und Frauen – im Wesentlichen in Bezug auf The­men aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich, aus dem Bereich der Justiz, aus dem Bereich des Innenressorts, aus dem Bereich des Finanzressorts. Mit Schwerpunkt auf die Kommunalbeschwerdelage nehmen wir gemeinde- und landesvolksanwalt­schaft­liche Aufgaben in sieben Bundesländern wahr. Auch in diesem Bereich sehen wir eine Steigerung. Ich bitte darum, das zu sehen.

Erlauben Sie mir, ein paar Anmerkungen zum Sozialbereich zu machen und in diesem Zusammenhang meinen Volksanwaltskollegen Dr. Peter Kostelka zu entschuldigen. Er ist auf Einladung des Europarates in Madrid. Sie wissen genauso wie wir auch, dass wir ohne internationale Kommunikation nicht mehr auskommen, keine gute Arbeit leisten können. Wir können auch unsere Arbeit nicht bewerten, wenn wir nicht sehen, wohin diese Reise auch im Lichte der internationalen Entwicklungen gehen sollte.

So darf ich zwei Aspekte aus dem Sozialbereich, dem Arbeitsbereich von Dr. Peter Kostelka, ansprechen. Wir meinen, im Zentrum des Sozialthemas steht das Pflege­thema. Ich bedanke mich sehr, dass das Pflegereformgesetz als wichtiger Schritt beschlossen worden ist. Damit ist zumindest der finanzielle Mehrbedarf bis 2014 formuliert. Wir meinen aber in Kenntnis der Beschwerden, dass darüber hinaus ein Konzept für die künftige Gewährleistung eines leistbaren, gleichmäßigen und unkomplizierten Zugangs zu Pflegeleistungen dringend notwendig ist. Bitte arbeiten Sie in diesem Zusammenhang weiter an dieser Frage!

Offene Fragen, die zum Teil der Bundesverwaltung unterstehen, zum Teil der Landesverwaltung, gibt es im Bereich der Jugendwohlfahrt. Es ist so, dass wir nicht genügend Personal vorfinden. Daher kommt es auch manchmal zu Handlungen, die dem Kindeswohl nicht gerecht werden. Das Personal kann manchmal einer Weiterbildung nicht nachkommen, weil es nicht aus der Diensterledigung entlassen werden kann. Wir plädieren daher für und warten noch auf das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz, das einheitliche Standards schafft. Ich denke, wir dürfen das Wohl der Kinder nicht aus den Augen verlieren und keine Zeit verstreichen lassen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 114

Lassen Sie mich zur Veränderung, also zu den angestiegenen – ich wiederhole noch einmal angestiegenen – Beschwerdezahlen und Bearbeitungszahlen noch etwas sagen: Ziehen Sie auch keinen Vergleich zwischen den Bundesländern! Ein durch­gehender Trend, eine monokausale Erklärung lässt sich nicht finden. Gehen Sie sorg­fältig mit den Daten und Fakten um und interpretieren Sie sie auch im Lichte etwaiger landesgesetzlicher Veränderungen und Anstrengungen zur Verwaltungsverbesserung. Ich darf an dieser Stelle die jahrelangen oberösterreichischen Initiativen besonders her­vorheben und sagen, wie sehr auf Modernisierung und Bürgerorientierung in der Verwaltung gesetzt wird.

Ich darf weiters auch aufklären – ohne damit Abgeordnete persönlich anzusprechen –, dass die Sprechtage ausgebaut wurden. Auch hiebei gibt es ein Ansteigen der Arbeit, ein Ansteigen der Nachfragen, ein den Nachfragen der Bevölkerung Gerecht-Werden. Bedenken Sie bitte auch, dass sich auch die Volksanwaltschaft dem allgemeinen Sparziel der Bundesregierung und insgesamt den gesellschaftlichen Anstrengungen zu unterwerfen hat. Planstellenreduktion und Budgetsparsamkeit sind geboten. Wenn wir viele Beschwerden aus den Sprechtagen mitbringen, müssen sie auch im Hause bearbeitet und fachkundig abgeschlossen werden.

Es ist nicht so, wie ich es bei einigen Abgeordneten anklingen gehört habe, dass man sozusagen gut zuhören muss. Ja, ja, keine Sorge, wir tun das. Wir kümmern uns um die großen und kleinen Sorgen der Bevölkerung. Aber wir fällen keine vorschnellen Urteile. Wir ergreifen nicht Partei für jemanden. Wir müssen der Verwaltung, dem Bür­germeister und dem Ministerium auch die Chance geben, zu antworten, aufzuklären und Stellung zu nehmen, und dürfen nicht voreilige Schlüsse ziehen, um damit mög­licherweise den übernächsten Volksanwältinnen und Volksanwälten im Büro auch noch Altfälle zu überlassen. Mehr sage ich dazu nicht.

Auch die ORF-Sendung erfreut sich einer konstanten und steigenden Beliebtheit. Wir können auf mehr als 315 000 ZuseherInnen im Schnitt verweisen. Das ist auch im Lichte der Konkurrenzsendungen und im Lichte internationaler Entwicklungen eine sehr ordentliche Zahl.

Lassen Sie mich noch einen Hinweis geben: Mit dem Lissabon-Vertrag ist das Recht auf die Prinzipien der guten und sorgfältigen bürgerfreundlichen Verwaltung zu einem Grundrecht geworden. Auf dieses Grundrecht haben alle, die sich mit einer Beschwerde an uns wenden, Anspruch. Das heißt, im Lichte dieses Grundrechtes ist jedes Verwaltungshandeln zu prüfen. Jedermann kann sich an die Volksanwaltschaft wenden. Jedermann – jede Frau, in diesem Sinne – hat ein Recht auf Prüfung und auf Einleitung eines Prüfverfahrens, wenn es um seine oder ihre Beschwerde geht.

Ich erlaube mir noch, einen Aspekt aus meinem unmittelbaren Prüfbereich anzu­sprechen. In durchgehend allen Bereichen in meiner Zuständigkeit, die die Bundesver­waltung betreffen, ist ebenfalls ein Anstieg festzustellen. Aufrecht sind die steigenden Beschwerden über das Sachwalterrecht, über den Mangel an Sachwaltern, über die mangelnde Betreuung, über die Abrechnung und so weiter. Es herrschen allerdings falsche Vorstellungen in der Bevölkerung darüber, was ein Sachwalter kann und was nicht. Diese unterschiedliche Auffassung führt oft zu Missverständnissen. Hohes Haus! Ich lade Sie sehr herzlich ein, an der Aufklärung darüber mitzuwirken, was eine Angehörigenvertretung tun kann, damit es gar nicht zur Sachwalterschaft kommt, was eine Vorsorgevollmacht kann, und wie sehr man sich mit diesen Dingen vielleicht schon in der Familie beschäftigen sollte, damit es nicht zu einem weiteren Ansteigen von Sachwalterschaften kommt – und wir rechnen mit einem Ansteigen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 115

Ich darf noch eine Anmerkung zur Zukunft machen. (Abg. Petzner: Was sagen Sie zum parteipolitischen Missbrauch in der ÖVP?!) – Herr Petzner, ich komme schon noch zu Ihnen, keine Sorge!

Meine Damen und Herren! 2003 hat Österreich das Zusatzprotokoll gegen Folter und menschenunwürdige Behandlung unterschrieben und damit neue Aufgaben über­nommen. Wir stehen unmittelbar vor der Implementierung dieses nationalen Präven­tions­mechanismus gegen Folter. Aber das betrifft nicht nur Folter der grausamsten Art, sondern menschenunwürdige Behandlung in allen Institutionen, wo Menschen ange­halten werden – nicht nur im Polizeianhaltezentrum, im Gefängnis, sondern auch in psychiatrischen Einrichtungen, auf Pflegestationen, in geschlossenen Einrichtungen aller Art. Der Vorschlag zur Implementierung ist weit gediehen. Die Volksanwaltschaft hat sich als Expertenebene gut eingebracht und wir rechnen damit, dass das Hohe Haus noch nach der erfolgreichen Begutachtung vom Sommer mit der Vorlage kon­frontiert werden wird. Ich ersuche Sie jetzt schon um wohlwollende Prüfung und Sichtung dieser Regierungsvorlage. Wir stehen auch als Kompetenzzentrum für die Beratungen im Hohen Haus zur Verfügung und gehen davon aus, dass dieser größte Aufgabenausbau seit Einführung der Volksanwaltschaft vor ungefähr 34 Jahren hoffentlich auf allergrößte Zustimmung hier im Hohen Haus treffen wird.

Herr Abgeordneter Petzner, zuletzt zu Ihnen, denn mehr als diese eine Anmerkung ist dazu nicht zu sagen. Ich halte das Berufungsurteil vom 8. September 2011 in Händen. Dem Rechtsstandpunkt der Volksanwaltschaft ist kurz gesagt vollinhaltlich stattge­geben worden. (Abg. Petzner: Die Plakate sind trotzdem ...!)

Für alle Damen und Herren Abgeordneten: Es liegt ein schuldhafter Verstoß gegen die Verwendung der Bezeichnung „Volksanwalt“ vor. Der einstweiligen Verfügung ist nicht recht gegeben worden. Herr Abgeordneter Stadler und nicht die Volksanwaltschaft ist geklagt worden. Eine kleine Aufklärung noch: Bearbeitet hat das die Finanzprokuratur und nicht die Finanzmarktaufsicht. Die Finanzprokuratur sind die Rechtsanwälte der Republik.

Ich bedanke mich fürs Erste für die Aufmerksamkeit und stehe weiter zur Verfügung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin ist Frau Volksanwältin Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.39.46

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Poštovane dame i gospodo!

Ganz herzlich möchte ich mich bei all jenen bedanken, die die Arbeit der Volks­anwalt­schaft gewürdigt haben. Ich möchte mich auch durchaus für die kritischen Anmer­kungen bedanken, wiewohl es notwendig ist, bestimmte Aspekte – nicht der Kritik – klarzustellen, bei denen es sachliche Unkorrektheiten gibt.

Herr Abgeordneter Grosz, es stimmt, dass es in Zeiten, an die Sie sich aufgrund Ihrer Jugend vielleicht noch dunkel – aber doch – erinnern, eine „Volksanwalt“-Sendung gegeben hat – damals noch mit dem Moderator Strobl. Danach hat es eine Periode gegeben – sehr lange Zeit –, in der es keine Sendung gab. Gott sei Dank ist die Kooperation mit dem ORF am Beginn der letzten – nicht der jetzigen – Periode wieder aufgenommen worden, und die Sendung ist wirklich extrem erfolgreich – nicht nur angelaufen, sondern auch gelaufen.

Einen Beitrag dazu haben neben dem Moderator, der damals neu war, Dr. Resetarits, sicher auch die drei Volksanwälte – nämlich Volksanwalt Stadler, jetzt Abgeordneter


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Stadler, Volksanwalt Kostelka und Volksanwältin Bauer geleistet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Grosz und Mag. Donnerbauer.)

Aus meiner Sicht ist die Sendung „Bürgeranwalt“ – wie sie jetzt ein bisschen zu unserem Bedauern heißt, denn Dr. Resetarits ist der Bürgeranwalt; wir sind Volks­anwältinnen beziehungsweise Volksanwalt, aber wir haben das zur Kenntnis genom­men – das, was man klassischen Public Value des ORF nennt, denn dieses Format – um es so darzustellen, wie es ist – ist etwas, das höchste Qualität bietet und absolut vereinbar mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag ist. (Beifall der Abgeordneten Mag. Brunner, Dr. Pirklhuber und Mag. Donnerbauer.)

Jetzt sage ich Ihnen ganz ehrlich – damit auch die Damen und Herren des ORF, die sich dort wahnsinnig bemühen und eine hervorragende Kooperation mit den Volks­anwältInnen haben, Feedback kriegen, um das auch öffentlich ein bisschen klarzustellen –: Jeden Samstag, das ganze Jahr hindurch, außer an den vier Sams­tagen im August, an denen es keine Sendung gibt, schauen im Schnitt 317 000 Menschen um halb sechs am Nachmittag österreichisches Fernsehen – und das bei der Konkurrenz, die wir heute haben, bei hunderten von Kanälen, die man auch einschalten kann. Also das ist ein Erfolgsmodell des ORF.

Ich darf jetzt sagen: Früher hat Volksanwalt Stadler auch einen Beitrag geleistet. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Im Moment leistet zumindest aus dem BZÖ niemand einen Beitrag, aber diejenigen im ORF, die sich bemühen, und auch die Volksanwaltschaft – weil es unsere Aufgabe ist – leisten diesen Beitrag – auch im Sinne der zufriedenen Seherinnen und Seher. Ich hoffe, dass die neue oder wieder installierte Führung des ORF das auch so sieht und dieser Sendung mehr Chancen gibt – möglicherweise mit einem noch besseren Sendeplatz –, um mehr junge Menschen anzusprechen, weil es ein bisschen problematisch ist, am Samstag um halb sechs junge Leute zu erreichen. Wir würden sie aber gerne erreichen, und eine Stunde später wäre es vielleicht schon einfacher. – Das dazu.

Eine zweite Korrektur möchte ich in Bezug auf die Arbeit der Volksanwaltschaft anbringen – unsere jetzige Vorsitzende hat es schon getan, aber es ist mir auch ein Anliegen, damit die Leute nicht das glauben, was Sie hier einfach so sagen. (Abg. Grosz: Aber auf zehn Jahre! Zehn Jahre, Kollegin Stoisits! Zehn Jahre!) Unsere Einrichtung hat heute Gott sei Dank Konkurrenz. Gott sei Dank hat sie Konkurrenz, denn in der Verwaltung insgesamt hat sich ein Dienstleistungsbewusstsein entwickelt – im Sinne der Menschen, nämlich der Kunden und Kundinnen der Verwaltung. Gehen Sie vielleicht ab und zu einmal auf eine BH, dann werden Sie es sehen.

Das Erste, das Sie auf einer Bezirkshauptmannschaft sehen, ist „Bürgerservice“, „Bürgerservicestelle“. Das ist das Erste, was Ihnen rein optisch ins Auge fällt, wenn Sie auf ein Amt gehen. Ich sage: Ja, Gott sei Dank. Ich bin als Volksanwältin nicht – und ich sage es jetzt ganz pointiert – traurig, wenn jemand bereits bei dem Amt, bei dem er möglicherweise ein Problem oder eine Beschwerde hat, aufgrund dieser neu einge­richteten Infrastrukturen das kriegt – nämlich die Korrektur oder Good Governance, bessere Verwaltung.

Trotz – trotz! – dieser neuen Einrichtungen ist das Beschwerdeaufkommen bei der Volksanwaltschaft jährlich ein größeres, und dann sprechen sozusagen die Zahlen für sich, und sie stehen im krassen Widerspruch zu den Aussagen der beiden Abge­ordneten des BZÖ. Es steigen auch – und jetzt komme ich zu meinem Zustän­digkeitsbereich in der Volksanwaltschaft – die Missstandsfeststellungen der Volksan­waltschaft – im letzten Jahr nämlich um 17,3 Prozent. Da läuten hoffentlich bei allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Alarmglocken. Warum ist das so? Wir


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können Ihnen ganz genau sagen – oder Sie können es ja selber sehen, indem Sie unseren Bericht lesen –, was da los ist.

In dem Bereich, der mich betrifft – in meine Zuständigkeit fallen Beschwerden im fremdenrechtlichen und asylrechtlichen Bereich –, hatten wir in der Volksanwaltschaft im Jahr 2010 – das ist der Berichtszeitraum – einen Anstieg von 61 Prozent. Ich kann Ihnen berichten, im Jahr 2011 geht es genauso weiter – nicht nur linear, sondern das steigt noch. Da ist der Wurm drin. Da ist der Wurm drin, und mit diesen Würmern – wenn Sie es so wollen – beschäftigen wir uns, und wir hoffen, dass wir von Ihnen Unterstützung bekommen, um diese Kurve, die so hinaufgeht, im Sinne der Öster­reicherinnen und Österreicher, die bei uns Beschwerdeführerinnen und Beschwerde­führer sind, zu stoppen.

Dass dem leider nicht in allen Fällen so ist, illustriere ich Ihnen an einem Beispiel aus meinem Geschäftsbereich. Die Volksanwältinnen und der Volksanwalt haben in einer kollegialen Missstandsfeststellung betreffend das Innenministerium festgestellt, dass von einer niederösterreichischen Bezirkshauptmannschaft rechtswidrigerweise eine Handlung gesetzt wurde. Es ging um einen Reisepass, der einem im Asylverfahren stehenden Mann abgenommen und nicht wieder ausgehändigt wurde. Es war eine kollegiale Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft.

Das Innenministerium konnte argumentativ nicht widerlegen, dass wir Unrecht haben. Wissen Sie, was das Innenministerium gemacht – und Ihnen vorgelegt – hat? – Eine Gesetzesänderung, die die damals rechtswidrige Vorgangsweise jetzt rechtmäßig macht. Das ist nicht im Sinne der Volksanwaltschaft, dass Unrecht, das gesetzt wird, durch Einbringen in das Parlament korrigiert und vergangenes Unrecht zu Recht wird. (Ruf bei der ÖVP: Das ist aber eine sehr seltsame Argumentation!) Ähnliche Handlungen sind jetzt rechtmäßig und damit auch der Volksanwaltschaft in ihrer Prüf­zuständigkeit entzogen.

Das freut mich natürlich nicht, aber – damit möchte ich zum Abschluss kommen – ich kann Ihnen auch sagen, dass dieses Beispiel nicht beispielhaft für die Vorgangsweise insgesamt ist – ganz im Gegenteil, das ist zahlenmäßig zu belegen. Ohne Sie jetzt noch weiter mit konkreten Zahlen zu füttern: Die österreichischen Behörden auf allen Ebenen nehmen die Arbeit der Volksanwaltschaft, ihre Kritik, ihre Missstandsfest­stel­lungen ernst – nämlich dahin gehend nicht nur ernst, indem sie sie registrieren, son­dern indem sie Korrekturen an ihrem Stil anbringen. Damit ist das auch schon gerecht­fertigt.

Eine allerletzte Bemerkung noch – auch an die Abgeordneten Petzner und Grosz gerichtet –: Die drei VolksanwältInnen haben im Jahr 2010 273 Sprechtage in ganz Österreich durchgeführt. Wenn man jetzt eine Grobrechnung macht und sagt, jede Woche hat fünf Arbeitstage, dann wären das bei 52 Wochen, die das Jahr hat, 260 Sprechtage – es gibt noch eine Menge Feiertage, die lasse ich jetzt großzügig beiseite. Das heißt, jeden Tag gibt es irgendwo in Österreich einen Sprechtag eines Volksanwalts und einer Volksanwältin. Das versuchen wir, noch zu überbieten, weil es auch so angenommen wird und dadurch die Inanspruchnahme der Institution steigt. Das freut uns, und ich bedanke mich jetzt auch im Namen der Volksanwaltschaft für Ihre Unterstützung.

Ich hoffe – das möchte ich auch noch sagen –, dass wir diese Unterstützung vom Parlament auch bekommen, was die OPCAT-Implementierung angeht, weil das ein großes Projekt ist, mit dem wir uns sehr intensiv beschäftigen und das seit der Ratifizierung des OPCAT-Abkommens im Jahr 2003 mehr als dringend ansteht. Inzwischen haben wir das Jahr 2011 und hoffen, dass das Projekt im Jahr 2012 starten


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kann. – Ganz herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

14.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

 


14.49.21

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde jetzt nicht darauf eingehen, inwieweit sich die Beschwerdezahlen im Vergleich zum Anfang der 2000er Jahre entwickelt haben, aber ich kann Ihnen locker nachweisen – und Sie können die Berichte aus der damaligen Zeit in die Hand nehmen –, dass wir deutlich darüber waren. (Abg. Grosz: 5 000 weniger!)

Ich werde jetzt auch nicht darüber philosophieren, inwieweit die Zuseherquote im ORF zurückgegangen ist. (Abg. Dr. Pirklhuber: Es gibt andere Gegner, Herr Stadler! Das ist wirklich billig!) Ich werde auch nicht referieren, wie oft man ungefragt vom ORF angesudert wurde, wieso die Zuschauerzahlen und die entsprechenden Einschalt­quoten zurückgegangen sind. Bemerkenswert ist nur, dass der ORF das Sendeformat umgestellt hat – nicht, weil Sie so erfolgreich waren. Das ist nicht mein Thema.

Ich werde Ihnen aber sagen, dass es ein qualitativer Tiefstand war, dass sich die Volksanwaltschaft im Jahr 2009 unter Ihrer Amtstätigkeit ... (Abg. Dr. Pirklhuber: ... Bericht 2010!) – ja, das ist gut, dass Sie mich daran erinnert haben, Sie sind ein ganz Gescheiter, ich weiß schon; ich repliziere auf die Frau Volksanwältin (Abg. Dr. Pirklhuber: Diese Geschichte aufzuwärmen, das ist wirklich traurig!) – ... aktiv in den EU-Wahlkampf eingeschaltet hat. (Zwischenruf beim BZÖ.)

Die Volksanwaltschaft hat bis dorthin immer gesagt: Wir halten uns aus der Tages­politik heraus. Zum ersten Mal hat sich die Volksanwaltschaft aktiv in den EU-Wahl­kampf eingeschaltet und geglaubt, wegen einer Titelgeschichte könne sie den Wahlkampf mitgestalten. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Sie haben nichts bewirkt, außer, dass Sie mir im Wahlkampf damit gedient haben. Bewirkt haben Sie damit nichts, aber die böse Absicht dahinter haben wir sehr wohl erkannt. (Ruf bei der ÖVP: „Böse Absicht“?!) – Na, selbstverständlich. Die Absicht war, einer Fraktion dieses Hauses im Wahlkampf damit zu schaden. Das nimmt man zur Kenntnis. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es ist aber unrichtig, wenn Sie so tun, als hätten Sie die Verfahren gewonnen.

In der Hauptsache hat die Volksanwaltschaft eine blamable Niederlage vor Gericht erlitten. Das Einzige, was Sie heute vorgetragen haben – in der Hoffnung, dass halt eine Minderheit hier drinnen ist, die nicht kapiert, was Sie daherreden (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber) –, ist der Umstand, dass bei der einstweiligen Verfügung meine Impugnationsklage – und jetzt kann jeder selber nachschauen, was eine Impugnations­klage ist – im Rechtsmittel noch behängt. Das ist alles. Das war aber im Provisorial­verfahren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) In der Hauptsache haben Sie die Klage verloren. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Auch das will ich nicht werten.

Ich will Ihnen nur sagen: Wenn die Volksanwaltschaft glaubt, sich in jedem Wahlkampf auf irgendeiner Seite engagieren zu müssen, dann ist man schiefgewickelt, wenn man glaubt, dass das die richtige Tendenz der Volksanwaltschaft ist. Wir haben uns früher immer aus der Tagespolitik herausgehalten, haben versucht, uns auch nicht hinein­ziehen zu lassen. Es gab mehrere Versuche. Es gab insbesondere im Zusammenhang mit der Ortstafelfrage Versuche, uns in die Tagespolitik hineinzuziehen. Wir haben uns


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herausgehalten, haben uns streng auf den juristischen Aspekt zurückgezogen und insbesondere versucht, aus Wahlkämpfen herausgehalten zu werden.

Keinem Volksanwalt wäre es früher eingefallen (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirkl­huber) – das war schon Ihnen vorbehalten –, sich selbst aktiv auf der Seite der Regierungsfraktionen in einen Wahlkampf einzubringen in der Hoffnung, damit einer Fraktion dieses Hauses schaden zu können. Das nimmt man zur Kenntnis, und Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn diese Fraktion mit Ihnen derzeit nichts zu tun haben will.

Wir nehmen ohnehin an – beziehungsweise wissen aufgrund der Verfassungsent­wicklung und der vorhersehbaren Wahlergebnisse –, dass die nächste Volksanwalt­schaft deutlich anders ausschauen wird. Da wird man wieder deutsch reden und nicht irgendwelche chauvinistischen Geschichten von der Regierungsbank veranstalten und sagen  (Abg. Dr. Pirklhuber: Das können Sie sich aber wirklich sparen!) – Das ist auch so eine parteipolitische Manifestation, wenn Frau Stoisits glaubt, sie müsse hier ihre Minderheitenpolitik zum Besten geben. Das soll sie als Abgeordnete der Grünen machen, aber nicht als Volksanwältin, als die sie sich an die Bundesverfassung zu halten hätte, in der es heißt, dass die Amtssprache Deutsch ist. (Beifall beim BZÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Solange sie Abgeordnete der Grünen ist, kann sie herumpaddeln, wie sie will – das ist ihre Sache –, aber solange sie Volksanwältin ist, ist sie oberstes Organ dieser Republik und nicht eine parteipolitische Funktionärin der Grünen – aber das hat das Denken dieser Volksanwaltschaft ja offengelegt. (Beifall beim BZÖ.)

14.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.53.39

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwältinnen! Hohes Haus! Vorerst einmal die Feststellung, dass wir seit Langem wieder einen Bericht der Volksanwaltschaft nicht zu nächtlicher Stunde diskutieren (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein), sondern dank der heutigen Tagesordnung zu einem Zeitpunkt, zu dem es sich die Menschen, die sich mit ihren Schicksalen an die Volksanwaltschaft gewendet haben, auch verdient haben, dass man hier über ihre Probleme diskutiert. Das möchte ich einmal anfangs sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Danke, Herr Präsident! – Abg. Dr. Pirklhuber: ... zum Stadler was! Das ist ja peinlich, was er aufführt!)

Wir erleben leider aber auch, dass zu dieser Stunde von einer Fraktion dieses Hauses sehr untergriffig gegen die Volksanwaltschaft argumentiert wird. Liebes BZÖ! Das müssen wir auf das Entschiedenste zurückweisen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Es haben sich der Abgeordnete Petzner, der Abgeordnete Grosz und jetzt vor mir der Abgeordnete Stadler gegen die Volksanwaltschaft gewandt, indem sie ihre per­sönlichen Befindlichkeiten hier hineingebracht haben. (Abg. Grosz: Ich habe überhaupt keine persönlichen Befindlichkeiten!)

Lieber Kollege Stadler, wenn ich dir sagen darf – ich bin kein Jurist, du müsstest es als Jurist aber besser wissen –, es war genau umgekehrt: Nicht die Volksanwaltschaft hat diese Institution in den Wahlkampf gezogen, sondern du warst es, weil du dich im Wahlkampf für die EU-Wahl zu Unrecht des Titels Volksanwalt bedient hast (Abg. Mag. Widmann: Zu Recht!) – und zu Recht bist du dafür verurteilt worden. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Tatsächliche Berichtigung!)


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Sehr geehrte Damen und Herren, nun zu meiner sehr geschätzten Vorrednerin Anna Höllerer. Respekt, liebe Kollegin Höllerer, du hast hier über die von der Volks­anwaltschaft aufgezeigte Problematik der Kastenstandhaltung gesprochen. Ich will das hier nicht breit auswalzen, aber du hast auch kritisiert, dass der Bauernschaft für die Umsetzung der bestehenden Tierschutzgesetze eine Übergangsfrist von acht Jahren – bitte, acht Jahren! –, zugestanden wird. (Zwischenruf der Abg. Höllerer.) Einem Arbeiter, einem Angestellten in einem Betrieb, der geschlossen wird, werden oft nicht einmal acht Tage zur Verfügung gestellt (Zwischenrufe bei der ÖVP), damit er sich auf die neue Situation einstellen kann.

Unser Gesundheitsminister Stöger ist sehr, sehr gesprächsbereit – er war es und ist es auch in Zukunft, liebe Anna Höllerer! Ich weiß, er war bei euch im ÖVP-Klub, er war beim Bauernbund, er hat mit euch diskutiert. Wer mit seinem Regierungskollegen Stöger nicht diskutiert hat, war euer Landwirtschaftsminister Berlakovich, der bisher säumig geblieben ist, dieses Problem zu lösen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte eigentlich inhaltlich auf eine Problematik besonders eingehen, weil ich damit ehrenamtlich sehr befasst bin, das ist die Sachwalterschaft. Ich bedanke mich bei der Volksanwaltschaft, dass die Beschäftigung mit der Sachwalterproblematik von ihr vorangetrieben wird. Ich sage „vorangetrieben“, weil ihre Kritik, das Aufzeigen von Mängeln auch uns Parlamentarier dazu bewegen muss, die Dinge zu verbessern.

Wir werden in Zukunft – wie Sie richtig sagen – ein großes Problem haben. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.) Es wird im Jahr 2020 fast 80 000 besachwaltete Personen in Österreich geben. Das heißt, es wird eine Verdoppelung geben. Wir werden zu wenige Sachwalterinnen und Sachwalter haben. Wir haben zuletzt beim Sachwalterschafts­rechtsänderungsgesetz 2006 zum Beispiel für Sachwalter, die aus den juridischen Berufen kommen, eine Obergrenze von 25 Klienten eingezogen, weil wir wissen, dass eine so hohe Anzahl an Klienten zu einem Missverhältnis in der Betreuung führt, dass viel zu wenig Zeit bleibt, diese besachwalteten Menschen zu kontaktieren. Einmal im Monat persönlichen Kontakt zu haben, das ist eigentlich sehr wenig. Leider haben wir – da müssen wir uns selber bei der Nase nehmen – mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 diese Zahl wieder zurückgenommen, was für die betroffenen Personen leider auch nicht gut war.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich muss jetzt leider zum Schluss kommen. Ich danke für die Anregungen – speziell was die Sachwalterschaft betrifft. Wir werden diese Anregungen im Interesse jener Menschen, die behindert sind, die besachwaltet sind, aufgreifen müssen, um ihnen ein qualitätvolles Leben zu ermöglichen. Herzlichen Dank der Volksanwaltschaft für diesen Bericht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hornek.)

14.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


14.58.49

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Abgeordneter Sacher hat soeben behauptet, ich sei für die Verwendung irgendeiner Bezeichnung im EU-Wahlkampf zu Recht verurteilt worden. – Diese Aussage ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass ich das Zivilverfahren in der Hauptsache gewonnen habe, dass das Provisorialverfahren bis heute beim Rechtsmittelgericht anhängig ist, dass es darüber hinaus kein Strafverfahren gegeben hat und auch kein sonstiges Zivilver­


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fahren. Das heißt, ich bin in keinem Urteil rechtskräftig in irgendeiner Sache in diesem Zusammenhang verurteilt worden. (Beifall beim BZÖ.)

14.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Aubauer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.59.36

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich kann es ganz kurz machen. Zur Kritik vom Kollegen Grosz: Ich weiß nicht, ob Sie jemals persönlich Kontakt mit den Volksanwälten hatten; ich jedenfalls schon.

Die VolksanwältInnen sind eine wichtige Anlaufstelle vor allem für ältere Menschen. Dort geht es nämlich nicht virtuell zu, sondern sehr vieles wird in persönlichen Gesprächen erledigt. Das schätzen auch die älteren Menschen, und ich sage ein herzliches Dankeschön für den persönlichen Einsatz der VolksanwältInnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Problem brennt auch uns sehr stark unter den Nägeln, nämlich die Probleme bei der Sachwalterschaft; mein Vorredner hat es ja gerade angesprochen. Hier braucht es eindeutig neue Regeln, denn die Sachwalter, so es Rechtsanwälte sind, sind über­fordert. Sie können in Fragen der Pflege oder der Gesundheit gar nicht entscheiden. Hier braucht es ein duales System, so wie beispielsweise in der Jugendwohlfahrt, sodass auch Sozialarbeiter sich etwa um demente Personen kümmern können. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Also auch hier ist eine neue Regelung anzustreben, eine Art neue Alterswohlfahrt, wie sie Frau Dr. Brinek vorgeschlagen hat. Darüber sollten wir in nächster Zeit diskutieren. Das Problem ist wichtig, das Problem ist brennend, denn immer mehr Menschen werden älter und brauchen daher auch unsere Hilfe. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer­hofer. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte. (Rufe: Dringliche!)

Bitte um Entschuldigung, Herr Abgeordneter. – Zur Information: Der Herr Zweite Präsident hat angekündigt, dass die Dringliche Anfrage um 15.09 Uhr aufgerufen wird, und dabei bleiben wir auch. – Bitte.

 


15.01.20

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen von der Volksanwaltschaft! Ich möchte das Thema verabsäumte Handypeilung behandeln und dazu als Polizist, der noch Praxis hat, denn ich gehe noch in den Dienst, und da wird mir von den Beamten, die tatsächlich Außendienst machen, allerhand zur Kenntnis gebracht, etwas anmerken.

Bei einem Einbruch wird ein wertvolles Handy gestohlen – ein bedauerlicher, aber nicht seltener Vorgang. Dass aber die Volksanwaltschaft diesen Fall herausgreift und erwähnt, ist insofern verwunderlich, als in keinem Satz angeführt ist, ob das Handy auch tatsächlich eingeloggt war oder nicht. Vielleicht war das der Grund für die Polizisten, dass sie keine Handypeilung durchgeführt haben. Denn eines steht fest: Der dümmste Einbrecher schaltet ein gestohlenes Handy auf der Stelle aus. (Heiterkeit.) Das ist ganz klar, und das möchte ich auch einmal sagen.


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Und obwohl ich Freude habe mit dem Bericht der Volksanwaltschaft und mit ihrer Hilfestellung, die auch mir als Abgeordnetem immer wieder zuteilwird, muss ich hier doch auch eines kritisch anmerken: Es fällt auf, dass in letzter Zeit besonders viel Kritik an der Polizei geäußert wird.

Der zweite Fall, auf den ich eingehen will, ist die vorschnelle Ablehnung einer Ent­schädigung nach einer gewaltsamen Wohnungsöffnung durch die Polizei aufgrund eines befürchteten Unfalls in der Wohnung. Das habe ich 150 oder tausend Mal erlebt in meiner 30-jährigen Dienstzeit. Dort, wo sich der Bürger mittels schwerer und wertvoller Türen und Fenster vor Einbruch schützen will, hat die Polizei im Falle der Notwendigkeit, dass sie sich wegen eines befürchteten Unfalls in der Wohnung dort Zutritt verschaffen muss, und das in aller gebotenen Eile, auf der anderen Seite natürlich das Problem, dass sie das Hindernis überwinden muss, aber vorher sicherstellen muss, dass der Bürger nicht womöglich in einem Spital gelandet ist.

In Wien gibt es diesbezüglich ein Problem, und hier ein Vorschlag an eine schwarze Innenministerin – nicht an die Volksanwaltschaft –: Man möge endlich eine Stelle schaffen, wo der Polizist bei Gefahr in Verzug in aller Schnelligkeit – das haben wir nicht geschafft, und das ist wahrlich eine Schande –, wenn er vor der Türe wartet, durch einen Telefonanruf feststellen kann, ob der Herr Müller, der Herr Maier jetzt in einem Spital liegt oder nicht.

Wenn er anruft, ist es jetzt so, dass er via Spitalsauskunft für alle öffentlichen Spitäler sofort Auskunft bekommt, aber über private Spitäler, wie das UKH oder das Hanusch-Krankenhaus, das der Wiener Gebietskrankenkasse gehört, keine Auskunft bekommt und er in diesen jeweils einen neuerlichen Anruf tätigen muss. Daher unser Vor­schlag – aber nicht an die Volksanwaltschaft, sondern an die Frau Innenminister –: eine zentrale Spitalsauskunft für alle Spitäler. (Beifall bei der FPÖ.)

Das würde nämlich eines verhindern: dass, wie es tatsächlich geschieht, immer mehr Türen aufgebrochen werden müssen. Die Türen werden immer massiver – aufgrund der herrschenden Lage, die auch nicht von uns Freiheitlichen provoziert wurde, nämlich aufgrund der Unsicherheit, aufgrund derer sich die Bürger mit Türen und Fenstern versorgen, die man nicht mehr einfach mit Körperkraft aufdrücken kann, sondern mit technischer Gewalt aufbrechen muss, um dem Bürger, der womöglich hinter der Tür liegt, verletzt, erkrankt, vielleicht mit einem Herzinfarkt, rasch zu Hilfe zu eilen.

Wenn wir das schaffen, wenn die Frau Innenminister das schafft, dann werden wir vielleicht weniger im Bericht der Volksanwaltschaft aufscheinen, und das wünsche ich mir als Polizist und erst recht als Abgeordneter. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brunner zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.05.15

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwältinnen! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank an die Volksanwaltschaft für ihre Arbeit. Ich finde, die Volksanwaltschaft ist für viele BürgerInnen, und gerade für engagierte BürgerInnen, eine sehr, sehr wichtige Einrichtung. Ich bedanke mich auch für Ihren Bericht, der für unsere Arbeit hier im Haus eine wichtige Bereicherung ist und aus dem wir auch unsere Schlüsse ziehen sollten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 123

Als Tierschutzsprecherin ist mir natürlich auch besonders die Missstandsfeststellung im Bereich Schweinehaltung ins Auge gefallen. Da geht ganz klar hervor, dass die geltende Verordnung dem Tierschutzgesetz, das wir hier im Haus beschlossen haben, nicht entspricht. Und ich wundere mich schon etwas darüber, denn ich glaube, wir erwarten von jedem Menschen in Österreich, dass die Gesetze, die wir hier be­schließen, eingehalten werden, und ich erwarte mir das eigentlich auch vom Land­wirtschaftsminister.

Der Landwirtschaftsminister ist der Einzige, der in dieser Sache blockiert. Er ist der Einzige, der nicht gesprächsbereit ist. Ich finde es schon bemerkenswert, wenn von der ÖVP TierschützerInnen, die jahrelang von Ihnen kriminalisiert und verfolgt wurden, jetzt wieder an den Pranger gestellt werden, TierschützerInnen, die sich ehrenamtlich für artgerechte Tierhaltung einsetzen, die sich für die Beseitigung der Missstände einsetzen. Die haben sich nicht aus Spaß eine Nacht lang und eineinhalb Tage lang an das Landwirtschaftsministerium angekettet, sondern weil eben Berlakovich blockiert und keinerlei Gesprächsbereitschaft zeigt. Dann braucht er sich nicht zu wundern, wenn sein Ministerium blockiert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Und was so eine Blockade bedeutet, ist auch ganz klar, nämlich die Aufrechterhaltung des Kastenstandes. Derzeit sind Schweine, Zuchtsauen, das ganze Jahr über in diesem Kastenstand – das ist ein körpergroßer Käfig, in dem es keinerlei Bewegungs­freiheit gibt; und dass das unwürdig ist, ist wohl keine Frage – gefangen, und das ist Tierquälerei!

Diese Blockade, diese Ignoranz demgegenüber ist für mich absolut unerträglich. Und was die Haltung des Landwirtschaftsministeriums dazu angeht, so ist allein schon die Wortwahl bezeichnend: Es wird hier von „Erzeugung“ und „Produktion“ gesprochen. Ich meine, es geht um Lebewesen, und da kann man nicht von „Produktion“ sprechen, sondern diese Lebewesen müssen artgerecht gehalten werden – auch in Österreich und gerade in Österreich. Alles andere, finde ich, ist eine Schande!. (Beifall bei den Grünen.)

80 Prozent der Bevölkerung in Österreich lehnen diesen Kastenstand auch ab und wollen eine artgerechte Tierhaltung. Und es geht auch anders. Wir haben uns vor Kurzem einen Betrieb angeschaut und gesehen, es geht anders. Schweine können auch artgerecht gehalten werden. Ich finde, es wäre gerade die Aufgabe des Landwirt­schaftsministers, die Bäuerinnen und Bauern dahin zu bringen, dass es ihnen auch ermöglicht wird, dass die Schweinehaltung in Österreich dem Tierschutzgesetz ent­spricht.

Das wäre seine Aufgabe, und ich fordere Landwirtschaftsminister Berlakovich hier noch einmal nachdrücklich auf, diese seine Blockadehaltung zu ändern und endlich einen gesetzeskonformen Zustand in Österreich herzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich erwarte mir auch von uns allen hier im Haus, dass wir uns selbst ernst genug nehmen und darauf achten, dass die Gesetze, die wir hier beschließen, eingehalten werden. Und ich möchte noch einmal auf den Antrag verweisen, den mein Kollege Zinggl eingebracht hat, der nur sicherstellen will, dass das Tierschutzgesetz, das wir gemeinsam beschlossen haben, auch eingehalten wird. Wenn wir die Gesetze und unsere Arbeit hier ernst nehmen, dann erwarte ich mir breite Zustimmung zu diesem Gesetz, damit es in Österreich endlich wieder tiergerechte, artgerechte Haltung gibt – auch bei den Schweinen.

Im Übrigen bin ich nach wie vor der Meinung, Österreich braucht ein eigenständiges, starkes und engagiertes Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen. –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 124

Abg. Grillitsch: Aber Sie wollen das österreichische Schnitzel auf dem Teller haben! Sagen Sie das laut!)

15.09

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 2 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15.09 Uhr stattfinden kann.

15.09.20Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Finanzen betreffend: Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! Volksabstimmung jetzt! (9287/J)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 9287/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die in Zusammenhang mit der Eurokrise täglich neu bekannt werdenden Zahlen und Fakten legen eindeutig klar, dass die Geldflüsse für Pleitestaaten deren dramatische Situation nicht verbessern.

Umso unverständlicher ist es daher, dass man nunmehr weitere Geldflüsse und Haftungen durch Beschlussfassung des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes ermög­licht und darüber hinaus mit einer Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie der Beschlussfassung eines permanenten Rettungsschirms (ESM) die Europäische Union endgültig in eine Transferunion umwandelt und Geldlieferungen der leistungsfähigen Mitgliedstaaten an Pleitestaaten perpetuiert. In diesem Sinne haben die Staats- und Regierungschefs eine Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union beschlossen, mit dem Art. 136 wie folgt ergänzt wird:

"Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitäts­mechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengem Auflagen unterliegen."

Nach Ansicht des BZÖ darf eine derartig weitreichende Entscheidung, die nicht zuletzt zu einer enormen, unwiderufbaren und letztlich unbegrenzten Vorbelastung zukünftiger Generationen führen wird, nicht ohne direkte Einbindung der Bevölkerung erfolgen. Die Möglichkeit dazu besteht: Es ist möglich, sobald die Bundesregierung ein ent­sprechendes Verfassungsgesetz vorlegt, wie dies im Übrigen anlässlich der Ratifizie­rung des EU-Beitrittsvertrages Österreichs gemacht wurde.

Dann wäre die Durchführung einer Volksabstimmung gem. Art. 44 Abs. 3 B-VG auf Verlangen eines Drittels der Nationalratsabgeordneten  – sprich aller drei Oppositions­parteien  – möglich.

Aus diesem Grund fordern wir daher die Bundesregierung auf, sich der Volks­abstimmung nicht zu verschließen und eine solche zu ermöglichen.

Die Fakten zur Krise sprechen für sich!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 125

Finanzminister DI Josef Pröll hat zu Beginn der Griechenlandkrise, unter dem Hinweis auf zu erwartende Zinszahlungen seitens Griechenlands, den Österreicherinnen und Österreichern versprochen, dass am Ende die vergebenen Kredite ein Geschäft für Österreich sein würden.

Diese dreiste Behauptung ist mittlerweile ebenso wie Vizekanzler und Finanzminister Pröll Geschichte.

In der Sitzung vom 15. Juni 2011 haben Sie, Frau Bundesminister, davon gesprochen, dass Griechenland einen deutlichen Primärüberschuss im Staatshaushalt erreicht und seine Verpflichtungen erfüllen kann. Weiters führten Sie aus, dass Sie Griechenland nur dann Geld borgen, wenn sichergestellt ist, dass das Geld auch zurück bezahlt wird.

Heute, am 21. September 2011, ist klar, dass die Griechen keinen Primärüberschuss erreichen und auch die Bedingungen für weitere Zahlungen aus dem Euroschutzschirm nicht erfüllen. Griechenland ist nicht einmal annähernd in der Lage, das angestrebte Defizitziel zu erreichen. Für 2010 waren 8,1 % des BIP bei der Neuverschuldung ange­strebt, tatsächlich sind es 10,5 % geworden, 2011 werden es 9,5 % werden. Diese Zahlen belegen das Scheitern des Rettungsplans der Europäischen Union. Griechen­land geht es immer schlechter, die Pleite wird immer wahrscheinlicher und damit die Rückzahlung illusorisch. Wir haben nicht nur genug, sondern auch umsonst gezahlt!

Mittlerweile ist Österreich Kreditverpflichtungen im Ausmaß von 4,3 Mrd. Euro eingegangen und hat überdies Haftungen im Ausmaß von 21,6 Mrd. Euro zuzüglich Zinsen übernommen. Das heißt, diese Bundesregierung hat jeder Österreicherin und jedem Österreichern rund 3.500 Euro an weiteren Schulden eingebrockt - zusätzlich zu den 30.000 Euro, die schon heute auf jeden entfallen.

Gleichzeitig wird die Regierung nicht müde, den Euro als Erfolgsprojekt zu verkaufen, dem Österreich seine wirtschaftliche Prosperität zu verdanken habe. Kritische Stimmen werden durch de facto Maulkorberlässe und Denkverbote unter Hinweis auf nervöse Finanzmärkte unterdrückt. Sie selbst sprechen in diesem Zusammenhang gerne von "kleinkariert" und "engstirnig".

Ihre Vorgangsweise, im Rahmen des EFSF Zahlungsverpflichtungen und Haftungen in zweistelligen Milliardenbeträgen in Form eines privatrechtlichen Vertrags einzugehen, halten Sie wahrscheinlich für "großkariert" und "weitstirnig", demokratisch ist sie aber nicht. Bis heute haben Sie den Parlamentariern keine konsolidierte Fassung des geltenden Vertrags vorgelegt. Das Parlament als gewählte Volksvertretung ist ausge­schalten worden, Sie verhandeln hinter verschlossenen Türen und verteilen Blanko­schecks in Milliardenhöhe ohne Zustimmung des Parlaments und der Österreicherin­nen und Österreicher. Das erst gestern in aller Hast übermittelte Papier mit Änderungsvorschlägen kann die vollständige Vorlage der Vertragsgrundlagen des EFSF an den Nationalrat und deren Beschlussfassung nicht ersetzen.

Während Sie in der Öffentlichkeit eine heile Finanzwelt vorgaukeln, wird offensichtlich im Finanzministerium bereits an worst-case-Szenarien gearbeitet, wie folgender Artikel in der Tageszeitung "Die Presse" am 13. September 2011 zeigt:

"Der von zahlreichen Experten befürchtete Staatsbankrott Griechenlands würde Öster­reichs Volkswirtschaft 40 Milliarden Euro kosten. Das ist eine Schätzung des Finanzministeriums. "Wir haben bereits zu Beginn der Krise die Szenarien durch­gerechnet", so ein Sprecher des Ministeriums gegenüber der "Presse". Damit sei schon damals klar gewesen, dass eine Teilnahme am Hilfspaket deutlich günstiger sei."

Allerdings offensichtlich immer noch mit dem Ziel, das wahre Ausmaß der Krise des Euro und des europäischen Finanzsystems zu kaschieren. Noch im Juni haben Sie


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davon gesprochen, dass die Kosten einer Insolvenz Griechenlands zwischen 20 und 40 Mrd. Euro liegen würden, jetzt im September, wo Österreich neuerlich die Mittel für die Griechenlandhilfe aufstockt, betragen sie schon 40 Mrd. Euro. Offenbar steigen die Kosten proportional mit den österreichischen Zahlungen. In Wahrheit handelt es sich dabei um durch nichts bewiesene und auch nicht nachvollziehbare Zahlen, die als Horrorszenarien der Öffentlichkeit für den Fall des Ausstiegs aus dem Euro, einer Insolvenz Griechenlands oder dem Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone präsentiert werden.

Dass die Weiterfinanzierung Griechenlands die billigere Option ist, wird allerdings von etlichen anerkannten Wirtschaftswissenschaftern mittlerweile mit guten Argumenten bestritten. Hans-Werner Sinn, der Leiter des renommierten Münchner ifo-Instituts kommt in einer jüngst veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass das Kostenrisiko Österreichs aus den bisher vereinbarten Griechenlandhilfen schon ebenfalls 40 Mrd. Euro beträgt.

Damit bestätigt sich, was das BZÖ bereits vor der Beschlussfassung des ersten Griechenland-Hilfspakets im April 2010 prognostiziert hat:

Josef Bucher, OTS, 27.Apr 2010

"Nicht nur im Interesse der anderen Eurozonen-Länder, sondern auch im eigenen Interesse, soll Griechenland aus der Eurozone austreten", meinte Bucher.

Der einzig zielführende Weg wäre es, Griechenland aus der Eurozone heraus­zunehmen. "Griechenland soll sich daher selbstständig mit einer eigenen Währung retten, könnte mit einer Währungsabwertung einen Gesundungsweg antreten und über die Inflation ihren Haushalt finanzieren", sagte Bucher.

Josef Bucher, OTS, 28.Apr 2010

Der BZÖ-Bündnisobmann forderte, dass Griechenland aus der Eurozone austreten und aus eigener Kraft einen gesunden Weg antreten solle. "Die Börsen und der Euro sind auf Talfahrt. Es ist nicht einzusehen, dass die anderen Euro-Länder in das Finanz­debakel mit hineingezogen werden und die Zeche zahlen sollen. Griechenland hat jahrelang falsche Zahlen abgeliefert und sich die Aufnahme in die Eurozone de facto erschlichen. Daher soll sich das Land selbstständig und mit einer eigenen Währung retten."

Im Nachhinein als gerade zu erheiternd ist in diesem Zusammenhang die Aussage von Bundeskanzler Faymann noch im Hauptausschuss am 24.03.2010 zu werten, der­zufolge er keine Beschlüsse über etwaige Hilfsmaßnahmen innerhalb der EU erwarte, weil Griechenland wahrscheinlich keinen Antrag stellen werde.

Mit den bereits im Mai des Vorjahres erfolgten Beschlüssen zur Finanzhilfe für Griechenland hat die EU - bzw. haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone - also einen folgeschweren Sündenfall begangen: In einer Nacht- und Nebelaktion haben die Finanzminister der Eurozone am 2. Mai 2010 für ganz Europa folgen­schwere Maßnahmen in Form "finanzieller Unterstützung für Griechenland zur Siche­rung der finanziellen Stabilität des Euro-Währungsgebiets", wie es sinngemäß in einer entsprechenden Presseerklärung des Ratspräsidenten van Rompuy hieß, beschlos­sen. "Finanzielle Unterstützung" in diesem Zusammenhang bedeutete nicht mehr und nicht weniger als die Summe von 110 Mrd. Euro, die nunmehr von den Eurostaaten in Form von Krediten an Griechenland überwiesen wird.

Dazu kommt die Schaffung eines permanenten Rettungsschirms, der 2013 in Kraft treten soll und die Steuerzahler neuerlich massiv belasten wird. In diesen Rettungs­


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schirm wird Österreich einerseits zu einer Ausweitung des Haftungsvolumens sowie andererseits zur Bareinzahlung von weiteren rund 2,2 Mrd. Euro verpflichtet.

ÖVP und SPÖ sind bisher Zahlungsverpflichtungen in Höhe von unvorstellbaren 25,9 Milliarden Euro Steuergeld für die Rettung von EU-Pleitestaaten wie Griechenland eingegangen. Geld für das Österreich sich weiter verschulden muss.

Die Befürchtung vieler Experten, dass Griechenland ein Fass ohne Boden ist, das die europäischen und damit auch die österreichischen Steuerzahler noch sehr viele Milliarden Euro kosten könnte, ohne dass damit der griechischen Bevölkerung tat­sächlich geholfen werden würde, geschweige denn Griechenland gerettet werden könnte, hat sich mittlerweile bestätigt.

Ein Schuldenerlass für Griechenland - zunächst vehement ausgeschlossen - ist mittlerweile in Folge der offensichtlich erkannten Ausweglosigkeit der bisher ergriffenen Maßnahmen Gegenstand der politischen Diskussion und zusehends "salonfähig".

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher von den bereits bar nach Griechenland gezahlten Steuergeldern für immer verabschieden müssen, ist schon fast zur Gewissheit geworden. 

Damit bestätigen sich sämtliche seitens des BZÖ seit mehr als einem Jahr in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Befürchtungen und Warnungen.

Andere Länder scheinen sich besser auf die Zeit nach einer Insolvenz Griechenlands vorzubereiten. Etwa die Niederlande, wo der Finanzminister eine Insolvenz nicht mehr ausschließt und Verhandlungen mit anderen EU-Ländern über die Abwicklung einer Insolvenz Griechenlands führt.

Der Parlamentspräsident der Slowakei, Richard Sulik, schließt bereits aus, dass sich die Slowakei an weiteren Ausweitungen des Euroschutzschirms beteiligen wird und stellt richtigerweise fest, dass die Problematik der Schuldenkrise nicht durch neue Schulden bekämpft werden kann, denn, so Sulik, das schade dem Euro erst recht.

Dennoch will die österreichische Bundesregierung die Beschlussfassung über die Ausweitung der Haftungen unbedingt vor der Abstimmung in der Slowakei durch­peitschen.

Die Staaten Osteuropas, die sich bei ihrem Beitritt zur Einführung des Euro verpflichtet haben, fühlen sich von Deutschland und Frankreich und ihren Geheimabsprachen - zu Recht - übergangen. So verwundert es wenig, dass der tschechische Premier, Petr Necas, den vertraglich bereits vereinbarten Beitritt seines Landes zum Euro infrage stellt.

Die düsteren Prognosen des IWF, der von einer Halbierung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone ausgeht, sowie die schlechte Entwicklung anderer in ihrer Staatschuldenentwicklung als gefährdet bezeichnete Länder, lassen die Wirksamkeit der nunmehr in Aussicht genommenen neuen Hilfsmassnahmen als zweifelhaft erscheinen. Vor allem das Downrating italienischer Staatsanleihen zu Beginn dieser Woche setzt die unheilvolle Entwicklung des Euro ungebremst fort. Spanien, Belgien, aber auch Frankreich könnten in den kommenden Monaten folgen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Finanzen folgende

Dringliche Anfrage:

1. Sind Sie angesichts der enormen, unwiderufbaren und letztlich unbegrenzten Vorbelastung zukünftiger Generationen bereit, die Bevölkerung in die Entscheidung


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über den Rettungsschirm für Euro-Länder im Wege einer Volksabstimmung einzubinden?

a) Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie dafür treffen?

b) Wenn nein, warum nicht?

2. Sind Sie bereit, die genauen Berechnungen, die das Finanzministerium über verschiedene Szenarien eines griechischen Staatsbankrotts angestellt hat, den Abgeordneten des Hauses zur Verfügung zu stellen?

3. Aufgrund welcher Berechnungen erfolgte Ihre in einem Fachgespräch betreffend "Eurostabilisierung" am 30. Juni 2011 gegebene Antwort, wonach ein Auseinan­derbrechen der Euro-Zone einen volkswirtschaftlichen Schaden im Ausmaß von 20 bis 40 Mrd. Euro verursachen würde?

4. Welche Fakten haben sich seit 30. Juni 2011 so geändert, dass das Finanz­ministerium nunmehr von 40 Mrd. Euro Kosten für Österreich spricht?

5. Haben Sie bzw. werden Sie die neuesten Entwicklungen in Italien in Ihre Über­legungen einfließen lassen bzw. haben die Entwicklungen Einfluss auf Ihre Berech­nungen, wonach ein Zahlungsstopp teurer käme?

6. Bislang haben Sie gegenüber der Öffentlichkeit keinen Plan B bekannt gegeben, falls die Versuche, eine Insolvenz von Griechenland abzuwenden, scheitern. Wann werden Sie einen derartigen Plan präsentieren?

a) Falls kein Plan B existiert, warum haben Sie es bisher unterlassen, einen Plan B zu entwickeln?

7. Haben Sie die Variante einer eigenen, sicheren Währungszone, zum Beispiel der Länder Österreich, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden von Experten prüfen lassen?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

c) Wenn ja, wurden bei dieser Prüfung bereits die neusten Entwicklungen in Italien einberechnet?

8. Warum legen Sie den endgültigen Vertragstext des EFSF nicht dem Nationalrat zur Beschlussfassung vor?

9. Halten Sie die von Ihrem Vorgänger eingeschlagene Vorgangsweise, Verpflich­tungen für die Republik Österreich in Milliardenhöhe wie im Fall des EFSF als privat­rechtlichen Vertrag – wie etwa beim Ankauf von Büromöbeln – einzugehen, für recht­lich vertretbar?

a) Falls ja, warum?

b) Falls nein, wie gedenken Sie in Hinkunft vorzugehen?

10. Welche konkreten Punkte haben bzw. werden Sie bei den Neuverhandlungen des ESM einbringen, um die Interessen der österreichischen Steuerzahler zu wahren?

11. Werden Sie und, wenn ja, wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem Spekulationsgeschäfte eingedämmt werden bzw. mit dem Hochrisikogeschäfte wie Leerverkäufe verboten werden?

a) Wenn nein, warum nicht?

12. Werden Sie und, wenn ja, wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem Spekulationen auf Lebensmittel und Rohstoffe verboten werden?


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a) Wenn nein, warum nicht?

13. Werden Sie und, wenn ja, wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem eine Steuer auf Finanzspekulationen erhoben wird?

a) Wenn nein, warum nicht?

14. Werden Sie und, wenn ja, wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem es Banken verboten wird, die Differenz zwischen Soll- und Haben-Zinsen über 5 % anwachsen zu lassen?

a) Wenn nein, warum nicht?

15. Werden Sie und, wenn ja, wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert wird, wie vom BZÖ vor längerem und von Ihnen vor kurzem gefordert?

a) Wenn nein, warum nicht?

16. Werden Sie und, wenn ja, wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem eine Steuerreform  in Richtung einer Flat Tax durchgeführt wird, wie vom BZÖ vor längerem und von Ihnen vor kurzem gefordert?

a) Wenn nein, warum nicht?

17. Sind Sie als österreichische Finanzministerin in die Verhandlungen der Niederlande mit anderen EU-Staaten betreffend die Abwicklung einer Insolvenz Griechenlands eingebunden?

a) Falls ja, wie ist der Stand der Verhandlungen?

b) Falls nein, worin sehen Sie die Gründe, dass Sie nicht eingebunden werden?

18. Welche finanziellen Auswirkungen sehen Sie für Österreich, wenn sich das Wachstum - wie vom IWF prognostiziert - tatsächlich halbiert

a) im Hinblick auf das Budget?

b) im Hinblick auf die Neuverschuldung?

c) im Hinblick auf die Gesamtverschuldung?

19. Welche finanziellen Folgen sehen die Berechnungen des Finanzministeriums für den Fall von Downratings weiterer Länder der Eurozone vor?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Klubobmann Bucher als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Die Frau Ministerin ist im Übrigen auch schon da.

Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. 20 Minuten Redezeit sind eingestellt. (Abg. Bucher begibt sich zum Rednerpult und platziert auf diesem eine orange Tafel mit der Aufschrift „Genug gezahlt!“.)

 


15.10.05

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was kann es Dringlicheres geben, als die größte Steuergeld­verschwen­


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dung der Zweiten Republik zu thematisieren und im Hohen Haus zu behandeln? (Bundesministerin Dr. Fekter steht neben der Regierungsbank und spricht mit den Volksanwältinnen Dr. Brinek und Mag. Stoisits. – Abg. Ing. Westenthaler: Da musst du ein bisschen warten, die müssen sich noch abbusseln und umarmen!) Ich begrüße auch ganz herzlich die Frau Finanzministerin, die gerade eingetroffen ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es sind ja derzeit sehr wenig Regierungsmitglieder in Österreich anwesend, weil sie sich ja in Übersee getroffen haben, um sich dort zu vergnügen. Aber umso wichtiger ist es, in Österreich die Hausaufgaben zu machen und uns auch darüber im Klaren zu sein – oder uns klar zu werden; einige sind sich ja schon im Klaren, andere hoffentlich am besten Wege dorthin –, welche Auswirkungen, welche fatalen Auswirkungen es haben kann, diesen Weg der Geldvernichtung, der Steuergeldverschwendung weiter fortzusetzen – was diese Bundesregierung vorhat, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Das BZÖ wird keine Gelegenheit, keine Möglichkeit auslassen, um bei allen Veran­staltungen, Diskussionen und Debatten darauf hinzuweisen, was hier gegenwärtig im Laufen ist und welcher Irrweg hier beschritten wird. Wir werden daher auch konsequent, im Interesse der Steuerzahler und im Interesse der Bürger unseres Lan­des, immer darauf hinweisen, dass es ein fataler Irrweg ist, der beschritten wird, was die weitere Unterstützung des Pleitelandes Griechenland und die darauf folgende permanente Erklärung eines Rettungsschirmes betrifft.

Das wird den Steuerzahler Unsummen kosten, Milliarden kosten, die uns in unserem Land fehlen. Wir diskutieren hier bei unzähligen Debatten und politischen Forderungen immer wieder über das Geld, das uns fehlt, um Maßnahmen zu setzen, die Investitionen und Finanzierungen ermöglichen sollen, und auf der anderen Seite gehen wir fahrlässig mit diesen Steuermilliarden um und betreiben eine Steuergeld­vernichtung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wollen wir vom BZÖ verhindern und unterbinden! (Beifall beim BZÖ.)

Seit über eineinhalb Jahren spreche ich davon, Frau Finanzministerin, dass Sie sich auf einem Irrweg befinden, dass Griechenland seit April 2010 pleite ist, dass Griechen­land nicht zu retten ist und dass jeder Cent und jeder Euro, der nach Griechenland fließt, verlorenes Geld ist, weil Griechenland nicht mehr zu retten ist. Vor eineinhalb Jahren waren wir noch die einzigen Rufer in der Wüste. Vor eineinhalb Jahren waren wir noch die Einzigen, die dieses Problem thematisiert haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Strache: Geh bitte! Ihr seid die Kopiermaschinen der freiheitlichen Ideen!)

Höre ich da etwas von der FPÖ? – Der Herr Strache, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat damals noch gesagt, am 1. Mai 2011wird der ganze Osten Österreich überschwemmen und uns die Arbeitsplätze wegnehmen. Wo ist denn heute der Arbeitslose, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Sie hier an die Wand gemalt haben? (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: 20 000! 25 000 in drei Monaten!)  Kein Einziger ist gekommen von den Leuten, die Sie da so großartig angekündigt haben! Das war Ihre Politik! Erst dann, als wir das thematisiert haben, haben Sie die Kopiermaschinen angeworfen und sind auf unseren politischen Kurs eingeschwenkt. Das ist die FPÖ-Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Da brauche ich mir von einem Zahntechniker nichts sagen zu lassen, der keinen einzigen Schritt in die Privatwirtschaft gewagt hat, sondern die meiste Zeit mit Paintball-Spielen irgendwo im Wald verbracht hat. (Beifall beim BZÖ.)

Heute gibt es unzählige Volksökonomen, die ebenfalls unsere Ansicht vertreten. Ich empfehle Ihnen, einmal auf die Homepage der „FAZ“ zu schauen. Da steigt stündlich die Anzahl der Ökonomen, die die Ansicht vertreten, dass Griechenland nicht mehr zu


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retten ist und es für Griechenland der einzige Weg ist, in eine eigene Währung zu gehen, um den Weg zur Selbstgesundung zu beschreiten.

In Österreich gibt es einen Maulkorberlass. Die österreichischen Wissenschaftler dürfen ja nicht sagen, was sie tatsächlich denken. Einige wenige, die vielleicht knapp vor der Pensionierung stehen, erlauben sich, eine eigene Meinung zu haben. Aber alle anderen, die im Sold einer roten oder schwarzen Organisation stehen, dürfen ihre eigene Meinung nicht vertreten. So weit sind wir in Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr zum Unterschied von der Bundesrepublik Deutschland, wo wir in den privaten Fernsehanstalten tagtäglich Diskussionen verfolgen können, kontroversielle Diskussionen über die Gesundung Griechenlands und die Rettung der Euro-Zone.

Im ORF ist das eine Seltenheit geworden. Jetzt, schön langsam, da der Damm bricht und einige wenige sich tatsächlich trauen, einmal über den Schatten zu springen, kommt allmählich eine Diskussion zustande, die wirklich kontroversielle politische Haltungen aufgreift.

Man muss sich ja vor Augen halten, um welche Dimension es dabei geht, um welche Höhen es dabei geht, welche Beträge das sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wird ja immer verheimlicht. 4,3 Milliarden € betragen allein die Kreditverpflichtungen, dazu kommen noch 21,6 Milliarden € an Haftungen. Das sind in Summe fast 26 Milliarden € an Zahlungsverpflichtungen! 26 Milliarden € an Zahlungs­verpflichtungen! Das muss man sich einmal vorstellen, was wir da für Beträge verschwenden und in den Rachen von Pleiteländern und maroden Banken werfen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Rufe beim BZÖ: Genug gezahlt!)

Daher sagen wir ja zu Recht: Genug gezahlt, kein Geld mehr für marode Banken und für die Pleiteländer (Beifall beim BZÖ), denn diese Schuldenlast ist in Zukunft nicht mehr zu bewältigen!

Allein durch diese Neuverschuldung, durch diese falsche Entscheidung, Griechenland zu helfen und diesen permanenten Rettungsschirm zu finanzieren, wird jeder Staats­bürger, zusätzlich zu den 30 000 €, die er heute schon an Schulden mit sich herum­trägt, mit 3 500 € belastet, meine sehr geehrten Damen und Herren. Zusätzlich belasten Sie mit Ihrer Politik, mit Ihren Entscheidungen hier im Hohen Haus jeden Steuerzahler mit 3 500 €, und das ist gegenüber den nächsten Generationen nicht zu verantworten, die keine Spielräume mehr für ihre eigenen politischen Vorstellungen, zur Umsetzung ihrer Ziele haben. Das ist verantwortungslose Politik, die wir bekämpfen wollen! (Beifall beim BZÖ.)

Der Gipfel ist das Konzept, diesen ESM, diesen Europäischen Stabilitätsmechanismus, einzurichten, einen permanenten Rettungsschirm. Das heißt, eine Zentralregierung zu installieren. Das heißt eine Vergemeinschaftung der Schuldenlast aller 17 Euro-Länder. Das heißt, dass auch Österreich die Schulden aller anderen Länder mit übernehmen wird. Das ist der ESM!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sie müssen sich einmal vergegenwärtigen, worum es dabei eigentlich geht: Dieser Europäische Stabilitätsmechanismus ist der Untergang Österreichs, und daher müssen wir diesen Weg in diese Transferunion verhindern! Es gibt keine andere Möglichkeit, die Souveränität Österreichs, die Eigen­ständigkeit Österreichs aufrechtzuerhalten, als dieses Konzept zu unterbinden und zu versuchen, es abzuwehren. (Beifall beim BZÖ.)

Und wir wollen das tun, meine sehr geehrten Damen und Herren, indem wir die Menschen in Form einer Volksbefragung mit einbinden. Sie haben die Möglichkeit gehabt, über den Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1994 abzustimmen, aber


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unter völlig anderen Vorzeichen, unter völlig anderen Prophezeiungen. Da ging es um den freien Kapital-, Waren- und Personenverkehr. Das hat man den Menschen damals schmackhaft gemacht. Ich sage auch dazu: Ich war damals für den Beitritt zur Europäischen Union, weil mir das insgesamt, vom Konzept her sehr gut gefallen hat. Aber viele sind in der Zwischenzeit, genauso wie ich, zu der Überzeugung gelangt, dass die Europäische Union mit ihren Institutionen einen Irrweg beschreitet, der uns, der Österreich in eine fatale Situation führt. Und diesen Irrweg müssen wir abbrechen. (Beifall beim BZÖ.)

Man hat damals von einer Chancengesellschaft, von Chancen Österreichs ge­sprochen – jetzt gehen wir in eine Schicksalsgemeinschaft, und die Europäische Union ist derzeit eine Krisengemeinschaft geworden, wo niemand weiß, in welche Richtung es tatsächlich gehen soll. Das spüren natürlich auch die Menschen, und daher sind auch die führenden Regierungspolitiker nicht willens, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Sie sind ja nicht einmal willens, die Menschen zu befragen. Daher wollen wir eine aktive Einbindung der Bevölkerung und sind überzeugt davon, dass es eine Volks­abstimmung geben muss, bevor man diesen permanenten Rettungsschirm einrichtet. (Beifall beim BZÖ.)

Wir werden auch in Zukunft davor warnen, dass dieser Irrweg beschritten wird, weil er für die Menschen und die nächsten Generationen unseres Landes eine enorme Bürde bedeutet.

Sie sagen heute, Frau Finanzministerin, wenn wir Griechenland nicht helfen, wenn wir die Euro-Rettung nicht weiter vollziehen, dann würde das Österreich 40 Milliarden € kosten. Ich erwarte mir von Ihnen, dass Sie uns heute im Rahmen der Beantwortung unserer Anfrage endlich einmal vorrechnen, wie Sie auf diese 40 Milliarden € an Kosten kommen, wenn wir Griechenland nicht weiter unterstützen, wo wir doch wissen, dass die Exporte nach Griechenland nur 500 Millionen € pro Jahr ausmachen. Das heißt, sollten wir keine 500 Millionen €-Geschäfte pro Jahr mit Griechenland mehr machen, dann gehen sich diese 40 Milliarden €, die Sie als Schaden für die Republik Österreich berechnet haben, nicht einmal in den nächsten hundert Jahren aus. Die Rechnung ist falsch, die Sie aufgestellt haben, Frau Finanzministerin.

Sie blenden auch die Bevölkerung, indem Sie falsche Argumente vorbringen, indem Sie sagen, wenn der Euro scheitert und die Griechenlandhilfe scheitert, dann führt das dazu, dass die Europäische Union insgesamt zerbricht. Das ist ein Unsinn, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das will ja auch hier in diesem Haus niemand! Aber das ist Regierungspropaganda, und das ist Angstmache auf unappetitlichste Art und Weise und daher abzulehnen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das darf doch nicht sozusagen von der Regierungsbank aus betrieben werden! (Beifall beim BZÖ.)

Die Falschinformationen, die wir von Ihnen erhalten, sind ja nicht mehr zu überbieten. In der letzten Anfrage, die wir an Sie gerichtet haben, am 15. Juni, haben Sie noch davon gesprochen, dass Griechenland einen Primärüberschuss erzielen wird. (Ironische Heiterkeit beim BZÖ.) Ja sagen Sie einmal, welche Zahlen hat man Ihnen denn vorgelegt, dass Sie zu diesem Befund gekommen sind? Griechenland ist heute nicht einmal in der Lage, die Defizitziele zu erreichen. Die Defizitgrenzen sind von Griechenland weit überschritten worden, die Wirtschaftsleistung geht nach unten.

Heute haben wir in den Zeitungen gelesen, dass in Griechenland 100 000 Beamte auf die Straße gesetzt werden, 100 000 Beamte entlassen werden. Was heißt das? – 100 000 Arbeitslose mehr in Zukunft! Die werden auf der Straße bleiben und für Wirbel, für Streiks sorgen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Darüber sollten auch Sie sich einmal Sorgen machen, Frau Fekter, und einsehen, dass das ein absolut


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verkehrter Weg ist, der auch Griechenland nicht gesunden kann, sondern Griechen­land noch weiter in die Tiefe zieht! (Beifall beim BZÖ.)

Es ist somit völlig illusorisch, dass diese Griechenland-Hilfe irgendwann einmal greifen wird. Ich frage mich, ob Sie einen Plan B vorbereitet haben, so wie ihn Ihr Kollege Schäuble in Deutschland schon vorbereitet hat, wie das die Niederlande gemacht haben, die Slowakei und auch Polen machen. Alle anderen bereiten sich darauf vor, dass Griechenland pleitegeht.

Haben Sie so etwas in Ihrem Finanzministerium durchgerechnet? Haben Sie sich jemals mit Ihren Beamten darüber beraten, welche Folgen das für Österreich hat? Und wenn ja, dann sagen Sie uns das heute!

Das Einzige, was Sie machen, sind Telekonferenzen, Sie treffen sich also nicht einmal mehr mit den Größen der Europäischen Union. Ich weiß nicht, welches Angstszenario Sie überfallen hat. Haben Sie Angst vor den Journalisten, Angst vor den Bürgern, oder ist es in Zukunft nicht einmal mehr notwendig zu telefonieren, wenn man die Milliarden abholt, sondern genügt es einfach, wenn man ein Fax oder ein E-Mail schickt? – Auf alle Fälle, meine sehr geehrten Damen und Herren, mündet dieser Wahnsinn geradezu in eine Katastrophe. Daher wollen wir diese dauerhafte Einrichtung des Europäischen Währungsfonds – im Grunde genommen soll es ja ein Währungsfonds sein – unterbin­den und verhindern. Der Beitrag Österreichs soll 20 Milliarden € ausmachen, ohne dass die Bevölkerung dabei ein Mitspracherecht hat. Ja, die Steuerzahler dürfen zahlen, aber sie dürfen ihre Meinung nicht äußern. Sie dürfen nicht bekunden, ob sie mit diesem politischen Weg, mit dieser Entscheidung auch einverstanden sind. Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, richten wir unseren Appell an die Grünen, die ja jetzt auch mit verhandeln und ihre Stimmen zur Verfügung stellen, damit die Bundesregierung diese fatale Entscheidung treffen kann. Wir richten an euch den Appell, mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung mit abstimmen kann. Und das können wir schaffen. Es gibt die entsprechenden Gesetze. (Beifall beim BZÖ.)

Sie bräuchten nur diesen EFSF- und ESM-Vertrag in ein Verfassungsgesetz zu kleiden, und dann könnten Sie, Rot, Schwarz und Grün, mit einer Zweidrittelmehrheit dieses Verfassungsgesetz im Hohen Haus beschließen. Anschließend könnten wir von der Opposition, BZÖ, FPÖ und Grüne, eine Volksabstimmung erwirken. Ein Drittel der Abgeordneten des Hohen Hauses kann eine Volksabstimmung erwirken, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist der Weg hin zu einer aktiven Mitentscheidung, zu einer aktiven Mitsprache der Bevölkerung. Jeder, der eine demokratische Gesinnung hat, muss diesen Weg unterstützen. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das sollten wir machen!)

Wir vom BZÖ wollen keinen Europäischen Stabilitätsmechanismus, weil er die Prob­leme nicht lösen wird, weil er die Probleme verschärft, weil er die Zukunft unserer Kinder und der nächsten Generationen verpfändet und weil er ein Freibrief zur Geldvernichtung ohne Kontrolle ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen Sie sich die Inhalte, schauen Sie sich den Vertrag des Europäischen Stabilitätsmecha­nismus an! Das ist ein absoluter Irrweg.

Was wir brauchen, ist eine geordnete Insolvenz für Griechenland. Griechenland soll sich mit einer eigenen Landeswährung gesunden können. Was wir innerhalb der Euro-Zone, die heute schon eine Euro-Zone der zwei Geschwindigkeiten ist, brauchen, sind zwei verschiedene Euros: einen Nord-Euro und einen Süd-Euro, damit wir auch die Unterschiedlichkeiten der Volkswirtschaften in den Griff bekommen. (Abg. Mag. Kogler: Kärnten-Euro!)


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Es gibt immer mehr Volkswirtschaftler und Ökonomen, die dieser Überzeugung sind; denn wir können es nicht zulassen, dass innerhalb der Europäischen Union plötzlich die Schnelleren auf die Langsamen warten sollen. Das wirft uns weiter zurück, das wirft die Europäische Union im Wettbewerb mit den anderen Kontinenten immer weiter zurück, und wir verlieren an Wettbewerbsfähigkeit und an Wohlstand. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das können wir der österreichischen Bevölkerung nicht antun und nicht zumuten! Dafür steht auch das BZÖ. (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, durch die Hintertür soll über diese Geset­zeswerke das zentralistische Europa entstehen, und das wollen die Menschen nicht. Die Menschen sind stolz auf unser Land, sie sind stolz auf das, was sie selbst geschaffen haben und wollen es auch erhalten. Sie können es auch erhalten, allerdings nur dann, wenn wir selbständig und souverän bleiben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, für diese Eigenständigkeit Österreichs kämpfen wir, dafür wollen wir Politik machen.

Daher, sehr geehrte Frau Finanzministerin, bereiten Sie einen Zahlungsstopp für Griechenland vor! Hören Sie auf mit den Überweisungen an die maroden Banken und Pleiteländer! Dann werden Sie auch unsere Zustimmung bekommen. (Beifall beim BZÖ.)

15.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Finanzen Dr. Fekter zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minu­ten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


15.28.36

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Frau Präsidentin! Hohes Haus! In den vergangenen Wochen hat sich die Lage auf den Finanzmärkten erneut zugespitzt, und das Thema Griechenland beherrscht die Medien. (Abg. Ing. Westenthaler: Na geh! Wirklich? Überraschung!) Dies zeigt, dass wir eine systemische Krise haben, welche wir nur dann bewältigen werden, wenn wir in der Euro-Zone zusammenstehen.

Wir haben zuerst eine Bankenkrise gehabt, die gemeinsam – gemeinsam! – in Europa gut bewältigt worden ist, und wir haben jetzt eine Schuldenkrise in der Euro-Zone. Daher müssen wir diese Schuldenkrise auch gemeinsam meistern. Jede Uneinigkeit in der Euro-Zone fördert die Spekulation und belastet über hohe Zinsen die öffentlichen Finanzen. Österreich ist ein Triple-A-Land, das heißt ein Land mit bester Bonität. (Rufe: Noch!) Und ich werde dafür kämpfen, dass das so bleibt, und den Weg konsistent fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Obwohl mittendrin in diesen instabilen Zeiten, haben wir die letzten Wochen gut überstanden, die österreichische Wirtschaftssituation ist gut. Ein Dankeschön von dieser Seite an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und an alle Unternehmer, die hier in Österreich das Wirtschaftsgefüge gut aufrechterhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Petzner: Lassen Sie die Menschen abstimmen!)

Unsere konsequente, klare Vorgangsweise hat auch dazu geführt, dass wir weiter als stabiles Land, als Triple A-Land bezeichnet werden. Unsere Staatsanleihen haben unverändert beste Bonität und sind als sicherer Hafen angesehen.

Das hilft uns aber nichts, wenn die Welt rund um uns instabil wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind nicht auf einer Insel der Seligen! Es wird nämlich unseren Export gefährden und unser Wachstum beeinträchtigen, wenn in und rund um uns die Instabilität zunimmt, denn aus jenen Ländern, um die es hier geht, kommen unsere Touristen her, dorthin exportieren wir unsere Produkte oder beziehen


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von dort günstig unsere Produkte. Daher haben wir, gemeinsam in diesem Markt, auch die Stabilität unserer Währung zu sichern. (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Petzner.)

Im Frühling 2011 haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen, das Volumen des Rettungsschirms auf effektive 440 Milliarden € anzuheben. Es sei Ihnen versichert, meine Damen und Herren: Wir geben keinen Cent leichtfertig aus. Es erfolgt in jedem Fall eine eingehende Einzelfallprüfung und eine lange Diskussion, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben Griechenland mit Liquidität durch ein Kreditprogramm geholfen, und gleichzeitig haben wir von den Griechen auch Reformen eingefordert. (Ruf: Deswegen war es ein Geschäft!) Es geht darum, dass Griechenland wieder auf Wachstumskurs gebracht und wettbewerbsfähig wird. Dies geht jedoch nur, wenn die Griechen selbst einen strikten Sparkurs einhalten und Strukturreformen einleiten. Dazu zählen Einspa­rungen bei den Ausgaben, Steuereintreibungen aufgrund der Steuergesetze, die sie schon haben, eine Privatisierungs- und Liberalisierungsoffensive sowie ein Wachs­tumspro­gramm, zum Beispiel durch Öffnen von Monopolen und Stimulieren derer, die wirtschaften wollen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist alles ein Geschäft! Wie viel haben Sie schon überwiesen?)

Zu diesem schmerzhaften Kurs bekennt sich Griechenland und hat bereits umfassende Beschlüsse gefasst. Ein Teil der Maßnahmen wirkt auch gut, aber wir kontrollieren genau, ob alle Auflagen eingehalten werden. Auszahlungen erfolgen daher nur dann, wenn wir vom Internationalen Währungsfonds, von der Zentralbank und der Kommis­sion, also dieser Troika, die Berichte bekommen, dass Griechenland auch nachhaltig wieder positive Zahlen schreiben wird, auch wenn das  zugegebenermaßen  etwas länger dauert.

Es ist in dieser Frage von höchster Bedeutung, mit Sachlichkeit und Verantwor­tungsbewusstsein an eine Lösung mit Blick nach vorn heranzugehen. Ich stehe daher nicht für Polemik oder Vorschläge zur Verfügung, die den österreichischen Steuer­zahler wesentlich mehr kosten als das Hilfsprogramm. (BZÖ-Abgeordnete halten Tafeln mit der Aufschrift „Genug gezahlt!“ in die Höhe.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, eine Sekunde! (Rufe beim BZÖ: Genug gezahlt!) Ich weiß, Sie warten darauf, dass ich Sie ersuche, Ihre Plakate wieder zu sich zu nehmen. Das mache ich hiermit. (Rufe beim BZÖ: Danke, Frau Lehrerin!)

Frau Bundesministerin, ich bitte Sie, fortzusetzen.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (fortsetzend): Hohes Haus! Nun zur Beantwortung der einzelnen Fragen.

Zur Frage 1:

Der Maastricht-Vertrag wurde einer Volksabstimmung unterzogen, welche eine Zustim­mung von zwei Dritteln der Bevölkerung erzielte. Der Euro-Rettungsschirm und das Kreditprogramm an Griechenland stehen im Einklang mit dem Maastricht-Vertrag. Es gibt keine unbegrenzten haushaltsrechtlichen Vorbelastungen, wie hier fälschlich behauptet wurde. Die Höhe der Haftungen ist gesetzlich legitimiert, und es obliegt dem Hohen Haus, diese Haftungsgesetze vorzubereiten. Eine darüber hinausgehende Beantwortung fällt nicht in den Vollzugsbereich der Finanzministerin.

Zur Frage 2:

Ich habe im Budgetausschuss am 13. September meine Überlegungen ausführlich dargestellt. Daraus ergibt sich, dass ein Bankrott Griechenlands einen größeren Scha­


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den nach sich zieht als die Fortsetzung der Hilfe, so wie von den Staats- und Regierungschefs am 21. Juli 2011 vereinbart. Insbesondere würden sofort Abschrei­bungen notwendig, verschiedene Maßnahmen im Rahmen des Hilfsprogrammes müssten ebenso umgesetzt werden. Das zusammenbrechende Bankensystem in Griechenland müsste gestützt werden. Die EZB mit ihren angekauften Anleihen müsste ein Sonderprogramm bekommen. Das heißt, die direkten Zahlungen sind erheblich, allerdings noch viel größer, wenn daraus das Zerbrechen der Euro-Zone resultiert.

Zur Frage 3:

Im Falle eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone gäbe es zunächst massive Vermögensverluste im zweistelligen Milliardenbereich. Realwirtschaftlich gesehen schwerwiegender ist aber die dann folgende Anpassungskrise in ganz Europa, welche zu einem massiven Rückgang des Handelsaustausches führen würde. Allein die Finanzkrise  (Zwischenruf des Abg. Petzner.)

 – Herr Petzner, das ist zu kurz gedacht, alleine die Finanzkrise von 2008 hat die Exporte um 24 Milliarden einbrechen lassen. (Abg. Bucher: 500 Millionen € pro Jahr! Das ist ein Unsinn! Wie rechnen Sie?) Streuen Sie doch der Bevölkerung nicht Sand in die Augen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Die Finanzkrise 2008 hat die Exporte um 24 Milliarden einbrechen lassen. Daher ist es plausibel, anzunehmen, dass mit einem Zerfall der Euro-Zone noch größere Einbußen verbunden wären, nämlich nicht nur in der Euro-Zone selbst, sondern selbstver­ständlich auch in der umliegenden Region, im Osten wie auch im Westen. Dies wird von Experten bis auf ein Niveau von 40 Milliarden geschätzt – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigung, auf die Binnennachfrage, auf den Wohlstand in unserem Land. Nach erfolgter Anpassung würde die österreichische Wachstumsrate wesentlich niedriger sein, unsere Steuereinnahmen würden sofort zurückgehen, und daraus würde sich auch eine wirklich negative Aussicht für unser Land, für unser Bruttoinlandsprodukt ergeben.

Die Arbeitsplätze, die geschaffen wurden, und der Vorteil, den wir aus der Euro-Zone ziehen, das ist ja von der Wissenschaft bewertet worden. Wenn also dieser Vorteil schlagartig wieder zerbricht – und das ist berechnet worden, beispielsweise von Prof. Breuss vom WIFO im Monatsbericht 2 aus dem Jahr 2010 –, dann würde das mehr als 40 Milliarden ausmachen.

Zur Frage 4:

An der Einschätzung hat sich grundsätzlich nichts geändert, aber die jüngeren Entwicklungen zeigen, dass der obere Wert wahrscheinlicher würde.

Zur Frage 5:

Die Entwicklungen in Italien haben mit jenen in Griechenland nichts zu tun, da Italien selbst eine Wirtschaftskraft besitzt. Italien muss, wie jedes andere Euro-Land, seine Hausaufgaben machen.

Zur Frage 6:

Wenn Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt, zeigen die Modelle, dass Griechen­land die Hilfsmittel zurückzahlen kann, zugegebenermaßen aber erst in Jahren. Ich gehe davon aus, dass sich die griechische Regierung der großen Verantwortung bewusst ist und die verbindlich vereinbarten Maßnahmen uneingeschränkt und rasch umsetzen wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 137

Meine sehr verehrten Damen und Herren, derzeit gibt es keine Rechtsregelung für Staatsinsolvenzen in der Währungsunion. Erst der Europäische Stabilitätsmechanis­mus, der auch hier im Hohen Haus – ich hoffe, mit der Zustimmung der Grünen – beschlossen wird, erst dieser Mechanismus sieht einige Regelungen vor, wie man mit Staatsinsolvenzen umgeht. Derzeit haben wir diesbezüglich keine Regel.

Zur Frage 7:

Der Maastricht-Vertrag sieht vor, dass alle Länder der Europäischen Union, ausge­nommen Großbritannien und Dänemark, das Ziel haben, der Währungsunion beizu­treten und eine gemeinsame Zone der Stabilität zu bilden.

Eine kleinere Währungsunion bringt ökonomisch weniger Vorteile als eine größere Währungsunion, da wettbewerbsmotivierte Währungsabwertungen für den Binnen­markt und die Beschäftigung schädlich sind.

Zur Frage 8:

Das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – es liegt ja bereits im Hohen Haus – wurde 2009 beschlossen und die Novelle diesem Hohen Haus schon zugeleitet. Dieses Gesetz enthält die Ermächtigung, dass sich die Bundesministerin für Finanzen an allen internationalen Hilfsmaßnahmen beteiligt, wenn entsprechende österreichische Inter­essen betroffen sind.

Das Gesetz geht also über Hilfe an Euro-Länder hinaus. Das Wichtigste ist dabei der Umstand, dass der Nationalrat die Haushaltssouveränität besitzt und daher den Rahmen für Darlehensvergaben und Haftungen genehmigen muss  wie bei vielen anderen Gesetzen auch. Durch quartalsmäßige Berichterstattung wird der Nationalrat über die Operationen am Laufenden gehalten.

Das EFSF-Abkommen, also dieser Schirm, ist ein privatrechtlicher Vertrag nach englischem Recht zwischen den Euro-Ländern. Die Gesellschaft selbst, die dahinter steht, ist nach luxemburgischem Recht eingerichtet. Wir haben dort einen Anteil in der Größenordnung, wie wir ihn auch bei der Europäischen Zentralbank haben.

Das Abkommen soll rasch abgeändert werden, um auf geänderte Marktbedingungen reagieren zu können. Das Abkommen als solches ist verfassungsgemäß nicht vom Nationalrat genehmigungspflichtig. Das Abkommen kann auf der Homepage des EFSF eingesehen werden und ist damit öffentlich. (Abg. Mag. Kogler: Ja, aber noch nicht die Veränderung!)

In Österreich wickelt zum Beispiel die Kontrollbank die Exportkredite ab, und diese Vorgangsweise ist international üblich. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Finanzen gestern die Parlamentsdirektion über die derzeit diskutierten Änderungen zum EFSF informiert. Die Parlamentsdirektion ist im Besitz der letzten Dokumente, und ich hoffe, Frau Präsidentin, dass das auch den Fraktionen und Klubs übermittelt wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wurde gestern schon zugeleitet, Frau Bun­desministerin! (Abg. Ing. Westenthaler: Das Einzige, was schnell geht bei der Parlamentsdirektion, sind Auslieferungsbegehren ...!)

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (fortsetzend):

Zur Frage 9:

Die Ermächtigung, Darlehen und Haftungen für den Euro-Rettungsschirm zu vergeben, ist im Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geregelt. Es handelt dabei die Bundesminis­terin für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler.


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Ab Mitte 2013 soll der Europäische Stabilitätsmechanismus die Hilfen abwickeln. Die­ser wird durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingerichtet. Dieser wird vom Nationalrat zu genehmigen sein.

Zur Frage 10:

Der ESM-Vertrag wurde bereits einmal fertig ausverhandelt. Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone haben am 21. Juli dieses Jahres Maßnahmen beschlossen, welche auch den bereits verhandelten Vertrag betreffen.

Meine Linie ist, die Änderungen auf das absolute Minimum der Beschlüsse vom 21. Juli zu begrenzen. Derzeit sind auch keine weiter darüber hinausgehenden Fragen in Diskussion.

Zur Frage 11:

Das Finanzministerium braucht keinen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem Speku­lationsgeschäfte eingedämmt beziehungsweise mit dem Hochrisikogeschäfte wie Leerverkäufe verboten werden, weil dies mit § 48d Abs. 12 Börsegesetz bereits Gegenstand der österreichischen Rechtsordnung ist und dieses Hohe Haus das bereits beschlossen hat – also brauchen wir das nicht noch einmal zu machen (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Ing. Westenthaler: Warum findet es dann statt? Warum gibt’s dann Leerverkäufe, Kollegen von der ÖVP? – Abg. Kopf: Warum gibt’s Diebstähle, obwohl sie verboten sind?) –, und zweitens wird ein derartiges Projekt, besonders Sonderregelungen für Short Sellings, Credit Default Swaps et cetera, auch auf EU-Ebene in Form einer Richtlinie verhandelt.

Zur Frage 12:

Ein Alleingang Österreichs wäre nicht sehr sinnvoll, weil es dadurch zu keiner Eindäm­mung, sondern nur zu einer Verlagerung von Spekulationen in andere Länder käme. Die Einführung einer solchen Steuer müsste EU-weit erfolgen. Entsprechende Kon­takte mit der Kommission hat es bereits gegeben. Kernpunkte einer solchen Steuer aus österreichischer Sicht sind dargelegt. Die Regierung unterstützt dies. Jegliche Initiative auf EU-Ebene in diesem Bereich wird von uns aktiv betrieben.

Zur Frage 13:

Durch die neue Besteuerung von Kapitalvermögen werden generell Substanzgewinne aus Wertpapieren und somit auch Substanzgewinne aus Finanzspekulationen erfasst. Darüber hinaus gibt es einen Vorschlag für eine EU-weite Finanztransaktionssteuer, der voraussichtlich am 5. Oktober im Kollegium der Kommissare beraten wird.

Die Bundesregierung hat sich bereits mehrfach für die Einführung einer Finanztrans­aktionssteuer ausgesprochen. Ich habe dies letztes Wochenende im Rahmen des informellen ECOFIN-Treffens in Polen nochmals eindringlich deponiert und begrüße daher die Initiative auf EU-Ebene.

Zur Frage 14:

Eine derartige Regelung stünde im Widerspruch zum verfassungsgesetzlich normierten Sachlichkeitsgebot. Zudem hat die Preisgestaltung der Kreditinstitute durch betriebs­wirtschaftlich veranlasste Überlegungen zu erfolgen.

Zur Frage 15:

Die Experten des Bundesministeriums für Finanzen finalisieren die legistischen Vorarbeiten. Mein Ziel ist es, dem Hohen Haus noch heuer eine entsprechende Regie­rungsvorlage vorzulegen.


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Zur Frage 16:

Ich bin für alle Vorschläge offen, um die besten Ideen für eine Strukturreform unter den Prämissen einfacher, weniger, leistungsgerechter, Familien entlastend und den ökolo­gischen Weg fortsetzend herauszufiltern. Es gibt keine Denkverbote. Wir werden uns mit allen Vorschlägen konkret befassen.

Zur Frage 17:

Es gibt einen gültigen Vertrag mit Griechenland, der Hilfszahlungen vorsieht, wenn die Auflagen, die Konditionen eingehalten werden. Es ist die Aufgabe des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Kommission diese Einhaltung der Auflagen zu prüfen. Wie Sie den Medien auch entnehmen konnten, geschieht dies kontinuierlich.

Allerdings haben Politiker einiger Länder verlauten lassen, dass sie eine Insolvenz nicht ausschließen. Dies ist aber keine offizielle Haltung irgendeines Euro-Landes, ganz im Gegenteil, es gibt derzeit sowohl auf EU-Ebene als auch auf Euro-Zonen-Ebene kein Procedere, keine Regeln oder Normen, die so eine Insolvenz abwickeln könnten. Der niederländische Finanzminister hat am Rande des informellen ECOFIN-Treffens letzte Woche das EFSF-Abkommen unterzeichnet.

Zur Frage 18:

In der neuesten Prognose des Internationalen Währungsfonds wird für Österreich mit einem realen Wachstum von 1,6 Prozent gerechnet, gleichzeitig aber das Wachstum für 2011 nach oben revidiert. Das WIFO hat in seiner Juniprognose ein reales Wachstum von 1,8 Prozent für nächstes Jahr angenommen, wobei beide Organi­sationen für 2012, also für das nächste Jahr, von sehr ähnlichen Niveaus der Wirt­schaftsaktivitäten ausgehen.

Es gibt also derzeit keinen Grund, nennenswerte Abweichungen von den Eckwerten, die wir in unserem BFRG und im Strategiebericht festgelegt haben, anzunehmen (Abg. Kickl: Das sind die Juni-Zahlen!) und apokalyptische Szenarien zu zeichnen.

Zur Frage 19:

Es gibt keine solchen Berechnungen. Es ist aber klar erkennbar, dass derzeit die Anleger sichere Häfen für ihre Anlagen suchen. Österreich ist so ein sicherer Hafen, und deshalb ist das Zinsniveau für österreichische Staatsanleihen mit 2,55 Prozent bei zehnjähriger Laufzeit derzeit erfreulich niedrig. (Abg. Kickl: Wir sollten einmal eine Kommission für Verwaltungsreform nach Griechenland schicken!) Das ist der Beweis dafür, dass wir gut durch die Krise gekommen sind und auch jetzt versuchen, Stabilität zu behalten und nicht Unruhe zu schüren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub kommt eine Gesamtrede­zeit von 25 Minuten zu.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 10 Minuten. – Bitte.

 


15.50.47

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! (Der Redner platziert eine orange Tafel mit der Aufschrift „Genug gezahlt!“ vor sich auf dem


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 140

Rednerpult.) „Wenn es ernst wird, dann muss man lügen.“ – Das hab ich mir jetzt gedacht. Das ist zitiert nach dem Chef der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker.

„Wenn es ernst wird, dann muss man lügen.“ – Wie ist es denn, Frau Bundesminister, mit Ihrem Primärüberschuss der Griechen, den Sie erwartet haben? Vor lauter „Primärüberschuss“ beschließt die griechische Regierung derzeit, Zigtausende Beamte auf die Straße zu stellen. Vor lauter „Primärüberschuss“, den Sie uns prognostiziert haben! Sie haben noch so getan, als ob das ein Geschäft wäre! Ihr Vorgänger hat es sogar ausdrücklich als Geschäft bezeichnet, als in diesem Haus das erste Mal über das Hilfspaket für die Griechen debattiert wurde. Ausdrücklich!

Sie haben es in den Medien ein Geschäft genannt! (Bundesministerin Dr. Fekter: Nein, das hab ich nie gesagt! – Zwischenrufe bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Da gibt’s aber ein Protokoll!) Ah, jetzt haben Sie es nicht mehr gesagt? Okay. Gut: Wenn es ernst wird, dann muss man lügen. – Jetzt ist es ernst, Frau Minister! (Abg. Ing. Schultes: Stadler, so ernst ist es noch nicht! Du brauchst noch nicht lügen!) – Aha, ein ganz Gescheiter aus der Raiffeisen-Fraktion: Es ist überhaupt noch nicht ernst, es ist alles noch lustig! (Abg. Ing. Westenthaler: „... lustig! Alles noch gar nicht so ernst“!)

Bitte, das ist die Wirtschaftspartei ÖVP! Die findet das alles noch gar nicht ernst! Ich bin froh, dass das im Stenographischen Protokoll drinnen ist. Aus der ÖVP-Fraktion: Es ist ja noch gar nicht ernst! – Wenn man der Frau Bundesminister zugehört hat, dann glaubt man, das ist das Echo ihrer eigenen Fraktion. Ein Geschäft soll das alles sein! (Ruf bei der ÖVP: Zur Sache!)

Wenn also das alles ein Geschäft ist, warum denken dann die Niederländer über eine Staatsinsolvenz nach? – Weil das ja so „großartig“ läuft! Warum entwickelt dann der Bundesfinanzminister der Bundesrepublik Deutschland Schäuble, der ja nicht wirklich einer der Dümmsten ist, bereits einen Plan B? Warum, wenn das alles so großartig ist? Warum sagen die Finnen, sie sind nicht mehr bereit, irgendeinen Euro zu geben oder eine Haftung zu übernehmen, wenn man ihnen nicht Sicherheiten gibt, wenn das so ein großartiges Geschäft ist? Warum sagen dann die Slowaken, dass sie nicht mehr mitmachen? Und die Tschechen sagen, wir wollen den Euro überhaupt gar nicht mehr einführen! Warum ist dann das alles so, wenn das so ein großartiges Geschäft ist?

Meine Damen und Herren von der Koalition und insbesondere Sie, Frau Bun­desminister! Nichts von dem, was Sie prognostiziert haben, oder auch Sie, Herr „Professor“ Krainer (Abg. Ing. Westenthaler: Der darf heute eh nicht reden!), oder auch der „Universitätsprofessor“ Matznetter, ist eingetreten. – Der Herr „Professor“ Krainer darf heute nicht einmal reden, das ist eh bemerkenswert. Nach seiner Ankün­digung eines Untersuchungsausschusses hat er Redeverbot bekommen. (Heiterkeit des Abg. Petzner.)

Nach dem, was Sie uns alles gesagt haben, müssten wir uns heute hier in ganz anderer Weise mit Griechenland auseinandersetzen, nämlich darüber, wie wir die Gewinne verteilen, die aus Griechenland kommen! – Nichts davon, was Sie in den letzten eineinhalb Jahren angekündigt haben, ist eingetreten, sondern es ist immer genau das Gegenteil eingetreten. Die Situation ist immer schwieriger geworden, ist immer unausgeglichener geworden. Sie ist immer katastrophaler geworden. Und das, was man jetzt den Griechen aufs Auge drückt, ist dort die Vorbereitung eines Bürgerkrieges, meine Damen und Herren! So schaut‘s aus!

Und das soll alles der „Primärüberschuss“ der Griechen sein, den Sie uns versprochen haben, Frau Bundesminister? Warum sagen Sie nichts dazu, zu Ihren eigenen gescheiterten Ankündigungen? Sie haben hier ja nicht irgendeine Kasperlveranstaltung vor sich, sondern das ist das Parlament! Das hat eine Budgethoheit! Eine Budgethoheit


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haben wir! (Abg. Mag. Kogler: Sag einmal, wie ihr das lösen wollt!) – Ja, auf euch Grüne kommt nämlich jetzt eine Schlüsselposition zu. (Abg. Mag. Kogler: Ja, bitte, es muss jetzt einmal vorwärtsgehen!)

Also nichts von diesen Prognosen ist eingetreten! Wir haben derzeit, wenn man die Kreditverpflichtungen, die wir in Aussicht genommen haben, und die Haftungen, die wir in Aussicht genommen haben, zusammenzählt, mit etwa 26 Milliarden zu rechnen – ohne Zinsen! Ohne Zinsen – ich betone das; das heißt also, der tatsächlich schlagend werdende Betrag wird noch höher. (Abg. Mag. Kogler: Das sagen wir schon seit eineinhalb Jahren!)

Und jetzt kommt man mit dem ESM daher. Der ESM, dieser ständige, permanente Rettungsschirm, der ist so „großartig“, dass wir nicht einmal kontrollieren dürfen! Nicht dass Sie glauben, dass ich jetzt nicht die Letztfassung habe; ich hoffe, dass die Zeitung „Die Presse“ die Letztfassung hat. Ich zitiere aus der „Presse“:

Es „ist keine parlamentarische Kontrolle“ dieses ESM „vorgesehen“. „Seine Tätigkeit ist nicht öffentlich und nicht transparent. Eine Prüfung durch den EU-Rechnungshof ist nicht vorgesehen.“ (Abg. Ing. Westenthaler: Wahnsinn!)

Nicht einmal die Prüfung durch den Rechnungshof, meine Damen und Herren! Das heißt, der Bürger darf nur zahlen, aber prüfen darf er nichts, weil es die bedin­gungslose Kapitulation der Finanzminister vor den Märkten ist! Meine Damen und Herren, Sie haben längst das Heft aus der Hand gegeben! Tun Sie nicht so, als ob Sie noch etwas zu entscheiden hätten! Sie haben mitgemacht, und jetzt hängen Sie mit drinnen und müssen mit zum Handkuss kommen. (Beifall beim BZÖ.) Und das alles mit dem Steuerzahlergeld der Österreicherinnen und Österreicher.

Ich weiß ja, wenn man mit Ihren Leuten redet, dann ist eigentlich jedem vom Frühjahr auf den Spätsommer, auf den Herbst zunehmend immer unwohler geworden. (Abg. Bucher: Ja!) Mir wäre auch unwohler, mir ist von vornherein unwohl gewesen. Ich darf Ihnen nur sagen, dass bereits in der Debatte im April der Kollege Bucher wörtlich gesagt hat, Griechenland kann nur gesunden, wenn es aus der Eurozone ausscheidet. (Abg. Mag. Kogler: Mai! – Aber ist wurscht!) Nein, am 27. April haben wir das schon ausgesendet, nachweislich! (Abg. Mag. Kogler: „Ausgesendet“! – Abg. Strache: Und wir bereits im Februar 2009!) Auch noch einmal gesagt in der Debatte, auch wieder gesagt in der Debatte! Wir haben immer gesagt, zwei unterschiedliche Geschwindig­keiten: ein Kern-Euro und ein entsprechender Süd-Euro. Wissen Sie, was? Es war damals ... (Abg. Strache: Wir bereits im Februar 2009!) – Ja, die „Blaupausen-Fraktion“ hat immer alles schon vorher gewusst! (Abg. Strache: Da habt ihr geschlafen!) Wir wissen nur, dass ihr alles abgekupfert habt. Ihr lasst bei uns denken! Aber das halten wir schon aus. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, der Punkt ist ein anderer. Es geht nicht um die Frei­heitlichen. Der Punkt ist, dass Sie von den Regierungsparteien lauter Fehleinschät­zungen hatten, diese Fehleinschätzungen heute zu einem enormen Risiko für die österreichischen Steuerzahler geworden sind, weil wir jetzt mit drin hängen, und dass dieser falsche Weg weiter beschritten wird. Und am Schluss – das prognostiziere ich Ihnen – wird die Krise trotzdem nicht abwendbar sein.

Mittlerweile sagt jeder auf europäischer Ebene hinter vorgehaltener Hand: Wir wissen, dass die Griechenpleite unabwendbar geworden ist. – Weil sie unfinanzierbar ist, meine Damen und Herren. Sie ist unfinanzierbar! Das gibt ja manch einer, der bei euch in den eigenen Reihen noch aus seiner eigenen Tätigkeit in der Bundesregierung eine Ahnung hat, offen zu! Und trotzdem beschreiten Sie diesen Weg weiter, ziehen öster­reichische Steuerzahler weiter, tiefer mit hinein, legen weiterhin österreichisches Steuergeld auf den Tisch, und damit kommt der Österreicher stärker zum Handkuss.


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Und nun kommt die zentrale Frage: Wie werden Sie diesen ESM durchs Parlament bringen? – Meine Damen und Herren von den Grünen, jetzt sind Sie angesprochen. Ihnen kommt jetzt die Schlüsselrolle zu! (Abg. Mag. Kogler: Weil ihr den Löffel vorher schon abgegeben habt!) Herr Kollege Kogler, jetzt genau aufpassen! Jetzt kommt es nämlich sehr darauf an, wie Sie sich verhalten werden. Das werden wir jetzt genau anschauen! Das wird jetzt die grüne Nagelprobe. (Abg. Mag. Kogler: So ist es!)

Denn, meine Damen und Herren: Die Freiheitlichen haben schon gesagt, sie stimmen dem ESM nicht zu. Wir haben auch gesagt, wir stimmen nicht zu. (Abg. Mag. Kogler: Ihr wisst ja noch nicht einmal, wie er ausschaut!) Das heißt, nur mit euren Stimmen ist die Zweidrittelmehrheit erzielbar. Wen ihr also bereit seid, dafür zu sorgen, dass die Regierung eine entsprechende B-VG-Novelle vorlegen muss, ... (Abg. Mag. Kogler: Sie haben bis jetzt noch keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie es geht! Tragen Sie einmal einen Vorschlag vor!) Oh ja, den habe ich gemacht, und den trage ich Ihnen gleich vor, Herr Kollege Kogler – Ohren spitzen, genau zuhören! –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Mag. Ewald Stadler, Mag. Rainer Widmann, Kolle­ginnen und Kollegen

(Abg. Mag. Kogler: Damit können wir kein Geld drucken!)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird insbesondere in Hinblick auf die drohenden finanziellen Auswirkungen der EU-Finanzhilfen auf die österreichische Staatsverschuldung und damit auf den Wohlstand Österreichs aufgefordert, dem Nationalrat

die Änderungen des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes in Form eines Verfas­sungs­gesetzes zuzuleiten,

im Zuge der Ratifizierungsverfahren betreffend die Änderung des Artikels 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union

sowie des Staatsvertrages über den Vertrag zur Einrichtung des europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)

von der Möglichkeit der Vorlage von Ermächtigungsverfassungsgesetzen Gebrauch zu machen, um so Volksabstimmungen gemäß Artikel 44 Abs. 3 B-VG aufgrund von Teiländerungen der Bundesverfassung zu ermöglichen.“

*****

Das können wir drei Oppositionsfraktionen dann verlangen, zwingend! (Abg. Mag. Kogler: Dazu muss man ja ein Verfassungsgesetz konstruieren, das überhaupt keines ist! – Was sollen wir noch alles machen?)

So, jetzt hängt es also an den Grünen, wir sind jetzt also bei der grünen Nagelprobe: Wenn ihr jetzt dieser Regierung eure Zustimmung hergebt, als Räuberleiter, damit sie den ESM beschließen kann, ohne dass sie das Volk fragt, dann seid ihr dafür verantwortlich! Da geht es um die Zukunft der nächsten Generationen, nicht um irgendeine kleine Geschichte. Hier geht es darum, ob die Zukunft der österreichischen Hochschulen – euch so ein großartiges Anliegen – verspielt wird oder nicht. Hier geht es darum, ob dieses Land sich in eine Verschuldung hineinziehen lässt durch eine Regierung, die sich in Wirklichkeit auf EU-Ebene nicht zu wehren weiß – oder ob wir


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dazu das österreichische Bundesvolk fragen. Und ich könnte mir heute schon vor­stellen, was das österreichische Bundesvolk davon hält.

An euch Grünen liegt es jetzt, der Ball ist jetzt bei euch! Wir haben klipp und klar gesagt, wir gehen da nicht mit. Die Blauen haben auch gesagt, sie gehen nicht mit. Jetzt liegt es an den Grünen! Wenn also ihr verlangt, dass eines dieser drei oder alle drei Gesetze mit einem Verfassungsgesetz hier ins Haus kommen müssen (Abg. Mag. Kogler: Da muss zuerst einmal ein Verfassungsgesetz her! Setzt es durch!), dann haben wir die Möglichkeit auszusuchen, bei welchem Gesetz wir eine Volksab­stimmung durchführen.

Dann schaue ich mir an, was die Bevölkerung von den großartigen Geschäftsideen von Frau Fekter und ihres Vorgängers, den man bei Raiffeisen versorgt hat, hält, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Geh bitte!) Dann schaue ich mir an, ob nicht Frau Fekter auch schon über ihre Versorgung bei Raiffeisen nachdenkt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) – Ich weiß, Kollege Kogler, jetzt bist du geschockt, jetzt siehst du zum ersten Mal, dass du in die Verantwortung genommen wirst. Jetzt sind die Grünen zum ersten Mal in der vollen Verantwortung in Bezug auf die Frage, ob das österreichische Bundesvolk mit einbezogen wird oder nicht. Es liegt jetzt an euch, und wir schauen uns ganz genau an, wie ihr diese grüne Nagelprobe bestehen werdet. Und dann schaue ich mir an, wie ihr euch das nächste Mal hier herstellt und euch erklärt, wenn ihr wieder scheitert.

Auch Kollege Van der Bellen hat mit seinen Prognosen bisher nicht recht gehabt. (Abg. Mag. Kogler: Wieso?) Er ist hierher ans Rednerpult gekommen und hat gemeint, das wird jetzt notwendig sein, man kann die Griechen nicht hängen lassen. Sie werden das jetzt auf die Reihe bringen, und es wird möglich sein, das Geld wieder zurück­zubekommen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist ein Blödsinn!) – Nein, nein, ganz am Anfang hast du sogar noch unseren Vorschlag – wortwörtlich nachzulesen – hinsichtlich eines Ausscheidens der Griechen aus der Eurozone als Blödsinn abgetan. (Abg. Mag. Kogler: Das ist ja etwas anderes! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Ah ja, also doch!

Das heißt, wir schauen uns jetzt ganz genau an, was die Grünen daraus machen. Ihr werdet mit dieser Frage eine Nagelprobe zu liefern haben, und ich bin schon gespannt, wie ihr die besteht. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das war eine schlechte Rede!)

16.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort gemeldet.

Bevor er das Wort ergreift, teile ich noch mit, dass der soeben eingebrachte Ent­schließungsantrag des Herrn Abgeordneten Stadler ordnungsgemäß vorliegt und damit mit in Beratung genommen wird.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Mag. Ewald Stadler, Mag. Rainer Widmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung jetzt! Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten!

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Josef Bucher, Mag. Ewald Stadler, Ing. Peter Westenthaler, Ernest Windholz, Stefan Petzner Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Genug


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gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! Volksabstimmung jetzt! in der Sitzung des Nationalrates am 21. September 2011

Die in Zusammenhang mit der Eurokrise täglich neu bekannt werdenden Zahlen und Fakten legen eindeutig klar, dass die Geldflüsse für Pleitestaaten deren dramatische Situation nicht verbessern.

Umso unverständlicher ist es daher, dass man nunmehr weitere Geldflüsse und Haftungen durch Beschlussfassung des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes ermög­licht und darüber hinaus mit einer Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie der Beschlussfassung eines permanenten Rettungsschirms (ESM) die Europäische Union endgültig in eine Transferunion umwandelt und Geldlieferungen der leistungsfähigen Mitgliedstaaten an Pleitestaaten perpetuiert. In diesem Sinne haben die Staats- und Regierungschefs eine Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union beschlossen, mit der Art. 136 wie folgt ergänzt wird:

„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmecha­nismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengem Auflagen unterliegen.“

Nach Ansicht des BZÖ darf eine derartig weitreichende Entscheidung, die nicht zuletzt zu einer enormen, unwiderufbaren und letztlich unbegrenzten Vorbelastung zukünftiger Generationen führen wird, nicht ohne direkte Einbindung der Bevölkerung erfolgen.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese Bundesregierung Generationennachhaltigkeit zur obersten Prämisse der Regierungsarbeit erhoben hat!

Die Möglichkeit zur Einbindung der Bevölkerung besteht: Es ist möglich, sobald die Bundesregierung entsprechende Verfassungsgesetze vorlegt, wie dies im Übrigen anlässlich der Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrages Österreichs gemacht wurde.

Dann wäre die Durchführung von Volksabstimmungen gem. Art. 44 Abs. 3 B-VG auf Verlangen eines Drittels der Nationalratsabgeordneten - sprich aller drei Oppo­sitionsparteien - möglich.

Aus diesem Grund fordern wir daher die Bundesregierung auf, sich Volksabstim­mungen nicht zu verschließen und solche zu ermöglichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird insbesondere in Hinblick auf die drohenden finanziellen Auswirkungen der EU-Finanzhilfen auf die österreichische Staatsverschuldung und damit auf den Wohlstand Österreichs aufgefordert, dem Nationalrat

die Änderungen des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes in Form eines Verfas­sungs­gesetzes zuzuleiten,

im Zuge der Ratifizierungsverfahren betreffend die Änderung des Art. 136 des Vertra­ges über die Arbeitsweise der Europäischen Union

sowie des Staatsvertrages über den Vertrag zur Einrichtung des europäischen Stabili­täts­mechanismus (ESM)


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von der Möglichkeit der Vorlage von Ermächtigungsverfassungsgesetzen Gebrauch zu machen, um so Volksabstimmungen gemäß Art. 44 Abs. 3 B-VG aufgrund von Teilän­derungen der Bundesverfassung zu ermöglichen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Matznetter. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.02.00

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Den Wahrheitsgehalt der Ausführungen meines Vorredners kann man sofort überprüfen: Er hat gesagt, ich werde nicht sprechen. – Ich war schon, bevor er das gesagt hat, auf der Rednerliste eingetragen. (Rufe beim BZÖ: Krainer! Krainer spricht nicht! „Professor“ Krainer!)

Mich interessiert etwas anderes, das viel interessanter ist. Wieso seid ihr – und das sage ich bewusst – mit dem per Du? Er sagt immer „euch“ und „du“ in dieser Frage. Das erstaunt mich sehr. Ich bleibe im Verhältnis zum Grad der schnarrenden Stimme lieber beim Sie und komme zum Punkt „Genug gezahlt!“. (Abg. Mag. Stadler: Sie können einer ... Rede überhaupt nicht folgen!) Dieses Thema, auf Taferlklassenniveau hier aufgezeigt, kann ja wohl nicht mit dem heutigen Thema in Verbindung gebracht werden, denn da geht es um Haftungen. Aber „Genug gezahlt!“ wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Kolleginnen und Kollegen von der BZÖ (Rufe beim BZÖ: Dem BZÖ! Dem BZÖ, Sie Grammatikgenie!), früher anzubringen ... (Neuerliche anhaltende Zwischenrufe beim BZÖ.) – Der „Bienenzüchterverein Österreichs“, à la Ewald Stadler. Bravo, gratuliere zur Eigenfeststellung.

Dieses Taferl hätten Sie hochhalten müssen, bevor Hubsi Gorbach eine Verordnung erlassen hat, um dann Geld von der Telekom zu bekommen. Sie hätten es hochhalten müssen, bevor unter seiner Ägide 613 Millionen zur Deutschen Bank geflossen sind und Hunderte Millionen verloren waren. Sie hätten es hochhalten müssen, bevor Herr Scheibner unterschrieben hat, obwohl er gesagt hat, keine Eurofighter. Am nächsten Tag war der Vertrag da. (Beifall bei der SPÖ.) Damals hätten Sie es hochhalten müssen, dann wären Hunderte Millionen im Besitz der Steuerzahler. Aber nein, heute stellen Sie sich hierher und sagen: Genug gezahlt! – So viel zur Ernsthaftigkeit dieser Truppe.

Aber jetzt zum Kernthema, vor dem wir heute stehen. Natürlich gibt es ein fundamen­tales Interesse daran, dass Griechenland lieber heute als morgen pleitegeht. Für die Herren Roubini und Ackermann, und wie sie noch alle heißen, gilt nicht die Rechnung der Frau Bundesministerin, dass sie daraus Schaden erleiden würden. Für sie gilt das genaue Gegenteil, denn sie haben in zweistelliger Milliardenhöhe sogenannte CDS erworben und warten auf den Tag, an dem dieser Status eintritt. Dann bekommen sie nämlich aus dem Umstand der Pleite Griechenlands die Milliarden zugeschoben. (Abg. Bucher: Und Sie retten sie! Sie retten die Banken!) Sie finden auch immer nützliche ... – dieses Wort darf ich nicht sagen –, die das dann noch vertreten, weil sie glauben, das kommt gut bei der Bevölkerung an. (Beifall bei der SPÖ.)

Reden wir aber lieber über das Ernsthafte! Es geht nicht allein um Griechenland. Das wäre noch unser geringstes Problem. Ich meine jetzt aber nicht diese einfachen Rechner wie etwa Herrn Petzner, die glauben, dass der direkte Export nach Griechenland unsere einzige Handelsverflechtung wäre, die nicht verstanden haben, dass jeder Dieselmotor aus Steyr in einem Auto, das in Griechenland verkauft wird, in


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der Statistik Deutschlands aufscheint. Aber jetzt volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären, das gebe ich auf, die müsste man im Solarium einspielen.

Kern der Frage ist: Was passiert, wenn Griechenland fällt? – Das erinnert daran, wie Herr Paulson schon im Frühjahr angekündigt hat, eine Bank müssen sie pleitegehen lassen, sonst sind alle Banken sicher, dass sie gerettet werden. Und die Amerikaner haben das durchexerziert. Sie haben jene Bank genommen, die die geringste inneramerikanische Verflechtung hat. Sie haben keine zu große Bank genommen, sie haben Lehman Brothers genommen. Die Administration beschäftigt eine Reihe von Experten, und die waren so was von schockiert, als sie gesehen haben, was passiert.

Angesichts der heutigen Verflechtung der Finanzmärkte war nicht Lehman das Prob­lem. Lehman hatte eine Eigenkapitalbasis, die heute Basel III bestehen würde. Lehman war nicht konkursfähig wegen Überschuldung, überhaupt nicht, die Bank war hoch profitabel. In dem Moment, in dem die Illiquidität eintritt, wird eine Reihe von Garantien schlagend, sodass in der nächsten Sekunde nach Lehman die größte Versicherungs­gesellschaft der Welt vor der Pleite gestanden ist, weil sie die Versicherungen auf jene Papiere gemacht hat, die gediced und gesliced und paketiert und als ABS und CDOs verkauft worden sind.

Wie schaut es mit Griechenland aus? Wer glaubt denn, dass das auf Griechenland allein beschränkt ist? – In Asien haben wir es im Jahr 1998 erlebt, in einem Land nach dem anderen; der thailändische Baht, der koreanische Won, dann der Ringgit. Und natürlich, in dem Moment, in dem es in einem Land gelingt, zieht die Karawane weiter und plündert das nächste.

Seien Sie sich gewiss, meine Damen und Herren, dort, wo es Milliarden zu holen gibt, wird die Finanzwirtschaft sie sich holen, und glauben Sie nicht, dass das nur Portugal und Spanien treffen wird!

Im Frühjahr 2009 – und diejenigen, die die Verantwortung getragen haben, wissen, was das geheißen hat – haben wir es gemerkt. Innerhalb von Tagen waren unsere Spreads oben. Die Situation war riskanter als jetzt in Griechenland. Es war die Europäische Union, die damals nach der Rede Sepp Prölls sofort 50 Milliarden € zur Verfügung gestellt hat. So wurde Österreich gerettet.

Seien wir froh, dass die anderen europäischen Länder nicht von Politikern geleitet werden, wie Sie welche sind, dann wären nämlich wir in der Bredouille gewesen! Ich hoffe für unser Land, dass das auch nie mehr geschehen wird. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort. Ich stelle die Uhr auf gewünschte 6 Minuten. – Bitte.

 


16.07.23

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist keine Frage, dass sich Europa und vor allem die Eurozone in einer wirklich ernsten Situation befinden. Erst unlängst – ich glaube, es war gestern – hat die „Financial Times Deutschland“ davon gesprochen, dass die Eurozone auf einen Höhepunkt der Staatsschuldenkrise hintreibt. Die neue Chefin des Währungsfonds, Christine Lagarde, frühere Finanzministerin Frankreichs, hat vorgestern in einem Interview den Bogen noch viel weiter gezogen und gemeint, die ganze Weltwirtschaft triftet in eine gefährliche Phase. – Vor dieser Situation stehen wir, daher würde ich mir eigentlich erwarten, dass niemand versucht, aus dieser Situation politisches Kleingeld zu wechseln. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich spreche niemanden im Einzelnen an. Jeder, der sich angesprochen fühlt, soll sich angesprochen fühlen, Herr Kollege Strache, weil Sie mich so anschauen. (Abg. Strache: Sie sich selbst!) Sie fühlen sich offenbar angesprochen. (Abg. Strache: Sie sich selbst!) Okay, Sie fühlen sich angesprochen. (Abg. Strache: Sie sind die, die den Schaden verdoppeln und verdreifachen!)

Bleiben wir bei den Fakten! – Herr Kollege Bucher, seit März gab es kaum eine Sitzung des Plenums, in der Sie nicht das Gleiche gesagt haben: „Genug gezahlt!“ Für die Griechen habt ihr Geld, für uns habt ihr kein Geld! (Abg. Strache: Das ist auch richtig!) – Diesen Populismus haben wir jedes Mal gehört. Ich würde mir aber erwarten, dass es in solch einer ernsten Situation eher zu einem nationalen Schulterschluss kommt, dass wir zusammenhalten. In diesem Sinne appelliere ich an Sie. (Abg. Strache: Welche Solidarität leben Sie? Die mit den Tätern, oder was?)

Herr Kollege Strache, auch Sie haben es natürlich relativ leicht, Sie haben es aus zwei Gründen relativ leicht. Erstens – ich habe das schon einmal gesagt –: Sie haben es deshalb leicht, weil – und das ist ein Mangel – die Europäische Union keine kluge Kommunikationsstrategie hat. Ich habe erst vorgestern bei der Sitzung der Finanz­ausschussobleute in Warschau gesagt, die Europäische Union hat keine Kommuni­kationsstrategie, um den Menschen zu erklären, was da eigentlich vorgeht. (Abg. Kickl: Das hat sie mit der ÖVP gemeinsam!) Daher haben die Populisten vielleicht den Vorteil, mit einfachen Sprüchen am Stammtisch zunächst einmal ein paar Punkte zu kassieren. (Abg. Kickl: Die ersten Populisten sind die, die das alles schönreden!)

Das Zweite ist, dass sich jeder leichttut, der keine Verantwortung trägt. Kollege Matznetter hat es gesagt. Wer von Ihnen, die heute so klug sind, hätte vorausgesagt, dass die Pleite von Lehman Brothers eine globale Finanzkrise auslöst?

Wenn man jetzt so leichthin sagt, Griechenland soll aus der Euro-Zone austreten, soll pleitegehen (Abg. Strache: 2 Prozent des europäischen BIP!), dann gilt das, was Andreas Koller in den „Salzburger Nachrichten“ unlängst geschrieben hat: Das ist politisches Roulette, meine Damen und Herren! Und dafür stehen wir nicht zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.)

Niemand, Herr Kollege Strache, kann exakt voraussagen, wie groß ein Flächenbrand ist, niemand kann die Dominoeffekte voraussagen. Aber alle Experten in Europa, Nationalökonomen, regierungsnahe Experten, Wissenschaftler, Wirtschaftsforscher, berechnen derzeit nur eines – und das ist auch für uns der Maßstab –: Was ist für unsere Steuerzahler die am wenigsten schmerzhafte Variante? (Abg. Bucher: „Das ist ein Geschäft!“) – Herr Kollege Bucher! Ich habe hier vom Rednerpult aus wiederholt gesagt, jeder Kredit ist Chance und Risiko zugleich. Ein Kredit bietet die Chance, durch die Zinsen einen Gewinn zu erzielen, birgt aber das Risiko, dass er nicht zurückbezahlt wird. Das ist bei jedem Kredit so, das ist nicht nur bei Griechenland so. Jeder Kredit bedeutet Chance und Risiko zugleich. Also hören Sie auf mit dieser Polemik, dass irgendjemand gesagt hätte, dass das ein Riesengeschäft sei! (Abg. Bucher: Du hast selbst applaudiert!)

Meine Damen und Herren, das einzige Kriterium für uns, die wir Verantwortung tragen, ist – noch einmal –: Es muss für den Steuerzahler die am wenigsten schmerzhafte Lösung sein. Und alle Szenarien, die wir bis jetzt haben, weisen darauf hin, dass es keinen sanften Ausstieg aus dem Euro gibt. Einen solchen gibt es nicht, meine Damen und Herren! Alle Experten sagen das. Die Dominoeffekte und der Flächenbrand, die ausgelöst würden, würden, glaube ich, ein Vielfaches der globalen Finanzkrise ausmachen. Lehman Brothers allein hat eine globale Finanzkrise ausgelöst. – Da glauben Sie, ein Austritt, ein Zerfall der Eurozone sei so mir nichts dir nichts zu bewältigen?!


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Frau Finanzministerin, ich bin sehr froh, dass Sie davon gesprochen haben, dass in dieser ganzen dramatischen Situation Österreich ein sicherer Hafen ist. Dass wir für unsere Anleihen, Zehn-Jahres-Anleihen nur 2,55 Prozent Zinsen bezahlen, ist ein Signal dafür, dass wir in der Tat ein sicherer Hafen sind. Ich bin überzeugt, Frau Finanzministerin, dass durch Ihr Agieren auf europäischer Ebene, durch das Agieren dieser Bundesregierung Österreich bei all diesem Chaos, das sich abzeichnet, ein sicherer Hafen für die Anleger bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

16.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Klubobmann Strache ist nun zu Wort gemeldet. Ich stelle die Uhr auf 10 Minuten. – Bitte.

 


16.12.20

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht eingangs ein paar Worte dazu, was Herr Klubobmann Bucher vom BZÖ, der jetzt leider nicht anwesend ist, gesagt hat. – Herr Bucher, machen Sie sich ruhig lustig über jene arbeitslosen Österreicher, die natürlich davon betroffen sind, dass wir durch die Öffnung des osteuropäischen Arbeitsmarktes einen weiteren Verdrängungsprozess erleben. Das Bundesministerium für Arbeit bestätigt bereits mit den aktuell veröffentlichten Zahlen, dass wir seit der Öffnung der Ost­grenzen rund 30 000 osteuropäische Arbeiter zusätzlich in Österreich haben. Ohne die Saisonniers dazuzurechnen, bedeutet das in einer Hochrechnung, dass im ersten Jahr 70 000 osteuropäische Arbeitskräfte auf unseren Arbeitsmarkt drängen und damit Österreicher in die Arbeitslosigkeit drängen werden und dass dieser Prozess natürlich ein sich fortsetzender werden wird, der sich eher zuspitzen statt entschärfen wird. (Beifall bei der FPÖ.) Machen Sie sich nur darüber lustig! Die Österreicher, die davon betroffen sind, werden dafür kein Verständnis haben.

Herr Bucher, Sie haben sich heute hier hergestellt und gemeint, dass Sie privat­wirtschaftlich die Weisheit mit dem Löffel gefressen hätten. – Also ich habe überhaupt kein Problem damit und mache mich auch mit Sicherheit nicht lustig darüber, dass Ihre Eltern einen erfolgreichen Gastbetrieb führen, dass Sie dort auch immer wieder mithelfen und Ihren Eltern zum Teil zur Seite stehen und auch Teil dieses Familienbetriebes sind, aber ich habe als Unternehmer einen Betrieb selbst aufgebaut und erfolgreich geführt. Ich habe im Gegensatz zu Ihnen privatwirtschaftlich viel mehr Erfolg eigenständig erwirtschaftet und nichts von meinen Eltern übernommen. – Das möchte ich nur klarstellen, weil Sie das heute in den Raum gestellt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Zum anderen möchte ich auch die eigenartige Kopiermaschinerie, die das BZÖ anwirft, ansprechen. Es ist Faktum, dass die Freiheitliche Partei bereits im Februar 2009 das, was Sie uns dann zeitverzögert im April 2010 nachgemacht haben – also schon 14 Monate vor Ihnen, weil wir es rechtzeitig und richtig analysiert haben –, eingefordert hat, nämlich sehr wohl rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und Griechenland aus der Eurozone zu entlassen, weil man so den Schaden hätte minimieren können. Aufgrund der Vorgangsweisen von roter und schwarzer Seite wird der Schaden heute nicht minimiert und begrenzt, sondern Sie potenzieren ihn. Das ist das Grundproblem, das wir haben. Sie erhöhen den Schaden, potenzieren ihn. Was wir heute erleben, ist das ökonomische und politische Desaster eines Brüsseler Zentralismus, der gelebt und von Ihnen unterstützt wird. Diese Eurofanatiker, so wie sie heute tätig sind in dieser Frage, kommen mir manchmal so vor wie damals das DDR-Regime, das letztlich auch in den Politbüros gesessen ist und versucht hat, die marxistischen Hirngespinste festzuhalten, weil sie noch immer nicht kapiert hatten, welche Entwicklung sich abspielte, obwohl die


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Menschen schon längst damit begonnen hatten, die Mauer einzureißen und in Rich­tung Westen aufzubrechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau solch ein Prozess findet heute in der Europäischen Union statt, der letztlich dramatisch ist. Wenn man das Ruder nicht herumreißt, dann wird diese zentralistische Europäische Union ein ähnliches Schicksal erleben wie der real existierende Sozia­lismus. Darüber müssen wir offen reden. Das hat nichts mit Populismus zu tun, son­dern das hat mit Wahrheit zu tun, Herr Stummvoll! Die größten Populisten, die von Beginn an von „Geschäft“ gesprochen haben, sind bei Ihnen zu Hause.

Erinnern wir uns an Ihren ehemaligen Finanzminister Josef Pröll, der schon bei der Portugal- und Irland-Krise und bei den damaligen Haftungen, die wir übernommen haben, von „Geschäft“ gesprochen hat; das natürlich auch weiter fortgesetzt in Richtung Griechenland! Denken wir an jene, die den Eindruck vermitteln, wenn Griechenland pleitegeht – was es ja schon ist –, dann soll das uns Österreicher angeb­lich 40 Milliarden € kosten! Angesichts dessen frage ich mich, wo die Populisten wirklich sind. Ist das in Wirklichkeit nicht der Versuch, zu vermitteln: Wenn wir nicht geholfen hätten, dann hätte uns das 40 Milliarden gekostet, so sind es vielleicht nur 25 Milliarden!?

Das ist Unsinn! Die österreichische Wirtschaft hat in Griechenland 4 Milliarden € investiert, und wir haben bereits jetzt 6,3 Milliarden € an Cash-Kapital österreichischer Steuergelder überwiesen – in Wirklichkeit aber nicht nach Griechenland, sondern in Richtung Banken und Bankspekulanten, die die Täter sind, mit denen Sie Solidarität leben. Das ist unser österreichisches Steuergeld! (Beifall bei der FPÖ.) 6,3 Milliarden € in Cash weggezahlt, weitere 15 Milliarden an Haftungen übernommen. Das ist das, wofür die österreichischen Steuerzahler dank Ihnen geradestehen sollen, weil Sie keine Solidarität mit den Bürgern, nämlich den Opfern leben, sondern mit den Tätern, den Bankspekulanten. Das ist der Irrsinn!

Ich sage, wir brauchen jeden Steuercent in Österreich. Wir haben massive Probleme. Wir stehen vor massiven Problemen in unterschiedlichsten Bereichen. Wir brauchen jeden Cent, um in die Bildung zu investieren, in unseren Arbeitsmarkt zu investieren, in unsere Familien zu investieren, für die Sie permanent Kürzungen vorsehen, bis hin zum Pflege- und Gesundheitsbereich. (Beifall bei der FPÖ.) – Und Sie stellen sich hierher und versuchen, den Österreichern zu erklären, dass das irgendwie dienlich wäre, was Sie tun?! Das ist doch nicht dienlich, sondern das Gegenteil davon.

Ich bin froh, dass immer mehr in Europa aufwachen und dass jetzt auch der slowakische Parlamentspräsident Richard Sulik dem mutig entgegentritt. Er hat sich mit mir getroffen und klar festgehalten, gemeinsam mit uns eine Allianz bilden zu wollen gegen den EFSF und gegen den ESM – nicht SMS, wie Herr Bucher gesagt hat, sondern ESM –, der in Wirklichkeit zu verhindern sein muss. Wir wollen nicht enteignet werden.

Genau das ist Ihre Politik, die Sie leben. Die Menschen werden es sich nicht länger gefallen lassen, auf der einen Seite für einen zentralistischen Moloch ausgeplündert zu werden, auf der anderen Seite permanent von Ihnen hören zu müssen, wir leben Solidarität mit den Bankspekulanten und Tätern, die das angerichtet haben. – Ja, denen stehen Sie zur Seite. Die Banken gehören zur Rechenschaft gezogen! Es gehört eine Bankenkonkursordnung her. Die Banken hätten von Beginn an 50 Prozent des Ausfalls übernehmen müssen. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn sie es nicht geschafft hätten, hätten wir die Banken verstaatlichen müssen. Das wäre ein ehrlicher Weg gewesen.

Von Beginn an hätte man Griechenland gegenüber natürlich auch eine Teilent­schuldung ermöglichen müssen, es aber auch – wie wir im Februar 2009 als einzige


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österreichische Partei von Beginn an gefordert haben – aus der Eurozone entlassen sollen, weil es niemals die Kriterien erfüllt hat und weil das auch die einzige Chance für die Griechen, für die griechische Bevölkerung wäre. Nur dann bestünde die Chance für die Griechen, selbst abzuwerten. Die Wirtschaft könnte sich wieder fangen, und die Griechen hätten eine Chance, die Schulden irgendwann einmal zurückzuzahlen. Mit diesem Mechanismus, den Sie begleiten, ist genau das Gegenteil der Fall. Am Ende bleiben die Griechen auf der Strecke, aber auch Resteuropa, wenn vielleicht der Euro zugrunde geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind die Entwicklungen, denen wir gegenüberstehen und vor denen wir auch warnen. Die Freiheitliche Partei hat von Beginn an nachgefragt: Wo ist denn das Versprechen des Herrn Bundeskanzlers Werner Faymann? Er hat gesagt, wenn solche drastischen Entwicklungen und Veränderungen im EU-Vertrag eintreten, dann findet eine Volksabstimmung statt. Das hat er in einem Brief gegenüber der „Kronen Zeitung“ schriftlich versprochen. – Wo ist er denn, der Herr Faymann? Er ist jetzt als der große „Inserator“ beim amerikanischen „Governator“. Er nimmt als „Inserator“ einen Fototermin mit dem ehemaligen „Governator“ in Kalifornien wahr. Dort ist er jetzt.

Aber wo ist er mit seinem Versprechen einer Volksabstimmung? – Das ist umzusetzen. Wir erleben eine Entwicklung entgegen den aufrechten EU-Verträgen. Die Europäische Union bricht seit Jahren konsequent ihre eigenen Verträge. Diese hätte man von Beginn an einhalten müssen. Aber Sie spielen ja bei diesen Vertragsbrüchen mit. Man müsste ja nur fordern, endlich die Verträge einzuhalten und sie nicht permanent zu brechen. Aber genau da sind Sie Mittäter, wenn es darum geht, die Verträge zu brechen, und auch Mittäter, indem Sie nicht einmal zulassen wollen, dass unsere eigene Bevölkerung darüber abstimmen kann, wie die weitere Zukunft und Entwicklung zu gestalten ist.

Genau da werden wir gegenhalten. Es geht darum, unserer eigenen Bevölkerung verantwortlich zu sein. Unsere Steuergelder haben für unsere Landsleute eingesetzt zu werden und nicht 25 Milliarden € oder mehr mit Haftungen übernehmen, die am Ende fehlen, womit Sie die Zukunft unserer kommenden Generationen verspielen. Das ist ja nicht nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit könnten wir heute in so vielen Bereichen unsere sozialen Probleme auffangen, unsere Bildungsprobleme auffangen. Die Uni-Milliarde, über die wir heute diskutiert haben, ist ja da auch drinnen. Die Uni-Milliarde, die Sie jetzt nicht für die Studenten haben, haben Sie bei den Bankenspekulanten abgegeben und in der Ägäis versenkt. Sprechen wir doch die Wahrheit an! Und das ist die Wahrheit. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb ist im Grunde genommen genau das Gegenteil von dem eingetreten, was wir immer wieder hören: Naja, nur mit der ersten Hilfe können wir dafür Sorge tragen, dass das kein Flächenbrand wird, dass das nicht auf andere Länder der Europäischen Union ausgeweitet wird.

Wir hören doch permanent, tagtäglich erleben wir, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Nach Portugal, Irland, Griechenland stehen jetzt Italien und Spanien vor der Tür. Der Prozess geht weiter. Das ist quasi ein großes Pyramidenspiel, das Sie hier spielen – ein Pyramidenspiel, da ja jedem einfachen Bürger bewusst sein muss, dass man jemandem, der pleite ist, kein gesundes und gutes Geld nachwerfen kann. Welchem Privatbürger, der sich nichts mehr leisten kann, würden Sie heute noch einmal, obwohl er schon 200 000 € Schulden hat und sie nicht zurückzahlen kann, 200 000 € zahlen, damit er vielleicht die ersten Schulden bedienen kann?

Das ist ja widersinnig, das versteht ja jeder Normalbürger. Da braucht man nicht Wirtschaft zu studieren. Das kann nicht funktionieren und das wird uns in weitere dramatische Situationen führen. Und genau das ist unverantwortlich, meine sehr


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geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Kogler: Aber organi­sieren müssen sie die Pleite!)

Natürlich Sie von den Grünen, die wieder hereinrufen, machen den Katzenbuckel. Sie machen den Katzenbuckel. Sie machen den Steigbügelhalter für genau solche Ent­wick­lungen. Und es ist nur eine Frage des Preises, bis Sie zustimmen und die Zweidrittelmehrheit ermöglichen werden. Dann wird man wieder fragen: Was war die Leistung? – So wie beim Herrn Van der Bellen, der letztlich auch für 220 000 € im Jahr als Uni-Berater tätig ist, aber in Wirklichkeit weiß keiner, was er tut. (Ruf bei der ÖVP: Wahnsinn!)

Das sind genau Ihre Verhaltensmuster, und genau damit rechnen wir. Ja, damit rechnen wir und müssen wir leider Gottes rechnen. (Abg. Mag. Kogler: Sie machen ja keinen Vorschlag!) Aber das ist mit Sicherheit nicht der Weg, den sich die Österreicher erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.23.11

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Danke, Frau Präsidentin! – Ich gehe jetzt einmal ganz bewusst auf niedrigen Blutdruck (Heiterkeit) und versuche, die fünf Schritte zu schildern, zu skizzieren, die in nächster und baldiger Zeit zu erledigen sein würden, wenn wir an Europa, wenn wir an der Europäischen Union weiterhin Interesse haben – und das habe ich.

Schritt eins: Wir müssen zwischen den insolventen und den illiquiden Staaten unterscheiden. Und diese Unterscheidung ist mir auch heute noch nicht unterge­kommen. Unserer Überzeugung nach, meiner Überzeugung nach ist das einzige Land der Europäischen Union, das insolvent ist und nicht illiquid, also insolvent ist, Griechen­land. Und dieser Überzeugung bin ich nicht erst seit gestern, wie hier verschiedentlich behauptet wurde, sondern von Anfang an, das heißt seit Ausbruch der Krise zu Jahresbeginn 2010.

Was ist der Unterschied? – Im Falle eines insolventen Landes brauchen wir ein gere­geltes Ausgleichsverfahren, so ähnlich wie es für Unternehmen gilt. Da setzt sich auch die Bank mit der Firma zusammen und sagt: Ist sie grundsätzlich lebensfähig? Ja oder nein? Besser, als dass wir alles verlieren, verzichten wir lieber auf einen Teil der Gläubigerforderungen. Und wenn hinreichend viele Gläubiger zustimmen, ist eben die Ausgleichsquote 40, 50, 60 Prozent. Im Prinzip ist es dasselbe bei Griechenland, nur haben wir dieses geregelte Ausgleichsverfahren noch nicht. Darauf ist schon hinge­wiesen worden. Wir, die Europäer, die Europäische Union, haben aber auch andert­halb Jahre in diesem Zusammenhang versäumt. Wir könnten es schon haben.

Artikel 12 im künftigen ESM-Vertrag, so wie er derzeit formuliert ist, ist eine Art rudimentäres Ausgleichsverfahren, Frau Ministerin Fekter, aber wir bezweifeln sehr, dass das ausreichen wird. Es ist im Falle Griechenlands auch nicht nur eine Frage des Budgets allein, sondern Griechenland hat offensichtlich derart tiefgehende strukturelle Probleme zu bewältigen, dass uns diese Fragen noch Jahre beschäftigen werden.

Österreich, wenn ich nicht irre, hat seit Kaiserin Maria Theresia einen Grundstücks­kataster. Griechenland hat das bis heute nicht. Das heißt zum Beispiel für einen ausländischen Investor, der irgendwo eine Fabrik hinstellen will, er möchte schon gerne sichergehen, dass der Grund und Boden, den er in Griechenland kauft, ihm künftig auch gehören wird. Das sind ganz triviale Behinderungen der Entwicklung Griechenlands.


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Oder: Die Europäische Kommission ist durchaus bereit, bei den Strukturfonds Griechenland jetzt bevorzugt unter die Arme zu greifen, aber die administrativen Strukturen – so hat es uns die Kommission gestern und vorgestern überzeugend dargestellt, als der Grüne Klub in Brüssel war – in Griechenland sind einfach nicht so, dass die Griechen diese Milliarden überhaupt sinnvoll verwalten können. Also das sind sehr tiefgehende Probleme.

Was ich damit nicht meine, ausdrücklich nicht meine, ist der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Das halte ich für eine Schnapsidee – aus verschiedenen Gründen. Ich halte es überhaupt für eine Schnapsidee, jetzt zu propagieren, dass die Welt genesen wird, wenn wir einen Nord-Euro und einen Süd-Euro und einen West-Euro und einen Ost-Euro und einen Kärntner Euro und einen burgenländischen Euro haben werden. Wenn das Ihr Rezept ist, wenn dies das Rezept einer ehemals selbst­definierten Wirtschaftspartei ist, dann sage ich nur: Gute Nacht! (Abg. Petzner: Haben Sie nicht richtig zugehört? – Abg. Dr. Graf: Das hat keiner gesagt!) Schauen Sie sich einmal an, was das bedeuten würde!

Griechenland ist insolvent und sollte einen entsprechenden Schuldenschnitt erhalten. Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten. Ich sage das auch ganz realistisch. Das heißt selbstverständlich im zweiten Schritt, dass wir ein Auge darauf haben müssen: Welche Banken sind wie davon betroffen? Das bleibt uns nicht erspart.

Und wir werden wieder die gleiche Debatte haben wie 2008, aber diesmal hoffentlich auf einer guten Informationsbasis. Welche Banken sind dort gefährdet? Welche französischen Banken haben welche Anteile an griechischen Banken, die natürlich die gefährdetsten in dieser Situation sind? Wie gehen wir mit den griechischen Anleihen um, die in der Europäischen Zentralbank geparkt sind? Und, und, und. Das sind alles wichtige Fragen, sollen uns aber nicht davon abhalten, realistisch zu sagen: Jawohl, Griechenland ist insolvent. Ziehen wir die Konsequenz daraus! Aber, noch einmal: Griechenland bleibt Mitglied der Eurozone.

Drittens: Wachstum. Solange das Wachstum in Griechenland, aber auch anderswo nicht anzieht, ist die Verschuldungskrise nicht zu bewältigen. Das hängt ganz schlicht mit dem Verhältnis zwischen den nominellen Zinsen und den nominellen Wachs­tumsraten zusammen. Hier haben wir ein Problem ersten Ranges. In Griechenland sieht man es nur besonders deutlich.

Das heißt, wir in Österreich und in den anderen EU-Ländern müssten sagen: Budget­konsolidierung ja, ist richtig und wichtig, aber innerhalb des Budgets, innerhalb der Ausgabenstruktur, innerhalb der Steuerstruktur müssen wir jede Möglichkeit nutzen, das wirtschaftliche Wachstum zu befördern. Sonst kommen wir aus dieser Misere nicht heraus.

Und derzeit ist die ganze Union zu sehr fixiert auf die Frage Defizitreduktion, austerity, austerity, austerity. Das allein, meine Damen und Herren, wird uns nicht weiterbringen. (Beifall bei den Grünen.)

Viertens: Wir brauchen für die Zeit – für die Zeit danach, hätte ich fast gesagt –, 2012 spätestens brauchen wir eine Art Feuerwall gegen spekulative Entwicklungen, wie wir sie in Griechenland gesehen haben. Wir müssen uns doch darüber im Klaren sein, dass jedes kleine Land in der Union, im Falle des Falles auch Österreich, hier Ent­wicklungen ausgesetzt ist, die es allein nicht beherrschen kann, sondern die Finanz­märkte imstande sind, selbsterfüllende Prophezeiungen zu erzeugen. Mir fehlt jetzt hier die Zeit, darauf einzugehen.

Aber das ist für mich eines der wichtigsten Argumente, für die Einführung sogenannter Eurobonds zu plädieren, die einen Markt schaffen würden, der dem amerikanischen an


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Größe, an Liquidität nahekommt. Und das schaue ich mir an, welcher Finanzspekulant gegen den US-Dollar spekuliert. Es gäbe theoretisch Argumente, aus dem Dollar auszusteigen, aber es ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was in Griechenland, Italien, Spanien und so weiter passiert ist. Also Eurobonds unter bestimmten restrik­tiven Bedingungen, so wie Juncker und Tremonti sie schon vor einem Jahr skizziert haben.

Fünftens – und das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt –: Wir müssen bei all diesen Mechanismen, die wir jetzt mehr oder weniger improvisiert aus dem Boden stampfen, von der sogenannten – furchtbares Wort – intergouvernementalen Methode abgehen. Es ist auf die Dauer unerträglich, dass die Regierungen untereinander etwas aus­machen, seien es die Regierungschefs oder die ECOFIN-Leute, sie dann da herkom­men und sagen: Nickt das bitte ab! – Das ist unerträglich!

Das fängt bei den Informationen an. Ich will mich gar nicht darüber verbreitern, wie lächerlich es ist zu sagen, den EFSF-Vertrag – so hieß er nämlich ursprünglich –, den EFSF-Vertrag braucht ihr nicht zu haben, denn das ist ja nur ein privatrechtlicher Vertrag. Dieses Argument ist einfach lächerlich! Wir haben uns den Vertrag schon vor längerer Zeit von der Homepage des deutschen Finanzministeriums geholt, aber das kann ja nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Zweitens: die Informationsrechte und Mitbestimmungsrechte der nationalen Parla­mente und des Europäischen Parlaments. Da werden wir es sehen: Karlsruhe hat ja jetzt etwas hinsichtlich des EFSF-Vertrages und der Mitbestimmung des deutschen Haushaltsausschusses beschlossen. Auch wir hier müssen uns überlegen, was im EFSF beziehungsweise später im ESM die Rolle dieses Hauses sein wird – sei es des Finanzausschusses, sei es des Hauptausschusses oder eines neu zu gründenden Ausschusses.

Also es geht darum, neue Checks and Balances innerhalb des Gefüges der Euro­päischen Union zu entwickeln, die die Abgeordneten dieses Hauses oder auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht degradieren, so wie es derzeit, muss man schon sagen, der Fall ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin überzeugt davon, dass die Europäische Union aus dieser Krise herauskommen kann, wenn sie den Bürgern endlich die Wahrheit sagt. Es hat keinen Sinn, noch so herumzutun, als ob alles Wonne und Grießschmarren wäre. Ich will jetzt nicht all die Fehlprognosen und Fehlanzeigen, die es in den letzten anderthalb Jahren gegeben hat, aufrollen. Ist alles geschenkt.

Ich bin allerdings der Meinung, dass der ESM alles andere als der Untergang Österreichs ist, wie hier behauptet wurde. Ich halte es geradezu für einen skrupellosen Versuch, Panik zu erzeugen, Herr Kollege Bucher. (Abg. Bucher: Panik erzeugt die Regierung!) Das ist einer sogenannten Wirtschaftspartei absolut – absolut! – unwürdig! Ganz im Gegenteil: Ich halte den ESM für den Kern, den Nukleus eines künftigen Europäischen Währungsfonds, für einen Hilfsmechanismus für illiquide Staaten, nicht für insolvente Staaten. Das ist ein wesentlicher Unterschied, den wir uns vor Augen halten müssen.

Und ich bin weiterhin der Ansicht, dass der neue EFSF-Vertrag gegenüber dem alten wesentliche Verbesserungen bringt, wie zum Beispiel die Möglichkeit der Intervention auf Sekundärmärkten, wie zum Beispiel die Möglichkeit der Rekapitalisierung von Banken, die demnächst ansteht, die wichtig ist und schnell erfolgen soll.

Das sind beides wichtige Punkte, die die Europäische Zentralbank entlasten, wobei die EZB Aufgaben wahrgenommen hat, für die sie eigentlich nicht zuständig war. Aber ich muss sagen: Gott sei Dank hat sie dennoch diese Aufgaben wahrgenommen als


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einzige funktionsfähige Institution innerhalb der Union, denkt man sich manchmal, und dafür sollte sie nicht kritisiert werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Ing. Westen­thaler zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.33.49

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Professor Van der Bellen, in vielem, was Sie sagen, haben Sie durchaus recht. Manchmal wundert man sich aber trotzdem.

Punkt eins: Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen der Insolvenz und der Illiquidität, aber das regt den Österreicher, der für beides zahlen muss, nicht sehr auf. Gezahlt muss werden, und wir sagen deshalb: Genug gezahlt! Egal, ob illiquid oder ob insolvent. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Kogler: Jetzt haben Sie es wirklich wieder nicht verstanden!)

Zum Zweiten, Herr Professor Van der Bellen, wundert mich auch aufgrund der Herkunft Ihrer ganzen Bewegung – und da hat Kollege Stadler schon recht, es wird die Nagelprobe für euch werden, wie ihr euch da verhaltet – jetzt plötzlich dieses Abfeiern dieses neuen Vertrages. Und das von einer Partei, die immer für Kontrolle und Trans­parenz und Offenheit (Abg. Mag. Stadler: Direkte Demokratie!), für direkte Demokratie eintritt.

Heute konnte man in der „Presse“ lesen, was dieser Vertrag bedeutet. Zitat: „Wahr daran“ – nämlich an diesem Vertrag – „ist, dass hier eine mächtige EU-Institution geschaffen wird, für die weder öffentliche Transparenz noch parlamentarische Kon­trolle vorgesehen ist.“

Herr Van der Bellen! Das feiern Sie hier ab, von einer Partei, die immer öffentlich für solche Dinge eintritt?! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Weiters ist dort zu lesen: „Seine Tätigkeit ist nicht öffentlich und nicht transparent.“

Und: „Offenbar wollte man jede öffentliche, politische Diskussion über das Wirken des ESM verhindern.“ 

Herr Professor Van der Bellen! Das verstehe ich nicht. Genauso wenig wie ich ver­stehe, dass Ihre Fraktion hier der Regierung, was den Rettungsschirm und die Milliardenzahlungen anlangt, die Räuberleiter – und es ist eine Räuberleiter – macht, ohne die Bevölkerung mit einzubeziehen, ohne die Bevölkerung zu fragen.

Herr Kollege Van der Bellen, Kogler, Glawischnig – heute leider nicht da –: Ihr seid eine Bewegung, die von sich aus behauptet, aus Bürgerinitiativen entsprungen zu sein, aus einer direkt demokratischen Initiative. Ihr behauptet, ihr habt das Ohr so am Wähler. Ja, warum fahrt ihr dann drüber über die Wähler und stimmt hier zu mit Rot und Schwarz, ihr grünen Verräter? – Das ist die Wahrheit: Ihr verratet eure Wähler! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Und genau das Gleiche passiert ja in allen anderen Ländern. Die Grünen, die alt­backenen Grünen haben doch schon längst ausgedient. Und dann entstehen so Entwicklungen wie in Berlin. In Berlin war es genau das Gleiche. Da hat sich die Frau Vorsitzende der Grünen schon als Oberbürgermeisterin gefühlt mit über 30 Prozent. Und was ist passiert? – Irgendeine windige Piratenpartei von links hat den Grünen das Wasser abgekocht, weil ihr eine Altpartei geworden seid. Ihr seid eine Altpartei, die Rot und Schwarz nur mehr die Mauer macht. Das ist die Wahrheit! – So viel zu den Grünen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)


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Die ganzen Prognostiker, die da sitzen, die Prognostiker von Rot und Schwarz – was ist mit denen? Die Roten sind eh schon verschwunden. Matznetter hat den Saal bereits verlassen. – Ah, dort oben steht er! Er hat uns seit Wochen und Monaten hier Dinge erzählt, wovon dann genau das Gegenteil eintritt. Er darf aber schon noch reden. Beim Krainer haben Sie schon die Konsequenz gezogen, den haben Sie schon von der Rednerliste gestrichen, weil er immer verunfallt hier am Rednerpult. Deswegen haben Sie ihn von der Rednerliste genommen, damit das nicht immer passiert. Aber die ganzen Prognosen sind nicht eingetreten.

Wo sind denn die Geschäfte, Frau Ministerin Fekter? Wo ist denn das große Geschäft, das wir jetzt mit Griechenland machen? Ja, glauben Sie wirklich im Ernst, dass wir noch immer – zum heutigen Zeitpunkt – auch nur einen Cent zurückbekommen? Von einem Land, das jetzt den Weg gehen will, 100 000 Menschen über Nacht auf die Straße zu setzen, wo Chaos, Anarchie, ja Bürgerkrieg bereits vorprogrammiert sind? Von diesem Land wollen Sie noch einen Cent zurückbekommen? – Ich glaube, da liegen Sie völlig falsch.

Aber das sind die Heilslehren der Europäischen Union, denen man sich letztlich duckmäuserisch unterwerfen muss. Und das tun Sie, anstatt sich hier herzustellen und zu sagen: Aus! Stopp! Nicht mehr weiter! Wir beenden diese Zahlungen! Genug gezahlt! Der österreichische Steuerzahler darf nicht mehr bluten! – Das ist Ihre Aufgabe, Frau Finanzministerin! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und das sagen Ihnen unterschiedlichste Parteien, wir vom BZÖ schon seit 2010. Wobei auch, nur noch einmal zum Hinhören, die Weitsichtigkeit der SPÖ-Fraktion, was diese Frage anbelangt, lustig ist. Werner Faymann (Heiterkeit des Redners), das ist der, der gerade Hand in Hand mit Fischer – nein, mit Spindelegger nicht mehr Hand in Hand, sondern sechs Reihen dahinter – nach Amerika fliegt und dort auch Steuer­gelder zum Fenster hinaushaut, weil er mit Arnold Schwarzenegger „Bankldrucken“ geht. Ich weiß nicht, was er dort macht, aber er fliegt nach Amerika.

Dieser Herr Faymann hat in seiner unglaublichen Weitsichtigkeit auch Prognosen abgegeben, zum Beispiel am 24. März 2010, als der Kollege Bucher bereits das Szenario, das jetzt eintritt, gezeichnet hat. Wissen Sie, was damals der Herr Faymann im Hauptausschuss gesagt hat? Herr Faymann hat gesagt, er gehe von keinerlei Beschlüssen – keinerlei Beschlüssen! – über etwaige Hilfsmaßnahmen innerhalb der EU, was Griechenland betrifft, aus, weil Griechenland wahrscheinlich keinen Antrag stellen werde. (Ironische Heiterkeit beim BZÖ.)

Das ist der Ökonom Faymann und die Weitsichtigkeit unseres Herrn Bundeskanzlers. Ich glaube, dazu ist auch alles gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie heute die Zeitungen aufschlagen, dann ist zu lesen: Wohnen wird ab Oktober um 400 € teurer in Wien, Wasser um 30 Prozent, die Müllgebühren um 6 Prozent, die Fernwärme ab September, Gas- und Strompreise steigen fast täglich, aber noch einmal im Oktober. Die Inflation galoppiert in Richtung 4 Prozent, offiziell – real 10 Prozent. Die Einkommen der Österreicher sinken real. (Abg. Grosz: Und der Herr Van der Bellen kriegt 210 000 €!)

Und wenn Sie sich jetzt fragen: Was hat das mit der ganzen Diskussion zu tun? – Das hat damit sehr viel zu tun, denn das ist genau der Grund dafür, warum die Österreicherinnen und Österreicher null Verständnis dafür haben, dass Sie ihr Geld nach Griechenland schicken oder in sonstige Pleitestaaten stecken, anstatt hier in Österreich endlich dafür zu sorgen, dass es den Menschen besser geht. Das ist Ihre Aufgabe. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Wort „Rettungsszenario“, das in den letzten Monaten durch Europa gegeistert ist, schminken Sie sich ab! Ersetzen Sie es durch – vielleicht nicht durch „Pleite“, aber wie heißt es so schön jetzt in Deutsch­land? – „kontrollierte Insolvenz“. Dieses Wort sollten Sie sich ganz genau merken, denn jeder normale Wirtschaftstreibende wäre bei der Politik bereits entweder wegen Veruntreuung von Steuergeldern oder wegen fahrlässiger Krida angeklagt. (Zwischen­ruf des Abg. Mag. Kogler.) Ich sage Ihnen, Frau Ministerin, wenn Sie da nicht die Notbremse ziehen und endlich aussteigen, dann werden Sie sich das Wort „Insolvenz“ auch vom Wähler bei der nächsten Wahl gefallen lassen müssen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ. Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

16.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. 5 Minuten gewünschte Redezeit sind eingestellt. – Bitte. (Ruf beim BZÖ: Wo ist der Krainer?)

 


16.40.37

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Westenthaler, Sie erinnern sich: ohne Haftung von übergeordneten Institutionen wäre Kärnten insolvent. Sie erinnern sich an die Haftungen von bis zu 22 Milliarden €. Warum? – Weil Sie und Ihr Ziehvater vom BZÖ-Neu und BZÖ-Alt und FPÖ, ich zitiere, „die Hochstapler-Projekte und Wahlgeschenke“ finanziert haben. Also so viel zur Wirtschaftskompetenz. (Abg. Dr. Strutz: Nestbeschmutzer!)

Meine Damen und Herren, die Situation in der Eurozone ist zweifellos ernst. Auf dem Spiel steht ja nicht nur die Zukunft Griechenlands, sondern auch jene des Euro und der Europäischen Union insgesamt; und wir dürfen auch nicht vergessen, wie sehr unsere eigene Zukunft und auch unser Wohlstand von unserer Mitgliedschaft in der EU abhängen. Das WIFO hat errechnet  das haben wir hier auch schon diskutiert , dass alleine durch den Euro jährlich 20 000 Arbeitsplätze geschaffen werden und der Wohl­stand um zusätzliche 2,5 Milliarden € steigt.

Wer also den Euro aufgeben will, wer ihn schwächen will, der riskiert Arbeitsplätze der Österreicher und Österreicherinnen.

Von den politischen Entscheidungsträgern wird daher durchaus mit Recht erwartet, dass sie eine stabilisierende und auch eine verantwortungsvolle Politik betreiben. Dazu gehört auch  und das möchte ich hier schon besonders betonen, weil das immer wieder angeklungen ist , dass Griechenland wieder eine wirtschaftliche Perspektive bekommen muss, dass es wieder Wachstum geben muss und das Land nicht nur kaputtgespart wird.

Zu einer verantwortungsvollen Politik gehört aber auch, die Menschen nicht zu ver­unsichern. Schauen wir uns einmal die Zahlen an: Österreich hat bislang insgesamt 1,38 Milliarden € an Krediten für Griechenland geleistet. Damit haben wir den Griechen Zeit verschafft, die notwendigen Reformen durchzuführen  und da wird ja sehr genau hingeschaut. Das Ganze findet mit einer Laufzeit von 7,5 Jahren und einem Zinssatz von 4 Prozent statt. So weit also die Fakten der bisherigen Griechenlandhilfe. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Die nächste Tranche der Kredite an Griechenland soll nach Möglichkeit bereits über den Euro-Schutzschirm ausgezahlt werden. Das wird unser Risiko weiter senken, und  um wieder zu den Fakten zurückzukehren  garantiert sind derzeit 2,7 Milliar­den €. Dass wir die bilaterale Hilfe für Griechenland beenden und die weiteren Hilfen, wie bei Irland und Portugal, über den Schutzschirm abwickeln, ist sicherlich ein Schritt


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in die richtige Richtung. Das beweist uns ja auch die Situation in Irland und in Portugal. Da hat dieser Schutzschirm sehr gute Arbeit geleistet, und diese Länder sind auf dem besten Weg, wieder auf die Hilfe der anderen Euro-Länder verzichten zu können.

Es ist daher schlichtweg eine Irreführung und Verunsicherung der Bevölkerung, wenn Sie alles in einen Topf werfen, egal, ob es Kredite sind, ob das Garantien sind oder ob es sich um Rufkapital handelt. Sie errechnen aberwitzige Summen, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Und ich wiederhole: bisher 1,38 Milliarden € an Griechen­land, verzinst wohlgemerkt, und 2,7 Milliarden € an Garantien. Sie nennen Summen, die einfach nicht der Wahrheit entsprechen.

Worauf ich aber eingehen möchte, ist, was Herr Professor Van der Bellen gesagt hat. Es stimmt, bei der Frage der Umsetzung des ESM besteht durchaus noch Diskus­sionsbedarf darüber, wie diese Mechanismen genau ausschauen werden.

Die Strategie der Verunsicherung ist aber nicht nur bei den Zahlen von BZÖ und FPÖ zu finden, sondern das betrifft auch die Frage der Einbindung der Bevölkerung, wo Sie hier behaupten, der Vertrag von Lissabon werde geändert. Also erstens wird der Vertrag nicht geändert, das ist schon die erste Täuschung. Und zweitens behaupten Sie, es würden weitreichende Kompetenzen abgegeben.

Ich lese Ihnen kurz vor, was dort tatsächlich steht – ich zitiere –: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“

Das ist alles, das sind diese beiden Sätze, in denen in Wirklichkeit nur steht, dass wir weiterhin tun dürfen, was vorher schon erlaubt war. Bleiben Sie also bei den Fakten! Der Euro-Schutzschirm ist in unserem eigenen Interesse.  Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Staatssekretär Dr. Lopatka, Herr ehe­maliger Staatssekretär. – Ja, das ist die Macht der Gewohnheit.

Herr Abgeordneter Dr. Lopatka gelangt nun zu Wort. – Bitte. (Abg. Grosz: Beim Ban­ken­paket war er Staatssekretär!)

 


16.46.27

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Danke für die freund­liche Begrüßung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Politiker haben ihre Verantwortung wahrzunehmen und sollten sie nicht dann abschieben, wenn es schwierig wird. Jetzt eine Volksabstimmung zu machen wäre genau Verantwortung abschieben. Diese Regierung, vor allem die Finanzministerin, nimmt ihre Verantwor­tung wahr, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.  Abg. Grosz: Das glaubst ja wohl selber nicht! Zwischenrufe des Abg. Petzner.)

Das Zweite: Natürlich ist die Europäische Union in einer äußerst schwierigen Situation, dies ist die größte Bewährungsprobe, seit es diese Europäische Union gibt. Aber in einer schwierigen Phase zeigt sich eine Gemeinschaft dann als stark, wenn sie solidarisch agiert, und nicht, wenn sie Schwache fallen lässt. Und Griechenland ist in einer schwachen Position. Griechenland braucht jetzt diese europäische Solidarität; und ich halte es für richtig, sollte diese Europäische Union – und ich gehe davon aus – eine Zukunft haben, dass sie jenen, die große Probleme haben, diese Hilfe auch gibt, und in dieser Situation sind wir.


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Hier aber ständig von der Pleite und vom Ende Griechenlands zu reden hilft schon gar nicht den Griechen, ist aber auch für die Europäische Union kein Beitrag, um hier auch nur einen Millimeter weiterzukommen. (Abg. Petzner: Der Schäuble richtet das!)

Lieber Kollege Petzner, eure Stimmungslage in der Fraktion, nachdem ihr von Sitzung zu Sitzung Abgeordnete verliert, verstehe ich, dass bei euch Endzeitstimmung herrscht. Aber diese apokalyptischen Reiter, die ihr da immer ausschickt, das sind genau die Vertreter, die eine negative Stimmung verbreiten. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Wiener ÖVP  !) – Schaut, das ist ja eure Stimmung, die ihr aus dem Klub mitnehmt, aber mit dieser Stimmung werdet ihr hier das Hohe Haus nicht anstecken können, das sage ich euch! (Beifall bei der ÖVP. Anhaltende Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Grosz.)

Man muss ja für euch die letzte Reihe bald verbreitern, weil die, die nicht mehr zu eurem Klub gehören, nehme ich an, werden da hinten Platz finden müssen, Kollege Grosz. (Zwischenruf der Abg. Haubner. Abg. Grosz: Ihr findet ja nicht einmal einen Obmann in Wien! Traurig!)

Die Situation ist keine einfache, aber Faktum ist auch, dass der Währungsfonds und jene, die sich mit dieser Sache Tag und Nacht beschäftigen, wie die Vertreter der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission, nach wie vor davon aus­gehen – Kollege Stummvoll hat es schon erwähnt, natürlich ist bei jedem Kredit auch ein Risiko dabei –, dass es Griechenland schaffen kann.

Da bitte ich, auch Richtung Freiheitliche Partei, schon bei den Fakten zu bleiben. Klubobmann Strache, „freiheitlich“ kann nicht heißen, hier völlig frei von Fakten zu agieren. Sie haben das aber gemacht. Sie haben gesagt: 6 Milliarden € sind Richtung Griechenland geflossen. (Abg. Strache: Mit der Nationalbank!)  Nein, es sind 1,38 Milliarden €.

Der zweite Punkt: Sie haben von Haftungen von 15 Milliarden € gesprochen. Wissen Sie, was 15 Milliarden € sind?  Das ist der Rahmen, aber ein Haftungsrahmen sind noch nicht die Haftungen. (Abg. Strache: Schon längst drüber, mit Portugal und Irland!) Na Gott sei Dank haben wir noch keine Haftungen in der Höhe von 15 Milliarden €. Also, wenn es möglich ist, würde ich auch die freiheitlichen Vertreter schon darum ersuchen, bei den Fakten zu bleiben und nicht, Herr Klubobmann Strache, völlig frei von Fakten einfach nur auf die negative Emotion zu setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Griechen haben es schwer, das stimmt. Ich meine, was heute der griechische Regierungschef präsentieren musste, das bleibt hoffentlich ein für alle Mal einem österreichischen Regierungschef erspart, nämlich den Menschen zu sagen  Pen­sionisten, Arbeitslosen, jungen Leuten –, wir müssen euch viel kürzen in den nächsten Jahren. (Abg. Strache: Wenn ihr so weitermacht, wird das kommen! Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Hunderttausend Entlassungen drohen dort im öffentlichen Dienst. Warum sage ich das?  Weil ich auch bei Ihnen Verständnis dafür erwecken möchte, wie von der Finanzministerin gesagt, dass auch wir in Österreich alles tun müssen, dass wir bei diesem Triple-A bleiben, dass auch wir in Österreich alles tun müssen, um bei uns die notwendigen Reformen auch umzusetzen. (Abg. Strache: Das ist ja schon längst in Gefahr! Das Triple-A ist ja schon längst in Gefahr!)

Ich bin ja gespannt – weil Sie sagen, die Gefahr ist da –, ob Ihre Unterstützung da ist, wenn es um die Beendigung von Sonderrechten, zum Beispiel bei Pensionen, geht. Sie fordern eigentlich in allen Bereichen immer mehr. (Abg. Strache: Die eigenen Aufgaben werden nicht gemacht!) Ich habe von Ihnen noch keinen Vorschlag gehört, um einen Beitrag zu leisten, dass Österreich bei diesem Triple-A bleibt.


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Die Finanzministerin hat sehr deutlich gesagt  (Abg. Strache: Sie setzen es aufs Spiel!) Wir setzen es nicht aufs Spiel, das Gegenteil ist der Fall, Herr Klubobmann Strache! Sie werden es bei der Budgetdebatte dann ohnehin hören, dass Österreich im Vergleich zu den anderen EU-27 nach wie vor sehr, sehr gut unterwegs ist. (Abg. Dr. Graf: Die Bürger sind eh fleißig, nur die Politik versagt!)

Das ist auch ein Erbe der schwarz-blauen Regierung. Auch wenn Sie es ablegen, wir legen es nicht ab. Damals sind hier diese Rahmenbedingungen geschaffen worden, damit Österreich wirtschaftlich und auch am Arbeitsmarkt so gut dasteht. Österreich liegt im Spitzenfeld in Europa. Das ist unsere Hausaufgabe, die wir zu erfüllen haben, aber auch die Griechen haben ihre Hausaufgaben zu erfüllen, nur sind ihre ungleich schwieriger. Und da, sage ich Ihnen, ist es keine Hilfe, wenn wir sie totreden. Eine Hilfe ist es nur, wenn wir mit den Griechen solidarisch sind. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Strache: Griechenland totreden ist keine Kunst, die sind pleite! Abg. Dr. Graf: Die kann man nicht mehr totreden, nur mehr wachküssen!)

16.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Podgorschek gelangt nun zu Wort. Die gewünschten 5 Minuten Redezeit stelle ich ein. – Bitte.

 


16.52.23

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Kollege Lopatka, diese 6 Millionen  (Abg. Grosz: Milliarden!) Milliarden, traurig genug! Sie setzen sich daraus zusammen, dass wir über die EZB schon 2 Prozent an Anleihen erworben haben, und 4 Milliarden hat letzten Endes auch die OeNB noch an Anleihen von Griechenland übernommen, und die sind uneinbringlich. – Nur so viel zu Ihrer Aussage. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Strache: So viel zu den Fakten!)

Professor Van der Bellen hat gesagt, kein vernünftiger Wirtschaftsprofessor würde eine Teilung des Euros gutheißen, jeder spricht sich dagegen aus. Ich erwähne nur einen ganz berühmten Zeugen, nämlich Professor Hans-Werner Sinn, immerhin Chef des ifo in München, der genau das fordert, was wir auch sagen.

Und politisches Kleingeld, Herr Kollege Stummvoll, schlagen wir sicherlich nicht. Wir machen uns nur Sorgen um die Zukunft unserer Heimat Österreich, und wenn das als „politisches Kleingeld schlagen“ bezeichnet wird, dann muss ich ganz ehrlich sagen, dann sind wir hier als Politiker fehl am Platz. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Strache.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, wenn Sie schon uns nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens Ihren Gesinnungsfreunden aus der Bundes-republik. Denn immerhin, Ministerpräsident Seehofer und Generalsekretär Dobrindt, beide aus der CSU, sagen ja schon, dass Griechenland pleite ist und dass Griechen­land in die Pleite geführt werden muss und dass dementsprechend jetzt Maßnahmen zu setzen sind. Aber auch Teile der CDU sind mittlerweile schon so weit, dass sie das offen aussprechen.

Der deutsche Bundesbankpräsident, Jens Weidmann, hat ebenfalls schon in einem Zeitungsinterview eingestanden, dass eine Pleite Griechenlands wahrscheinlich nicht mehr ausbleibt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Herr Klubobmann Kopf, Sie haben heute in der Früh schon gesagt, dass Griechenland nahe an der Pleite steht. Also, mehr können wir auch nicht sagen, und mehr sagen wir auch nicht: Griechenland ist pleite, steht vor der Pleite. (Abg. Kopf: Nein, das habe ich nicht gesagt! „Nahe“! Das ist ein Unterschied!) Sie haben gesagt: Nahe an der Pleite!


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(Beifall bei der FPÖ), und wir sagen: Griechenland ist pleite, weil wir sagen der Bevölkerung die Wahrheit.

Aber ich möchte mich ganz gern noch mit dem ESM beschäftigen, weil die Frau Kollegin Muttonen gesagt hat, dass wir keine Kompetenzen in Richtung EU abgeben und alles eitel Wonne ist. Wenn ich mir den Artikel 10 des ESM anschaue – betrifft die Änderung des Grundkapitals –, steht dort unter Punkt 1: Der Gouverneursrat kann die Änderung des Grundkapitals beschließen und Artikel 8 entsprechend ändern. – Im Artikel 8 steht drinnen, dass das Grundkapital 700 Milliarden € beträgt.

Das heißt, die müssen überhaupt keine Regierung fragen, wenn sie sagen, jetzt brauchen wir nicht 700, sondern 1 000 Milliarden oder 1 200 Milliarden. Das heißt, das geht alles am Volk vorbei, vorbei an den Parlamenten, an den Regierungen.

Artikel 27: Rechtsstellung des ESM, Immunität und Vorrechte. Punkt 2: Der ESM verfügt über volle Rechts- und Geschäftsfähigkeit für das Anstrengen von Gerichts­verfahren. Punkt 3: Der ESM, sein Eigentum, seine Finanzmittel und Vermögenswerte genießen umfassende gerichtliche Immunität.

Das heißt, wenn die Herrschaften sich selber in die Taschen wirtschaften, haben wir als Parlamente beziehungsweise haben die Regierungen nicht die geringste Chance, dass sie da noch entgegenwirken können.

Punkt 4: Das Eigentum, die Finanzmittel und Vermögenswerte des ESM sind von Zugriff durch Durchsuchung, Beschlagnahme, Einbeziehung, Enteignung und jede andere Form der Inbesitznahme durch Regierungshandeln – hört, hört! – oder auf dem Gerichts- und Verwaltungsweg oder Gesetzesweg befreit.

Das heißt, die haben wir auf immer und ewig immunisiert, die können walten und schalten, wie sie wollen, und der ESM entwickelt sich letzten Endes zu einem Monster à la Sowjetunion. (Beifall bei der FPÖ.)

In Artikel 30, zur Immunität von Personen: Die Gouverneursratsmitglieder, Direktoren und Stellvertreter und das Personal genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer Handlungen und Unverletzlichkeit ihrer amtlichen Schriftstücke.

Das heißt, alles, was dort geschieht, geschieht unter dem Deckmäntelchen der Ver­schwiegenheit. Nein, danke! Gute Nacht! Ich kann nur sagen: Wer diesen Beitritt zum ESM beziehungsweise dem zustimmt, der hat jetzt schon die zukünftigen Gene­rationen verraten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort. Ich stelle die Uhr auf die gesamten 10 Minuten. – Bitte.

 


16.57.21

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Genug gezahlt? – Ja, kann man sagen. (Abg. Kickl: Zu viel!) Aber bitte schön, es ist doch dann nur richtig und gerecht, von denjenigen, die das behaupten, auch eine Erklärung zu verlangen, wie die weitere Abwicklung einer behaupteten Teilpleite – so verstehe ich das; dem wollen wir ja nicht einmal widersprechen, wir waren ja unter den Ersten, die das festgestellt haben, auch im April und Mai 2010, das können Sie ja nachlesen, dass Griechenland pleite ist, in den Worten „insolvent“ und nicht „illiquid“ – ablaufen soll, wie wir die Krise lösen, die ja nun eingetreten ist.

Ob es so eine große ist, wie immer getan wird, ist auch noch eine andere Frage. Aber diejenigen, die behaupten: „Genug gezahlt“, hätten schon einmal die Pflicht, auch zu erklären, wie gegenüber allen Alternativszenarien weniger gezahlt wird. Das ist das Mindeste, was man verlangen sollte, und das würde ich auch als Bundesregierung


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stärker einfordern, da ja hier geradezu so getan wird, als ob die Welt untergehen würde, wenn Griechenland weiter im Schlingern ist. Also, da muss man schon einmal die Dimensionen zurechtrücken, glaube ich. (Abg. Dr. Graf: Die Welt geht nicht unter!)

Und das auch vor dem Hintergrund, dass natürlich eines passieren kann – wenn wir uns einmal eine Sekunde ein bisschen sachlich damit auseinandersetzen wollen –: Wenn alle immer davon reden, dass die Welt wegen eines Ereignisses untergeht, das die Welt nicht zum Einsturz bringen müsste, dann kann es tatsächlich Mechanismen geben, dass am Schluss einiges mehr den Bach hinuntergeht, als notwendig wäre. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy.)

Diese Prozesse sind bekannt. Wir ertappen uns selber dabei – niemand muss sich ausnehmen, denn es gibt ja verschiedene inhaltliche und ideologische Zugänge, des­halb gibt es auch unterschiedliche Meinungen –, dass vor allem die Europäische Union, sozusagen der Fleckerlteppich der Staaten, der da ja noch agiert, zu keiner einheitlichen Handlungsweise kommt und das auch mit ein Teil des Problems ist. Deshalb gibt es ja mehrere Lösungswege und Ansätze.

Und eines ist sicher: Mit einer Parole kann man das nicht analysieren, und mit einer einzigen Maßnahme kann man das nicht sanieren. Jeder, der das behauptet, Kollege Bucher, ist ein Scharlatan. (Beifall bei den Grünen.) Jetzt wird es einmal Zeit, dass Sie das einlösen, was Sie hier versprechen!

Erklären Sie mir einmal, wie weniger gezahlt werden kann! Das wäre ja nicht so schlecht. Ich meine, über irgendwelche Ziele kann man sich bald verständigen, aber man sollte nicht nur über die Maßnahmen nachdenken, sondern auch Vorschläge bringen. Und es wäre auch noch schön, wenn wir uns zwei oder drei Stunden im Nationalrat für diese Materie Zeit nehmen. Das ist unser Zugang!

Und im Übrigen, meine Damen und Herren von BZÖ und FPÖ: Wie wir uns verhalten werden, werden wir uns von Ihnen nicht vorschreiben lassen! (Abg. Ing. Westenthaler: Verratet nur eure Wähler!) Aber einer Sache können Sie gewiss sein: So zu agieren wie Sie, nämlich, zu allem nein zu sagen und die politische Potenz, die Sie eigentlich haben sollten, beim Fenster hinauszuschmeißen und sich von vornherein nur zu verweigern, so dumm werden wir nicht sein, das sage ich Ihnen gleich! (De­monstrativer Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihr opfert eure Politik!)

Wir werden zumindest versuchen – und wir haben das schon oft genug bewiesen ... (Abg. Ing. Westenthaler: Es klatscht eh schon die ÖVP mit!) Das darf ja möglich sein in diesem Haus. (Abg. Ing. Westenthaler: Setzt euch hinüber zur ÖVP, um am Futtertrog ein bisschen mitzunaschen!) Wir werden zumindest versuchen, hier Ver­hand­lungslösungen anzustreben. Das ist dann auch eine andere Debatte. Dort sind wir ja noch gar nicht.

Kommen wir zurück zur Dringlichen Anfrage, zur mehr oder weniger im Raum stehenden Griechenland-Pleite, und gehen wir das noch einmal durch!

Wenn klar ist, dass Griechenland zwei Prozent der Volkswirtschaftsleistung im Euro­raum ausmacht, salopp ausgedrückt, und die Verschuldungsquote jetzt bei 150 Pro­zent ist, die natürlich ganz eindeutig auf eine Pleite, auf eine Insolvenz hinweist – das ist ja keine Frage! –, dann sind das aber immer noch erst drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Ist auch noch viel. Aber jetzt, bitte, kurz innehalten: Die Hälfte kann Griechenland vermutlich, plus/minus, nicht mehr zurückzahlen. Dann sind es nur mehr eineinhalb Prozent. Es ist aber nicht so, dass das über Nacht von der Decke fällt, das kann man ja organisieren und strukturieren. Strecken wir das einmal auf zehn Jahre, dann sind wir bei 0,15 Prozent der Wirtschaftsleistung im Euroraum pro Jahr. Und ich


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frage Sie: Weswegen wird hier Panik erzeugt, wenn es denn nicht sein muss? Wes­wegen?

Klar ist: Das muss organisiert werden! Und deshalb reden wir, und zwar schon seit eineinhalb Jahren, von der geordneten Staatsverschuldung. Zugegeben, es war damals über Nacht nicht leicht. Ich hätte mir das auch leichter vorgestellt, und ich habe es mir am Rednerpult hier heraußen eigentlich leichter gemacht – das muss man auch einmal eingestehen –, als es vielleicht wirklich ist. Aber hätten wir schon damals ein geordnetes Entschuldungsverfahren mit den neuen Mechanismen gehabt, dann hätten wir das, was Sie einfordern, wenn Sie überhaupt so weit denken – aber das wäre noch das Rationalste, was aus BZÖ und ÖVP herauszupressen wäre –, machen können. Machen Sie nicht von vornherein den ESM nur schlecht, denn dort ist das das erste Mal vorgesehen! (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Und außerdem: Diese Inkonsistenz müssen Sie hier einmal erklären! Es werden sich hoffentlich noch andere hier herstellen und sagen, dass einfach mit diesen billigen Parolen (Abg. Strache: Man sollte nicht bedingungslos einem Vertrag beitreten, aus dem man nicht mehr austreten kann!) nicht nur auf Dauer und im Durchschnitt, sondern schon heute kein Staat zu machen ist. Da können Sie eine Menge Nebel werfen und da dann noch herumstochern, aber daraus entsteht keine Lösung. (Beifall bei den Grünen.)

Wie gesagt: Mit Ihnen ist kein Staat zu machen! Ein paar Skandale schon, das haben Sie bewiesen. Das machen Sie sich aus, Blau und Orange. Fest steht, dass man hinter jedem blau-orangen Mist fünf Korruptionsstaatsanwälte hinterherschicken muss – und in Kärnten sind es zehn pro Regierungsmitglied! (Abg. Podgorschek: Nennen Sie mir einen Blauen!)

Und im Übrigen: Den „Wörthersee-Euro“ werden wir vermutlich dann auch noch einführen, sinnigerweise, denn eines ist gewiss: Nach Kärnten ist bis jetzt mehr Geld gegangen als nach Griechenland, und das sehen wir mit Sicherheit nie mehr, denn die Hypo Alpe-Adria haben Sie so weit ruiniert, dass das so nicht mehr sanierbar ist (Abg. Strache: Solch ein Unsinn!) – außer mit noch einer Milliarde zusätzlichem Steuergeld! Wir halten mittlerweile bei 2,5 Milliarden €. Aber das sei nur am Rande angemerkt.

Also, wie gesagt: 0,15 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr.

Jetzt wende ich mich an Sie, Frau Finanzministerin, als Vertreterin der Bundes­regie­rung. Natürlich haben wir unterschiedliche Meinungen zu den Vorgangsweisen, wie wir das machen können. Ich habe schon gesagt, dass niemand für sich zu beanspruchen braucht, das hundertprozentig genau zu wissen, aber die Abwägung der Argumente und das daraus resultierende Handeln müssen begründet werden. Das ist nicht immer leicht, das ist klar.

Aber eines ist auch gewiss, wenn wir uns das Maßnahmenpaket für Griechenland anschauen: dass es so auf keinen Fall funktionieren kann! Auch davor haben wir gewarnt. Denn: Wenn einer schon auf der Intensivstation liegt – selbst, wenn er den Unfall selbst verschuldet hat, ist es die Frage, was man tut – und Sie bei den Schläuchen so herumdoktern, dass Sie auf der einen Seite Blut abzapfen und auf der anderen Seite die Zufuhr von lebensnotwendigen Mitteln unterbinden, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn sich der noch weniger rührt, als es ohnehin schon der Fall ist.

Das ist klar! Aber da steckt möglicherweise eine unterschiedliche Wirtschaftsphilo­sophie dahinter. Aber so sehr Keynesianer muss man gar nicht sein, um sich auszu­rechnen, was passiert, wenn man über Nacht so viel Geld herauszieht dort, wo der Staatsapparat so ineffizient ist und die Staatsfirmen so viele Verluste produzieren und


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wo so, zum Teil auch korrupt, gefuhrwerkt wird, was natürlich auf Eigenverschulden hindeutet. Wenn man über Nacht alles umstellen will und das Geld aus dem Kreislauf zieht, dann ist klar, dass, wenn nicht gleichzeitig – und das ist ja der Punkt! – vernünftig investiert wird, das Ganze nur noch schlechter werden kann.

Minus 7 Prozent Wirtschaftsschrumpfung im Vorjahr, sofern ich mich richtig erinnere. Minus 5 Prozent heuer statt minus 3 Prozent. Es ist doch klar, dass das die Quoten noch weiter verschiebt. Was heißt das? Das heißt – und daran führt auch kein Weg vorbei; Professor Van der Bellen hat es auch gesagt –, dass in Griechenland selber nicht nur die Bedingungen für Investitionen verbessert werden müssen, weil ja wirklich nicht auszuhalten ist, wie die Zustände dort sind – wir haben uns oft darüber aufge­regt –, sondern es auch beschleunigte Investitionen brauchen wird. Das kostet halt wieder etwas, aber da kommt wenigstens etwas zurück, das befördert Wachstum. Dann können sie wenigstens die 50 Prozent zurückzahlen, die dann noch als Schulden übrig bleiben.

Es wird im Übrigen der Schuldenschnitt alleine auch nichts helfen, wenn sich sonst nichts ändert, denn dann stehen wir bei den galoppierenden Zinsen, die die zahlen müssen, wieder gleich dort. Und dass wir das auf die Dauer immer mit dem Rettungsschirm durchalimentieren, ist auch keine Lösung. Es ist daher völlig klar, was die Lösung sein muss, und die kostet etwas. Aber die ist immer noch viel billiger als dieses billige Gerede, das Sie hier veranstalten, meine Damen und Herren vom BZÖ! (Beifall bei den Grünen.)

Was kostet es? – Zuerst muss gespart werden, auch vor dem Hintergrund, dass da negative Effekte sind. Aber die Strukturen gehören verbessert und effizient gemacht. Und man muss jetzt damit beginnen. Wir können nicht zehn Jahre warten! – Nicht so viel Keynes auf einmal!

Die zweite Geschichte: Es muss investiert werden, es müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Und bei der Frage, wo dort gespart werden soll, ist auch zu sagen: Es ist bis heute nicht ganz klar, wie viel Geld aus dem griechischen Budget immer noch in die Rüstungsindustrie gepumpt wird – aber nicht in die griechische, die gibt es bekanntermaßen nicht, sondern in die französische und in die deutsche Rüstungs­industrie. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

70 Milliarden € sind in den letzten zehn Jahren ausgegeben worden, das macht 35 Mal den Eurofighter-Kauf aus. Griechenland hat in zehn Jahren so viel für die Rüstungs­güter ausgegeben, dass man 600 Eurofighter hätten kaufen können. – Das nur, damit die Dimension klar wird! Dieses Geld ist nach Deutschland und Frankreich gegangen. Das heißt, die haben sich das im Kreis herum finanziert.

Diese Kreisläufe gehören durchbrochen! Das muss angegangen werden! Und deshalb geht es auch darum, dass man das in einer größeren Perspektive sieht.

Mit dieser Kleingeisterei werden wir nicht weiterkommen, denn dann wird es heißen: Ganz, ganz viel gezahlt, obwohl es nicht notwendig wäre! (Beifall bei den Grünen.)

17.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. – Bitte.

 


17.08.06

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Finanz­minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Auf die Frage: Ist Griechenland pleite?, haben wir heute schon mehrere Antworten bekommen. Zur Aussage: Griechenland ist pleite!, hat Klubobmann Kopf gesagt: Nein, nein, Griechenland ist nicht pleite, es ist nur nahe der Pleite! (Abg. Kopf: Das ist ein Unterschied!) Ja, ja, billige ich Ihnen zu, das ist


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ein Unterschied! – Der Herr Kogler von den Grünen hat uns erklärt, wir sprechen jetzt von einer Teilpleite.

Das veranlasst mich jetzt, einmal auf die Euro-Einführung zurückzublicken und die Frage zu stellen: Wie ist denn Griechenland zum Euro gekommen? Und da darf es einen nicht verwundern, dass wir gerade bei Griechenland jetzt diese Debatte führen, denn Griechenland hat es mit getürkten Zahlen geschafft!

Der große Fehler der EU war bereits damals der, Kriterien aufzustellen, die das zuließen. Es gab kein Procedere dagegen, dass jemand mit getürkten Zahlen operiert. Also: Griechenland hat es geschafft mit getürkten Zahlen!

Übrigens gab es in der EU keine Vorgabe: Was macht man in ein, zwei, fünf Jahren mit diesen Kriterien? Hat man den Euro, dann ist das eben so – auch mit getürkten Zahlen!

Dann haben wir gehört, wir müssen uns solidarisch erklären und müssen Geld hinein­pumpen. Die Begründung war: Ein Nicht-solidarisch-Erklären, ein Nicht-Hineinpumpen bereitet uns weit größere Schwierigkeiten. Der damalige Finanzminister hat uns gleich einmal gesagt: Alles das, was da der Bucher vom BZÖ sagt, stimmt nicht, denn das ist gar kein Risiko, das wird ein Geschäft für Österreich werden! Die jetzt amtierende Finanzministerin hat nicht mehr vom großen Geschäft gesprochen, sondern sie hat uns erklärt, wir haben einen Primärüberschuss. Das ist noch gar nicht so lange her, das war am 15. Juni.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da können wir gleich dazu sagen: Grimms Märchenstunde! Nichts davon ist eingetreten – ganz im Gegenteil: Die große Frage ist – und das hat Bucher schon vor langer Zeit angekündigt –: Versenken wir unser Steuergeld für eine Aktion, die uns null bringen wird?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da gilt es zu diskutieren: Ist dieser Weg ein kluger? Soll man diesen permanenten Rettungsschirm einbringen?

Ich sage Ihnen: Die Bevölkerung hat da nicht nur gemischte Gefühle, sondern eine glasklare Haltung: Die Bürger wollen, dass das Steuergeld in Österreich investiert wird! Bei uns muss man der Wirtschaft helfen! (Beifall beim BZÖ.)

Die österreichischen Steuerzahler warten schon so lange, dass Steuern gesenkt werden. Das würde Sinn machen. Damit kann man Jobs schaffen. Aber mit dieser Aktion minimieren wir die Spielräume. Ich sage Ihnen: Wir werden gar keine Spiel­räume mehr haben. Und das, was man in Wien nach der Wahl erlebt hat, nämlich den rot-grünen Griff in die Brieftaschen der Bevölkerung, wird auf Österreich niederpras­seln, wenn diese vielen Milliarden versenkt werden.

Kollege Stummvoll, den ich sehr schätze, hat es jetzt schon ein bisschen anders ange­legt als vor wenigen Monaten, er spricht nämlich schon von einer ernsten Lage und einer ernsten Situation. Und alle, die den Seppi Bucher belächelt haben, sollten einmal nachdenken, wenn – ich möchte sagen: fast wortidentisch – der deutsche Finanz­minister die gleichen Überlegungen anstellt. Das ist eine Sache ... (Abg. Mag. Kogler: Er redet von keinem Austritt aus der Währungsunion! Von der Pleite schon!)

Der Herr Kogler von den Grünen sieht das natürlich alles wieder anders, denn wenn es vom BZÖ kommt, darf es nicht stimmen. Und alles, was der deutsche Finanzminister sagt, stimmt dann natürlich auch nicht. (Abg. Mag. Kogler: Er redet nicht vom Euro-Austritt!) Er redet nicht vom Euro-Austritt.

Es war also ein Fehler, den man jetzt noch korrigieren kann. Aber Sie können diesen Fehler, wenn Sie so wollen, vergrößern.


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Es kommen jetzt salbungsvolle Worte, und da darf ich mich dem ehemaligen Staats­sekretär Lopatka zuwenden. Ich habe immer bedauert, dass er aus der Bundesre­gierung ausgeschieden ist, denn er war einer jener, der Probleme angesprochen hat, wie zum Beispiel die Privilegien bei den ÖBB. Man hat Sie offenkundig aus der Regie­rung abgezogen, um dem Koalitionspartner einen Gefallen zu tun.

Das ist auch die große Schwierigkeit, die Griechenland und alle Nationalstaaten in der EU erwartet: Immer dann, wenn Reformen gefragt sind, gibt es unpopuläre Maß­nahmen, Angst vor Niederlagen – aber die gibt es eben in der Demokratie auch – und Angst davor, dass man einen Parteiwechsel vollzieht!

Im Übrigen war von 2000 bis 2006 immer ein Reformwille vorhanden. Vielleicht hat damals ein wenig glänzender Gusenbauer dann eine Wahl gewonnen, weil sich der Wähler hin und wieder auch revanchiert hat. Aber diese Reformen waren in Wahrheit die Möglichkeit, Spielräume zu schaffen. Aber jetzt verspielen Sie diese Spielräume! Ich sage Ihnen das klar und deutlich.

Und wenn Sie von einer politischen Verantwortung sprechen, die es wahrzunehmen gilt, dann sage ich: Jawohl, aber wir haben auch eine direkte Demokratie! Was hindert uns daran, die Bevölkerung einzubinden? (Beifall beim BZÖ.) Sie müssen doch sehen, dass die österreichische Bevölkerung diese Versenkung von Milliarden nicht mittragen wird.

Herrn Staatssekretär außer Dienst Lopatka noch zum Abschluss: Wenn Sie immer davon sprechen, dass das BZÖ vor allem Angst habe und dass wir uns fürchten würden, darf ich Ihnen sagen: Vor einer fähigen Bundesregierung fürchten wir uns nicht, jedoch sehr wohl vor einer Bundesregierung, die offensichtlich bereits zu allem fähig ist! (Beifall beim BZÖ.)

17.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kuzdas. –Bitte.

 


17.13.49

Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine Damen und Herren! Kollege Kogler hat schon recht mit seiner medizi­nischen Diagnose, denn das, was momentan in Griechenland abgeht, ist nicht bloß eine Vollbremsung der Wirtschaft, die, so muss man das sagen, von den Verant­wortlichen der EU den Menschen in Griechenland aufgezwungen wurde, sondern ein regelrechtes Kaputtsparen. Allein im letzten Jahr ist dort das Bruttoinlandsprodukt um einen zweistelligen Betrag zurückgegangen. Welche Auswirkungen das auf die Be­schäftigung, auf die Arbeitslosigkeit und so weiter gehabt hat, das wissen wir. Dass dadurch die Staatseinnahmen nicht steigen, ist auch klar. Und die Folge sind ein größeres Budgetdefizit und ein Absacken der Wirtschaft.

Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt natürlich auch – ich sage: auch! – bei der Troika, also beim IWF, bei der EZB und bei der Kommission, weil es allein mit Sparen nicht gehen wird. (Abg. Rädler: Und nicht bei den regierenden Sozialisten?!) Die Sozialisten müssen jetzt das ausbaden, was andere eingebrockt haben. Das möchte ich auch einmal klarstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Griechenland braucht, Kollege Rädler, ist neben dem intelligenten Sparen auch ein Offensiv-Paket für Wachstum und Beschäftigung, um aus der Abwärtsspirale wieder herauszukommen. Griechenland braucht dazu neue Strukturen. Da geht es um die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Zuerst muss man einmal die Wirtschaft wieder aufbauen, denn die liegt auf dem Bauch. Die Griechen haben nicht einmal so viel Geld, dass sie die Milliarden aus Brüssel für die Kofinanzierung abholen können. Auch


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darüber muss man reden, nämlich, ob es da nicht andere Regeln braucht, damit sie zu diesem Geld kommen.

Es wäre in Österreich nicht vorstellbar, dass ein Drittel der Wirtschaftsleistungsträger keine Steuern zahlt, die Schifffahrt zum Beispiel. Dafür werden die Rentner zur Kasse gebeten. Das ist deshalb so, weil die Reeder damit drohen, die Schiffe in einem anderen Heimathafen vor Anker gehen zu lassen. Auch da ist die EU gefordert, um Steuerharmonisierung voranzutreiben!

Wie wichtig es ist, dass der Wirtschaft und den Menschen Geld gegeben wird, das zeigt unter anderem auch der Marshallplan, der uns ja nicht aus reiner Nächstenliebe nach dem Zweiten Weltkrieg zugutegekommen ist, sondern aus wirtschaftlichen Über­legungen. Auch die Maßnahmen, die vor der Wirtschaftskrise und dann mit der Steuer­reform getroffen wurden, waren wichtig. Im Übrigen hat die Frau Finanzministerin im letzten Budgetausschuss zumindest einen positiven Aspekt der Entscheidungen vom 24. September hervorgehoben, nämlich, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben. Wie gesagt, auch diese Maßnahmen waren dafür entscheidend, dass wir gut durch die Krise gekommen sind und die Kaufkraft hoch geblieben ist.

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen die hier im Haus beschlossenen Offensiv-Pakete für Infrastruktur und thermische Sanierung, die die Wirtschaft stützen und gut nützen konnte. Ohne Offensivmaßnahmen wird es auch in Griechenland nicht funk­tionieren. Da braucht es Strukturverbesserung, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und die Krise auch zu überstehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken: Noch immer geht es nicht um die Eurokrise, sondern in erster Linie um die Krise einzelner Staaten, eine Krise der Haus­halte einzelner Staaten, die noch dazu nicht 1 : 1 miteinander vergleichbar sind, weil die Ursachen völlig unterschiedlich sind. Irland zum Beispiel hat die Bankenkrise gut überstanden und verfügt über eine gute und intakte Exportwirtschaft. Portugal hat die Hausaufgaben gemacht und kommt den Verpflichtungen nach. Italien ist erst recht mit Griechenland nicht zu vergleichen, weil Italien über eine gute industrielle Basis verfügt und nicht so ein Leistungsbilanzdefizit wie Griechenland aufweist. Italien braucht aber eine Regierung, die sich der Sache ernsthaft annimmt.

Wenn wir in die Vereinigten Staaten schauen, stellen wir fest: Da gibt es einige Bun­desstaaten, wie zum Beispiel Kalifornien, Alabama, Texas und weiß Gott noch welche, die mindestens genauso verschuldet sind wie Griechenland, aber niemand spricht dort von der Dollarkrise und niemand spekuliert gegen den Dollar, weil die Vereinigten Staaten anders aufgestellt sind. In diesem Zusammenhang muss man schon sagen: Wir brauchen mehr und nicht weniger Europa, um künftig durch die Krisen zu kom­men!

Meine Damen und Herren, manche Politiker müssen sich aber auch überlegen, was sie tun und was sie sagen, denn die Aussage des deutschen Wirtschaftsministers über die Pleite von Griechenland hat eindrucksvoll gezeigt, dass ein einzelner Minister die Märkte gewaltig durcheinanderbringen kann.

Letztendlich möchte ich auch auf das Zaudern einiger Politiker hinweisen, denn man schätzt, dass die Verzögerung für das erste Griechenland-Hilfspaket viele Milliarden in die Hände der Spekulanten gespielt hat. Das heißt, da wäre es gescheiter gewesen, rascher und konkludenter zu entscheiden, auch wenn das nicht immer einfach ist.

Nun aber zur Forderung, Griechenland aus der Eurozone auszuschließen oder ein Kerneuropa mit zwei Geschwindigkeiten zu schaffen oder eine Trennung zwischen hartem und weichem Euro vorzunehmen. Ich halte das wie viele Experten für einen wirtschaftspolitischen Geisterkurs. Würde man Griechenland aus der Euro-Zone


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ausschließen – wir haben das in diesem Haus schon einige Male diskutiert – und die Drachme wieder einführen, mit 50, 60 Prozent abwerten, dann würden die Schulden mehr werden, weil sie klarerweise in Euro bestehen blieben. Was wäre die Folge davon? – Ein weiterer Verfall der Aktienkurse, die Investoren würden abziehen und die Wirtschaft ginge weiter in die Knie.

Also: Was Griechenland braucht, das ist kein Kaputtsparen, sondern das sind eine ordentliche Steuermoral, ein Offensiv-Paket für Wachstum und Beschäftigung und soli­darische Hilfe, wie wir sie auch schon einmal zu einem anderen Zeitpunkt bekommen haben.

Jene Maßnahmen, die die griechische Regierung in der heutigen Sondersitzung im Parlament beschlossen hat, aufgezwungen von der Troika, führen meines Erachtens zur Massenarbeitslosigkeit, gefährden den sozialen Wohlstand, verschärfen die Krise und führen hoffentlich nicht zum totalen Zusammenbruch der Wirtschaft.

Meine Damen und Herren! Die Alternativen zum Rettungsschirm, etwa eine Pleite Griechenlands, wären alle schlechter und teurer – nicht für die Griechen, sondern für Österreich! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


17.20.06

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Wir verdanken heute ausgerechnet dem BZÖ diese interessante Diskussions­runde, und ich glaube auch zu verstehen, warum gerade das BZÖ intern mit diesem Thema ganz besonders intensiv ringt. Schließlich und endlich können Sie das griechi­sche Dilemma nachempfinden: Sie haben einmal mit 21 Abgeordneten angefangen, dann sind drei unter einen anderen Rettungsschirm geflüchtet (Abg. Petzner: Ha, ha, ha! – Abg. Ing. Westenthaler: Und mit wie viel ... hat die ÖVP angefangen? Mit wie viel? – Abg. Petzner: Von 42 auf 20 Prozent!), bei zwei anderen ist derzeit die Frage noch offen, in welches System sie einsteigen werden. Auf jeden Fall aber sehe ich, dass das BZÖ ganz genau weiß, wie es ist, wenn es einem schlecht geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die heutige Darstellung hat irgendwie den Eindruck erweckt, ihr wisst, wie es den Griechen gehen könnte, wenn wir ihnen nicht helfen. Dass die Schlussfolgerung allerdings dann die war, ihnen nicht zu helfen, das entzieht sich meiner Logik, aber das ist mir auch nicht so wichtig.

Eines jedenfalls ist, glaube ich, klar und für uns alle das Thema der Diskussion. Wir wissen, dass sich Griechenland aus eigener Kraft nicht wird helfen können. Die einen nennen das so und die anderen nennen das so, Tatsache ist, dass dieser Zustand in Griechenland für uns alle – für Europa, aber auch für uns in Österreich – ein Zustand ist, der sich zu einem sehr großen Problem auswachsen kann, das uns nicht nur Geld, sondern Zukunft kosten kann.

Wenn wir die griechische Situation betrachten, dann sehen wir, dass Griechenland ganz dringend Reformschritte setzen muss, die über viele Jahre nicht angedacht, son­dern verschoben, verschleppt, verschlampt wurden, und diese Reformschritte, die in Griechenland notwendig sind, betreffen die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, Fragen des Wettbewerbs – ganz einfach Fragen der Funktionsfähigkeit einer normalen Wirtschaft im europäischen Verbund. Das hat man nicht getan.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 168

Griechenland hat viel mit Geld zugedeckt, und man hat dann, das muss man wohl wirklich konstatieren, Zahlen „hergerichtet“. Jetzt zeigt sich, dass die fremden Zahler nicht mehr kommen, dass die Gelder nicht mehr aufzutreiben sind, dass die Kredite nicht mehr zu finanzieren sind, und jetzt zeigt sich, dass Reformbedarf besteht. Und unsere Frage ist eigentlich nur die: Kann Griechenland ohne Druck und Hilfe von außen diese Reformen setzen, oder wird Griechenland schneller auf die Füße kom­men, wenn wir von außen diesen Druck entwickeln und verstärken und den Griechen dafür aber eine Zukunftsperspektive geben, ihnen zeigen, dass sich der Aufwand überhaupt lohnt?

Ich denke, das passiert gerade in Europa, wenn die Troika in Griechenland die Dinge beim Namen nennt und in Griechenland Veränderungen erzwingt, von denen jeder weiß, dass das geschehen muss – aber im politischen Alltag ist es eben doch besser, auf den nächsten Tag zu warten. Die Troika verhindert das, und die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, können das Projekt der Finanzierung Griechenlands zum Gelingen bringen – können, sage ich, denn sicher ist da gar nichts.

Die Reformschritte sind notwendig und müssen begleitet und eingefordert werden. Das ist das, was die Österreicher von uns verlangen. Sie verlangen von uns nicht, dass wir Griechenland nicht helfen, sondern sie verlangen, dass, wenn wir Griechenland helfen, dieses Projekt in jedem Fall gelingen muss. Daher geht es darum, sehr klar darauf zu schauen, dass Auflagen verhängt werden, dass Auflagen eingehalten werden. Die Neuformierung, die Neugestaltung der griechischen Wirtschaft in Richtung einer Wettbewerbswirtschaft wird Jahre dauern, das ist keine Frage, und es ist ganz klar, dass das kurzfristige Schrumpfen der Wirtschaft in der Umgestaltungsphase möglich ist.

Meine Damen und Herren, das sind harte Wahrheiten, und keiner von uns hat das Recht, dass er auf die Griechen arrogant hinunterschaut, auch nicht einige der Redner, die heute besonders gescheit getan haben.

Eines jedenfalls verdanken wir der heutigen Diskussion: Ein paar Erkenntnisse haben sich wieder vertieft. Erstens: Wenn es darauf ankommt, können die Grünen auch. Zweitens: Harte Wahrheiten bleiben keinem erspart, auch uns nicht. Drittens: Refor­men, die notwendig sind, soll man nicht aufschieben, und da gibt es auch bei uns eini­ges zu tun – ich erwähne nur die Universitäten und den Gesundheitsbereich, und ich kann die Freunde in der Bundesbahn nur ermutigen, rasch weiter ihre Schritte zu setzen.

Und noch etwas haben wir in den Diskussionen der letzten Woche gelernt. Erstens: Der Euro hat für uns große Bedeutung, und zweitens: Der Euro steht – und da gibt es auch keinen, der nur irgendwie daran herumrütteln darf, denn die Gewissheit, dass der Euro steht, ist der größte Schutz davor, dass Europa nicht zusammenhält. Das Wichtigste ist Entschlossenheit in dieser Frage. (Abg. Petzner: Das glaubt dir kein Mensch mehr, was du da redest!) Diese Entschlossenheit fehlt vielleicht noch in der europäischen Zusammenarbeit, aber ich finde diese Entschlossenheit immer wieder bei unserer Frau Finanzminister, und deswegen ist Österreich auf dem richtigen Weg. Ich kann sie nur ermutigen und bestärken und danke sagen, dass das so ist. (Beifall bei der ÖVP.)

17.25


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Themessl. – Bitte.

 


17.26.00

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Frau Finanzministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Finanz­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 169

minis­ter, die griechische Regierung hält von Ihren Bemühungen zu helfen offensichtlich nicht viel, denn in der „Kronen Zeitung“ heißt es: Griechenlands Finanzminister hält Wutrede gegen die EU und gegen die Märkte. – Offensichtlich hat er sich nicht die Mühe gemacht, auch einmal per Internet oder TW 1 im österreichischen Parlament nachzuschauen oder Ihre Rede zu hören, wie Sie sich hier wirklich mit aller Kraft und Gewalt für die Griechen einsetzen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kopf und Grosz.) – Ja, ja, betreffend die Lösung eines Problems, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, kann man ohne Weiteres unterschiedlicher Meinung sein.

Frau Bundesministerin, Sie waren schon vor zwei Jahren der Meinung, dass zahlen, zahlen, zahlen bis zum Gehtnichtmehr die absolut beste Lösung ist, und Sie haben auf keinen – nicht nur von den Oppositionsparteien oder von diversen Parteien in ganz Europa – der kritischen Einwürfe gehört, nein, Sie haben auch den Experten, den Wirtschafts- und Finanzexperten, nicht geglaubt, die bereits vor zwei Jahren davor gewarnt haben, dass das der falsche Weg ist.

Jetzt mag das ja nichts Schlimmes sein, wenn Sie sagen: Okay, ich halte das für den richtigen Weg, dass wir einfach zahlen. Solange der Steuerzahler noch irgendeinen Knopf hergibt, zahlen wir, das ist der einzig richtige Weg. – Was ich Ihnen aber vor­werfe, ist, dass Sie und diese ganze Bundesregierung von allem Anfang an, seit zwei Jahren, von vornherein immer gesagt haben: Es gibt dazu keine Alternative. – Es gibt bei jedem Problem eine Alternative! Man muss aber darüber nachdenken und sich zumindest damit befassen! (Beifall bei der FPÖ.)

Und jetzt haben Sie das Problem, dass Ihnen die Zeit davonläuft. Sie haben die ganzen zwei Jahre nicht einen Tag daran gedacht, sich eine Alternative zu überlegen. Wir haben das Wort Pleite vor zwei Jahren nur in dem Zusammenhang in den Mund genommen, dass wir gesagt haben: Wenn wir jetzt kein geordnetes Entschuldungs­verfahren oder ein Sanierungsverfahren bei Griechenland einleiten, dann wird das in der Pleite enden.

In der Zwischenzeit haben andere Staaten sehr wohl darauf reagiert und haben sich darüber Gedanken gemacht, wie das ausschaut, wenn die Griechen wirklich pleite­gehen. Sie haben das nicht gemacht und stehen jetzt vor der Situation, dass Sie sich wahrscheinlich innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen irgendein Szenario einfal­len lassen müssen, damit wir vielleicht noch halbwegs mit einem blauen Auge oder zwei blauen Augen davonkommen.

Und jetzt zu Ihren Aussagen: Sie sagen, nicht nur das Geld, das wir nach Griechenland gepumpt haben, ist weg – das ist klar; auch die Haftungen werden schlagend, das ist auch klar –, und Sie haben dann auch noch erwähnt, dass die Wirtschaft, und zwar die österreichische Wirtschaft, sehr stark darunter leiden wird. Und jetzt frage ich Sie schon: Was meinen Sie mit der österreichischen Wirtschaft?

Ich weiß nicht, ob Sie die Handelsbilanz mit Griechenland kennen. Ich sage Sie Ihnen: Wenn Sie die Banken von Ihrer Wirtschaftsleistung her einmal ausklammern – und es geht Ihnen nämlich nur um die Banken –, war die österreichische Handelsbilanz mit Griechenland aus dem Jahr 2009 so, dass wir um zirka 580 Millionen € Waren impor­tiert haben – also nicht Milliarden, Millionen! – und um sage und schreibe 140 Mil­lionen € Waren exportiert haben. Das, was Sie unter Wirtschaftsleistung verstehen, sind großteils Banken, Geldprodukte von Geldgebern, die Sie damit gerettet haben.

Und ich habe es Ihnen heute nicht zum ersten Mal gesagt, ich habe Ihnen schon vor Monaten gesagt, dass es eine andere Lösung geben muss, und zwar, weil es gar nicht anders geht, und da wird mir jeder Wirtschafts- und Finanzexperte recht geben und Ihnen dasselbe sagen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 170

Wir haben schon vor Jahren gewusst, dass die griechische Wirtschaft schwächelt, und zwar stark schwächelt. Man hätte die erste Tranche vor eineinhalb Jahren dazu verwenden müssen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Damit hätte man es geschafft, dass die Arbeitsplätze gesichert werden, man hätte es geschafft, dass der Inlandsmarkt nicht einbricht, und man hätte es geschafft, dass auch der Export nicht einbricht.

Wie erwarten Sie von einem Land, das seit drei Jahren permanent eine negative Wirt­schaftsleistung hat, dass es Schulden zurückzahlt? Im heurigen Jahr ist eine pro­gnostizierte Wirtschaftsleistung von minus 5 Prozent vorhergesagt! Mit minus 5 Prozent Wirtschaftsleistung sind die Griechen nicht in der Lage, die eigenen Schulden zu bezahlen, geschweige denn noch zusätzlich solche zu bedienen, die sie im Laufe der letzten eineinhalb Jahre zusätzlich aufgenommen haben.

Verabschieden Sie sich doch endlich von dieser Idee, da unten permanent die Finanzmärkte zu füttern! Man hätte die Finanzmärkte warten lassen müssen – das müssen Sie jetzt sowieso, und wahrscheinlich müssen Sie sowieso noch alles abschreiben, was Sie da hinunter gepumpt haben –, denn man hätte dadurch erreicht, dass zumindest die Wirtschaftsleistung nicht einbricht, und man hätte die sozialen Unruhen zum Großteil verhindern können, weil eben nicht so viele Leute auf die Straße gegangen wären, wenn sie ihren Job behalten hätten. Die Inlandsleistung wäre nicht eingebrochen, auch der Inlandsmarkt nicht.

Das alles haben Sie von der Hand gewiesen! Sie haben keinem einzigen Wirtschafts­experten geglaubt, gar nichts!

Und Sie widersprechen sich ja hier herinnen laufend selber. Sie sagen: Das hat Folgewirkungen. – Dann fragt man Sie: Ja, welche Folgewirkungen hat das? – Dann spricht man Sie an auf die Situation in Italien, in Spanien und, und, und, worauf Sie sagen: Das ist kein Problem, die Italiener haben ein Sparpaket geschnürt. Die haben ihre Probleme im Griff. – Also kann es das ja nicht sein. Das heißt also, Sie schüren jetzt Ängste in der Bevölkerung und sagen: Wenn wir die Griechen pleitegehen lassen, dann rechnen wir damit, dass wir 40 Milliarden € oder mehr bezahlen müssen. Und wenn es dann so weit kommt – und das wird in Bälde der Fall sein, weil Sie ja keine Gegenstrategie entwickelt haben –, geht man her und sagt: Ja, aber es hat uns dann unterm Strich nur 30 Milliarden € gekostet. – Wissen Sie, wie viel Geld das ist?

Und dann gehen Sie noch her und sagen: Wir können den Griechen nur helfen, wenn die EU oder der Euroraum in sich Einigkeit zeigt. – Ich weiß nicht, wo Sie die letzten Wochen waren. Sie wissen doch jetzt schon, dass die Finnen ausscheren, dass die Slowaken nicht mitmachen, dass die Tschechen den Euro gar nicht mehr wollen, dass sie von einem Vertrag zurücktreten, dass die Polen sich sehr skeptisch äußern. Ja, ich weiß nicht, wo Sie sich aufhalten?! Ich weiß nicht, sind Sie nur noch mit Kanzlerin Merkel unterwegs oder nicht?

Und dann noch ein Wort zu Herrn Matznetter. Ich weiß nicht: Hat er die Rede des roten Kollegen Gabriel in Deutschland nicht gehört? – Wenn er sie nicht gehört hat, gebe ich ihm einen Rat: Er kann die Rede des Kollegen Bucher abschreiben, denn die ist zur Hälfte von dort übernommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. Rest­rede­zeit: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Kickl: Jetzt kommt die zweite Hälfte!)

 


17.32.21

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich muss schon einmal diese Schulmeisterei zurückweisen, die hier immer wieder vorkommt. Wir diskutieren hier, das ist die Aufgabe des Parlaments!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 171

Es gibt zwei Richtungen, in die man gehen kann. Man kann in die Richtung der Finanzministerin gehen, die Richtung der EU-Bosse, die Richtung der Regierungs­parteien, die sagen: Wir zahlen ohne Ende, irgendwie werden sich die Griechen schon durchwurschteln! Auch wenn es bisher nicht funktioniert hat und man mit diesem Plan kläglich gescheitert ist, wir zahlen trotzdem weiter hinein! Es wird schon irgendwann, eines Tages, klappen. – Das ist Ihr Weg.

Unser Weg ist ein anderer, nämlich dass wir Folgendes sagen – und das Erfreuliche ist, dass diese Meinung, wenn man einen Blick über die Grenzen Österreichs hinaus wirft, mittlerweile mehrheitsfähig wird –: Anstatt immer mehr zu zahlen und einen Weg zu beschreiten, der sich bisher nicht bewährt hat, ist es doch klüger, eine geordnete Insolvenz Griechenlands einzuleiten (Abg. Kopf: Wo wir das Instrumentarium nicht haben?!), um uns zu helfen, dem Euroraum zu helfen, um den Euro zu retten und auch den Griechen zu helfen, meine Damen und Herren! Darum geht es nämlich auch in dieser Frage. (Beifall beim BZÖ.)

Wie verrückt dieser Plan von SPÖ, ÖVP und auch den EU-Bossen ist, sollen folgende Zahlen belegen. Da wird heute auch der Euro-Rettungsschirm diskutiert. Österreich zahlt als fünftreichstes Land der Welt an Bareinzahlungen 2,2 Milliarden € und an Garantien 17,3 Milliarden €, und man will damit Griechenland helfen. Aber jetzt ist die Frage: Wie viel zahlt Griechenland, das insolvente Griechenland? Wie viel soll Griechenland in diesen Euro-Rettungsschirm einzahlen? (Zwischenruf des Abg. Bucher.) – Laut den Plänen der EU-Bosse soll Griechenland – sowieso schon am Abgrund stehend – mehr einzahlen als wir Österreicher, nämlich 17,5 Milliarden € an Garantien und Barzahlungen in Höhe von 2,3 Milliarden €!

Wie soll sich das denn ausgehen, meine Damen und Herren, wie soll das bitte funk­tionieren? – Dieser Plan ist zum Scheitern verurteilt (Beifall beim BZÖ), und ich kann Sie nur dringend auffordern, im Interesse der Steuerzahler diesen Irrweg zu beenden und einen Schlussstrich zu ziehen – mit dem Bucher-Plan, wie wir ihn auch präsentiert haben.

Dazu eine Kennzahl, die eigentlich eine Warnung sein sollte. Der Rechnungshof hat erst vor wenigen Tagen davor gewarnt und darauf hingewiesen, dass bereits 40 Pro­zent der Gesamtausgaben des österreichischen Staatshaushaltes allein für Pensionen und Zinsen aufgehen. 40 Prozent! Diese Zahl ist wirklich erschütternd!

In diesem Zusammenhang können Sie ja nicht allen Ernstes die Frage beantworten – wenn wir heute in der Früh diskutieren, dass die Unis mehr Geld brauchen –, wie das funktionieren soll, wie sich das unterm Strich ausgehen soll und wo da dieses berühmte Geschäft für den Steuerzahler ist, von dem auch der Herr Ex-Finanzminister Pröll gesprochen hat. Ich sehe dieses Geschäft nicht, sondern ich sehe ein großes Fiasko auf uns zukommen, nämlich auch auf den österreichischen Steuerzahler, wenn wir nicht jetzt sagen – gemäß dem Motto: „Genug gezahlt!“ –, diese Verschuldung ist zu beenden und für Griechenland ist ein geordnetes Szenario zu entwickelt, wie ich das soeben skizziert habe. Das ist der einzig richtige Weg, der in der derzeitigen Phase möglich und auch sinnvoll ist.

Es freut uns, dass es für diesen Weg immer mehr Unterstützung gibt, vor allem auch seitens der FPÖ, denn an eines darf ich schon erinnern: Was Herr Strache schon alles gefordert hat! Er ist wie der Herausgeber der Zeitung „Österreich“. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der schreibt auch alles irgendwann einmal, um dann sagen zu können: Das habe ich sowieso immer behauptet!

Herr Strache hat schon gesagt: Wir wollen aus dem Euro austreten. – Jetzt ist er auf einmal für ein Kern-Europa mit einem Nord-Euro – unser Modell. (Ruf bei der FPÖ: Geh, geh, geh! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Herr Strache hat auch schon


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die Wiedereinführung des Schilling gefordert. Dann ist er draufgekommen, dass das ein Blödsinn ist, also hat auch er sich der BZÖ-Linie mit der Einführung eines Nord- und eines Süd-Euro angeschlossen. (Abg. Mag. Stefan: Ich würde so gerne bei euch eintreten, weil ihr so gescheit seid!)

Das heißt, der Herr Strache kann viel. Er kann auch laut schreien – nur vom Euro, von Wirtschaft und von Finanzen hat er wirklich keine Ahnung, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

17.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 


17.36.22

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Grundsätzlich gehe ich bei allen Abgeordneten, die in den Nationalrat gewählt worden sind, davon aus, dass sie das Beste für die Menschen in Österreich wollen – eben mit unterschiedlichen Ansätzen und mit unterschiedlichen Zugängen. Bei der heutigen Dringlichen des BZÖ ist mir allerdings dieses „Beste“ verschlossen geblieben.

Unbestritten, meine Damen und Herren, ist, dass die Lage in der Euro-Zone ernst ist – meines Erachtens zu ernst, um damit billige Polemik zu betreiben. Christoph Matznetter hat ja in seinem Beitrag bereits auf die Verflechtung der Finanzmärkte hingewiesen, und am Beispiel von Lehman Brothers ist zu erkennen, dass die Auswirkungen bis hin zur globalen Finanzkrise vollkommen unterschätzt wurden.

Dazu, dass wir in Österreich die Finanzkrise grundsätzlich gut bewältigt haben, hat nicht zuletzt die Stabilität des Sozialstaates einen wesentlichen Beitrag geleistet. Ich sage das deshalb, weil – die Frau Bundesministerin hat es auch angesprochen – wir in dieser Zeit einen Exportrückgang hatten, aber durch die Kaufkrafterhaltung der Bevölkerung die Krise eben entsprechend gut bewältigen konnten.

Nun zum EFSF und den Problemen einzelner Länder in der Euro-Zone: Der EFSF als Schutzschirm dient als Übergangsregelung, um eben unkontrollierte Folgen einer Destabilisierung aufzufangen, und wir werden im ESM einen Teil dieser Ausgleichs­regelungen, so hoffe ich, in diesem Haus doch mit großer Mehrheit beschließen. Frau Bundesministerin Fekter, aber bei aller Notwendigkeit eines Konsolidierungspfades muss Griechenland auch die Möglichkeit haben, Konjunkturimpulse setzen zu können, sonst sehe ich alle unsere gemeinsamen Bemühungen wirkungslos – und darum habe ich auch das Thema „inländische Kaufkraft“ angesprochen. Es kann auch nicht sein, das wir in der Euro-Zone dafür zahlen, dass sich einige zum Beispiel an griechischen Privatisierungen bereichern, Frau Ministerin!

Aber auch die Frage der Steuer- und Kapitalflucht dürfen wir nicht nur den Griechen überlassen, sondern wir müssen uns letzen Endes auch in Europa dazu positionieren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Frau Bundesministerin! Bei aller Kontrollfunktion der Troika müssen wir wirklich darauf drängen, dass die Griechen auch wachstumsfördernde Maßnahmen beschließen kön­nen. Nun wieder zu den AntragstellerInnen: In der „Financial Times Deutschland“ schreibt man unter dem Titel „Das riskante Spiel mit der Staatspleite“ Folgendes:

„So besteht die Gefahr eines Übergreifens auf andere Länder wie Portugal oder im schlimmsten Fall Italien – wenn die Märkte zur Meinung gelangen, dass nun auch dort ein Schuldenschnitt denkbar wäre. Ökonomen fürchten dann die endgültige Eskalation der Schuldenkrise, denn bei Italien wäre eine Stützung durch die EU nicht mehr möglich.“


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Auch das sollten Sie, meine Damen und Herren vom BZÖ, lesen.

Und wie sensibel – ja, man könnte schon sagen: hektisch – die Finanzmärkte reagie­ren, haben wir ja im eigenen Haus gemerkt. Ich glaube, Herr Kollege Kogler hat auch nicht damit gerechnet, dass das Verhalten der Grünen im Finanzausschuss sogar die Börsen kurzfristig beleben wird, sage ich einmal – im negativen Sinn (Bundesministerin Dr. Fekter: Irritieren!) –, oder irritieren wird. Genau, das ist vielleicht der richtigere Ausdruck.

Herr Abgeordneter Themessl hat die „Kronen Zeitung“ zitiert, er hat aber nur die Überschrift zitiert (Zwischenruf des Abg. Ing. Höbart), und das halte ich schon für wesentlich: Massenentlassungen von Beamten, Kürzungen von Pensionen und Gehältern, Kürzungen von Arbeitslosengeld und so weiter.

Das sind alles keine Maßnahmen, die die Kaufkraft im Inland stärken. Kollege Kogler hat ja schon recht ausführlich darauf hingewiesen, wie wesentlich Wachstum ist, wenn die Griechen diese Situation bewältigen wollen.

Aber, Herr Kollege Themessl, es steht auch drinnen: Alarmstimmung in Rom und Lissabon. – Also wenn Sie schon die „Kronen Zeitung“ heranziehen, dann würde ich das nicht mit Panikmache von unserer Seite argumentieren, sondern Sie sollten, wenn Sie schon anfangen, aus der „Kronen Zeitung“ zu zitieren, auch da alles zitieren.

Es stellt sich die Frage, was Sie von BZÖ und FPÖ mit dieser Politik eigentlich wollen, außer die Verunsicherung der Menschen zu verstärken. Wollen Sie den Menschen vorgaukeln, es gäbe eine Zukunft ohne Euro für uns in Österreich? Was bezwecken Sie mit den Fehlinformationen?

Meine Damen und Herren! Eine Politik der Panikmache hilft weder der Demokratie noch den Österreicherinnen und Österreichern. Konstruktive Vorschläge von Ihnen fehlen. Der Euroschutzschirm ist nicht nur im Interesse der Griechen, sondern auch im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher. Das sollten Sie endlich so auch akzeptieren und zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Was macht eigentlich die Frau Silhavy? – Abg. Silhavy – das Rednerpult verlassend –: Nicht blöd daherreden wie andere!)

17.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


17.41.19

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Finanzministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wäre die Sache, um die es heute geht, nicht so ernst, müsste man sich direkt darüber lustig machen, wie Sie Ihren Bruderkrieg hier offen ausfechten: BZÖ gegen FPÖ. Und es ist ganz einfach ... (Abg. Grosz: Sie müssen das ja wissen von der Wiener ÖVP!) – Herr Kollege Grosz! Ich weiß nicht, was da miteinander zu vergleichen wäre. (Beifall des Abg. Amon. – Abg. Grosz: Die sogenannte Trümmerfrau der Wiener ÖVP!)

Als Mitglied einer Gemeinschaft, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, muss man sich auch solidarisch seinen Mitgliedstaaten gegenüber verhalten. (Abg. Grosz: Die Trümmerfrau der Wiener ÖVP!) – Ich habe Ihnen zugehört, und ich habe Ihnen auf­merksam zugehört, und vielleicht können Sie mir auch zuhören. Wenn Sie einen Lagebericht über die Wiener ÖVP hören wollen, können Sie gerne mit mir nachher im Couloir darüber sprechen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Aber am Friedhof, oder wo? Sie sind ein weiblicher Pompfüneberer!)

Als Mitglied einer Gemeinschaft – und das ist die Europäische Union und auch die Währungsunion – hat man ganz einfach auch solidarisch zu sein. Ich glaube, dass wir


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es, genauso wie alle anderen Mitgliedstaaten auch, notwendig haben, für unsere österreichische Wirtschaft, aber natürlich auch für unsere Arbeitsplätze, die unsere österreichische Wirtschaft schafft, dafür zu sorgen, dass der Euro eine stabile Währung bleibt. Es bringt uns nämlich überhaupt nicht weiter, wenn wir jetzt hier ein Pleite­szenario herbeiführen, indem wir Diskussionen führen, in denen wir das noch verstär­ken, was Ratingagenturen über Griechenland, über Italien et cetera sagen. Ich denke, dass wir als Politiker hier im Hohen Haus und in Österreich Verantwortung dafür tragen, dass der Euro und dadurch auch unsere Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union gegenüber anderen Wirtschaftsmärkten bestehen bleiben und sich weiterentwickeln.

Es ist natürlich leicht gesagt: Genug gezahlt!, et cetera, aber ganz ehrlich: Was hätten wir davon, wenn die Griechen jetzt von uns nichts mehr kriegen oder wenn wir sagen würden, die Griechen sollen halt pleitegehen, es ist uns ganz egal?

Wenn wir davon ausgehen, dass wir eine Außenhandelsquote von 60 Prozent haben, dann ist es ja nicht so, dass jeder Einzelteil gleich nach Griechenland geht. Herr Kollege Themessl! Die Handelsbilanz ist das eine, aber nicht jeder Teil, der aus Österreich in ein anderes Land exportiert wird und dann nach Griechenland geht, stellt einen direkten Handel dar. Aber das ist ja trotzdem etwas, was unsere Unternehmen schwächt, und das wollen wir nicht!

Wir übernehmen Verantwortung. Man kann unterschiedlicher Meinung sein über die Maßnahmen, die die Griechen jetzt ergreifen müssen. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob es notwendig ist, dass Pensionen gekürzt werden. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob es notwendig ist, dass so viele Beamte jetzt plötzlich freigesetzt werden. Aber bei einem Punkt glaube ich schon, dass wir alle auf dem gleichen Standpunkt stehen: Die Griechen müssen für die Einhaltung ihrer Steuergesetze und für die Einhebung der Steuern sorgen. Ich glaube, dass es not­wendig sein wird, dass die Mitgliedstaaten ihre Fachexpertise Griechenland zur Verfü­gung stellen. Wir wissen ganz genau, wie wichtig Betrugsbekämpfungsgesetze sind, wie wichtig die Arbeit der Finanzpolizei ist, wie wichtig es ist, Steuern einzutreiben, und wie wichtig es ist, ... (Abg. Kickl: Schickt den Strasser!)

Ich weiß nicht, was der Herr Strasser da jetzt wieder zu suchen hat, Herr Kollege Kickl! Bitte, beschäftigen Sie sich einmal mit der Materie, und sprechen Sie einmal zur Sache! Gehen Sie heraus, und sprechen Sie zur Sache! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Der könnte vielleicht Wiener Obmann werden!)

Ich glaube nämlich schon, dass wir als Politiker seriös das Ganze betrachten sollten, und wir sollten auch innerhalb der Europäischen Union Griechenland unterstützen – und jedes andere Land auch, das in Schwierigkeiten gerät.

Wir haben eine Schuldenkrise in der Europäischen Union. Die Frau Finanzministerin hat es gesagt. Wir selber haben Schulden von über 70 Prozent. Und ich denke, wenn wir Verantwortung übernehmen, dann müssen wir auch Visionen entwickeln: Wie können wir diese Verantwortung in dieser Schuldenkrise tragen? – Die Frau Finanz­ministerin und unser Herr Vizekanzler haben vorgeschlagen, eine Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern, mit einer 60-Prozent-Höchstobergrenze bis zum Jahr 2020. (Abg. Ing. Westenthaler: Das haben wir vorgeschlagen! Vor zwei Jahren hat das BZÖ das vorgeschlagen!)

Wir haben ein modernes Haushaltsrecht. Wir haben jetzt eine Krise bewältigt. Österreich hat die Krise gut überstanden, weil wir viele Maßnahmen gemacht haben. Und jetzt ist diese Schuldenbremse in der Verfassung ein wichtiges Signal. Das werden wir durchsetzen, und wir werden ja dann sehen, Herr Kollege Westenthaler, ob das BZÖ dann, wenn die Regierungsvorlage am Tisch liegt, mitstimmt.


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Ich glaube, es ist viel leichter, in der Opposition populistische Parolen herauszubrüllen und zu sagen, das geht alles nicht, genug gezahlt, das ist alles schlecht. Aber wir übernehmen halt die Verantwortung. Und das unterscheidet Sie Gott sei Dank noch von den Grünen, die in dieser schwierigen Situation die Verantwortung übernehmen wollen, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP.)

17.46


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.

 


17.46.19

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Tamandl, Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP mahnen immer wieder die Solidarität ein, die Solidarität mit Europa, mit den Griechen in diesem Fall. Ich sage Ihnen, Sie sind vom österreichischen Volk in dieses Parlament gewählt worden, und die erste Solidarität, die Sie zu üben haben, ist diejenige dem österreichischen Bürger gegenüber! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Am 7. Juni 2010 hat der damalige Finanzminister Pröll den Anfang vom Ende eingeläutet, nämlich den Anfang vom Ende von zig Milliarden österreichischen Steuer­geldes, indem er das Abkommen für den EFSF damals unterzeichnet hat. Und am 20. Juni des Jahres 2011 setzt diesen „erfolgreichen“ Weg die Frau Finanzminister Fekter fort, indem sie mitbeschließt, dass das Gesamtgarantievolumen auf rund 780 Milliarden € angehoben werden soll. Davon entfallen satte 21 Milliarden € auf Österreich. Diese Summe ist von einer grundsätzlichen und gesamtösterreichischen Bedeutung, weswegen wir der Meinung sind, dass selbstverständlich hier das Volk mitzureden und mitzuentscheiden hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir meinen, dass diese Frage einer Volksbefragung und dann bejahendenfalls einer Volksabstimmung zugeführt werden muss. Aus diesem Grund stellen wir folgenden Entschließungsantrag:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Artikel 49b B-VG einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung über die Übernahme von Haftungen im Ausmaß von 21 Milliarden € im Wege der ,European Financial Stability Facility‘ zur Beschlussfassung vorzulegen.“

*****

Die Pleite Griechenlands ist kein Tabu mehr. Auch wenn in der Vorwoche noch OeNB-Gouverneur Nowotny im Finanzausschuss gesagt hat, man dürfe keine negativen Meinungen äußern, denn dann komme das ja alles wirklich so, bin ich der festen Überzeugung, das ist schon passiert.

Wenn man sich im Bankenbereich mit Firmen, mit Firmenkrediten beschäftigt, dann muss man sich schon das eine oder andere Mal überlegen, ob man gutes Geld, nämlich das der Sparer, schlechtem Geld der Kreditnehmer nachwirft. Diese Entschei­dungen sind nicht immer leicht. Es gilt vieles dabei zu beachten. Aber nichtsdestotrotz ist es manchmal notwendig, einen rigorosen Schlussstrich zu ziehen, und das geht auch ganz geregelt: Das ist der Konkurs oder der Ausgleich. Es ist nur die Frage, zu welchem Zeitpunkt und wie viel an Verlust will man noch einfahren. Ich bin überzeugt davon, dass Griechenland nicht untergehen wird, wenn wir hier einen Konkurs oder Ausgleich anzetteln. Überhaupt nicht! Keine Insel wird versinken, die Akropolis wird nicht einstürzen. Da können Sie ruhig das Orakel von Delphi befragen, wenn Sie es finden. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 176

Ich bin nicht allein mit dieser Meinung, immer mehr Ökonomen, das wurde heute schon angesprochen, stehen da auf meiner Seite. So auch der Vorstandschef der nieder­ländischen Rabobank, Bert Bruggink, der sagt: Es ist nicht mehr die Frage, ob, sondern, wann Griechenland pleitegeht. Die Schuldenlast der Griechen ist viel zu hoch. Bis zu 50 Prozent ihrer Schulden müsse man den Griechen erlassen, meint Bruggink.

Der niederländische Finanzminister gibt zu, dass er bereits alle Szenarien durch­gerechnet hat. Die Deutschen – das wurde heute schon angesprochen – ebenfalls. Es ist jetzt die Frage, in welcher Art und Weise man Griechenland in die Pleite schickt: Bleibt es in der Euro-Zone oder scheidet Griechenland aus der Währungsunion aus? Beides hat Vor- und Nachteile. Das kann ich jetzt aufgrund meiner geringen verblei­benden Restzeit leider nicht mehr ausführen, hätte ich gerne gemacht. Aber meine Meinung ist: Verschließen wir uns nicht davor, hier eine geregelte Pleite herbeizu­führen! Es ist im Sinne des österreichischen Steuerzahlers.

Man braucht sich ja nur anzuschauen, was hier passiert, wie viel den Österreichern aus der Tasche gezogen wird. Sie haben die Einnahmen der Österreicher gesenkt, indem Sie die 13. Kinderbeihilfe gesenkt haben. Sie haben den Pensionisten den Allein­verdienerabsetzbetrag weggenommen. Das sind viele, viele Euro im Jahr. Es galoppiert die Inflation davon – und nicht nur in Richtung 4 Prozent, die gefühlte Inflation bei den Menschen ist viel höher, und das ist auch die tatsächliche. Wenn Sie zur Tankstelle fahren und die Spritpreise anschauen, wird Ihnen ganz schwarz vor Augen.

Meine Damen und Herren! Wir haben hier auf Österreich und seine Steuerzahler zu schauen und nicht auf die Griechen! (Beifall bei der FPÖ.)

17.51


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Strache, Zanger

eingebracht in der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Bucher, Stadler, Westenthaler, Windholz, Petzner und Kollegen in der 118. Sitzung des Nationalrates

betreffend die Durchführung einer Volksbefragung über die Übernahme von Haftungen im Wege der EFSF im Ausmaß von 21 Milliarden Euro durch die Republik Österreich.

Seitens der Regierungsparteien ist die Beschlussfassung der Haftungserweiterung der EFSF auf über 21 Milliarden Euro noch im September 2011 fix in Aussicht genommen. Auf Grund der enormen finanziellen Belastung, die auf die Republik Österreich in Folge dieser Haftungsübernahme zukommen könnte, handelt es sich um eine Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, die zunächst einer Volksbefragung, und bejahendenfalls einer Volksabstimmung zugeführt werden soll, wie es Bundeskanzler Faymann im Wahlkampf im Wege der Kronen Zeitung versprochen hat.

Unterfertigte Abgeordnete stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat möge beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 177

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Art. 49b B-VG einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung über die Übernahme von Haftungen im Ausmaß von 21 Milliarden Euro im Wege der „European Financial Stability Facility“ zur Beschlussfassung vorzulegen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


17.51.58

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für viele ist es eine große Über­raschung, dass Griechenland in Schwierigkeiten ist. Wenn man sich die Geschichte etwas ansieht, und zwar die letzten 200 Jahre, so muss man feststellen, dass Griechenland in den letzten 200 Jahren praktisch 100 Jahre in Zahlungsschwierig­keiten war. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Griechenland praktisch permanent pleite.

Jetzt hat man Griechenland in die Euro-Zone gelassen. Ich frage mich, was uns da geritten hat. Man hat sie in die Euro-Zone gelassen, hat akzeptiert, dass sie ihre Bilanzen dementsprechend frisiert haben, und hat seit dem Jahr 2006 schon gewusst, dass hier getürkt wird. Man hat 2006 gewusst, dass nicht nur die Konvergenzkriterien nicht eingehalten werden. Nein, man hat gewusst, dass falsche Zahlen geliefert werden und dass Griechenland auf dem Weg zur Pleite ist. Das hat man 2006 schon in der Kommission gewusst! Und was hat man gemacht? – Man hat gar nichts gemacht. Man hat einfach den Kopf in den Sand gesteckt und hat gehofft, dass dieser Kelch an uns vorübergeht. Nur, warum hat man das gehofft?

Aus der Geschichte wissen wir, Griechenland hat viel Erfahrung mit der Pleite. Es ist beinahe ein Teil der griechischen Kultur, pleite zu sein. Jetzt haben wir Griechenland zugestanden, dass es einen Schuldenberg anhäuft, der größer ist als der Olymp, und wundern uns jetzt, dass die Griechen diesen Schuldenberg nicht abbauen können.

Was wäre passiert, hätten wir sie pleitegehen lassen, so wie sie das auch in der Vergangenheit x-fach waren, so wie das auch schon viele andere Länder x-fach waren? Wir wissen alle, dass in den letzten 30 Jahren 30 Länder pleite waren. Das verdrängen wir ja. Da sind so Superstars dabei wie Russland, zweimal pleite, Brasilien und viele andere Länder, die jetzt erfolgreich sind. Das heißt, die Pleite ist ja in erster Linie ein Problem der Gläubiger und nicht des Landes. Es hat sogar früher Kriege deswegen gegeben. Wenn Länder früher ihre Zahlungen eingestellt haben, haben dann Gläubiger einen Krieg angefangen, um sie daran zu erinnern, dass sie noch etwas zu begleichen haben. Glauben Sie, dass die Deutschen und die Franzosen in Griechenland einmarschiert wären, hätten die Griechen ihre Zahlungen eingestellt, so wie in der Vergangenheit, so wie in der Geschichte schon x-fach? – Ganz sicher nicht!

Das heißt, gezahlt hätten die Gläubiger, und die Gläubiger waren damals noch die Banken. Und da hat es geheißen: Um Gottes willen, die Banken zahlen schon wieder! Die Banken haben 2008 schon einmal die Politik erpresst. Und wenn das 2008 gut funktioniert hat, warum nicht auch 2010? Somit sind die Banken zu den Politikern gegangen, vor allem die deutschen und die französischen, und haben gesagt: Liebe Freunde! Wenn Griechenland pleitegeht, was unausweichlich ist – das sehen mittler­weile alle –, dann müssen wir in die Kassa greifen, dann wird es teuer für uns. Und dann haben sich die Banken ein Verlustvermeidungspaket bei den Politikern bestellt. Die Banken haben es bestellt, die Politiker haben es geliefert, und wir werden es zahlen, wir Bürger. Und genauso funktioniert es.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 178

Griechenland hat zum damaligen Zeitpunkt etwas über 300 Milliarden € an Schulden gehabt. Davon wären in etwa 50 Prozent schlagend geworden. Das wären ungefähr 150 Milliarden €. Wenn ich mir anschaue, dass allein die Deutsche Bank heuer 10 Milliarden € Gewinne macht, 10 Milliarden € in einem Jahr, nur die Deutsche Bank, dann kann ich Ihnen sagen – und das werden Ihnen viele Experten sagen –, das hätten die Banken locker überstanden. Und wenn es einzelne Banken gegeben hätte, die das nicht geschafft hätten, hätten wir sie immer noch retten können. Aber nicht Griechenland auf Gedeih und Verderb an uns ketten und letztlich mit Griechenland untergehen!

Aber es sind ja nicht nur die Banken, die bei der ganzen Sache profitieren. Es sind ja auch die Politiker. Auch die Politiker profitieren, und zwar jene Politiker, die die Weltreligion Schuldenmachen auf ihre Fahnen geheftet haben. Es gibt leider sehr, sehr viele Politiker, die das Schuldenmachen als Fetisch ansehen und das immer wieder und immer exzessiver tun. Ich habe vor zehn Jahren mit dem Herrn Sallmutter gesprochen; ich weiß nicht, ob den noch jemand kennt. Das war damals ein hoher Gewerkschaftsfunktionär der SPÖ. Und der Herr Sallmutter hat damals noch behauptet, dass er sich nicht sicher ist, ob die Staatsschulden jemals zurückgezahlt werden müssen. – Heute wissen wir, sie müssen zurückbezahlt werden. Und wenn man das nicht kann, dann muss man eben in die Pleite gehen, mit all den Folgen, die daraus resultieren.

Wir haben heute gehört, die Opposition – ich zähle mich auch dazu – sei verantwor­tungslos. – Da frage ich mich, wer da tatsächlich verantwortungslos ist. Die Griechen haben mittlerweile 350 Milliarden € an Schulden. Gleichzeitig haben die Griechen ihr Geld ins Ausland gebracht, und zwar 300 Milliarden €. Das muss man sich einmal vorstellen! Diese Zahl kommt nicht von mir. Diese Zahl kommt von einem griechischen Parlamentarier, der hier in Österreich war und ein Interview gegeben hat. Der hat gesagt, er hat Informationen, dass im Ausland 300 Milliarden € griechisches Vermögen schlummert. Nicht alles legales Geld.

Jetzt frage ich mich: Wenn die Griechen pleite sind im Umfang von 350 Milliarden € und im Ausland 300 Milliarden € liegen haben, warum greifen sie nicht auf dieses Geld zu? Ich kann Ihnen sagen, warum sie das nicht tun. Weil wir dafür aufkommen. Warum sollten sie? Warum sollten die Griechen in die eigene Tasche greifen, wenn wir die Rechnungen zahlen? Das macht doch keinen Sinn. Und genau das ist das Problem. Das heißt, solange wir hier Geld schicken, werden die Griechen auch keinen Finger rühren, sich selbst aus der Krise zu helfen.

Wir hätten wirklich die Erfahrungen der Griechen mit der Pleite, und die haben da sehr viel Erfahrung, nützen sollen. Die hätten das schon geschafft. Die Griechen hätten sich aus dem Schlamassel gezogen auf die eine oder andere Art, so wie sie das in der Vergangenheit auch immer getan haben. Und dem Euro hätte das nicht geschadet, dem Euro hätte das sogar genützt.

Jetzt sieht es anders aus. Jetzt hat sich die EZB, jetzt haben sich die Staaten, alle haben sich an Griechenland gekettet. Wir überweisen weiter Geld hinunter, der Schul­denberg wird immer höher, und jetzt hoffen wir, dass die Griechen irgendwann diese Schulden begleichen werden. Nur wie soll das funktionieren? Die Griechen haben am Anfang Probleme gehabt, weil sie plötzlich 6, 7, 8 Prozent zahlen mussten. Dann haben wir ihnen den Zins auf 5 Prozent reduziert, später auf 4 Prozent. Jetzt kommt die Frau Ministerin daher und sagt: Es müssen 0 Prozent sein! Das heißt, wir finanzieren den Griechen ihre Schulden, wir zahlen auch noch die Zinsen, legen unser Geld oben drauf, auf ihren Riesenberg, sie machen ungefähr 20 Milliarden € neue Schulden heuer – und wir hoffen, dass sie das irgendwann zurückzahlen werden. Wie soll das gehen?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 179

Schauen Sie sich die Geschichte an! Es gibt ein sehr gutes Buch dazu. Das heißt „Dieses Mal ist alles anders“. Da werden 800 Jahre Finanzkatastrophen aufgearbeitet. Da steht drinnen, es hat noch kein einziges Land, das nur annähernd so schwer in der Bredouille war wie die Griechen, es jemals aus eigener Kraft geschafft, ohne einen Ausgleich beziehungsweise ohne eine Pleite. Das heißt, alles, was wir verordnen, sämtliche Wirtschaftsbelebungsprogramme, die hier im Raum stehen, sämtliche Sparmaßnahmen, das alles wird letztlich nicht funktionieren. Und das ist genau der Punkt.

Die Frau Ministerin hat sich ja gefreut, dass wir nur 2,5 Prozent Zinsen zahlen. Ich kann Ihnen eines sagen: Mit dem, was Sie hier machen, ketten Sie sich an einen Untergehenden. Mit dieser Aktion werden unsere Zinsen steigen, und zwar dann, wenn Österreich auch gefährdet ist, und das wird bald der Fall sein. Österreich wird bald gefährdet sein, dann werden unsere Zinsen auch steigen – und dann fehlt uns der Spielraum.

Am Horizont ziehen bereits dunkle Konjunkturwolken auf, und wir stehen mit komplett heruntergelassenen Hosen da. Wir haben null Spielraum, um irgendetwas für unsere Wirtschaft zu tun, wenn es losgeht – und ich kann Ihnen garantieren, es geht sehr bald los, sehr bald kommt die zweite Welle der Krise, und dann schauen wir lieb aus der Wäsche, weil diese Regierung es auf der einen Seite verabsäumt hat, entsprechende Reserven anzulegen, und uns auf der zweiten Seite an Griechenland gekettet hat, was uns noch Milliarden kosten wird und uns dann, wenn wir Geld brauchen werden, in den Abgrund reißen wird.

Hören Sie daher auf mit dem Grundsatz: Die Banken bestellen es, die Politiker liefern und die Menschen zahlen. Das darf so nicht weitergehen! – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Dolinschek. – Oh-Rufe bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

18.01

18.01.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Volksabstimmung jetzt! Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten!

Jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, bitte ich um ihr Zeichen. – Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Durchführung einer Volksbefragung über die Übernahme von Haftungen im Wege der EFSF im Ausmaß von 21 Milliarden € durch die Republik Österreich. (Abg. Riepl: Strache ist ja nicht da! – Ruf bei der SPÖ: Wo ist der Antragsteller? – Abg. Riepl: Sollten wir nicht warten, bis er kommt? – Weitere Zwi­schen­rufe bei der SPÖ.)

Wer diesen Entschließungsantrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist abgelehnt.

18.02.34Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nunmehr zu einer kurzen Debatte, und zwar betrifft diese den Antrag der Abgeordneten Krainer, Dr. Stummvoll, Kolleginnen


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und Kollegen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über das Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird, eine Frist bis 27. Sep­tember 2011 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­set­zungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, der Erstredner zur Begründung 10 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bun­desregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Professor Krainer!)

 


18.03.14

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Der Fristsetzungsantrag betrifft das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das ist die gesetzliche Grundlage und die Zusage Österreichs im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen der Euro-Gruppe, dass sich auch Österreich an der Ausweitung des Rettungsschirmes, des EFSF, solidarisch beteiligt.

Wir von der Sozialdemokratischen Partei unterstützen diesen Gesetzesvorschlag. Aber nicht deswegen, weil wir es besonders toll finden, möglichst viel Geld irgendwohin zu bringen, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass dieser Rettungsschirm und überhaupt Maßnahmen zur Rettung und zur solidarischen Unterstützung von anderen Staaten in Europa – ob das Portugal, Irland, Griechenland oder Österreich ist – besser sind, auch für Österreich, als unkontrollierte, destabilisierende Szenarien, wie sie manche hier vorschlagen.

Wir sagen nicht, dass das, was hier geschieht, alternativlos ist. Nein, nein, es gibt immer Alternativen, aber wir glauben, dass die Alternativen, die auch hier teilweise vorgeschlagen werden, jedenfalls auch für Österreich wesentlich schlechter wären.

Kollege Matznetter hat in der vorhergegangenen Debatte das Beispiel Lehman Brothers gebracht, anhand dessen man sieht, welche Auswirkungen Konkurse – von Banken, mitunter aber auch von Staaten – haben können. Die Asien-Krise hat uns gezeigt, wie ein Land nach dem anderen angesteckt wurde und welche finanziellen und sozialen Kosten das verursacht hat, und hat uns gelehrt, dass es wesentlich besser ist, in einer stabilen Art und Weise aus der Krise herauszukommen und da gemeinsam solidarisch zu wirken.

Das, was ich durchaus auch kritisiere, ist, dass wir noch viel zu wenig über die Ursachen der Krise gesprochen haben. Es gibt ja manche, die glauben, dass die Schulden die Krise verursacht haben, dabei aber ganz vergessen, dass am Anfang die Finanzkrise stand, die dann zu den erhöhten Schulden der Staaten geführt hat. Das heißt, manche verwechseln da Ursache und Wirkung.

Und für die Finanzkrise gab es eine Reihe von Ursachen, das kann man nicht mit einer Ursache abtun. Jedenfalls glaube ich, einer der nicht unwesentlichen Punkte ist die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen in den Gesellschaften, die zu einer Destabilisierung der Gesellschaft und auch zu einer Destabilisierung der Finanz­märkte und des Finanzsystems geführt hat.

Dazu kommen Ideologien wie: Privat ist besser als Staat – deswegen muss man alles privatisieren –, Märkte wissen alles besser, Märkte sind immer am effizientesten –


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deswegen musste alles dereguliert werden. Es hat sich aber gezeigt, dass viele dieser Schritte, die da gesetzt wurden, Irrwege waren.

Und einer der Kernpunkte ist eben diese ungleiche Verteilung von Vermögen und von Einkommen, wo eine ganz kleine Gruppe einer Gesellschaft über sehr viel Vermögen, sehr viel Reichtum verfügt, die große Mehrheit – 90, 95 Prozent – jedoch über gar kein oder über kein nennenswertes Vermögen. Und diese kleine Gruppe, die über den Großteil des Vermögens verfügt, agiert wesentlich risikoreicher und destabilisiert damit das ganze System wesentlich stärker. Das in Verbindung mit einer Reihe von anderen Sachen halte ich für einen wesentlichen Punkt.

Wir hatten in der Geschichte unseres Wirtschaftssystems schon ähnliche Phasen, denken wir an die 1920er Jahre, an die damals auch von den USA ausgehende große Wirtschaftskrise. Auch damals gab es ganz große Ungleichheiten in der Gesellschaft, was Vermögen und Einkommen betrifft. Die Politik, die danach in den dreißiger Jahren erfolgt ist, hat genau dort angesetzt, um die Gesellschaft gleicher zu machen. Franklin D. Roosevelt hat vor allem über die Steuerseite zu einer wesentlich ausgeglicheneren Gesellschaft beigetragen, innerhalb einer Generation.

Ich denke, dass wir im Moment international ähnliche Politiken fahren müssen. Deswegen ist ja auch das Fünf-Punkte-Programm für Gerechtigkeit, das jetzt Werner Faymann vorgestellt hat, das absolut Richtige. Wir müssen ganz konkret schauen, wie über Vermögen ein Beitrag geleistet werden kann, um diese Krise zu finanzieren, um unsere Gesellschaft zu stabilisieren und für die Zukunft krisenfester zu machen.

Ein Punkt, den ich wirklich kritisieren muss, ist die Fokussierung auf Schulden, die Art und Weise, wie im Moment in Europa damit umgegangen wird. Gerade als Sozialdemokrat weiß man, dass Staatsschulden schlecht sind, weil sie natürlich den Staat schwächen. Und jedem Sozialdemokraten, dem der Sozialstaat wichtig ist, ist ein starker Staat wichtig und kein schwacher Staat – deswegen ist ja der natürliche Feind von Staatsschulden der Sozialdemokrat. (Abg. Lausch: So ein Blödsinn!) Deswegen sind wir dafür, dass wir ganz besonders darauf achten, dass wir die Finanzierungs­fähigkeit des Staates beibehalten und dass die Staatsschulden in einem vernünftigen Maß bleiben und reduziert werden und die Budgets ausgeglichen sind.

Aber wozu die reine Fokussierung auf Schulden und das völlige Außer-Acht-Lassen anderer ganz wesentlicher ökonomischer Kennzahlen, wie zum Beispiel der Arbeits­losigkeit, der Beschäftigung, des Wachstums, führen, sieht man jetzt gerade an Griechenland, sieht man an der Art und Weise, wie Griechenland mit seinem Defizit umgehen soll – diktiert seitens der Troika. Griechenland soll sparen, sparen, sparen, die Arbeitslosigkeit ignorieren, das Wirtschaftswachstum ignorieren, wodurch es jedoch in einen Teufelskreis gerät, da das BIP sinkt, wodurch automatisch die Schulden steigen, wodurch automatisch das Defizit steigt – und es gibt kaum nennenswerte Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung.

Ich glaube, die 3-Prozent-Grenze beim Defizit ist richtig, aber wieso gibt es in der Europäischen Union eigentlich nicht auch eine 3-Prozent-Grenze bei der Arbeits­losig­keit? Wieso ist in der Betrachtung der Politik die Frage der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit nicht mindestens so wichtig wie die Schuldengrenze? Die Schulden­grenze ist wichtig, aber es gibt noch viele andere Punkte, die genauso wichtig sind, und dazu gehört zum Beispiel die Frage der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit.

Was kann man da machen? – Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie man für mehr Beschäftigung sorgen kann, deren Umsetzung man auch in Österreich überlegen kann. Über mehr Beschäftigung kommt man ja auch zu mehr Wachstum. Ein Vorschlag ist der Ausbau des Sozialstaates. Es gibt eine Reihe von sozialen Dienstleistungen, welcher die Gesellschaft bedarf. Ich denke dabei an Kinderbetreuung und an Pflege,


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die sehr beschäftigungsintensiv sind. Und wir wissen genau, dass wir in diesen Bereichen den Sozialstaat ausbauen müssen.

Wir sehen das auch ganz offensiv als Beschäftigungsmaßnahme und sagen ganz kon­kret, dass wir da eine Reihe von hochwertigen, von sicheren Arbeitsplätzen schaffen können, die eine ganz hohe Wertschöpfung für die Gesellschaft ermöglichen und die unsere Gesellschaft braucht, die unsere Familien, unsere Staatsbürger, unsere Alten und Kinder brauchen.

Der zweite Vorschlag ist, über Bildung. Je länger jemand in Ausbildung ist, desto später kommt er auf den Arbeitsmarkt. Das heißt, man kann damit natürlich auch den Arbeitsmarkt entlasten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.) Das heißt, wenn die Ausbildungszeit ein oder zwei Jahre länger dauert, hat das eine positive Auswirkung im doppelten Sinn: Erstens haben wir durch diese zwei Jahre eine Entlastung des Arbeitsmarktes, und zweitens haben wir nachher produktivere Teilnehmer am Arbeits­markt.

Eine dritte Variante ist eine Arbeitszeitverkürzung. Es gibt intelligente Formen der Arbeitszeitverkürzung. Die Geschichte zeigt auch, dass diese natürlich zu einer höheren Beschäftigung führen, dass sie in einer Gesellschaft natürlich die Arbeit gerechter verteilen.

Wir müssen daher wirklich auch ganz konkret darüber nachdenken, wie wir für mehr Beschäftigung sorgen können. Ich habe jetzt drei Varianten genannt.

Um noch einmal auf das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz zu kommen: Es ist extrem wichtig – ich unterstreiche das –, auf die Schulden zu achten, darauf zu achten, dass die Budgets möglichst ausgeglichen sind und ein Staat möglichst wenige Schulden hat. Aber das ist nicht die einzige Zahl, um die es geht, es gibt viele weitere wichtige Zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


18.11.54

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich im Gegensatz zu meinem Vorredner wirklich nur wegen der Fristsetzung zu Wort gemeldet.

Die Fristsetzung brauchen wir deshalb, weil das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz noch nicht zugewiesen war, als wir die letzte Sitzung des Finanzausschusses hatten. Eine Erweiterung der Tagesordnung hat eine Zweidrittelmehrheit vorausgesetzt, diese hatten wir aber nicht, weil Kollege Kogler – aus seiner Sicht durchaus legitim – gemeint hat, dass ihm noch gewisse Informationen fehlen, die er aus einem Schriftverkehr vom Bundeskanzler gefordert hat.

Dieser Fristsetzungsantrag auch deshalb, weil wir die Zusage auf europäischer Ebene einhalten wollen, wonach die einzelnen Mitgliedstaaten bis Ende September die ent­sprechenden nationalen Maßnahmen umsetzen, um diesen Haftungsschirm auf tat­sächliche 440 Milliarden € auszuweiten.

Das ist der Grund für die Fristsetzung, sonst gar nichts. Keine gefährliche Drohung an die Opposition, sondern ein sehr sachlich orientierter Beitrag.

Ich möchte zu meinem Vorredner Krainer nur eines sagen: Ich weiß jetzt, Herr Kollege Krainer, warum einige den Zwischenruf „Professor Krainer!“ gemacht haben: Weil Ihre Theorie, dass die globale Finanzkrise durch die soziale Ungerechtigkeit ausgelöst


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wurde, zweifellos nobelpreisverdächtig ist. Ich gratuliere. (Beifall bei der ÖVP. – Ironi­sche Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war ein ziemliches Käsekrainer!)

18.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgorschek. – Bitte.

 


18.13.08

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich könnte jetzt natürlich die Diskussion von vorhin fortsetzen, aber ich glaube, die Argumente sind schon ziemlich detailliert ausgetauscht worden, ich möchte aber trotzdem noch ein paar Aspekte erwähnen.

Die SPÖ ist jetzt, glaube ich, selbst in eine Populismusfalle getappt. Verfolgen wir das politische Geschehen der letzten Zeit: Herr Bundeskanzler Faymann verlangt zum Beispiel eine Volksabstimmung betreffend die Abschaffung der Wehrpflicht. Er verlangt eine Volksabstimmung darüber, ob eine Vermögen- oder Reichensteuer eingeführt werden soll. Er hat gemeinsam mit der „Kronen Zeitung“ groß verkündet, dass bei essentiellen Änderungen des Lissabon-Vertrages selbstverständlich eine Volksabstim­mung durchgeführt werden soll. Ich frage mich da: Ist die Erweiterung des Euro-Schutzschirms keine essentielle Sache, wenn Milliardenhaftungen eingegangen wer­den? – Aber bitte, das muss die SPÖ jetzt einmal mit sich selbst oder vielleicht mit der „Kronen Zeitung“ ausmachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Zweite, das ich bei diesem Fristsetzungsantrag nicht verstehe, ist, warum jetzt diese Eile geboten ist. Es entsteht da meinerseits schon der Verdacht, dass wir so schnell sein müssen, damit wir den Slowaken zeigen, welch guter Musterschüler der EU wir sind, dass wir alles unter Dach und Fach haben, damit sich die Slowaken ja nicht trauen, gegen diesen EFSF zu stimmen.

Wir sind halt leider – und das muss ich immer wieder feststellen – der Musterschüler der Europäischen Union. Aber ich sage Ihnen eines: Erwarten Sie keinen Dank! Weder Dank von der österreichischen Bevölkerung noch von der EU, denn das Geld, das wir dorthin schicken beziehungsweise mit dem wir haften, ist schneller weg, als wir glauben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Interessante ist ja, dass selbst in Griechenland jetzt schon über ein mögliches Referendum über den Ausstieg aus dem Euro diskutiert wird. Das sind ja nicht Hirngespinste, die hier in Österreich entstanden sind, sondern selbst die Griechen denken schon darüber nach. Es ist so weit, dass in Griechenland mittlerweile sogar Steuerbescheide öffentlich verbrannt werden.

Ich gehe davon aus – und nehmen Sie mich beim Wort –: In Griechenland wird es – eigentlich gibt es sie schon längst – zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen. Daran wird auch der neue Rettungsschirm nichts ändern.

Bis jetzt kann ich nur eines sagen: Keine der Prognosen, die Sie gestellt haben, was die Griechenland-Dramatik anlangt – und das ist eine Dramatik! –, ist bis jetzt eingetreten, sondern letzten Endes immer das, was wir gesagt haben. Wieso sollte sich daran jetzt etwas ändern?

Ich meine daher, es ist keine Eile, es ist keine Dringlichkeit geboten. (Beifall bei der FPÖ.)

18.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 



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18.16.26

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja wirklich einmal die seltene Gelegenheit, einen Fristsetzungsantrag seiner ursprünglichen Intention nach zu diskutieren, nämlich sozusagen im proze­duralen Verfahren.

Nach all den Vorkommnissen, auf die ich gesondert eingehen möchte, weil ja einige von uns auch daran beteiligt waren, ist es richtig, diese Frist zu setzen. Ich habe ja selbst damals in diesem Ausschuss und auch in der Folge gesagt, dass ich notfalls selbst einen Fristsetzungsantrag stellen werde, um die Debatte und die Beschluss­fassung des EFSF zu ermöglichen – zu ermöglichen! –, eigentlich, ich muss mich korrigieren, des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes und damit der haftungsmäßigen Voraussetzung für den EFSF.

Warum? – Unabhängig davon, ob man für oder gegen diesen Vertrag ist, muss doch klar sein, dass die Regierungen, in diesem Fall der Euro-17, Gelegenheit haben müssen, sich auf irgendetwas zu verständigen, sonst sperren wir den Laden gleich zu. Sonst müsste man sagen, wir machen überhaupt keine Währungsunion mehr, dann gibt es aber keinen Nord- und keinen Südeuro, sondern dann gibt es gar keinen Euro mehr, wenn es nicht möglich ist, dass sich die Staaten des Euro-Raumes auf einen Fahrplan verständigen – wohlgemerkt: auf einen Fahrplan!

Eines ist auch klar – bei aller Liebe zum Parlamentarismus, den man unserer Fraktion und mir im Besonderen nicht wird absprechen können –: Es ist keine Sache der Parla­mente, jedenfalls nicht allein, oder von 183 Abgeordneten hier, von 500, 600, 700 dort, von 200 drüben und so weiter, von insgesamt Tausenden Abgeordneten, einen Terminfahrplan zu verhindern. So viel muss im Wechselspiel zwischen Parlament und Regierung schon noch funktionieren, dass von der Regierung, dass von der Finanz­ministerin zumindest ein Terminfahrplan, gerade wenn es um Krisenbekämpfung oder auch nur behauptete Krisenbekämpfung, denn die Sache darf man ja unterschiedlich einschätzen, geht, eingehalten werden kann.

Das respektieren wir nicht nur, das unterstützen wir auch. Es muss Handlungsfähigkeit her – in Wirklichkeit haben wir ja zu wenig davon –, sie muss gewährleistet bleiben. Und den Fahrplan hat es ja gegeben. Der Fahrplan lautete ganz offenkundig: Ende September/Anfang Oktober. Voilà.

Jetzt aber zum anderen Teil der Sache. Weil das so ist, haben ja wir Grüne schon im Juni/Juli Nachschau gehalten, was eigentlich mit dem offiziellen Parlamentsfahrplan ist. Da ist eine Plenarsitzung, die heutige, also am 21. September, die Nächste wäre erst am Mittwoch, 19. Oktober. Und dass wir eine Zuweisung brauchen, war ja wohl klar. Es ist aber eigentlich nichts geschehen, obwohl darauf hingewiesen wurde. Ich weiß, ich habe das aus banalen Gründen gemacht, weil ich mir einfach die Arbeit einteilen wollte. Ich habe ja gewusst, dass das kommen muss und auch soll – egal, ob ich dafür oder dagegen bin. Aber das ist nicht geschehen, vielleicht waren es auch nur Abstimmungsprobleme. Ich möchte das jetzt gar nicht weiter vertiefen. Nur: Der offizielle Parlamentsfahrplan sieht das so vor! (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Eigentlich war es ja der blanke Zufall; ich glaube nicht, dass Sie von der schwarz-blauen Koalition damals geplant haben, dass in der Telekom, in der BUWOG so viele Skandale passieren, dass wir Grüne eine Sondersitzung beantragen. Das war ja nicht die Idee von Schwarz/Blau 2000 bis 2006, würde ich annehmen, dass wir jetzt so einen Fahrplan zusammenbringen. Es kann ja nicht so sein, dass das Auffliegen der Telekom-Konten und der -Affäre, die Zahlungen an den Herrn Waffenhändler und die Zahlungen an Herrn Hochegger und so weiter, dass diese Aufdeckarbeiten dafür ausschlaggebend sind, dass wir einen Parlamentsfahrplan zustandebringen, der


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vielleicht den Vereinbarungen der Euro-17 genügt. So weit darf es nicht kommen, dass der „Graf Ali“ für die Rettung des Euro zuständig ist! Das muss ich Ihnen schon sagen. (Beifall bei den Grünen.)

Das war eigentlich schon der gesamte Hintergrund. In der Sache selbst hätten wir auch noch auf gleich kommen können. Natürlich war das ein Partout-Standpunkt der Grünen – ich sage das so selbstbewusst –, weil sich nämlich gleichzeitig herausgestellt hat, dass wir nur ... – Ich meine, das war vorher schon so, das ist schon richtig, aber in der Situation und in der sich zuspitzenden Krise wäre es doch nur richtig und gerecht gewesen, wenn die Abgeordneten vorher schon den EFSF-Vertrag, um den es in der Sache ja in Wahrheit und Wirklichkeit geht, übermittelt bekommen hätten, insbe­sondere vor dem Hintergrund, dass einige von uns die Gipfelergebnisse vom Juni und vom Juli – speziell vom 21. Juli – gelobt haben, weil der EFSF endlich in die Lage kommt, zu operieren, weil er endlich Spekulationsdruck herausnehmen kann, weil sich etwas verbessert. Wir haben das ja gewürdigt, dieses Ergebnis des Gipfels vom 21. Juli, aber es muss doch dann für die Abgeordneten nachvollziehbar sein, dass das überhaupt vorliegt.

Das ist der Grund dafür, dass wir das gefordert haben; das ist logisch, das ist richtig. Das Ministerium, der Bundeskanzler, man hat sich darauf verständigt, dass das übermittelt wird (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen) – an sich eine Selbstverständlichkeit, auch diese musste erkämpft werden.

Meine Damen und Herren von BZÖ und FPÖ, seien Sie froh, dass wir das durchgesetzt haben! Wahrscheinlich sind Sie aber nicht so froh, denn jetzt müssten Sie das nämlich lesen und sich mit den Argumenten auseinandersetzen, die dort auch zu finden sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Hübner: Meine Güte!)

18.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


18.22.06

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kollege Kogler, so leicht geht das nicht! Nein, nein, ihr seid jetzt am Zug. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind in einer Zwickmühle!) Ihr seid jetzt in einer echten Zwickmühle. (Abg. Mag. Steinhauser: Nein!)

Die Bevölkerung kann nur dann über dieses Problem, nämlich weiteres Engagement Österreichs für die Griechenland-Hilfe, entscheiden, wenn ihr bereit seid, der Koalition die Bedingung zu diktieren, dass sie zumindest eines dieser Gesetze als Verfassungsgesetz dem Haus vorlegen muss. (Abg. Mag. Steinhauser: Macht das ihr, Kollege! – Weitere Zwischenrufe.)

Wir haben gesagt, dass wir eine Volksabstimmung wollen. (Abg. Mag. Steinhauser: ... das jetzt von uns? Macht es selbst!) Du, entschuldige, wir können gern damit anfangen, nachzurechnen, wieso die Koalition keine Zweidrittelmehrheit hat, ob die Koalition mit euch eine Zweidrittelmehrheit hat, ob sie mit uns eine hat – mit uns hätte sie eine, aber sie bekommt sie nicht, weil wir gesagt haben: Wir spielen hier nicht mit! Wir werden deswegen heute auch der Fristsetzung nicht zustimmen. Die FPÖ sagt auch: Wir machen hier nicht mit!

Die Grünen haben als Einzige gesagt: Ja, wir wollen vielleicht doch noch mitmachen! (Abg. Ing. Westenthaler: Also mitzocken!) Daher versucht jetzt Kollege Kogler, herauszuarbeiten, was die großen Erfolge inhaltlicher Natur und die Verbesserungen sind, die mit dieser Vorlage beschlossen werden sollen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir reden da von Fristsetzung!) Ja, ja, es geht bei diesem Problem darum (Abg.


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Mag. Kogler: Zu Recht!) – und daher hat die Koalition eine Fristsetzung beantragt –, dass möglichst rasch mit eurer Unterstützung die notwendigen Voraussetzungen rechtlicher Natur geschaffen werden sollen, dass man weiterhin in Griechenland Geld versenken kann. (Abg. Mag. Kogler: Das ist alles einfache Mehrheit!) – So, das ist das Faktum! Das heißt, nachdem Blau/Orange gesagt haben: Mit uns nicht!, bleibt also nur Grün übrig. (Heiterkeit des Abg. Mag. Steinhauser.) Ich finde es ja herrlich, dass das bei dir Heiterkeit auslöst. Beim Wähler wird das vielleicht auch Heiterkeit auslösen, wenn ausgerechnet die Grünen, die immer von der Basisdemokratie reden, dann, wenn es darum geht, dass Milliardenbeträge in Griechenland versenkt werden sollen, die österreichische Bevölkerung daran hindern, dass sie darüber mitentscheiden darf, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Das wird eine interessante Frage sein, und aus dieser Ziehung lassen wir euch nicht heraus. (Abg. Ing. Westenthaler: Das sieht mehr nach Nervosität aus!) Aus dieser Ziehung lassen wir euch nicht heraus – die Schalmeientöne waren ja heute unüberhörbar, auch der Applaus für die Grünen: für Kollegen Van der Bellen höflicher Applaus von ÖVP und SPÖ, weil man es sich in dieser Frage mit den Grünen nicht verscherzen möchte – auch die entsprechenden Avancen im Hauptausschuss durch den Bundeskanzler waren eindeutig –, weil man hofft, mit eurer Unterstützung dieses Zwei-Drittel-Erfordernis nehmen zu können. (Abg. Mag. Kogler: Die Einzigen ...!)

Fazit: Die Grünen entscheiden mit ihrem Verhalten, ob die österreichische Bevölkerung mitentscheiden darf oder nicht. Da geht es gar nicht um die Frage, wie man inhaltlich dazu steht. Ihr habt es in der Hand, ob da über die Bevölkerung drübergefahren wird oder nicht! Aus dieser Ziehung lassen wir euch nicht heraus. (Beifall beim BZÖ.)

Wir stimmen der Fristsetzung heute nicht zu; ihr werdet zustimmen. Ihr habt auch diesen Entschließungsantrag mit abgelehnt – ich halte das für bemerkenswert. Es wird am Schluss für euch nicht angenehm sein, wenn es heißt (Abg. Mag. Steinhauser: Da gibt es wieder Verhandlungen!): Milliarden versenkt, Regierung verantwortlich, Minister zurückgetreten – aber Grüne haben für alles die Räuberleiter gemacht! Das wird dann für euch nicht sehr angenehm sein. (Beifall beim BZÖ.)

18.25

18.25.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Mag. Kogler: Der Abgeordnete Stadler will die Verfassung und die Geschäftsordnung nicht kennen!)

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden. (Abg. Ing. Westenthaler: Sehr gut!) Zur Vorbereitung dieser Abstimmung unterbreche ich kurz die Sitzung. Ich bitte, auf den Plätzen zu bleiben.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 18.26 Uhr unterbrochen und um 18.30 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Finanzausschuss zur Bericht­erstattung über das Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird, eine Frist bis 27. September 2011 zu setzen.

Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Wir gehen daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen des Abgeordneten/der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Krainer, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Achten Sie sorgfältig darauf, nur einen Stimmzettel einzuwerfen.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Zanger, mit dem Namens­aufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer wird ihn später dabei ablösen. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Zanger und die Schriftführerin Mag. Lohfeyer werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die beauftragten Bediensteten werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen. Ich werde zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten unterbrechen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 18.35 Uhr unterbrochen und um 18.41 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 161, davon 115 „Ja“-Stimmen, 46 „Nein“-Stimmen.

Der Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Krainer, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen ist somit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 188

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Josef;

Bartenstein, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brosz, Brunner, Buchmayr;

Cap, Cortolezis-Schlager, Csörgits;

Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Durchschlag;

Einwallner, Eßl;

Fazekas, Franz, Fürntrath-Moretti;

Gahr, Gartlehner, Gaßner, Gerstl, Gessl-Ranftl, Grillitsch, Großruck, Grünewald;

Haberzettl, Hakel Elisabeth, Hakl Karin, Hammer, Haubner Peter, Hechtl, Heinzl, Hell, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek, Huainigg;

Ikrath;

Jarolim;

Kaipel, Katzian, Keck, Kirchgatterer, Klikovits, Köfer, Kogler, Königsberger-Ludwig, Korun, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lettenbichler, Lipitsch, Lohfeyer, Lopatka, Lueger Angela;

Maier Ferdinand, Maier Johann, Marek, Matznetter, Mayer Elmar, Mayer Peter, Muchitsch, Muttonen;

Neugebauer Fritz;

Oberhauser, Obernosterer;

Öllinger;

Pendl, Pilz, Pirklhuber, Plessl, Prähauser, Prammer, Praßl, Preiner, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Riepl, Rudas;

Sacher, Schickhofer, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger Bernd, Schön­pass Rosemarie, Schopf, Schultes, Silhavy, Singer, Spindelberger, Stauber Peter, Steibl Ridi Maria, Steindl Konrad, Steinhauser, Steßl-Mühlbacher, Stummvoll;

Tamandl;

Walser, Weninger, Wittmann Peter, Wöginger, Wurm;

Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Bucher Josef;

Deimek, Dolinschek;

Fichtenbauer;

Gartelgruber, Gradauer, Graf, Grosz Gerald;

Hackl Heinz-Peter, Hagen, Haider, Haubner Ursula, Herbert Werner, Höbart Christian, Huber Gerhard, Hübner Johannes;

Jannach, Jury;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 189

Kickl, Kitzmüller, Kunasek;

Lausch, Linder, List;

Markowitz, Mayerhofer, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Podgorschek;

Riemer;

Scheibner, Schenk, Spadiut, Stadler Ewald, Stefan, Strache, Strutz;

Unterreiner;

Vilimsky, Vock;

Westenthaler, Widmann Rainer, Windholz, Winter;

Zanger.

*****

18.42.06Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir nehmen nun die Verhandlungen über Punkt 2 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


18.42.23

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kommen wir nach der Diskussion um die Finanz- und Wirtschaftspolitik in Europa wieder zurück zum Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2010. Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern wurde auf die wichtigen Kennzahlen, die Prüfungstätigkeit und die Aktivitäten der Volksanwaltschaft schon eingegangen. Auch für uns als Abgeordnete, die bei Sprechstunden und in persönlichen Gesprächen sehr oft mit Sorgen und Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert werden, ist die Volksanwaltschaft eine ganz wichtige Einrichtung, um den Bürgerinnen und Bürgern einen Weg zu zeigen, wie sie Lösungen für ihre Probleme erreichen können.

Aus diesem Bericht geht hervor, dass über 15 000 Menschen die Volksanwaltschaft in Anspruch genommen haben. Das zeigt die Notwendigkeit dieser Einrichtung. Neben der detaillierten Auflistung der Prüftätigkeit nach der Zuständigkeit der Ministerien, enthält dieser Bericht auch allgemeine Wahrnehmungen. Volksanwalt Dr. Peter Kostelka hat sich darin mit den Rechten von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt auseinandergesetzt.

Im Mai 2007 hat Österreich die UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterzeichnet und im Oktober 2008 ratifiziert. Österreich hat sich damit verpflichtet, die Mitwirkung behinderter Menschen diskriminierungsfrei zu ermöglichen und zu fördern. Dazu gehört die Erkenntnis, dass auch Menschen mit schwerer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich sein können. Trotz Einstellungspflicht gibt es jedoch keinen Anspruch auf Beschäftigung, und die Volksanwaltschaft stellt in diesem Bericht fest, dass nicht einmal jeder vierte Arbeitgeber genügend Behinderte einstellt. Es wird lieber die Ausgleichtaxe bezahlt. Laut diesem Bericht sind auch öffentliche Bereiche, selbst Bundesländer und Ministerien bei der Umsetzung säumig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 190

Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft prüft nicht nur Einzelfälle, sondern betrachtet auch Systemfehler. Damit unterstützt sie uns bei unserer Arbeit. Ich möchte mich bei allen Damen und Herren der Volksanwaltschaft recht herzlich für ihre Arbeit bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klikovits. – Bitte.

 


18.45.08

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Volksan­wältin! Zurückkommend auf den schon vorhin diskutierten Bericht darf auch ich seitens meiner Fraktion den beiden Volksanwältinnen und dem Volksanwalt ein herzliches Dankeschön für ihre Tätigkeit aussprechen, die eine wichtige Begleitkontrolle für unsere Tätigkeit hier im Parlament ist. Letztendlich kontrollieren sie ja unsere Gesetze auch auf die Tauglichkeit hin, und die Best Practice-Beispiele, die sie immer in ihrem Bericht anführen, sollen auch uns dazu animieren, notwendige Gesetzesänderungen herbeizuführen, wenn eben wo etwas nicht funktioniert.

Ich habe es nicht verstanden, dass die Kollegen vom BZÖ aus ihrer persönlichen Befindlichkeit heraus die Arbeit unserer Volksanwälte schlechtreden, nur wegen des Kollegen Stadler, den ich übrigens genauso für unparteiisch halte, wie ich auch den jetzigen Anwältinnen und dem Anwalt zugestehe, dass sie nicht parteipolitisch agieren, wie Kollege Grosz das vorhin behauptet hat. Sie machen ihre Arbeit hervor­ragend und sind für uns auch, wenn man das so sehen möchte, eine wertvolle Hilfe.

Die insgesamt 15 265 bearbeiteten Bürgeranliegen sprechen eine sehr, sehr deutliche Sprache für die Notwendigkeit des Instrumentariums Volksanwaltschaft und ebenso für die Notwendigkeit, besser hinzuhören, was an die Volksanwaltschaft an Problemen herangetragen wird. Wenn zum Beispiel fast ein Drittel der Probleme im Zusam­menhang mit Sozialanliegen stehen wie Probleme auf dem Arbeitsmarkt, Probleme im Pflegebereich und viel Derartiges mehr, so zeigt das, dass wir da Handlungsbedarf haben.

Wenn im Volksanwaltschaftsbericht zum Beispiel angesprochen wird, dass es Prob­leme bei der Umsetzung im Pflegebereich gibt, bei der Zeit, die bis zur Entscheidung über das Pflegegeld vergeht, so kann ich sagen: Wir haben darauf schon reagiert. Wir liegen da bereits unter 60 Tagen, ich glaube bei 58 oder 59 Tagen, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Das ist für die Betroffenen natürlich noch viel zu lange, aber zumindest wurde da ein erster Schritt in Richtung Verbesserung gesetzt.

Wir haben auch insofern reagiert, als wir Maßnahmen im Pflegegeldreformgesetz und im Pflegefondsgesetz gesetzt haben, womit es uns zumindest gelungen ist, die Zahl der auszahlenden Stellen von bislang 303 auf 8 zu reduzieren. All das sind Maß­nahmen, mit denen wir dort, wo die Volksanwaltschaft im Vorfeld aufgezeigt hat, dass es Probleme gibt, dann auf gesetzlicher Ebene richtig gehandelt haben.

Ich möchte auch noch einen Bereich ansprechen, der den Gemeinden sehr, sehr wichtig ist. Es wird im Volksanwaltschaftsbericht darauf hingewiesen, dass künftig mehr Kooperation zwischen den Gemeinden notwendig ist. Das ist ein Bereich, dem wir uns künftig viel stärker widmen sollten. Gerade im Pflegebereich sind Koope­rationen möglich. Es ist auch in vielen anderen legistischen und logistischen Bereichen möglich, dass Gemeinden zusammenarbeiten. Das muss nicht Zusammenlegung bedeu­ten. Aber: Zusammenarbeit kann immer nur von Vorteil sein!

In diesem Sinne darf ich mich bei Ihnen, sehr geehrte Frau Volksanwältin, für das bedanken, was Sie an Arbeit bislang geleistet haben, und Sie ermuntern, diesen Weg


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konsequent im Interesse der Bürgerinnen und Bürger fortzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.49

18.49.20*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Folgendes mitteilen:

Die Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen haben den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für Korruptionsfälle unter der schwarz-blauen Regierung sowie das unter einem gestellte Verlangen, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen, zurückgezogen.

Weiters haben die Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur umfassenden Untersuchung von mittelbaren und unmittelbaren Geldflüssen ohne entsprechende Gegenleistungen in das direkte Umfeld von Politikern und politischen Parteien in den Fällen Telekom, BUWOG, Behördenfunk und ÖBB-Inserate sowie das unter einem gestellte Verlangen, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen, zurückgezogen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen sowie das unter einem gestellte Verlangen, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen, zurückgezogen.

18.50.20Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Dr. Pilz, Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsord­nung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen einzusetzen.

Es liegt das Verlangen von fünf Abgeordneten vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

18.50.50*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir setzen die Diskussion zum Tagesordnungspunkt 2 fort.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


18.51.13

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volks­anwältin! Hohes Haus! Der Volksanwaltschaftsbericht 2010 findet auch unsere Zustimmung. Wie schon unsere Vorrednerin, Frau Dr. Winter, gesagt hat, bedanken auch wir vonseiten der Freiheitlichen uns für diesen umfassenden Bericht. Der Bericht ist als solcher in Ordnung und sehr, sehr gut, aber vieles in dem Bericht natürlich nicht.

Man muss bekritteln, dass dieses Parlament zwar den verpflichtenden Gratiskinder­garten eingeführt hat, es aber, wie die Volksanwaltschaft richtig festgestellt hat, für Pendler aus Niederösterreich eine Zumutung ist, wenn sie täglich nach Wien zu ihrer


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Arbeit pendeln, hier in Wien aber nicht in den Genuss eines Gratiskindergartenplatzes kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme aus einem Bezirk – aus dem Bezirk Hollabrunn, einem ÖVP-dominierten Bezirk –, der ein Bezirk mit sehr vielen Pendlern ist, weil die ÖVP es schon seit Jahrzehnten nicht schafft, dort Arbeitsplätze zu schaffen. Somit muss ein großer Teil der Bevölkerung täglich auspendeln. Das ist wirklich bezeichnend. Ich würde es ja gern in die Reihen der ÖVP-Bürgermeister hinein sagen, aber die haben anscheinend etwas Besseres zu tun, sind jetzt hier im Plenar­saal nicht anwesend. Wahrscheinlich ist das Interesse am Volksanwaltschaftsbericht nicht sonderlich groß. (Abg. Mag. Donnerbauer – winkend –: Hallo!) – Kollege Donner­bauer, Bürgermeister der kleinsten Stadt, ist da. Das ist sehr erfreulich.

Man könnte da nämlich schon etwas machen. Wenn Kollege Donnerbauer wieder einmal zum Landeshauptmann pilgert, dann kann er vielleicht mitnehmen, dass es wirklich eine Zumutung für die Bevölkerung, grotesk und fast eine Schande ist – vier Bundesländer in Österreich werden Schwarz und vier Bundesländer Rot regiert –, dass man es beispielsweise nicht schafft, mit Wien eine Vereinbarung zu treffen, damit die Pendler – die niederösterreichischen Pendler, die ohnehin schon doppelt und dreifach belastet werden und viel ihrer Freizeit im Zug verbringen – in den Genuss des verpflichtenden Gratiskindergartenjahres kommen. Das ist wirklich nicht nachzuvoll­ziehen, nicht zu verstehen. Natürlich sagt da die Bevölkerung mit Recht: Diese Bundesregierung und diese Vorgangsweise sind eine Zumutung. (Beifall bei der FPÖ.)

An die Adresse der Grünen, die sich hier im Plenum ebenfalls mit einem Entschließungs­antrag für diesen Gratiskindergartenbesuch aussprechen: Das ist sehr scheinheilig, muss man sagen. Man weiß, es ist Ländersache, man weiß, man ist da jetzt Junior­partner, der billigste Partner als Wahlverlierer in Wien. Man ist am Gängelband der SPÖ in die Stadtregierung eingetreten. Sie hätten die Chance, hier nicht mit faden­scheinigen Entschließungen zu arbeiten. Sie hätten die Chance – es ist Landessache –, hier in Wien ein Zeichen zu setzen, hier in Wien zu beweisen, nicht am Gängelband der SPÖ zu hängen. Sie könnten das, es ist Landessache wie gesagt, in Wien mit Vassilakou durchsetzen, aber anscheinend ist das auch den Grünen nur zum Schein wichtig und unterm Strich ebenfalls nicht wichtig. Auch die Grünen sind keine Familienpartei.

Bei der ÖVP wissen wir das ohnehin schon. Die haben sich schon lange davon verabschiedet, und auch die SPÖ kann sich nicht sonderlich als Familienpartei beweisen. Das ist schade. Wir Freiheitlichen werden das natürlich vorantreiben. Wir werden immer wieder versuchen, in die Medien zu spielen, dass das für die Bevöl­kerung eine Zumutung ist. Pendler gehören entlastet, auch finanziell. Sie sind zeitlich, freizeitmäßig und finanziell belastet, und wir Freiheitlichen, das kann man mit ruhigem Gewissen sagen, sind in diesem Haus die einzige noch verbleibende Familienpartei. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. – Bitte.

 


18.55.41

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Volks­anwältin! Hohes Haus! Betroffene in der Größenordnung einer Kleinstadt, nämlich 15 000, wenden sich jährlich an die Volksanwaltschaft. Es sind Menschen, die sich nicht ausreichend informiert beziehungsweise ungerecht und schlecht behandelt fühlen.


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Eine sehr wichtige Einrichtung sind die Sprechtage der Volksanwälte in den Bun­desländern. Dies schafft auch für die Menschen im ländlichen Raum gute Möglich­keiten, diese Institution zu nützen und Beschwerden einzubringen. Soziales, Gesund­heit, Inneres sowie Justiz sind die Bereiche, in denen es die meisten Beschwerden gibt, und in ihren Wahrnehmungen im Jahresbericht hat die Volksanwaltschaft das Thema Kinder- und Jugendgesundheit zu einem Schwerpunkt gemacht und auf diese sogenannte offene Baustelle mit vielen Versäumnissen besonders hingewiesen.

Bundesminister Alois Stöger kommt dem großen Handlungsbedarf in diesem Bereich in Form des Kindergesundheitsdialoges, den es seit 2010 gibt, bereits verstärkt nach. Ein Paradigmenwechsel soll herbeigeführt werden. Kinder und ihre Bedürfnisse stehen im Zentrum der Diskussion, in die wissenschaftliche Erfahrungen von ExpertInnen aus allen Bereichen der Gesellschaft einfließen. Die Ergebnisse von sechs Arbeitsgruppen dieser Kindergesundheitsstrategie werden kommende Woche vom Gesundheitsminis­terium präsentiert.

Schwerpunkte dieser neuen Strategie sind Wertschätzung, Gesundheitsförderung, PatientInnenorientierung sowie der Erhalt und die Stärkung von gesundheitlichen Ressourcen. Das Ziel ist die Verringerung gesundheitlicher Risiken, die Förderung der gesundheitlichen Entwicklung und Chancengleichheit, aber auch strukturelle Prä­vention und insgesamt die Erhöhung des Bewusstseins für Kinder- und Jugendgesund­heit in allen Politikbereichen.

Ich meine, Kindergesundheit geht uns alle an. Junge Menschen brauchen Begleitung, Ermutigung, Arbeitsplätze und bestmögliche Bildung und Ausbildung, um gegen Arbeitslosigkeit und Armut gerüstet zu sein. Viele präventive Schritte sind nötig, an denen mit Nachdruck zu arbeiten ist. Die VolksanwältInnen tragen maßgeblich dazu bei, aufzuzeigen, wo dringend Veränderungen notwendig sind, und geben uns dafür auch wichtige legistische Empfehlungen. – Danke dafür den VolksanwältInnen und allen MitarbeiterInnen in der Volksanwaltschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

18.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


18.58.19

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen der Volksanwaltschaft! Geschätztes Hohes Haus! Der Bericht der Volksanwalt­schaft 2010 ist ein positives Spiegelbild der Quantität der Arbeit und eine besonders beeindruckende Bilanz. Der Bericht zeigt den großen Umfang der Tätigkeit. 15 265 Anliegen, die die Volksanwaltschaft bearbeitet hat, sind wirklich ein herzeigbares und beachtliches Ergebnis. Die Volksanwaltschaft hat sehr vielen Menschen bei ihren Anliegen in den verschiedensten Bereichen zu ihrem Recht verholfen und zu deren Klärung beigetragen.

Der Bericht bestätigt aber auch das große Vertrauen der Menschen in die Volks­anwaltschaft, in unsere Volksanwaltschaft, die oft verzweifelt suchenden Menschen bei ihren Anliegen und Problemen hilft.

Die Volksanwaltschaft genießt darüber hinaus große Anerkennung. Das Aufzeigen von Lücken, von Benachteiligungen durch die Volksanwaltschaft ist für das parlamen­tarische Handeln wichtig, ja sogar unverzichtbar, so meine ich. Es hat auf viele Ge­setze und Gesetzesänderungen positiv Einfluss genommen. Ich denke da beispiels­weise an die Erhöhung des Pflegegelds. Ich denke da an die Entschädigung für die Contergangeschädigten, an die beitragsfreie Versicherung in der Kranken- und Pen­sionsversicherung ab Pflegestufe 3.


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Auch wenn wir nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen und Anregungen der Volks­anwaltschaft immer wieder gesetzliche Veränderungen, die zu Verbesserungen für die Menschen geführt haben, beschlossen haben, so zeigt uns dieser Bericht doch, dass in verschiedenen Bereichen noch einiges zu ergänzen und anzupassen ist. Ich denke da etwa an die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung auch für jene pflegenden Personen, die keine eigene Selbstversicherung haben. Mit dem neuen Internetportal wird der Zugang zur Volksanwaltschaft leichter gemacht, es erweitert das Angebot für die Betroffenen.

Geschätzte Damen und Herren, geschätztes Hohes Haus, auch ich möchte mich dem Dank an die Volksanwaltschaft für die gute Zusammenarbeit und für ihre Tätigkeit anschließen und weiterhin viel Erfolg wünschen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


19.01.03

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volks­anwältinnen! Ich möchte ganz zum Schluss als letzte Rednerin den Fokus noch einmal auf ein Problem, auf eine große Ungerechtigkeit richten, die Sie im Bericht erwähnt haben. Es geht dabei um Menschen, die Sozialhilfe beziehen oder deren Einkommen die vorgeschriebenen Richtsätze unterschreiten, weswegen sie keine Chance auf Verleihung der Staatsbürgerschaft haben. Im Besonderen geht es dabei um anerkannte Flüchtlinge, die aufgrund von Folter in ihrer Berufstätigkeit eingeschränkt sind, behindert sind, Pflegegeld erhalten oder gar kein Einkommen lukrieren können und deswegen keinen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen können; und die Behörde hat seit der Novelle 2005, wie das in dem Bericht richtig erwähnt ist, auch keinen Ermessensspielraum mehr.

Ich bringe zwei konkrete Fälle. Da ist zum Beispiel ein syrischer Kurde. Er ist seit sechs Jahren ein anerkannter Flüchtling. Er ist zu 60 Prozent behindert und kann nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Seine Ehefrau ist in Karenz, und aufgrund des nicht ausreichenden Einkommens können auch die vier Kinder trotz hervorragender Integration die Staatsbürgerschaft nicht erhalten.

Das zweite Beispiel ist ein Iraker, der seit sechs Jahren als Flüchtling anerkannt und zu 50 Prozent behindert ist. Er bezieht Pflegegeld. Sein Einkommen besteht aus Sozial­hilfe, Pflegegeld und Wohnbeihilfe. Aufgrund der Vorschriften kann er deswegen die Staatsbürgerschaft nicht beantragen. – Genau. Da muss man den Kopf schütteln. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Ich würde dringend ersuchen, dass wir wieder zu dem Ermessensspielraum der Behörden zurückkehren, wodurch es vor 2005 möglich war, im Einzelfall unver­schuldet in finanzielle Not geratenen Personen die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Denn dass Menschen, die aufgrund dessen, dass sie gefoltert worden sind, das Recht bekommen, bei uns zu bleiben und anerkannte Flüchtlinge sind, dann deswegen nicht zur Staatsbürgerschaft kommen, ich glaube, das können wir alle nicht wollen.

Ich ersuche dringend, dass wir uns das in der nächsten Zeit vornehmen und lösen. Ich glaube, es kann niemand hier im Haus meinen, dass das die Absicht ist, niemand. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Vock. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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19.03.11

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollegin Höllerer hat uns erklärt, dass viele Bauern verunsichert sind, weil man auf wenige Tierschützer hört.

Kollegin Höllerer, ich kann Ihnen bestätigen, unsere Bauern sind wirklich verunsichert. Es traut sich im Moment kaum ein Bauer in einen neuen Stall zu investieren, weil kein Schweinebauer weiß, wie es aussehen soll. Schuld sind aber nicht die Tierschützer, schuld ist der Landwirtschaftsminister Berlakovich, der seit acht Monaten nicht bereit ist, zu verhandeln. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Ich finde, es ist eine Schweinerei und ungerecht gegenüber den Bauern, sich als Schützer der Bauern hinzustellen, aber gleichzeitig jedes Gespräch zu verweigern und sich nicht mit Gesundheitsminister Stöger zusammenzusetzen, um eine vernünftige Übergangslösung zu finden. Es gäbe die Möglichkeit, im Sinne der Bauern zu handeln – wenn man es will. Aber man will es ja nicht, sondern man will sich gegenseitig als Sündenbock hinstellen, wobei ich das Gefühl habe, dass Bundes­minister Stöger, der zugegebenermaßen eine sehr harte Frist vorgegeben hat, gesprächsbereit und kompromissbereit ist. Nur, zu einem Gespräch und zu einem Kompromiss braucht man ein Gespräch, und wenn der eine Minister dem anderen die Gesprächsbasis verweigert, dann wird der Verfassungsgerichtshof entscheiden.

Meine Damen und Herren, entweder wird dann der Tierschutz verlieren oder unsere Bauern verlieren in kürzester Zeit ihre Existenzgrundlage. Dann können sie sich aber beim Herrn Landwirtschaftsminister Berlakovich bedanken! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Gaßner – in Richtung ÖVP –: Das habt ihr jetzt davon! Bleibt bei der Wahrheit!)

19.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.05.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Vock hat zu Recht den Finger in die Wunde gelegt, die nämlich auf dieser Seite eindeutig besteht. (Der Redner deutet in Richtung der ÖVP.) Das besagt auch der Bericht der Volksanwaltschaft, das möchte ich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen.

Ich möchte aber diesen Bericht zunächst einmal würdigen. Danke für diesen ausge­zeichneten Bericht, dem wir natürlich zustimmen werden. Ich verweise wirklich darauf, wie viele positive Ansätze in diesem Bericht enthalten sind, und wir wären gut beraten, diese Missstandsfeststellungen ernst zu nehmen und auch direkt hier im Parlament Maßnahmen zu setzen und Anträge zu stellen, damit Missstände abgestellt werden.

Ich nehme noch einmal ein Beispiel aus dem Agrarbereich heraus, das auch in diesem Bericht zu finden ist. Zu Recht ist im Jahr 2010 von vielen Bäuerinnen und Bauern beanstandet worden, dass sie ihre Zahlungen nicht bekommen haben. 4 500 Bäuerin­nen und Bauern wurden ohne Förderungen im Regen stehen gelassen. (Abg. Mag. Donnerbauer: Dann haben sie die Voraussetzungen nicht erfüllt!) Und es steht auch wörtlich drinnen: „Die Information der Betroffenen durch die AMA erwies sich als mangelhaft.“

Das war also eindeutig ein Fehler, ein Mangel. Außerdem hat Minister Berlakovich in der Umsetzung von EU-Recht in diesem Punkt auf der ganzen Linie versagt. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Das ist nicht der einzige Fall. Wie man sieht, weigert


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er sich auch bei der Tierhaltungsfrage einfach, die Gespräche zu führen, Kollege Grillitsch. Es geht doch nicht an, dass ein Landwirtschaftsminister bestehende Gesetze nicht ernst nimmt. Das ist nicht zu akzeptieren, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. So geht es nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Nehmen wir den Bericht ernst! Versuchen wir, die guten Vorschläge der Volksan­waltschaft auch konkret zu unterstützen! Daher hat mein Kollege Zinggl heute den Antrag eingebracht, nichts anderes als die bestehende Gesetzeslage endlich zu berücksichtigen und die Tierhaltungsverordnung anzupassen. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Es liegt also an den Regierungsparteien, insbesondere an der ÖVP, diese Gesprächs­bereitschaft endlich zu signalisieren. Wir werden unseren Beitrag leisten. Ich erwarte von den Abgeordneten hier im Haus, dass sie sich hinter diese Feststellung der Volksanwaltschaft stellen. Es geht um nichts anderes, als den gesetzeskonformen Zustand herzustellen. Über die Sachlage selbst, Frau Kollegin Höllerer, sind wir gerne bereit zu diskutieren. Sie wissen genau, dass es sicher nicht einfach ist (Abg. Grillitsch: Na, gratuliere!), aber wenn man Gespräche verweigert, dann kann auch keine positive Diskussion passieren, dann können auch keine Lösungen entwickelt werden. (Abg. Grillitsch: Gratuliere!)

Dafür werden wir uns einsetzen, Herr Kollege Grillitsch. (Abg. Grillitsch: Was hast du vor den Bauern in Linz gesagt? Sag das auch einmal!) – Ich habe gesagt, wir werden uns für Übergangsregelungen einsetzen, und das werden wir bei den konkreten Ver­handlungen auch. Darauf können Sie sich verlassen. Aber wenn man Gespräche nicht führt, dann kann man auch keine Lösungen entwickeln. Das ist die Sache.

Daher ersuche ich alle hier im Haus, unseren Antrag heute zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Volksanwältin Dr. Brinek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.08.00

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde es nur ganz kurz machen und mich für den Dank bedanken, der in einem so hohen Maße gegenüber der Volksanwaltschaft ausgedrückt wurde. Ich gebe den Dank gerne an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter. Ohne sie wären wir machtlos.

Ich möchte mit Ihnen sozusagen abschließen und gemeinsam folgende Frage stellen und meinetwegen im Raum stehen lassen: Wann war die Volksanwaltschaft erfolg­reich? – Wenn sich viele Leute an die Volksanwaltschaft gewandt haben, wegen einer ganz schlechten Verwaltung? Wenn wir viele Missstände festgestellt haben, die Ver­waltung sich jedoch nicht verbessert und die Missstände bestehen bleiben? Oder wenn viele Leute autark und autonom bestimmte Dinge selber erledigen und lösen können? Das wäre auch ein Weg, wenn wir unsere Kultur dahingehend ändern. Oder wenn das Parlament zum Beispiel viele legistische Anregungen rasch umsetzt und wir uns eines Tages über Qualität und Weiterentwicklung unterhalten können?

Jedenfalls möchte ich mich mit diesem Dank und mit diesen offenen Fragen zurück­ziehen und verabschieden und noch hinzufügen: Die Volksanwaltschaft hat sich immer schon als dienstbare Einrichtung gegenüber dem Parlament verstanden. So wollen wir das künftig weiter halten. Auf neue konstruktive Begegnungen und Debatten im nächsten Jahr freuen wir uns schon, aber davor stehen uns hoffentlich noch einige


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Debatten zu anderen Materien im Herbst ins Haus. – Danke schön. (Allgemeiner Bei­fall.)

19.09

19.09.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Volksanwaltschafts­aus­schusses, den vorliegenden Bericht III-214 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herstellung von Rechts­konformität der Tierhaltungsverordnung in Bezug auf das Tierschutzgesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.10.34 3. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 54, 57, 62, 70, 72 und 74 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 28 und 29 (1277 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Neubauer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.11.08

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin stolz darauf, dass es Menschen in diesem Land gibt, die sich engagieren und bemühen, direktdemokratische Mittel dieser Republik in Anspruch zu nehmen, dies auch tun und somit dem Parlament jene Grundlagen liefern, die es uns ermöglichen, die Gedanken, die Wünsche, die Bedürfnisse der Menschen tat­sächlich ernst zu nehmen und auch zu wissen, was die Menschen berührt, was sie bedrückt und wo man ansetzen kann, ihnen zu helfen.

Ich habe hier einen Ordner (der Redner hält einen weißen Ordner in die Höhe) mit 22 000 Unterschriften, gesammelt von einer Bürgerinitiative, die sich vom Burgenland bis nach Vorarlberg dafür eingesetzt hat, dass die Menschen in Südtirol eine zweite Staatsbürgerschaft – die österreichische, zur italienischen dazu – bekommen. Ich bin stolz darauf, dass es Menschen gibt, die sich heute für solche Ideale einsetzen. Ich danke ihnen von hier aus, vom österreichischen Parlament, auch für dieses Engage­ment ganz, ganz herzlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was sich aber in der Abwicklung dieser Bürgerinitiative dann in der Folge abgespielt hat, das haben diese Menschen, die das überreicht haben, das haben diejenigen, die sich hier unterschriftlich geäußert haben, wirklich nicht verdient.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in § 100 der Geschäftsordnung ist enthalten, wie so eine Bürgerinitiative beim Parlament einzubringen ist. Es ist eindeutig abgeklärt, dass diese Unterschriften bei der Parlamentsdirektion einzureichen sind, und es ist


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Usus in diesem Haus, dass die Parlamentspräsidentin diese Unterschriften, wie auch Petitionen, immer übernimmt.

Diese 22 000 Menschen wurden von der Frau Präsidentin Prammer vor den Kopf gestoßen. Sie hat sich geweigert, diese Unterschriften entgegenzunehmen – das muss man sich einmal vorstellen! –, sie hat sich geweigert, ihre Räumlichkeiten zur Verfü­gung zu stellen. Die Parlamentsdirektion war zu. Es wurde verweigert, dies dort entgegenzunehmen. Man hat diese 22 000 Unterschriften in den Keller dieses Hauses verbannt, wo man diese Unterschriften dann in rechtlich ganz bedenklicher Form entgegengenommen hat, und vom Büro der Frau Präsidentin Prammer wurden rechtlich bedenkliche und falsche Auskünfte erteilt.

Das geht so nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ersuche Sie von der sozialdemokratischen Fraktion, diese Ihre Präsidentin zur Räson zu bringen. Es kann nicht sein, dass hier ausgesagt wird, dass der Vorsitzende des Südtirol-Unteraus­schusses diese Unterschriften, die er dankenswerterweise dann auch übernommen hat, übernehmen darf.

Wenn § 100 Abs. 4 ganz eindeutig aussagt, dass diese Unterschriften in der Parla­mentsdirektion abzugeben und in der Folge an den Petitions- und Bürgerinitiativen­ausschuss weiterzuleiten sind, dann ist das auch so. Das ist keine Kann-Bestimmung, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie und Frau Prä­sidentin Prammer. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, und ich ersuche, diese Vorgänge abzustellen! Ich ersuche auch, dies zum Gegenstand einer Präsidiale zu machen! (Beifall bei der FPÖ.)

19.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Lohfeyer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.15.06

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Neubauer, ich kann jetzt nicht dazu Stellung nehmen, denn die Petition ist im Aus­schuss eingelangt (Abg. Neubauer: Bürgerinitiative!) – oder Bürgerinitiative, Entschul­digung –, und dort haben wir sie ordnungsgemäß behandelt. Zu dem, was vorher war, kann ich wirklich nicht Stellung nehmen.

Ich möchte zum vorliegenden Sammelbericht sagen, dass es bereits der dritte in diesem Jahr ist. Er umfasst sechs Petitionen und zwei Bürgerinitiativen, von denen je zwei an Fachausschüsse zur weiteren Bearbeitung übermittelt wurden. Bürgerbetei­ligung am parlamentarischen Geschehen ist sehr wichtig und eine gute Möglichkeit, auf Themen, die wir im Nationalrat diskutieren, aufmerksam zu machen. Damit dies in Zukunft noch mehr geschieht, wird es künftig auf Parlamentsebene ermöglicht, Petitionen und Bürgerinitiativen über das Internet zuzustimmen. Wir setzen damit einen weiteren wichtigen Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung.

Wir haben zudem beim nächsten Ausschusstermin im Oktober ein weiteres Hearing, das dritte in diesem Jahr, anberaumt, und dieses Mal geht es um den Ausstieg aus der Atomenergie, die Petition „Raus aus Atom“ von Global 2000, der sich an die 30 Ge­meinden in Österreich angeschlossen und diese Petition auch im Parlament eingebracht haben. Bei diesem Hearing werden sich wieder mehrere Expertinnen und Experten zum Thema äußern, und auch eine Vertretung der Gemeinden wird dazu eingeladen.

Dass diese Diskussion unter den Nägeln brennt, zeigen eben nicht nur der Super-GAU von Fukushima oder der Unfall, der zuletzt in Frankreich passierte, sondern auch die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 199

Tatsache, dass Österreich von grenznahen Atomkraftwerken umgeben ist und diese in einem sehr besorgniserregenden Zustand sind.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass im Sinne unserer Sicherheit jede Möglichkeit genutzt wird, auch auf der europäischen Ebene den Atomausstieg zu forcieren und zu unterstützen. Erneuerbare Energiequellen und Energieeffizienz sind zu forcieren und die Unabhängigkeit von der Atomindustrie ist anzustreben. Das ist sicher eine zentrale Herausforderung für die österreichische Politik in den nächsten Jahren.

Wir haben im letzten Petitionsausschuss, wie gesagt, vier Petitionen und Bürger­initiativen an zuständige Fachausschüsse weitergeleitet. Ich möchte noch auf die Petition 54 „Verkauf und Zukauf von Liegenschaften; Vermögensverhandlungen mit den Bundesländern“ eingehen, wo es um die Novellierung des Bundesforstegesetzes geht. Sie wurde dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zugewiesen.

Diese Petition hat zum Ziel, strategische Wasserreserven in Österreich zu sichern. Es soll damit gewährleistet werden, dass das Landwirtschafts- und das Finanzministerium auch tatsächlich die Einhaltung des Verkaufsverbotes einfordern und auch gerichtlich geltend machen. Betroffene Gemeinden und Bundesländer haben bisher eben nicht die Möglichkeit, das grundsätzlich vorhandene Verkaufsverbot für Gletscherflächen, Nationalparkgebiete oder eben für sie strategisch wichtige Wasserressourcen gericht­lich einzufordern.

Zahlreiche Beispiele zeigen, dass der zunehmende Wunsch der Bevölkerung, sich an politischen Geschehnissen zu beteiligen, durchaus vorhanden ist. Dieser Entwicklung wird im Ausschuss mit mehr Hearings, Aussprachen, Einladungen von Einreichern und Einreicherinnen und mit mehr Ausschussterminen Rechnung getragen. Es ist erfreu­lich, dass sich alle Fraktionen darüber einig sind, dass Petitionen und Bürger­initiativen wichtige demokratiepolitische Instrumente sind und der Ausschuss weiter an Bedeu­tung und Bekanntheit gewinnen soll. Ich sehe daher mit Motivation und Spannung einem weiteren Sitzungsjahr entgegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des BZÖ.)

19.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Pirklhuber. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.19.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Die Kollegin Lohfeyer hat hier zu Recht die Bedeutung, die notwendige Auf­wertung der Fragestellung Bürgerbeteiligung, Bürgerinitiativen, Petitionen ange­sprochen. Ich muss sagen, wir haben ein ganz konstruktives Arbeitsklima. Das möchte ich auch positiv hervorheben, weil das ja nicht in jedem Ausschuss gegeben ist. Es liegt einfach auch am guten Willen und an der Bereitschaft der Abgeordneten, ein bisschen etwas weiterzubringen. (Abg. Huber: Und an der Ausschussführung!) – Natürlich auch an der Ausschussführung, keine Frage. Es geht um jeden einzelnen Abgeordneten und natürlich um die Fraktionssprecher, sonst lässt sich keine konstruk­tive Arbeit gestalten.

Ich möchte kurz erläutern, warum ich diesem Sammelbericht trotzdem nicht zustim­me – denn die wesentlichen Dinge haben wir gemeinsam entschieden, und meiner Meinung nach auch formal korrekt. Ein Beispiel war die Südtirol-Geschichte. Die haben wir dem Außenpolitischen Ausschuss zugewiesen. Die Bundesforste-Frage haben wir an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft weitergeleitet.

Aber, und das ist jetzt ein konkreter Punkt: Wenn es um eine Petition geht, wo eine Gemeinde gekommen ist  da waren übrigens Bürgermeister und Parteien vertreten,


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SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne, in dieser Gemeinde Aschach an der Steyr –, deren Bürgermeister Karl Bogengruber und seine Kollegen insbesondere eine „angemessene Besteuerung von Vermögen“, „die Abschaffung der Steuerprivilegien“ sowie „die steuerliche Gleichbehandlung von Arbeits- und Kapitaleinkommen“ fordern, wird diese Petition nur zur Kenntnis genommen. Das heißt, ich erzähle sie Ihnen noch einmal, aber wir haben sie nicht dem Fachausschuss zugewiesen.

Meiner Meinung nach wären auch solche Petitionen, auch wenn die Regierung meint, das haben wir ja alles schon behandelt, zu Recht wieder dem Fachausschuss zuzuweisen. Mein Wunsch wäre es, dass wir im weiteren Prozess auch solche Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt von vornherein mitträgt – aus bestimmten politischen Gründen –, trotzdem im formalen Sinn dem richtigen Ausschuss zuweisen.

Jetzt zum Inhalt unserer nächsten Petitionssitzung am 5. Oktober: Da werden wir wieder ein sehr großes Hearing haben. Gerade diese Petition, die einen Atomausstieg jetzt betrifft – was ein europäisches Thema ist –, wurde auch von den Klubobleuten unterstützt und eingebracht. Wobei ich diesen Schulterschluss, das eben gemeinsam, sehr prominent voranzutragen, sehr positiv finde.

Da erwarte ich mir jetzt auch in der Behandlung – und das haben wir vorbesprochen –, dass man auch weiterhin so ernsthaft mit dieser Petition umgeht. Sie wurde übrigens auch im Europäischen Parlament mit 700 000 Unterschriften eingebracht. Unsere Überlegung ist, dass wir diese Petition nach dem Hearing dem Hauptausschuss zuweisen. Das hätte den Vorteil, dass die Klubobleute dort im Hauptausschuss auch die europapolitische Dimension dieser Fragestellung, nämlich die Energiestrategie Europas et cetera, gemeinsam ernsthaft diskutieren könnten.

Dann hat auch der Bundeskanzler die Möglichkeit, die Initiativen zu überlegen, die er vielleicht bereits gestartet hat oder bereit ist zu starten, um aktiver als bisher den Atomausstieg in Europa voranzubringen. Das wäre also ein wichtiger Schritt, und ich hoffe auf breite Zustimmung.

Abschließend: Ganz, ganz toll ist, dass wir es geschafft haben, auch die Parla­ments­direktion zu begeistern, Online-Petitionen oder Online-Unterstützung einzuführen. Sie werden schon ab morgen, wenn Sie auf die Homepage des Parlaments gehen  das ist die Probephase , einzelne Petitionen zusätzlich online unterstützen können. Das heißt, die BürgerInnenbeteiligung kann damit verbessert, ausgeweitet werden.

Jede Petition kann ab dem Zeitpunkt, wo sie eingebracht wird, bis zu jenem Moment, wo sie im Plenum, im Ausschuss behandelt wurde, von Bürgerinnen und Bürgern unterstützt werden. Also schauen Sie sich das an! Unterstützen Sie diese Initiative!

Darüber hinaus bin ich trotzdem überzeugt, dass wir auch in der Geschäftsordnung, wenn wir das einmal eingeführt haben, wenn es gut funktioniert, sehen werden, dass wir das weiter ausbauen müssen, dass wir die Beteiligung und die Möglichkeiten der direkten Demokratie auch in Österreich weiter stärken müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Ursula Haubner und Schenk.)

19.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Gahr zu Wort. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.23.39

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die Vorredner haben es schon ausgeführt. Der vorliegende Sammelbericht zu Petitionen und Bürgerinitiativen bietet eine Vielzahl an Themen, Anliegen und Problemen, die hier direkt in den parlamentarischen Prozess eingebracht werden, sei es einerseits die Sorge um Hausapotheken, andererseits der Breitband-


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Ausbau oder die Vergabe der digitalen Dividende, aber auch der Verkauf von Liegenschaften der Bundesforste bis hin zur Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler – eine Bürgerinitiative, deren formale Behandlung hier im Parlament Kollege Neubauer angekreidet hat.

Als Südtirol-Sprecher meiner Partei werde ich mich ein bisschen mit dem Inhalt beschäftigen. Ich glaube, dass, auch wenn vielleicht nicht alle Formalien optimal gelaufen sind, diese Petition und diese Bürgerinitiative, die 22 000 Unterschriften gebracht hat, im Parlament sehr umfassend behandelt und geprüft werden, auch dass man diesen 22 000 Menschen Wertschätzung entgegenbringt.

Es wurde schon gesagt, dass natürlich auch in Zukunft die Rechte insgesamt gestärkt werden. Die Möglichkeit des Hearings – einmal jährlich, glaube ich – ist eine tolle Chance für Menschen, sich direkt einzubringen und sich über Online-Plattformen zu beteiligen. Ich glaube, das ist eine Unterstützung für Bürgerinitiativen, die es vielleicht oft schwerer haben, bekannt zu werden und eine Breite an Wirkung zu erzielen.

Ich habe schon gesagt, dieses von 22 000 Unterschriften unterstützte Anliegen betref­fend die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler wurde im Vorfeld, bereits jetzt, völkerrechtlich, staatsbürgerschaftsrechtlich und verfassungsrechtlich geprüft. Es wurden Gutachten eingeholt. Es ist ein Gutachten von Professor Obwexer, einem Völkerrechtler der Uni Innsbruck, vorliegend.

Weiters wurden Gutachten beziehungsweise Stellungnahmen vom Bundesministerium für Inneres eingeholt. Da wird festgestellt, dass nach derzeitiger Rechtslage die österreichische Staatsbürgerschaft allgemein nur im Verleihungsverfahren nach § 11a Abs. 4 Z 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 verliehen werden kann. – Das heißt insgesamt, dass ein Erwerb dieser zweiten Staatsbürgerschaft für Südtiroler nach diesen Bestimmungen ausgeschlossen ist.

Es gibt aber auch eine Stellungnahme des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten. Dabei scheint sich zu ergeben, dass die Einräumung einer Möglichkeit für Südtiroler, die österreichische Staatsbürgerschaft zusätzlich zur italienischen zu erwerben, ohne dass eine Ansässigkeit auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich gegeben wäre, jedenfalls einen größeren Umbau des öster­reichischen Staatsbürgerschaftsrechts erforderlich machen dürfte.

So, glaube ich, werden wir den nächsten Schritt wagen und diese Petition nach dem Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen im Außenpolitischen Ausschuss behan­deln, und als nächsten Schritt dann auch im Südtirol-Unterausschuss die Rahmenbe­dingungen und die Vorarbeiten dafür schaffen, dass wir in späterer Folge eine politi­sche Entscheidung treffen können.

Wieso ist diese Petition eigentlich in der Tragweite eine relativ umfassende? Von 500 Millionen in Europa lebenden Menschen leben 50 Millionen als Minderheit in einem anderen Land, und es gibt 134 Minderheiten in Europa. Daher ist gerade das Autonomiemodell Südtirol ein Paradebeispiel dafür, wie man damit umgeht, wie man Minderheiten einbindet und Minderheitenrechte stärkt und ausbaut.

Obwohl im Fall Südtirol in den letzten Jahren vieles erkämpft werden konnte – es ist ja immerhin schon seit 90 Jahren von Österreich abgetrennt –, gibt es heute noch Dinge, die man einfordern muss, die man, glaube ich, verbessern und optimieren kann, und diese Petition oder diese Bürgerinitiative soll dazu beitragen.

Zusammenfassend ist zu sagen: Der Fahrplan für die Zukunft ist klar. Wir werden jetzt beraten, wir werden externe Experten einbinden – das ist ja der Wunsch einiger hier im Ausschuss wie auch im Südtirol-Unterausschuss –, wir werden die Rahmenbedin­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 202

gungen abstecken und werden dann schauen, was zum Schluss politisch machbar und umsetzbar ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Vock zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.28.21

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst freut es uns natürlich, dass beide Bürgerinitiativen an zuständige Fachausschüsse weiter­geleitet werden. Das zeigt, dass wir die Anliegen der Bürger doch wieder ernster nehmen und nicht einfach hier heute enderledigen.

Wir erleben heute aber auch wieder einmal, wie sich Abgeordnete der SPÖ hilfe­suchend an den Nationalrat wenden. Nun weiß ich nicht: Können sich diese Abgeordneten innerhalb der Partei nicht durchsetzen oder gegenüber der eigenen Regierung? Beides ist natürlich ein ernstes Problem, Gott sei Dank nicht unseres. Aber ich habe Verständnis dafür. Es kann manchmal sein, dass die Regierungsmannschaft so abhebt, dass sie mit den eigenen Abgeordneten das Gespräch nicht mehr sucht.

Wir haben hier die Petition 57, mit der die Nationalrätin Hagenhofer an Minister Hundstorfer unter anderem das Ersuchen „Faire Pensionen für Wählerstimmen“ richtet. Wobei ich nicht ganz verstehe: Wenn ein Pensionist nicht wählen geht, weil er von der Regierung frustriert ist – bekommt er dann keine faire Pension mehr, oder doch?

Es ist interessant, dass das ein Ersuchen einer damaligen SPÖ-Nationalrätin an einen SPÖ-Minister ist. Aber wir haben Verständnis dafür, dass man, wenn da, was offensichtlich ist, die Gesprächsbasis nicht mehr vorhanden ist, den Weg über den Nationalrat sucht. Genauso interessant ist die Petition 54 betreffend „Bundesforste: Verkauf und Zukauf von Liegenschaften“, die Mag. Johann Maier einbringt, wobei er befürchtet, dass die Bundesforste strategisch wichtige Wasserressourcen verkaufen.

Wenn die Opposition behaupten würde, die Regierung verkauft unsere Wasser­ressourcen, gäbe es ein Aufschrei in diesem Land. Aber wenn es ein SPÖ-Abgeordneter sagt?! – Ich habe natürlich Verständnis für diese Sorge, wir teilen sie.

Eigentlich sollte der Petitionsausschuss – Kollege Pirklhuber hat es schon gesagt – eine Möglichkeit der direkten Demokratie sein, vielleicht auch ein Minderheitenrecht, damit auch einmal eine Oppositionspartei etwas einbringen kann.

Wir alle von der Opposition haben aber auch Verständnis, wenn sich Abgeordnete der Regierungsparteien in der eigenen Partei nicht durchsetzen können und den Weg über das Parlament suchen. Wir werden sie dabei auch künftig gerne unterstützen. Nur müssen diese Abgeordneten, wenn es hier Anträge gibt, die in diesem Sinne dann abgestimmt werden (Abg. Mag. Brunner: Ihre eigenen Petitionen!), auch den Mut haben, aus diesem Fraktionszwang auszubrechen und mit der Opposition mitzu­stimmen. Denn: Man kann nicht einerseits sagen, bitte helft uns, und auf der anderen Seite, wenn man ihnen Hilfe anbietet, das dann wegen des Fraktionszwangs nieder­stimmen. (Beifall bei FPÖ, BZÖ und Grünen.)

In diesem Sinne: Wir helfen gerne, aber dann müssen Sie auch ein bisschen mehr Mut haben, mit der Opposition mitzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 203

19.30.58

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen, die jetzt noch im Plenarsaal sind! Der Petitionsausschuss war immer eine Anlaufstelle für Bürgeranliegen, Petitionen und Initiativen und er wird immer stärker frequentiert. Diese Erfahrung habe ich besonders als Vorsitzende gemacht, da ich ja seit gut einem Jahr die Ehre habe, in diesem Ausschuss den Vorsitz zu führen.

Ich vermute einen ganz einfach Grund, warum immer mehr Bürger diesen Weg der direkten Demokratie wählen: dass sie der Politik, die ihnen seitens der Regierung geboten wird, einfach nicht mehr vertrauen, dass sie an die Handlungsfähigkeit der Politik nicht mehr glauben und daher verstärkt dieses Instrument der direkten Demokratie verwenden.

2010 hatten wir drei Sitzungen, 2011 haben wir jetzt insgesamt fünf Sitzungen und eine Fülle von Tagesordnungspunkten. Anfang 2010 hatten wir durchschnittlich 16 Tages­ord­nungspunkte, Anfang 2011 hatten wir rund 30 Tagesordnungspunkte und jetzt, obwohl wir mehr Sitzungen haben, hatten wir in der letzten Sitzung 52 Tages­ordnungs­punkte. (Beifall bei BZÖ und Grünen.)

Das zeigt, dass nach diesem Instrument großer Bedarf besteht – bei wichtigen Anliegen, als Zugang der Bürger zu ihrem Recht, um eben zum Ausdruck zu bringen: Da gibt es Probleme, da möchte ich, dass sich etwas ändert. Wir versuchen gemeinsam – und das ist vielleicht das Besondere an diesem Ausschuss –, wir haben gemeinsames Interesse, da etwas weiterzubringen, nämlich durch intensive Arbeit, mehr Sitzungen, gute Vorberatungen, aber auch durch Öffnung des Ausschusses.

Ich glaube, Kollege Pirklhuber oder Kollegin Lohfeyer hat gesagt, dass wir nächstes Mal wieder ein großes Hearing haben. Gerade zum sehr sensiblen Thema Atom­energie – Euratom, Atommüllendlager, Ausstieg aus der Atomenergie – haben wir in der Vergangenheit sehr viele Hearings absolviert.

Es ist uns auch ein gemeinsames Anliegen, den Zugang insgesamt zu erleichtern, nämlich durch einfache elektronische Zustimmung. Diese neue Form der Beteiligung, der verbesserten Präsentation werden wir auch demnächst gemeinsam der Öffent­lichkeit vorstellen und zeigen, dass wir ohne große Änderung der Geschäftsordnung – denn sonst müssten wir wieder lange warten – hier einen Schritt im Sinne der Bürger machen.

Dieser Sammelbericht beinhaltet wieder eine Vielzahl von Themen. Sie sind ein Spiegel der Gesellschaft, könnte man sagen, wenn man sieht, dass es immer mehr soziale Anliegen gibt. Ich denke da an die verschiedenen Bürgerinitiativen gegen die Kürzung von Leistungen für Familien. In diesem Sammelbericht haben wir jetzt unter anderem eine Petition, dass auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen nicht gespart werden darf. Die Menschen wollen nicht, dass bei ihnen gekürzt wird, statt notwendige Reformen in Angriff zu nehmen. Sie finden das berechtigterweise nicht fair und gerecht und haben dafür kein Verständnis.

Wir haben auch diesmal wieder ein Anliegen – Kollege Vock hat es schon erwähnt, weil es von einer ehemaligen Kollegin eingebracht wurde –, das sich auch mit einem sehr heißen sozialen Thema befasst, nämlich mit dem Pensionssystem, wobei ich glaube, nur zu fordern, dass es keine Nullrunde für Pensionisten geben darf, das ist zu wenig.

Wir müssen schauen, dass das Pensionssystem insgesamt nicht immer mehr zu einem Flickwerk wird und dass es jährlich einen Verhandlungsmarathon gibt, nämlich zu den Fragen: Welche Pensionen werden erhöht? Welche Pensionen werden nicht erhöht?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 204

Wie werden sie angepasst? Hier ist wesentlich mehr zu tun, und die Menschen spüren das. Hier ist absoluter Handlungsbedarf. (Beifall beim BZÖ.)

Was ich mir auch besonders wünsche – es ist auch schon von meinen Vorrednern angesprochen worden –, ist, dass neben der guten Zusammenarbeit gerade die Regie­rungsparteien das eine oder andere Mal über ihren Schatten springen und vermehrt wichtige Themen den Fachausschüssen zuweisen.

Da gibt es immer noch einen großen Unterschied zwischen Opposition und Regie­rungsparteien, und ich glaube – abgesehen davon, dass niemandem ein Stein aus der Krone fällt –, wir könnten dort die Themen wirklich auch fachlich gut diskutieren und die Menschen, die diese Initiativen einbringen, spüren lassen, dass diese keine Durch­läufer sind, weil wir zwar ihre Anliegen annehmen, sie hier ein bisschen diskutieren und das ist es dann, sondern dass wir uns ganz ernsthaft mit ihren Problemen befassen und auseinandersetzen. (Beifall beim BZÖ sowie der Abgeordneten Mag. Brunner und Dr. Pirklhuber.)

Ein positives Beispiel – das ist auch schon angeführt worden –, ist die Zuweisung der Bürgerinitiative bezüglich der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler an den Außen­politischen Ausschuss. Nicht nur, dass es eine Initiative ist von rund 22 000 Nord- und Südtirolern, die teilweise auch persönlich im Parlament anwesend waren – ich hatte auch die Ehre, hier Gespräche zu führen und ihre Anliegen ganz persönlich anzu­hören –, es ist einfach ein legitimes Anliegen, das unsere Freunde aus Südtirol da haben.

Da dürfen wir uns nicht nur mit einer Stellungnahme des Innenministeriums abfinden (Beifall beim BZÖ), das richtigerweise sagt: Die derzeitige Rechtslage macht es nicht möglich. Daher muss im Außenpolitischen Ausschuss – Kollege Gahr hat in diese Richtung gesprochen – im Sinne unserer Südtiroler Landsleute in dieser Angelegenheit eine mögliche Lösung gefunden werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Petitionsausschuss steht meistens nicht im Mittelpunkt des parlamentarischen Interesses, aber er ist ein Gremium, das wirkliche Probleme aus dem unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen aufgreift – Probleme, die an uns herangetragen werden und die wir als verantwortungsvolle PolitikerInnen und ParlamentarierInnen hier zu behandeln haben.

In Zeiten, in denen viele Menschen frustriert sind, in denen leider Gottes viele Men­schen von ihrem Wahlrecht nicht mehr Gebrauch machen, müssen wir danach trachten, dass diese Form der politischen Willensäußerung – neben der Volksbe­fra­gung und dem Volksbegehren –, dass also diese Form der politischen Willensäuße­rung und der direkten Demokratie weiter ausgebaut wird und wir auch die Themen wirklich verantwortungsvoll und ernsthaft behandeln.

Dafür bedanke ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen .)

19.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.38.47

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich möchte mich gleich zu Beginn bei allen bedanken, die sich die Mühe gemacht haben, Bürgerinitiativen und Petitionen zu uns in den Ausschuss zu bringen. Dazu bedarf es viel Engagement. Ich bin jedenfalls froh darüber, dass es immer noch Bürgerinnen und Bürger in Österreich gibt, die es der Mühe wert finden,


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sich politisch zu engagieren, und ich denke, wir sollten es den Menschen auch weiter­hin erleichtern, das zu tun.

Als Umweltsprecherin möchte ich mir eine Petition herausgreifen. Da geht es um das Plastiksackerlverbot, das haben wir das letzte Mal im Petitionenausschuss gehabt. Wir werden heute hier auch nicht zustimmen, und zwar nicht nur wegen dieser Petition, sondern auch, weil wir die Stellungnahmen des Landwirtschaftsministeriums als unzu­reichend empfinden. Wir sind sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf den Umgang mit dieser Petition nicht zufrieden.

Das Plastiksackerl, glaube ich, ist so ziemlich die unnötigste Umweltverschmutzung überhaupt. Es macht zwar nicht den großen Anteil des Abfalls aus, aber es ist einfach unnötig.

Ein Plastiksackerl kann man leicht ersetzen und es ist das Symbol unserer Weg­werfgesellschaft. Ich finde, es wäre ein erster wichtiger Schritt in Richtung Abfallver­meidung. (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen habe ich die Stellungnahme des Landwirtschaftsministers hier überhaupt nicht verstanden. Die Forderung war, ein Plastiksackerlverbot im Sinne der Abfall­vermeidung einzuführen, und die Antwort war: Wir haben hohe Recyclingquoten, wir trennen Müll!

Recycling und Mülltrennung ist wichtig, hat aber mit Abfallvermeidung nicht wirklich etwas zu tun. Abfallvermeidung ist noch einmal eine Stufe höher. Das hat der Land­wirtschaftsminister offenbar leider immer noch nicht verstanden. Das finde ich sehr schade, deswegen fällt Österreich im Bereich Abfallvermeidung leider auch zurück. Und in der Stellungnahme, die er auch dazu abgegeben hat, werden im Hinblick auf Plastiksackerln Studien zitiert, die von der Plastikindustrie in Auftrag gegeben wurden. Ich finde, das ist nicht die passende Antwort, wenn es darum geht. Ich finde es unpassend, dass gerade der Landwirtschaftsminister, der für Umweltfragen zuständig ist, die Argumente der Plastikindustrie gegen UmweltschützerInnen verwendet.

Ich finde es auch schade, dass die Petition nicht dem Umweltausschuss zugewiesen wurde, wie es die Kollegin Haubner angesprochen hat. Ich glaube, dort wäre der Ort, um auch inhaltlich über dieses Verbot zu diskutieren. Wir haben es ja dort auch schon über Anträge der Opposition versucht, wo die Regierungsparteien bisher nicht darauf eingestiegen sind. Ich denke mir, wenn da noch einmal Schwung von engagierten Bürgerinnen und Bürgern kommen würde, würde uns das guttun, und es würde auch der Petition gerecht werden, dass wir uns im Umweltausschuss auch inhaltlich mit dieser Frage auseinandersetzen. Gerade wenn der Herr Minister hier untätig ist, braucht es engagierte BürgerInnen, die der Debatte noch einmal Schwung verleihen. Das findet leider nicht statt.

Wir werden trotzdem hier weiter dranbleiben und uns auch für das Plastiksackerlverbot einsetzen. Deswegen schließe ich mit den Worten: Österreich braucht ein eigen­stän­diges, starkes und engagiertes Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lipitsch. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.42.03

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Es ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon angesprochen worden. Ich befinde mich seit dieser Legislaturperiode in diesem Ausschuss, und wenn ich mir die ersten Sitzungen hernehme, die wir in diesem Ausschuss abgehalten


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 206

haben, und wie sich das entwickelt hat in diesen drei Jahren, glaube ich, ist es eine tolle Sache.

Wir sollten diesen Weg weitergehen, denn das ist wirklich direkte Demokratie und das beinhaltet alle Bereiche des Lebens, wie ja die neu eingebrachten – und wir haben ja jetzt schon sehr viele – Petitionen und Bürgerinitiativen auf der Tagesordnung, aber auch die Möglichkeit, diese Hearings abzuhalten, zeigen. Wenn ich heute den Sam­mel­bericht hernehme – sechs Petitionen, zwei Bürgerinitiativen –, dann möchte ich mich bei den Stellen, wo wir Stellungnahmen anfordern, auch einmal recht herzlich bedanken, denn sie liefern auch die Stellungnahmen und wir fordern öfter einmal zusätzliche Stellungnahmen an. – Ein Dankeschön an die, die diese Stellungnahmen abgeben.

Es ist natürlich so, dass, wenn etwas gut läuft, die Menschen sehen, da bringe ich etwas weiter, da werde ich angehört, und das zeigt auch die Vielzahl der Petitionen und Bürgerinitiativen, die jetzt kommt.

Ich möchte nur eine Bürgerinitiative herausnehmen, die wir heute behandeln, nämlich jene betreffend die Landarztstelle in der Marktgemeinde Grafenegg. Wir haben jetzt schon die nächste Bürgerinitiative betreffend Landarztstellen und Hausapotheken hier. Das heißt, es spricht sich herum, dass es Möglichkeiten gibt, und wir haben diese dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Ich glaube, dass das auch sehr wichtig ist, und in der Diskussion soll sich zeigen, wo eine Petition, eine Bürgerinitiative richtig behandelt wird und wo sie abgehandelt werden soll.

Ich glaube, wir sind am richtigen Weg, dass wir auch diesmal von acht Anträgen – sagen wir es jetzt einmal so – vier Anträge Ausschüssen zugewiesen haben. Wir werden auch in den nächsten Diskussionen, glaube ich, verstärkt in diese Richtung gehen.

Es liegt eigentlich an uns selbst – das haben die drei Jahre gezeigt –, wie wir diesen Ausschuss gestalten, wie wir für die Bürgerinnen und Bürger etwas weiterbringen wollen. Ich glaube, wir sind am richtigen Weg, wir sollten ihn auch in dieser Form weitergehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Ursula Haubner und Dr. Pirklhuber.)

19.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jury. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.44.23

Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat ist dieser Petitions- und Bürgerinitiativenausschuss sehr gut diskutiert. Es gibt Zuweisungen, es gibt Stellungnahmen von Ministerien.

Was mir ein wenig aufstößt – das zieht sich aber wie ein roter Faden durch dieses Haus –, das ist einfach diese Verweigerung und diese Untätigkeit unserer zwei Regierungsparteien. Wenn es um Pensionserhöhungen geht, wenn es um die Jugend­lichen und Familien und um soziale Themen geht, wird dieses politische Engagement der Bürgerinnen und Bürger einfach abgeschmettert, kaltschnäuzig abgeschmettert (Abg. Königsberger-Ludwig: Das ist nicht wahr!), weil wir – und das sehe ich jetzt das letzte halbe Jahr schon – eigentlich nicht mehr für unsere Bürger arbeiten, sondern nur mehr über Rettungsschirme diskutieren und wie wir unser Geld bestmöglich und sparsamst in Europa verteilen sollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin bei meinen Kollegen, die wirklich dieses politische Engagement der Bevölkerung hervorheben, aber ich bin dann nicht bei unseren Regierungsparteien – ich sage es noch einmal –, die diese Probleme, die die Bürger wirklich haben, hier im


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Plenum dann einfach entsorgen. Das sollte sich in Zukunft hoffentlich ändern, das sollte besser werden. Wenn die Regierungsparteien einfach nicht mehr gewillt sind zu arbeiten, dann sollen sie irgendwann am Ende des Tages auch so mutig sein, den Weg für Neuwahlen frei zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Von den Petitionen möchte ich auf eine näher eingehen, und zwar auf die, die der ÖVP-Klub eingebracht hat, nämlich die Breitbandoffensive für Österreich. Da will ich gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das Land Kärnten hat diese Breitband­offensive seit 2003 vorbildlichst umgesetzt. Wir haben 8 Millionen € investiert und wir sind mit der Breitbandoffensive Vorreiter in Österreich. Dafür haben wir von der Europäischen Union vier Auszeichnungen verschiedener Kommissionen erhalten: von der Wettbewerbskommission, von der Technologiekommission, von der Kommission für ländlichen Raum und von der Kommission für Infrastruktur.

Das heißt, wir in Kärnten nehmen diese Herausforderung an und wir tun auch etwas für die Bürger, um diese Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wenn heute Villach und Klagenfurt die einzigen Cybercities Österreichs sind, wo 30 Megabit pro Sekunde in jedem Haushalt zur Verfügung stehen, dann ist das ein Vorzeigeprojekt aus Kärnten. Sehr geehrter ÖVP-Klub, wir stehen mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Umsetzung der Breitbandinitiative Österreich geht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Höllerer zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.48.31

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin bei allen Vorrednern, die die Arbeitsbilanz dieses Ausschusses gewürdigt haben. Es hat sich allerhand abgespielt im letzten Jahr. Es sind wesentlich mehr Petitionen und Bürgerinitiativen in den Ausschuss gelangt, und ich unterstütze auch alle, die gesagt haben, dass wir uns mit den einzelnen Themen intensiv befassen, dass es gute Vorbesprechungen gibt, dass wir mittlerweile vor dem dritten Hearing stehen, das bestens vorbereitet ist und auch sehr prominente Themen abhandeln wird, nämlich den Atomausstieg, Euratom und natürlich auch Atomendlager.

Es wird spannend werden, diese Diskussionen dort abzuführen, und ich bin auch davon überzeugt, dass wir insgesamt gesehen mit diesem Ausschuss auch in der Weiter­entwicklung, in der Modernisierung auf einem guten Weg sind.

Wie auch heute bereits angesprochen worden ist, sind sechs Petitionen und zwei Bürgerinitiativen im Sammelbericht enthalten und stehen auf der Tagesordnung, wobei zwei Petitionen – nämlich die Petition Nr. 54 betreffend „Bundesforste: Verkauf und Zukauf von Liegenschaften“ dem Landwirtschaftsausschuss und die Petition Nr. 70 betreffend „Vergabe der Digitalen Dividende“ dem Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie – zugewiesen werden konnten. Die Bürgerinitiative Nr. 28 betreffend „Österreichische Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler“ wurde bereits hier andiskutiert, darüber wird im Außenpolitischen Ausschuss weiter beraten.

Die Bürgerinitiative Nr. 29 betreffend „Erhaltung der Hausapotheke der Landarztstelle in der Marktgemeinde Grafenegg“ wird dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Auf sie möchte ich genauer eingehen, da es sich um meine Gemeinde handelt und die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner befürchten, dass gesundheitspolitische, gesundheitsversorgende Defizite in den ländlichen Gemeinden künftig auftreten können aufgrund des Mangels an Allgemeinmedizinern.

Wir wissen, dass in den nächsten Jahren zirka 30 Prozent der Allgemeinmediziner in Pension gehen werden, und heute ist es schon so, dass offene Vertragsarztstellen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 208

vier bis fünf Mal in bestimmten Regionen ausgeschrieben werden müssen, bis tat­sächlich ein Arzt gefunden werden kann. So war das auch in der Gemeinde Grafenegg. Der Jungmediziner, der gefunden werden konnte und der diese Vertrags­arztstelle übernehmen wird, kann aber nicht an diesem Ordinationsort verbleiben. Dort ist bisher eine Hausapotheke geführt worden, die aber leider nur 5,5 Kilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt ist; gesetzmäßig müssten es 6 Kilometer sein.

Jetzt frage ich Sie einmal: Wissen Sie, wie schwierig es ist, 6 km zurückzulegen, wenn man nicht dementsprechend mobil ist? Für alte Menschen oder für ganz junge mit Kinderwagen ist das ohne Auto einfach nicht zu schaffen. Daher ist dieser junge Mediziner auch dazu angehalten, eine neue Ordination zu errichten, die in einem dementsprechenden Abstand zur öffentlichen Apotheke sein wird. Es gibt bereits einen Bauplatz und auf diesem Bauplatz wurde auch die Hausapotheke genehmigt.

Die Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger von Grafenegg sagen: Wir leben in Schilda. (Abg. Kickl: Dass das in Niederösterreich möglich ist?! Wer ist da der Landeshauptmann?) Einerseits gibt es im Zentrum der Gemeinde eine gut funktionierende, gut eingeführte Ordination, die zu verwaisen droht, andererseits gibt es einen Bauplatz, der 2 Kilometer davon entfernt ist, wo es eine Hausapotheke gibt, sozusagen auf der grünen Wiese. Das versteht in Wirklichkeit kein Mensch mehr.

Die Situation der Gemeinde Grafenegg steht beispielhaft für viele andere Gemeinden, die zukünftig in einer ähnlich schwierigen Situation sein werden und womöglich keinen Allgemeinmediziner finden, wenn es nicht auch möglich ist, dort eine Hausapotheke weiter betreiben zu können, weil es einfach nicht wirtschaftlich ist für einen Jung­mediziner, dort tätig zu werden. Es geht vor allem auch darum, dass die Bevölkerung entsprechend gut versorgt werden muss und auch nicht schlechter versorgt werden darf, als das im urbanen Bereich der Fall ist.

Zukünftig werden, wie bereits gesagt, Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, Bürgerinitiativen und Petitionen auch online ihre Zustimmung zu geben. Wir alle haben demnächst die Möglichkeit – ich glaube, ab morgen läuft es im Probebetrieb – da schon einmal hineinzuschauen, wie sich das präsentiert. Ich möchte auch alle gerne einladen: Schauen Sie sich an, welche Bürgerinitiativen, Petitionen gerade in Beratung sind und wie die Zustimmung künftig funktionieren kann! Vielleicht können Sie auch ein bisschen Stimmung dafür machen, denn ich denke, dass die direkte Demokratie, so wie sie von der Bevölkerung auch in diesem Sinne mit einer Zustimmung gelebt werden kann, wirklich wichtig ist. Es ist der richtige Schritt.

Ich bedanke mich bei allen, die so engagiert daran gearbeitet haben, auch bei den Fraktionsvorsitzenden, denn alle haben diese Idee mitgetragen. Es ist eine moderne, zeitgemäße Weiterentwicklung des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen. Ich habe heute schon einmal gesagt, die direkte Demokratie geht online. Ganz so ist es nicht, das weiß ich, sinngemäß stimmt es nicht, aber es ist ein Wunschgedanke von mir, und ich hoffe, dass sich das in diesem Sinne weiter ausbauen lässt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Pirklhuber.)

19.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Winter. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.54.08

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Im Laufe des Vormittags ist die Äußerung gefallen, im Wissenschaftsausschuss hätte es 30 Tages­ord­nungspunkte gegeben und nur relativ wenig Zeit dazu. Was soll ich sagen? – Wir hatten im Petitionsausschuss 52 Tagesordnungspunkte und auch relativ wenig Zeit.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 209

Aber Zeit ist eben ein großer, wichtiger Faktor bei uns, der nicht ganz einfach so vorhanden ist und über den man so verfügen kann.

Diese 52 Tagesordnungspunkte haben aus 48 Petitionen bestanden, wie bereits erwähnt worden ist, und vier Bürgerinitiativen, wobei knapp 20 Petitionen – und das ist sicher ein Ausfluss aus der Katastrophe in Fukushima – sich mit dem Atomausstieg beschäftigen. Wir haben dazu – und das wurde auch bereits erwähnt – für die nächste Sitzung diesbezüglich ein Hearing veranlasst und in die Wege geleitet. Ich glaube, das ist ungeheuer wichtig, da eine dieser Atompetitionen auch von sämtlichen Klub­obleuten aller Parteien unterschrieben worden ist.

Wir können aber diesem Sammelbericht dennoch nicht zustimmen – und ich komme mir da sehr oft vor wie eine tibetanische Gebetsmühle –, denn ich lobe einerseits die Vorsitzführung, andererseits muss ich aber doch immer wieder kritisieren, dass von den Regierungsparteien nicht die entsprechenden Reaktionen kommen, dass insbe­sondere Petitionen und Bürgerinitiativen der Opposition eben nicht so behandelt wer­den, wie wir uns das vorstellen, dass sie relativ oft nur zur Kenntnisnahme geführt werden. Und Kenntnisnahme, auch wenn das von den Regierungsparteien immer wieder so eingeführt wird und gesagt wird, ist – und da bin ich fest davon überzeugt – ein „Begräbnis erster Klasse“. Denn: Was passiert denn schon? – Sie wird im Petitionsausschuss zur Kenntnis genommen, aber letztendlich herrschen hier im Plenum dieselben Verhältnisse, dieselben Mehrheitsverhältnisse. Also was soll sich dann hier ändern, was soll da geschehen? Es wird sich dem leider so entledigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollegin Höllerer hat vorhin ausgeführt, was mit diesen Petitionen und Bürgerinitiativen, die in den Nationalrat gekommen sind und zur heutigen Debatte geführt haben, passiert ist. Aber genau die eine Petition, die uns eigentlich ganz besonders wichtig ist, die wurde nicht erwähnt und die wurde praktisch nur zur Kenntnisnahme geführt.

Es geht um die Petition meines Kollegen Bernhard Themessl, die Petition betreffend eine faire und transparente Immobilienmakler-Verordnung. Es gibt hier einiges zu beanstanden in der Vorgangsweise. Sie wurde am 21. Oktober vergangenen Jahres eingebracht und wird jetzt praktisch erst behandelt. Die Änderungen aber in der Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Immobilienmakler, die wurden von uns am 25. August 2010 beschlossen und auch entsprechend veröffentlicht.

Wir haben damals sehr wohl darauf hingewiesen, dass diese Änderungen – und es handelt sich ja hier um die Provisionen, die von drei auf zwei gekürzt wurden – wahrscheinlich zu einem Stillstand in dieser Branche führen werden und auch einige Betriebe diesbezüglich sehr existenzbedrohend angeknackst werden. Man muss dazu sagen, genau das ist eingetreten. Jetzt, nach einem Jahr, kann man dazu Bilanz ziehen.

Es gibt aber noch weitere Kritikpunkte. Nach Ansicht der Branche wurden gerade Ungleichheiten in dieser Änderung der Verordnung festgelegt, nämlich dass nach wie vor Vergütungen für Vermittlung von Privaträumen und Vergütungen für Vermittlung von Geschäftsräumen nicht gleich behandelt werden, sondern unterschiedlich verrech­net werden können. Minister Mitterlehner hat damals zu unseren Änderungs­vor­schlägen gemeint, er werde auch eine EU-weite Erhebung hinsichtlich der gesetzlichen beziehungsweise der standesrechtlichen Regelungen von Vermittlungshonoraren durch­führen. Diese Stellungnahme gibt es nach wie vor nicht. In weiterer Folge war er auch für die Aufhebung der jetzigen Immobilienmarktordnung sowie die Neuordnung. Auch dazu gibt es noch keine Stellungnahme.

Wir sind nach wie vor für die Abschaffung beziehungsweise ersatzlose Streichung der Mietvertragserrichtungsgebühren und auch für eine steuerliche Absetzbarkeit der


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Immobilienvermittlungshonorare, die ja bei Geschäftslokalen oder bei Firmen sehr wohl möglich sind, bei Privatpersonen aber nicht.

Zum Schluss möchte ich noch einmal die Frage von Volksanwältin Brinek aufnehmen: Ist es besser, wenn – und ich lege das jetzt um auf den Petitionsausschuss – viele Petitionen und Bürgerinitiativen bei uns einlangen, oder wäre es besser und würde es von einem besseren politischen Klima in diesem Land zeugen, würden weniger Bürgerinitiativen und weniger Petitionen einlangen und die Bürger dann mehr mit dem politischen Klima in diesem Land zufrieden sein? (Beifall bei der FPÖ.)

19.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.00.01

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Heute sind schon sehr viele lobende Worte über diesen Ausschuss gefallen, und ich glaube, das hängt sehr mit der Führung zusammen. Deshalb sollten wir alle einmal Ursula Haubner gratulieren. (Beifall beim BZÖ.)

Aber wenn wir heute auch über Südtirol reden – und das müssen wir –, dann muss ich schon sagen, dass die ÖVP da nicht Fisch und nicht Fleisch ist. Die Südtiroler haben es wirklich satt, dass das offizielle Österreich ihre Anliegen negiert und einfach nicht reagiert. Wir sollten uns nicht nur über die doppelte Staatsbürgerschaft unterhalten und einmal rechtliche Voraussetzungen dafür schaffen, sondern es geht auch um die Verankerung der Schutzmachtfunktion Österreichs in unserer Verfassung. Das könnte man in einer Präambel oder direkt in der Verfassung festschreiben. Aber heuer im Sommer hat der Außenminister und Vizekanzler in Südtirol gesagt, eine Änderung der Verfassung steht auf keinen Fall an. Für die doppelte Staatsbürgerschaft haben immerhin 22 000 Tiroler unterschrieben. Diese 22 000 Tiroler haben sich sicher etwas gedacht, diese Unterschriften muss man respektieren. Man darf eines nicht vergessen: 1919 wurde Südtirol an Italien angeschlossen, 1922 sind ungefähr 400 000 Menschen zwangsitalienisiert worden. Diese Leute und ihre Nachfahren haben sehr wohl ein Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Als Südtirol-Sprecher des BZÖ – und mir kommt es so vor, dass ich überhaupt der Einzige bin, der sich hier für die Anliegen der Tiroler einsetzt (Abg. Kickl: Na, na! Nein!) – muss ich schon eines festhalten: Es gibt heute schon Millionen doppelte Staatsbürgerschaften in Europa. Kollege Gahr spricht davon, dass das große Schwierigkeiten mit sich bringt und rechtlich nicht möglich ist. Bitte, diese rechtlichen Möglichkeiten müssen wir als Nationalratsabgeordnete schaffen, dafür sind wir da. In der Praxis gibt es heute schon sehr viele, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben. Es gibt zum Beispiel viele Ehen, bei denen der Gatte ein Tiroler und die Frau eine Südtirolerin ist. Ihre Kinder haben, wenn sie in Südtirol geboren wurden, die doppelte Staatsbürgerschaft. Diese Kinder haben zwei Pässe, aber beide Verwaltungen wissen nichts voneinander. Man sagt, das gibt es nicht, aber das gibt es. Es kann doch nicht der Fall sein, dass man diesen Leuten die Staatsbürgerschaft – vorausgesetzt, sie selbst wollen sie haben – verwehrt.

Ich glaube auch, dass das ein richtiges Signal in Richtung Europa wäre. Das wäre eine europäische Lösung, denn die doppelte Staatsbürgerschaft muss in der Verfassung verankert werden, wie eben auch die Schutzmachtfunktion. Die Menschen in Südtirol und auch in Nordtirol sind von Wien und Innsbruck wirklich enttäuscht. Sie haben es satt, die Plattitüden eines Platter und eines Spindelegger zu hören, sie haben es wirklich satt bis oben hinauf. (Abg. Gahr: Hallo, hallo! Ein bisschen mehr Respekt!)


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Wenn es nicht so ist, dass man diese Bürgerinitiative ernst nimmt, wenn man die im Ausschuss nicht angreift, und wenn man sich nicht wirklich der Anliegen dieser Österreicherinnen und Österreicher annimmt, dann ist das sehr traurig. (Beifall beim BZÖ.)

Immerhin gibt es in Dreizehnlinden in Brasilien Tausende Doppelstaatsbürgerschaften, und das sind auch Tiroler, die hauptsächlich von der Wildschönau aus nach Brasilien ausgewandert sind. Sie haben alle die Doppelstaatsbürgerschaft. Dann können wir das doch unseren Tirolern nicht verweigern.

Das Nächste, worüber man dringend sprechen muss, ist, dass die ÖVP heute offiziell sagt, dass die Brennergrenze keine Unrechtsgrenze ist. Das ist einfach sagenhaft. Da müssen wir alle zusammenhalten, denn diese Grenze wird von allen Tirolern – heute noch, nach wie vor, auch von der jungen Generation – als Unrecht empfunden. Niemand spricht davon, auch nicht Dr. Wolfgang Schüssel letztes Mal im Ausschuss – jetzt ist er ja nicht mehr da. Das ist offenbar keine Unrechtsgrenze mehr, niemand empfindet sie als solche; wir sind ja in der großen, schönen EU, jeder hat die Reisefreiheit. – Das kann es nicht sein. Auch diese Dinge gehören in der Verfassung berücksichtigt, und das darf nie vergessen werden. (Beifall beim BZÖ.)

Kein einziger Österreicher hat es sich 1919 ausgesucht, Italiener zu werden, kein einziger! Sehr viele mussten auswandern. Die, die geblieben sind, haben das Anrecht auf die doppelte Staatsbürgerschaft. Wir vom BZÖ werden schauen, dass sie sie bekommen. Und vor allem werden wir diese 21 000 Tiroler Unterschriften mit Respekt behandeln – und nicht so wie die ÖVP schauen, dass sie irgendwo versanden! (Beifall beim BZÖ.)

20.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.05.13

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ganz kann ich die Unzufriedenheit der Oppositionsparteien heute nicht nachvollziehen. Ich kann auch nicht ganz nachvollziehen, warum dem Sammelbericht nicht zugestimmt werden kann. Gerade bei diesem Sammelbericht ist es so, dass von sechs Petitionen und zwei Bürgerinitiativen vier den Fachausschüssen zugewiesen wurden. Das ist doch eine sehr, sehr positive Entwicklung, mit der wir alle in diesem Petitionsausschuss eigentlich zufrieden sein könnten.

Frau Kollegin Winter, ich sehe auch keine unterschiedliche Behandlung von Petitionen der Oppositionsparteien und solchen der Regierungsparteien. Ich sehe da überhaupt keinen Unterschied, jede Petition wird in diesem Ausschuss ganz gleich behandelt. Stellungnahmen werden eingeholt, es wird im Ausschuss diskutiert – ich finde, wir haben oft sehr angeregte Diskussionen zu den Petitionen im Ausschuss. Wenn die Petitionen zur Kenntnis genommen werden, wird auch im Plenum diskutiert. Ich finde nicht, dass eine Kenntnisnahme ein „Begräbnis erster Klasse“ ist, sondern wir diskutieren dann direkt hier im Plenum die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger.

Das heißt natürlich nicht – und das ist vielleicht die unterschiedliche Auffassung –, dass die Stellungnahmen immer im Sinne der unterstützenden Abgeordneten sind. Es stimmt schon, dass es auch Stellungnahmen gibt, die vielleicht nicht gefallen, nicht so sind, wie Sie sich das wünschen würden. Das muss man einfach auch zur Kenntnis nehmen, das ist gelebte Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Bürgerini­tiativen und Petitionen nicht ernstgenommen werden. Dagegen möchte ich mich wirklich ganz entschieden wehren, denn ich finde, dass wir im Ausschuss sehr gut


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diskutieren. (Abg. Dr. Pirklhuber: Aber Sie waren, glaube ich, nicht dabei, als ...!) – Ich bin im Ausschuss immer dabei und ich denke, dass wir wirklich gut diskutieren.

Ich möchte auch noch ein Wort zum Kollegen Vock sagen, weil er sich solche Sorgen darüber gemacht hat, dass das Verhältnis zwischen Abgeordneten der SPÖ und den Ministern vielleicht nicht ganz funktionieren könnte: Ich kann Ihnen diese Sorge wirklich nehmen. Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen und Auskommen mit unseren Minis­te­rinnen und Ministern. Trotzdem ist es auch das Recht von Abgeordneten der Regierungsfraktionen – das möchte ich schon betonen –, Petitionen zu unterstützen. Bei diesem Sammelbericht wird eine Petition zugewiesen, nämlich die des Kollegen Maier.

Was die Petition von Kollegin Hagenhofer anlangt, ist meiner Meinung nach sehr gut von Bundesminister Hundstorfer begründet worden, dass die Ängste, die die Einbringer gehabt haben, unberechtigt sind. Deswegen kann man sie beruhigt zur Kenntnis nehmen, davon bin ich wirklich zu 100 Prozent überzeugt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das haben wir auch einstimmig so angenommen!)

Kollege Pirklhuber, du hast noch die Petition „Kein Sparen bei Kindern, Jugendlichen, Familien und Sozialem“ angesprochen. Ich bin ganz deiner Meinung. Ich bin auch hundertprozentig sicher, dass uns alle die Anliegen dieser Petition in den politischen Diskussionen noch lange begleiten werden, weil ich davon überzeugt bin, dass die Gerechtigkeitsfrage, die in dieser Petition angesprochen wird, eine ist, die uns sehr zu beschäftigen hat. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann weiß man, dass nur 1 Prozent der Bevölkerung ein Drittel des Vermögens besitzt, dass Vermögenssteuern in Österreich nur 0,5 Prozent des BIP ausmachen – zum Vergleich: In Frankreich sind es 3,4 Prozent, in der Schweiz 2,2 Prozent. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass uns diese Petition, auch wenn sie heute zur Kenntnis genommen wird, noch viel beschäftigen wird. Die Einbringer haben in uns, in der Sozialdemokratie, wirklich starke Partnerinnen und Partner. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Obernosterer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.08.52

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht viel wiederholen, was meine Vorredner gesagt haben. Ich bin erst seit Kurzem im Petitions- und Bürger­initiativen-Ausschuss. (Abg. Mag. Stadler: Deine Vorgängerin möchte unbedingt wieder zurück ins Plenum!) Frau Kollegin Haubner, ich muss sagen, dieses Lob an Sie als Vorsitzende kam nicht umsonst: Sie haben eine ruhige Vorsitzführung, es kommt mir fast so vor wie im Tourismusausschuss, es ist sehr harmonisch. Das ist nicht in jedem Ausschuss so.

Das Wichtigste bei den Petitionen oder Bürgerinitiativen ist, dass sie ernst genommen werden. Wenn sie ins Haus hereinkommen, müssen sie ernst genommen werden. Ich habe mir das so durchgeschaut und muss sagen, ohne jetzt diese Punkte einzeln aufzuzählen, es sind viele Sachen dabei, bei denen die Gesetzgebung zwar ganz klar ist, aber bei der Umsetzung draußen kann man es manchmal auch bürgerfreundlicher machen. Auch ein Gesetz hat eine gewisse Bandbreite.

Eines wurde heute schon ein paar Mal erwähnt: der Erhalt der Hausapotheke. Ich kenne das aus meiner Region und auch aus Hermagor. Es gibt zwar eine ganz klare Vorgabe, mit viel gutem Willen kann man es auch ermöglichen, dass es auch in kürzeren Abständen nicht zu diesen Versorgungsengpässen kommen kann. Ich muss


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dazusagen, dass ich hier von 5,5 Kilometern gelesen habe – bei mir im Lesachtal ist es nicht anders möglich, da sind es bis zu 15 Kilometer, bis man zur nächsten Hausapotheke kommt. Aber wenn es nicht anders möglich ist und die Dichte nicht anders vorhanden ist, muss man, wie gesagt, auch so zurechtkommen.

Kurz zu den Grünen: Sie haben gesagt, Sie können heute hier nicht mitgehen aufgrund der Petition (Abg. Dr. Pirklhuber: Plastiksackerl!) zu den Plastiksackerln. Darüber wurde klar diskutiert, und Sie kennen den Grund, warum es so ist. Wir wissen, dass es eine europaweite Regelung geben sollte. Wir haben daher gesagt, wir werden jetzt in Österreich nicht vorpreschen, wenn vonseiten der EU eine allgemeine Regelung kommen kann. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das könnten wir doch im Umweltausschuss diskutieren lassen!) Wie gesagt, es wurde ernst genommen, wir haben klar diskutiert, und es hat eine klare Begründung gegeben, warum es abgelehnt wurde.

Des Weiteren wurde vorher von der Frau Kollegin das Thema der Immobilienmakler angesprochen, wo von 3 auf 2 Prozent heruntergegangen worden ist. Wir kennen auch diese Problematik, das ist im Zentralraum sicherlich anders als auf dem Land. Was des einen Leid, ist des anderen Freud. Die Wohnungssuchenden sind natürlich froh, dass sie weniger bezahlen müssen. Die Makler müssen dieses eine Prozent einstecken, das tut sicher weh, aber das bedroht nicht die Existenz. Ich glaube, es wurde mehr dadurch gedient, dass man den vielen Wohnungssuchenden auch gesetzlich behilflich sein konnte, denn wir kennen auch die Praxis der Immobilienmakler. Es wird manchmal pauschal abgerechnet und nicht über diese 3 Prozent. Das wurde jetzt eben nach unten korrigiert.

Angesprochen wurde auch die Petition „Kein Sparen bei Kindern, Jugendlichen, Familien und Sozialem“. Gestern haben wir von ÖVP-Seite schon gehört, dass es nächstes Jahr auch etwas in diese Richtung geben wird. Es ist wichtig, dass gewisse Punkte, die scheinbar schon erledigt sind, wieder neu angesprochen werden. Es wird immer neu überdacht, es kommen immer wieder neue Fakten auf den Tisch. Ich bin mir sicher, dass diese Petition in nächster Zeit ihre Erfüllung findet, weil ich glaube, Familie und Jugend ist ein Thema, das in Zukunft auch besser gefördert werden sollte. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.13.13

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in das allgemeine Lob der Reformschritte, der Ausschussarbeit einstimme, möchte ich inhaltlich etwas zu den Grünen sagen, was die Petition Pirklhuber, das Verbot von Plastiksackerln, betrifft. Ich glaube, Kollegin Brun­ner hat es schon sehr deutlich beantwortet. Das ist sicher in der Zeit der Energie­wende, des Atomausstiegs nicht das zentrale Umweltthema, aber es hat Symbol­charakter. Deshalb möchte ich daran erinnern, dass es einen Entschließungsantrag gibt, den wir hier im Plenum beschlossen haben, der sich dezidiert dafür ausspricht, dass in Österreich ungeachtet bevorstehender europäischer Regelungen Schritte unter­nommen werden, um auf das Nylonsackerl, dieses Zeichen der Wegwerfge­sellschaft und der Ressourcenverschwendung weitgehend zu verzichten.

Wir sind inhaltlich vollkommen auf einer Linie. Wir werden gemeinsam noch sehr viel Druck machen, weil wir auch in diesem Bereich sehr nahe an den Bürgerinnen und Bürgern sind. Ich meine, das ist kein Grund, dem Sammelbericht jetzt nicht die Zustimmung zu geben. Wir könnten gemeinsam viel mehr bewegen, wenn wir dem zustimmen. Wie auch immer, ich möchte mich bei der Vorsitzenden und den


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Fraktionsführern für die enormen Reformschritte bedanken, die im Ausschuss vor sich gehen – die zahlreichen Hearings und die Online-Unterzeichnungsmöglichkeit in Zukunft.

Es ist aber trotzdem notwendig, dass man einige Argumentationen vom Kopf auf die Füße stellt. Die These, dass es mit einer Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik in Verbindung zu bringen ist, wenn Bürgerinnen und Bürger mehr Petitionen und Bürger­initiativen einbringen, kann ich nicht unterstreichen. Das ist vielleicht die Auffassung der Kollegin Winter; Kollegin Haubner hat das auch so ähnlich formuliert. Das Petitionsrecht und das Einbringen von Bürgerinitiativen ist ein Teil unserer Demokratie, so wie die repräsentative Demokratie im Parlamentarismus in Österreich verankert ist. Ich sehe es eher als ein positives Zeichen, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger vermehrt an das österreichische Parlament wenden, um ihre Sorgen und Anliegen zu deponieren.

Noch eine Anmerkung zur Arbeitsweise: Es kann doch nicht die Aufgabe des Petitions­ausschusses sein, einfach nur an Fachausschüsse weiterzudelegieren. Dann könnten wir es gleich der Parlamentsdirektion überlassen, und die Präsidentin des National­rates entscheidet: Thema sowieso, Weiterleitung an den Fachausschuss. (Abg. Dr. Pirklhuber: Nein! Wir wollen Stellungnahmen haben!) Wir haben schon die Aufgabe, inhaltlich zu bewerten, Stellungnahmen einzuholen und es dann dem Plenum des Nationalrates zuzuführen. Es ein „Begräbnis erster Klasse“ zu nennen, wenn etwas nach einer Stellungnahme hier im Plenum diskutiert wird, ist ein etwas schlod­driger Umgang mit dem Demokratieverständnis. Das will ich vor allem an den Kollegen Vock richten. Ganz im Gegenteil wenden sich die Bürgerinnen und Bürger deshalb an uns, damit wir hier im Plenum des Nationalrates die Anträge debattieren können und dann zu einer Entscheidung kommen. Es steht jedem von uns frei, das auch in Antragsform im jeweiligen Fachausschuss inhaltlich einzubringen.

Ich freue mich vor allem auf das Hearing zum Ausstieg aus der Atomenergie. Das ist ein Zeichen, dass hier großer nationaler Konsens besteht, dass der Atomausstieg, die Energiewende, die die Bundesregierung eingeleitet hat, vom Parlament ernsthaft unterstützt wird und großen Widerhall in der österreichischen Bevölkerung findet. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Letten­bichler. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.17.07

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! (Abg. Mag. Gaßner: Glaubst du, dass da noch wer zuschaut?!) Hohes Haus! Wir geben hier im Parlament ja immer wieder Bekenntnisse für einen funktionierenden, lebenswerten ländlichen Raum ab, und ich glaube, wenn wir uns schon dazu bekennen, dann müssen wir diesen Worten noch mehr Taten folgen lassen.

Im Sammelbericht finden wir dazu neben der bereits erwähnten Petition zur Erhaltung der Hausapotheken der Landärzte auch die Forderung nach einer raschen Vergabe der digitalen Dividende. Nun, meine Damen und Herren, was ist die digitale Dividende? – Wie Sie alle wissen, sind Fernsehen und Radio von analoger auf digitale Übertragung umgestiegen. Dadurch wurden große Teile des Frequenzspektrums frei, und dieser Gewinn an verfügbaren Frequenzen wird als digitale Dividende bezeichnet.

Meine Damen und Herren! Darüber, dass schnelle Internetverbindungen Voraus­setzung für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raumes sind,


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herrscht auch in diesem Haus weitgehend Einigkeit. Aus unserer Sicht darf es kein Nachteil sein, ob man am Land oder in einer Stadt lebt. Flächendeckender Breit­bandausbau ist aber auch eine Standortfrage für Unternehmen und für die Menschen, die sich in ländlichen Gebieten niedergelassen haben oder noch niederlassen wollen.

Heute ist es selbstverständlich, dass beispielsweise eine flächendeckende Stromver­sorgung, ein dichtes Kanalnetz oder eine gute Verkehrsinfrastruktur auch in entlegene­ren Gebieten gegeben sind. Zukünftig muss es natürlich auch unser Ziel sein, eine breite Versorgung mit einer schnellen, flächendeckenden Internetinfrastruktur sicher­zustellen.

Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, die oben erwähnte digitale Dividende zu verwerten. Die Mobilfunkanbieter warten darauf und die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf. Der Glasfaserausbau ist natürlich auch eine vernünftige Alternative, jedoch noch zu teuer – vielleicht nicht im urbanen Bereich, aber auf dem Land nach wie vor.

In der Stellungnahme des Ministeriums vom März dieses Jahres wurde avisiert, dass die Versteigerung der Frequenzen im Laufe des Jahres 2011, spätestens Anfang 2012 möglich sein wird, geschehen ist bislang jedoch nichts. Jetzt ist sogar schon davon die Rede, dass man mit der Versteigerung erst im Herbst 2012, also erst in einem Jahr, starten wird. Meine Damen und Herren! Das kann es wohl nicht sein. Die zuständige Ministerin Bures ist gefordert, beim Vergabeprozedere endlich Schritte einzuleiten und Tatsachen zu schaffen. Es gibt technische Möglichkeiten, das schnelle Internet relativ einfach in den ländlichen Raum zu bringen. Es ist für mich nur schwer verständlich, warum diese Chance nicht ergriffen wird.

Abschließend darf ich noch einen Aspekt einbringen, der mir ganz besonders wichtig zu sein scheint, denn bei der Vergabe der digitalen Dividende muss auch darauf geachtet werden, dass es keine Benachteiligung für entlegene Gebiete geben wird. Es hilft uns nur wenig, wenn wir die Frequenz vergeben und dann auf die ländlichen Regionen erst recht wieder vergessen und nur die Ballungszentren bedient werden. Deswegen wurde im Bundesrat auf Initiative unseres Kollegen Georg Keuschnigg mit Unterstützung der SPÖ ein Entschließungsantrag eingebracht und beschlossen, dem­zufolge in den Ausschreibungsbedingungen für die Versteigerung der digitalen Divi­dende der ländliche Raum besonders berücksichtigt wird.

Deutschland hat sich hier ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt, nämlich bis Ende 2015 eine zumindest 90-prozentige Abdeckung in allen Regionen zu realisieren. In Österreich ist man davon noch sehr weit entfernt, und da ist Frau Bundesministerin Bures aufgerufen, rasch zu handeln. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

20.20


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tages­ordnungspunkt ist Herr Abgeordneter Preiner zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.21.02

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme zu zwei Petitionen Stellung; zum einen zur Petition betreffend Breitband­initiative im ländlichen Raum. Diesbezüglich darf ich erwähnen, dass diese Initiative ein wichtiger Impuls für die regionale Wirtschaft, für Privathaushalte, aber auch für Schulen und andere Bildungseinrichtungen im ländlichen Bereich ist.

Das Burgenland übernimmt auch hier wieder einmal eine Vorreiterrolle im Ranking der österreichischen Bundesländer. Im weiteren Ausbauplan des Landes Burgenland sind für heuer und für das Jahr 2012  700 000 € bereitgestellt worden, davon über 500 000 €


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kofinanziert seitens der EU, je 87 000 € vom Land Burgenland und vom Bund. Des Weiteren haben wir vor, mit dieser Initiative des Breitbandinternetausbaus im Land 80 Prozent Erreichbarkeit umzusetzen. Natürlich wird auch aonTV entsprechend bes­ser genützt werden können.

Die zweite Petition, die ich anspreche, ist die Petition mit dem Titel „Kein Sparen bei Kindern, Jugendlichen, Familien und Sozialem“. Diesbezüglich verweise ich auf eine OECD-Studie aus dem Frühjahr dieses Jahres, die besagt, dass wir bereits im Jahr 2007 2,15 Prozent des BIP für Familienleistungen ausgegeben und bereitgestellt haben. Diese OECD-Studie besagt aber auch, dass wir damit den dritten Platz in einem OECD-weiten Ranking von 33 Staaten eingenommen haben.

Ich darf einige Beispiele explizit anführen. Wir wissen, dass es in sehr vielen Bun­desländern bereits den Gratiskindergarten gibt und auch dass es das verpflichtende letzte Kindergartenjahr gibt. Für dieses stellt zum Beispiel der Bund 70 Millionen € den Erziehungsberechtigten zur Verfügung. In vielen Bundesländern können StudentInnen aber auch das kostenlose Semesterticket konsumieren. Der Bund selbst hat 47 Leistungen für Familien und Jugendliche bereitgestellt, aber auch die Länder und viele Gemeinden stellen hier entsprechende weitere finanzielle Sozialleistungen bereit.

Ich möchte auch erwähnen, dass es seit September dieses Jahres eine Novität gibt. Der Schulbuchselbstbehalt ist gefallen, nicht nur bei Schülerinnen und Schülern in den Pflichtschulen, sondern bei allen. Daher gibt es eine Ersparnis für alle Eltern von SchülerInnen von sage und schreibe 700 Millionen € pro Schuljahr.

Abschließend darf ich noch der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es in Österreich nicht zu einer flächendeckenden, generellen Einführung von Studiengebühren kommt – weder an Fachhochschulen noch an Universitäten. (Rufe bei der ÖVP: Auf Fach­hochschulen ...!) Ich denke, dieser Bildungszugang muss auch in Zukunft finanziell barrierefrei sein und darf keine finanzielle Belastung für die mittleren und unteren Einkommensbezieher darstellen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.)

20.23

20.23.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 1277 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

20.24.344. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1275 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird (1400 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Steindl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.24.59

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit dieser Regierungsvorlage wird das Punzierungsgesetz 2000


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geändert. Bei dieser Gesetzesänderung geht es darum, dass die Agenden des Bundesministeriums für Finanzen, was die Punzierungsaufgaben betrifft, in erster Instanz an das Zollamt Wien übertragen werden.

Die zweite und letzte Instanz soll an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien übertragen werden. Beim Zollamt Wien wird ein Kompetenzzentrum für Punzierungs­kontrolle geschaffen, dem sämtliche Punzierungskontrollorgane sowie das Edelmetall­kontrolllabor angehören werden. Dieses Kompetenzzentrum wird die Registrierung der Edelmetallbetriebe übernehmen. Durch die Schaffung einer gebündelten und bundesweit zuständigen Organisationseinheit soll die Punzierungskontrolle effizienter werden. Durch die Vereinheitlichung der Dienst- und Fachaufsichten beim Zollamt Wien und des Edelmetallkontrolllabors werden entsprechende Reibungsverluste ver­min­dert und womöglich auch Synergien gehoben werden.

Die bisher bestehenden Standorte der Punzierungskontrolle sowie der Labors werden beibehalten. Das ist sowohl für die Wirtschaft als auch für den Konsumenten wichtig. Die Kosten der Punzierungskontrollen werden wie bisher von den Händlern und Herstellern von Edelmetallgegenständen bezahlt werden. Meine Damen und Herren! Insgesamt, glaube ich, sind das Maßnahmen, mit denen Verwaltungsabläufe und Kontrolltätigkeiten effizienter gestaltet werden.

Abschließend erlauben Sie mir noch, darauf hinzuweisen, dass wir gerade bei den österreichischen Juwelieren, Goldschmieden und Händlern sicher sind, dass die Edelmetall- und Schmuckgegenstände die der Punzierung entsprechenden Anteile enthalten. Nicht immer ist das so – und das versichern mir unsere Juweliere und Goldschmiede immer wieder –, wenn Schmuck international oder im Internet eingekauft wird. Daher appelliere ich an Sie und an die Konsumenten, dass sie nach Möglichkeit bei den österreichischen Goldschmieden, Juwelieren und Händlern ihre Schmuckstücke besorgen. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.27.59

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staats­sekretär! Ich mache es ganz kurz. Ich glaube, dass es eine richtige Entscheidung ist, diese Tätigkeit aus der Verwaltung auszulagern – hinein in die Zollbehörde. Die Zoll­behörden an sich werden dadurch aufgewertet, davon bin ich überzeugt. Ich glaube, dass der Entwicklung der Zollbehörden in Österreich – gefüllt mit neuen hoch­qualitativen, sehr anspruchsvollen Tätigkeiten – dadurch weiter entsprochen wird. Wir Sozialdemokraten stimmen dem zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

20.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgorschek. 4 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Stummvoll: Die Länge des Applauses ist umgekehrt proportional zur Länge der Rede! – Abg. Podgorschek – auf dem Weg zum Rednerpult –: Na, da werde ich einen kurzen Applaus haben dann, Herr Kollege Stummvoll!)

 


20.28.46

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich kann einfach nur dazu gratulieren, dass jetzt das erste Mal ein kleiner Schritt in Richtung Verwaltungsreform gesetzt worden ist, weil sich die Regie­rung getraut hat, gegen die Sozialpartner – sprich gegen die Wirtschaftskammer und


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gegen die Arbeiterkammer – etwas durchzusetzen, das jetzt ein bisschen Einsparun­gen bringt.

Es ist nicht sehr viel, aber doch ein bisschen etwas. Wenn wir in diesem Tempo weiter­machen, dann könnte ich mir vorstellen, dass wir im Jahre 2030 ungefähr dort sind, dass wir eine große Verwaltungsreform hinter uns gebracht haben – aber Spaß beiseite.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden dem Punzierungsgesetz natürlich zustimmen, weil es wirklich einmal ein kleiner Schritt in Richtung Verwaltungsreform ist. Die Auswirkungen sind leider relativ gering, aber Frau Minister Fekter hat ja gesagt, sie wolle bei der Verwaltungsreform nicht den großen Wurf machen, sondern nur in kleinen Schritten voranschreiten – das war immerhin einmal ein kleiner Anfang.

Nur: Unsere Problematik – die Budgetproblematik – löst das nicht. Selbst die Frau Bundesminister hat im letzten Finanzausschuss zugegeben, dass es bei einer Ver­schuldung von 80 Prozent des BIP – und das haben wir letzten Endes; wenn man die ausgegliederten Bereiche hinzufügt, haben wir schon weit über 80 Prozent – gefährlich wird. Sie hat auch gesagt – das habe ich noch sehr gut im Ohr –, dann kommen wir in eine Schuldenspirale.

Daher ist es meiner Meinung nach sehr wohl vonnöten, dass wir entsprechende Maßnahmen setzen, eine wirkliche Verwaltungsreform und auch eine Strukturreform angehen. Leider kann der Rechnungshof immer wieder sagen, was er will, beziehungs­weise der Österreich-Konvent hat ja schon konkrete Vorschläge gemacht, und das haben wir auch von dieser Stelle aus immer wieder dementsprechend thematisiert, aber es kommt dann laufend – ich komme aus Oberösterreich und kenne diese Diskus­sionen – dieses Totschlagargument, die Bevölkerung wolle das nicht, die Bevölkerung verliere die Identität, und, und, und.

In Wirklichkeit geht es – und das müssen sich die Damen und Herren von der ÖVP einfach einmal sagen lassen und verinnerlichen – um eure Machtpositionen, die ihr nicht aufgeben wollt. (Ruf bei der ÖVP: In Wien haben wir keine!) Ich verstehe es ja zum Teil, aber wenn selbst ÖVP-Bürgermeister bei uns im Mühlviertel konkrete Vorschläge machen, dass vier Gemeinden zu einer Stadt zu vereinen wären (Abg. Mag. Gaßner: Drei! Drei!) – drei sind es nur?; die vierte ist dann die Stadt Aist –, und ich dann die Widerstände sehe, die es in der eigenen Partei gibt, dann tut es mir eigentlich leid. (Ruf bei der ÖVP: ... Oberösterreich ...!) – Nein, ihr müsst schon eure Parteikollegen überzeugen.

Das Problem ist nämlich – das wird dabei am wenigsten beachtet, und das ist auch der Grund, warum ich mich heute in meiner Rede so lange damit beschäftige –, dass diese Kleinheit unserer Gemeinden zu einer Zersiedelung unserer Landschaft führt. Schauen Sie sich einmal an, wie alles zubetoniert wird! Die Innenstädte veröden, und es ist keine vernünftige Gewerbepolitik oder Ansiedlungspolitik zu machen.

Ich ersuche die ÖVP noch einmal, dass sie in diese Richtung endlich Reform­bereitschaft zeigt, denn wenn die ÖVP dieses Denken aufrechterhalten hätte, dann wären Hernals und Ottakring wahrscheinlich heute noch eigenständige Gemeinden. Da muss ich sagen, dass Lueger, der große christlich-soziale Bürgermeister von Wien, damals wahrscheinlich fortschrittlich im Vergleich zur heutigen ÖVP war. (Beifall bei der FPÖ.)

20.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte. (Abg. Krainer: Den Zusammenhang mit dem Punzierungsgesetz


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habe ich nicht ganz verstanden! – Ruf bei der ÖVP: Verwaltungsreform! – Abg. Krainer: ... Lueger!)

 


20.32.43

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Derzeit liegt die gesamte Prüfungskontrolle der Punzierung einzig und allein bei der Bundesministerin für Finanzen. Das ist sicherlich eine gute Verordnung – und deswegen werden wir auch zustimmen –, weil es sicher sinnvoll ist, dass es eine zweite Instanz geben soll. Das Einzige, was mich interessieren würde, ist, was mit jenen Beamten im Ministerium geschieht, die bisher in zweiter Instanz entschieden haben, weil diese ja verlegt wird.

Ganz kurz zur Ausschusssitzung: Ich glaube, man sollte sich in Zukunft schon etwas überlegen. Wenn so ein Finanzausschuss zusammensitzt und tagt und die ÖVP mit einer vollkommen neuen, mit der Opposition nicht abgestimmten Tagesordnung daher­kommt, auf die einfach klammheimlich draufkommt – bezüglich des europäischen Finanzrahmens und der Haftung –, dass die Haftungen von 15 Milliarden € auf 21,6 Milliarden € erhöht werden, dann ist das etwas, das nie mehr vorkommen sollte. Ich glaube, dass die Bundesregierung aufgefordert ist – vor allem die Klubobleute der Regierungsparteien –, dass man die Opposition früh genug einbindet und das mit ihr abstimmt. (Beifall beim BZÖ.)

20.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schick­hofer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.34.17

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, mit dem Punzie­rungsgesetz setzen wir einen weiteren wichtigen Schritt im Sinne von mehr Effizienz in der Verwaltung. Es ist ein weiterer Schritt. Wir wissen ja, gerade in der Durchlässigkeit bei den Mitarbeitern haben wir im Bundesministerium für Finanzen gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium sehr viel erreichen können und auch eine starke Kooperation von Post und Telekom mit dem Bundesministerium für Finanzen. Das heißt, wir steigern die Effizienz und setzen Mitarbeiter, die in diesem Ressortbereich vielleicht nicht mehr unbedingt gebraucht werden, in der Bekämpfung der Schwarz­arbeit, in der Bekämpfung des illegalen Glücksspiels und in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ein. Ich glaube, diese Regierung setzt in sehr vielen Bereichen effizienzsteigernde Maßnahmen und schafft es so, mit dem gleichen Mitteleinsatz mehr zu erreichen.

Zum Abgeordneten Podgorschek: Ich freue mich natürlich, wenn auch Sie als FPÖ in der Steiermark die Reformbemühungen mittragen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir haben es jetzt zustande gebracht, zwei Bezirke zu einem Bezirk zusammenzulegen. Wir sind dabei, eine umfassende Gemeindestrukturreform gemeinsam auszuhandeln. Ich glaube, von Landeshauptmann Voves ist in Sachen Vermögensbesteuerung sehr viel ausgegangen. Da haben wir sehr viel erreicht.

Ich hoffe, dass jetzt von Landeshauptmannstellvertreter Schützenhöfer einiges an Reformelan auf die Parlamentsfraktion der ÖVP übergeht (Abg. Steibl: Das werde ich mir aber merken!), damit wir auch da bundesweit – vielleicht bei der Reform der Bezirkshauptmannschaften, von 17 Bezirken hin zu sieben Regionen in der neuen Gemeindestruktur, orientiert auf die Kleinregionen; ich erinnere an das Schützenhöfer-Modell – eine stärkere Konzentration auf die Zentralorte zustande bringen. (Abg. Steibl: Ja, ja! Ob sich die eingliedern lassen, das werden wir uns anschauen!)


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Ich glaube, diesen Part hat Landeshauptmann Voves einnahmenseitig sehr gut ange­legt. Wir haben 1,4 Milliarden € mehr im Vermögensbereich umgesetzt – von unserer Fraktion. Sie wollen ja immer sparen und effizienter tätig sein. Nehmen wir uns die Steiermark als Beispiel – Ihren Landeshauptmannstellvertreter –, setzen wir das bun­desweit um, und schauen wir, dass wir überall schlanker und effizienter werden, damit wir im Bereich der Bildung, im Bereich des Sozialen, aber gerne auch im Bereich der Wirtschaftsförderung mehr Mittel zur Verfügung haben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. 3 Minuten Redezeit. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Haben Sie da den Kollegen Krainer auch schon überzeugt? – Gegenruf des Abg. Krainer. – Abg. Steibl: Die Rede werde ich mir merken!)

 


20.37.08

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgrund der Finanzkrise steigt unter anderem auch der Goldpreis (Zwischenruf bei der ÖVP), und dieses Edelmetall wird ein begehrteres Gut. Dadurch steigt auch der Druck, mehr davon zu fördern, und dadurch werden auch die Arbeitsbedingungen – überhaupt die Bedingungen, unter denen es gefördert wird – immer schlimmer und schlimmer.

Ich möchte zwei Beispiele dafür bringen: einerseits die Demokratische Republik Kongo, von der bekannt ist, dass die Einnahmen von illegal geschürftem Gold dazu dienen, Milizen zu bewaffnen, dass für die Goldförderung Menschen verschleppt und zu Zwangsarbeit rekrutiert werden. Sie stehen dann bis zu den Hüften im Schlamm und tun von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts anderes, als zu versuchen, ein paar kleine Goldkörnchen aus dem Schlamm herauszuwaschen. Die Gewinne fließen in die Taschen von Warlords, landen auf dunklen Konten in Steueroasen, und das UN-Embargo gegen die Demokratische Republik Kongo wird umgangen, indem das Gold illegal ins Nachbarland Uganda gebracht wird, dort punziert und dann nach Europa geschafft wird. Eigentlich bräuchte es dafür eine Genehmigung des Bergbauministeriums, aber die gibt es so gut wie nie.

Das zweite Beispiel: Es wird geschätzt, dass es im Amazonasgebiet in Guyana 15 000 bis 30 000 Goldschürfer gibt – und das bei einer Gesamtpopulation von 230 000 Ein­wohnern, das ist ein immenser Anteil. Obwohl Guyana eigentlich Teil von Frankreich ist, damit auch französische und europäische Gesetze gelten, und der Einsatz von Quecksilber in Wirklichkeit verboten wäre, wird Quecksilber dort in der Realität sehr oft zum Goldgewinnen eingesetzt – mit sehr schlimmen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die damit arbeiten müssen, mit Auswirkungen auch auf das Grundwasser und die Umwelt. Es gibt vermehrt Fehlbildungen bei Neugeborenen und sonstige schwere Erkrankungen, abgesehen davon, dass Fauna und Flora zerstört werden. Einher mit dem illegalen Abbau von Gold gehen Prostitution, Waffenhandel, Drogenkriminalität, Gewalt und vieles mehr. Die brasilianischen Händler auf der anderen Seite der Grenze waschen dieses Gold dann wiederum rein.

In beiden Fällen kommen Expertenkomitees der UN zu dem Schluss, dass es wichtig wäre, ein Nachweissystem zu entwickeln, damit die Spur des Goldes bis zum wirk­lichen Ursprung nachvollzogen werden kann. Es braucht einen Legalitätsnachweis, einen Herkunftsnachweis für Gold und andere Edelmetalle. Ich denke, dass man mit Gesetzen wie dem Punzierungsgesetz, aber auch mit dem internationalen Vertrag zur Punzierung von Gegenständen aus Edelmetallen, dem Österreich im Jahr 1975 beigetreten ist, durchaus die Chance hätte, initiativ zu werden und etwas in Richtung Legalitätsnachweis – ähnlich wie das bei den Diamanten im Kimberley-Prozess der


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Fall ist – zu tun, durchaus auch im Sinne einer gesamtheitlichen und kohärenten Entwicklungspolitik. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

20.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.40.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bedanke mich herzlich für die Debatte zum Punzierungs­gesetz, vor allem weil alle Debattenrednerinnen und -redner gewürdigt haben, dass es hier einen Schritt in der Verwaltungsvereinfachung gibt, indem wir verschiedene Instan­zenzüge und Zuständigkeiten, die bisher bestanden haben, beim Zollamt Wien in erster Instanz bündeln und zusammenfassen, beziehungsweise in zweiter und letzter Instanz beim Unabhängigen Verwaltungssenat.

Ich darf auch dazu sagen, auch wenn formal die MitarbeiterInnen, die mit der Pun­zierungskontrolle befasst sind, in Zukunft dem Zollamt Wien zugerechnet werden, bleiben natürlich die Dienststellen in Linz, Salzburg und Graz weiterhin bestehen, um so auch dem Konsumentenschutz Rechnung zu tragen.

Ganz kurz nur zu dem Punkt, den die Abgeordnete Bayr angesprochen hat. Ich halte das nicht für direkt in diesem Gesetz regelbar, aber an sich für einen vernünftigen Vorschlag und werde es auch mitnehmen für all jene internationalen Gremien, wo diese Punkte besprochen werden, ob man hier nicht gemäß dem UN-Bericht überlegen kann, solche Dinge einzuführen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.41

20.41.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1275 der Beilagen.

Dieser Gesetzentwurf unterliegt einem besonderen Normerzeugungsverfahren, näm­lich der Notifikationspflicht gemäß der Richtlinie 98/34/EG an die Europäische Kom­mission. Das notwendige Notifikationsverfahren ist abgeschlossen, sodass eine Beschlussfassung des vorliegenden Gesetzentwurfes zulässig ist.

Ich ersuche daher jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.42.595. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1331 d.B.): Proto­koll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Fran­zösischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkom­mens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer­


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umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1401 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1332 d.B.): Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1402 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1333 d.B.): Abkom­men über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan (1403 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1334 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1404 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Haider. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.44.22

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich spreche kurz zum Tagesordnungspunkt 5: Bericht über die Abän­derung des Abkommens mit der Französischen Republik betreffend die Vermeidung der Doppelbesteuerung und die Verhinderung von Steuerumgehung, sprich Steuer­hinterziehung.

Die Regierungsfraktionen haben mit grüner Mithilfe ja vor zwei Jahren das österreichi­sche Bankgeheimnis über Bord geworfen, ausgehöhlt, aufgeweicht, und diese durch nichts zu rechtfertigende Aushöhlung des österreichischen Bankgeheimnisses ist eine Grundlage für derartige Änderungen dieser Abkommen. Daher werden wir, wiewohl wir natürlich für die Vermeidung der Doppelbesteuerung und für die Verhinderung der Steuerumgehung sind, unserer konsequenten Linie treu bleiben und nicht zustimmen, weil Sie für derartige Beschlüsse, und da werden wir nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, vor zwei Jahren das österreichische Bankgeheimnis über Bord geworfen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Da der Herr Staatssekretär (Staatssekretär Mag. Schieder spricht mit einem an der Regierungsbank stehenden Abgeordneten) – wenn er sich dankenswerterweise auch Zeit nimmt, der Debatte zu folgen – anwesend ist und auch das Wort „Steuer­hinterziehung“ schon gefallen ist, möchte ich Sie, Herr Staatssekretär, schon auf etwas hinweisen. Wenn Sie in den letzten Tagen die Zeitungen gelesen haben, dann haben Sie sicherlich auch mitbekommen, was sich bei der Crédit Suisse, einer Schweizer Großbank, jetzt getan hat. Sie erinnern sich, vor zwei Jahren hatte ein Mitarbeiter der


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Crédit Suisse eine CD mit 1 000 deutschen Steuersündern dem deutschen Fiskus verkauft, und der deutsche Fiskus hat dann diese Steuerhinterzieher, die in der Schweiz das Geld parken, geklagt und zieht sie zur Rechenschaft, hat aber gleichzeitig auch die Crédit Suisse auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung geklagt.

Jetzt hat sich die Crédit Suisse mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf auf eine Zahlung von 150 Millionen € geeinigt, um das Verfahren zu beenden. Diese Zahlung von 150 Millionen € ist ein Schuldeingeständnis dieser Bank, die auch in Österreich zwei Niederlassungen hat, und der deutsche Finanzminister hat ja auch angekündigt, die Österreicher, die auf dieser CD sind, dem österreichischen Fiskus zu nennen.

Ich frage Sie daher: Was haben Sie getan? Haben Sie die Crédit Suisse geklagt? Haben Sie diese österreichischen Steuerhinterzieher geklagt, um sie zur Verantwor­tung zu ziehen? Wie schauen Ihre Verhandlungen mit der Crédit Suisse aus? – Ich bin schon gespannt auf die Beantwortung meiner Anfrage, die ich zu diesem Thema heute eingebracht habe. (Beifall bei der FPÖ.)

20.47


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Obernosterer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.47.12

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Zum Tagesordnungspunkt 5: Änderung des Doppelbesteue­rungsabkommen mit Frankreich. – Wir wissen, die OECD-Staaten haben neue Richt­linien erarbeitet, um bei der Steuerkriminalität effizienter vorgehen zu können, und wir wissen auch, dass aufgrund dessen diese Änderung notwendig ist.

Österreich hat schon mit einigen anderen Staaten aufgrund dessen dieses Doppel­besteuerungsabkommen abgeschlossen. Warum ist es gerade bei Frankreich so wichtig? – Frankreich ist nach Deutschland, Italien, der Schweiz und den USA der fünftwichtigste Absatzpartner der österreichischen Wirtschaft. Heuer werden wir, wenn die Prognosen stimmen – im ersten Halbjahr wurden fast 2,6 Milliarden € exportiert –, das erste Mal die 5 Milliarden-Euro-Grenze überschreiten. Im letzten Jahr, im Jahr 2010, hat es einen Handelsbilanzüberschuss mit Frankreich von 1,32 Milliarden € gegeben, und deshalb ist dieses Abkommen auch notwendig.

Zu den Punkten 6, 7 und 8: Investitionsschutzabkommen mit dem Kosovo, Kasachstan und Tadschikistan. Warum ist das so wichtig? – Wir wissen, das sind Hoffnungsmärkte. Wir wissen, dass durch diese Abkommen auch das politische Klima zwischen den Staaten besser wird. Und was natürlich das Allerwichtigste ist: Es ist damit ein Schutz aufgebaut für die Firmen, die dort investieren, in der Form, dass sie halbwegs sicher sind. Aufgrund dieses Abkommens ist es überhaupt erst möglich, dass die Firmen in diesen Ländern aktiv werden.

Wir wissen, dass Österreich ein Exportland ist. Wir wissen, wie viele Arbeitsplätze in Österreich vom Export abhängig sind. Deshalb sind diese Richtlinien wichtig zur Sicherung der österreichischen Wirtschaft, zur Sicherung der Arbeitsplätze in Öster­reich und dass wir weiterhin auch dieses Exportland bleiben können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 224

20.49.39

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Dem Tagesordnungspunkt 5, dem Doppelbesteuerungsabkommen, werden wir in konsequenter Weise die Zustimmung verweigern. Wir machen damit einmal mehr darauf aufmerksam, dass es eine schriftliche Vereinbarung gibt, unterfertigt auch von den beiden Regierungsparteien, dass die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ein Minderheitsrecht wird, aber wir warten noch immer auf die Umsetzung. Die Unterschrift gibt es, aber die Umsetzung fehlt noch immer, und daher werden wir konsequenterweise hier damit auch unseren Protest zum Ausdruck bringen.

Bei den restlichen Tagesordnungspunkten, die hier mitverhandelt werden, nämlich die TOPs 6 bis 8, werden wir, da sie uns sehr sinnvoll erscheinen, unsere Zustimmung erteilen. (Beifall beim BZÖ.)

20.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Matznetter. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.50.41

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Leider geben Doppelbesteuerungsabkommen, von denen wir in letzter Zeit eine Reihe beschlossen haben, immer wieder Anlass, zu sehen, dass es hier in diesem Hause eine Fraktion gibt, die eine der grundvernünftigsten Revisionen, nämlich solche auf OECD-Standards, nicht unterstützt, und zwar aus einem wirklich unbegreiflichen Motiv heraus, denn: Wen wollen Sie „schützen“?

Ich darf nur anführen: In Österreich gilt weiterhin das Bankgeheimnis, und zwar unverdrossen, ohne Einschränkungen, ohne Veränderungen. Nichts verändert sich. Null. Kein Beistrich.

Bei ausländischen Tätern aber, die aus Geldwäschegründen Steuerbetrügereien sozu­sagen hier parken, wollen Sie keine Kooperation haben. Und Sie wollen im Falle von Österreichern und Österreicherinnen – hauptsächlich sind es aber Männer –, die Schwarzgeld im Ausland haben und Steuern hinterziehen, der österreichischen Finanz­verwaltung keine Chance geben, im Informationsweg dem nachzugehen.

Und was heißt das? – Das ist doch nichts anderes, als dass Sie, und zwar planmäßig, ein Schutzsystem aufrechterhalten wollen, dass bestimmte Menschen eine Steuer, die für alle gleich ist, nicht bezahlen zu müssen, während wir gleichzeitig die höchsten Steuersätzen bei Arbeitern und Angestellten und kleinen Selbständigen haben. Diese fragt kein Mensch, ob sie zahlen wollen oder nicht. Da ist es Ihnen plötzlich nicht wichtig, wenn die gesamten Lohnzetteldaten am Ende des Jahres übertragen werden.

Das ist Ihnen nicht wichtig, aber der Oligarch von irgendwo soll Ihrer Ansicht nach sein Schwarzgeld haben und ja keinerlei Auskunft geben müssen. Diese Ihre Position kann ich wirklich nicht verstehen. Und das wird Sie auch Schwierigkeiten im Wahlkampf bringen.

Daher: Überlegen Sie sich das! Reihen Sie sich ein, um etwas zu machen, damit es in unserem Land anständiger wird. Österreich steht da sowieso nach Ansicht einiger Länder in der sogenannten Schmuddelecke, und wir werden da immer zusammen mit Steueroasen und so weiter genannt. Daher: Schauen wir, dass wir da herauskommen!

Und Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Schließen Sie sich doch da an! (Zwischenruf des Abg. Dr. Fichtenbauer.) – Sie merken es sich hoffentlich, Herr Dr. Fichtenbauer; so lang ist das nicht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 225

Was das Investitionsschutzabkommen anlangt – wir werden das heute beschließen –, möchte ich darauf hinweisen: Es gibt einen positiven Teil, den hat Kollege Ober­nosterer hier schon angeführt. Es gibt Schutz für unsere Investitionen, eben bei der dortigen Gerichtsbarkeit, aber täuschen Sie sich nicht, Kolleginnen und Kollegen: Die Mehrzahl der Verfahren nach solchen Abkommen betrifft mittlerweile schon westliche Industriestaaten, wobei das, was nach einer Rechtsordnung bei uns anders geregelt ist, von Konzernen zum Anlass genommen wird, via Schiedsgerichtsbarkeit Entschä­digungszahlungen durchzusetzen.

Das ist also nicht ganz unheikel – und daher auch mein Appell an den Herrn Staatssekretär, da sehr vorsichtig zu agieren, damit wir nicht in folgende Situation kommen: Wir verteidigen unser System Daseinsvorsorge bei den EU-Richtlinien, haben dann aber unter Umständen via Investitionsschutzabkommen eine Situation, die nicht die beste ist.

In diesem Sinne: Gute Bestimmungen also – und danke, Herr Staatssekretär, dass infolge der Schnelligkeit dieser Abkommen dieses „Feigenblatt“, das uns da einige vorgehalten haben, wir würden ohnehin nur zwölf abschließen, nicht eingetreten ist, sondern dass wir jetzt wirklich ein breites Netz haben. Vielen Dank für diese Arbeit, die von Ihrem Haus gut gemacht wird. Der Dank gilt da natürlich auch den Beamten, weil das eine extrem schwierige Arbeit ist, die da zu leisten war. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.54.25

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Mein Vorredner hat mich jetzt dazu veranlasst, ein paar Dinge zum österreichischen Bank­wesen zu sagen. Zunächst einmal, meine Damen und Herren: Haben Sie gewusst – beim Kollegen Matznetter bin ich mir da nicht so sicher –, dass Sie sogenannte PEPs sind? Seit gestern, als ich das im Fernsehen gesehen habe, weiß ich das jetzt, aber ich musste mich auch erst erkundigen, was ein PEP ist. Wir alle hier herinnen sind also PEPs. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Hast du gewusst, dass du ein PEP bist? Paula – Emil – Paula. Nicht, dass du es falsch verstehst. (Ruf: PEP, nicht Depp!)

Ein PEP ist also jemand, der ein öffentliches Amt hat, und dazu gehören auch die Parlamentarier. Alle Konten aller Parlamentarier, inklusive aller Ehepartner, aller Lebenspartner, aller Kinder dieser PEPs, aller Ehepartner der Kinder dieser PEPs, aller Partner der Kinder dieser PEPs und der Eltern sowie aller bekanntermaßen nahe­stehenden Personen von PEPs – dazu gehören zum Beispiel auch Personen in sonstigen engen Geschäftsbeziehungen, das heißt, alle parlamentarischen Mitarbeiter von uns –, also alle deren Konten unterliegen der vollen Kontrolle durch die Banken hinsichtlich eines erhöhten Verdachtes auf Geldwäscherei und Terrorismustätigkeit.

Diese Konten sind laufend – und da bedarf es keines Verdachtes, sondern da genügt eine „begründete Annahme“ –, und zwar nach § 41 Bankwesengesetz, an die Meldestelle für Geldwäschereiangelegenheiten beim Bundeskriminalamt zu melden.

Meine Damen und Herren, haben Sie das gewusst? Haben Sie das alle gewusst? Ich habe es nicht gewusst. Gestern Abend habe ich mir das im Fernsehen angeschaut. Und dann lese ich, dass dann das Bundeskriminalamt die Aufgabe hätte, den entsprechenden PEP sofort davon zu informieren beziehungsweise die Eltern, Partner, deren Partner und so weiter; sozusagen alle Angehörigen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 226

Meine Damen und Herren, dazu die Frage: Was ist denn das für eine Immunität, Frau Präsidentin? Und weiters ist es so, dass Kollege Scheibner erst durch die Bericht­erstattung über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft an die Parlamentsdirektion davon erfahren hat, dass er als PEP beamtshandelt wurde, obwohl im Gesetz steht, dass ein Betroffener davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen ist.

Das ist kein Vorwurf an Sie, Frau Präsidentin , sondern ich will Ihnen nur sagen, dass dieses Parlament Gesetze beschließt, mit denen wir uns selbst zu potentiell Krimi­nellen machen, nur weil das alles im Zusammenhang mit 9/11 notwendig erschien. Eh klar! Seitdem kann man in dem Land überhaupt machen, was man will.

Aber übrigens ist das jetzt nicht nur bei uns so, denn das Ganze beruht auf einer EU-Richtlinie. Und dann sagt die Behörde: Das interessiert uns nicht, und den Scheibner haben wir davon nicht verständigt! Immunität eines Parlamentsabgeordneten? – Das interessiert uns nicht! – Die Immunitätsproblematik kommt im Bankwesengesetz in Bezug auf PEPs, die ja Immunität haben, überhaupt nicht vor.

Ich will Ihnen damit nur sagen, Herr Kollege Matznetter, dass das, was Sie vorhin releviert haben im Zusammenhang mit dem Doppelbesteuerungsabkommen und dem Stimmverhalten der FPÖ, mit dem, was Sie dann als Begründung geliefert haben, überhaupt nichts zu tun hat.

Warum die FPÖ das macht, das wird vielleicht noch jemand hier erklären, aber die Begründung, die Sie, Herr Kollege Matznetter, in Bezug auf die FPÖ heranziehen, dass damit sozusagen die Geldwäscher geschützt werden sollen, stimmt überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Wir alle hier als PEPs sind potentielle Geldwäscher und Terrorismusgeldzuführer!

Und wie rasch das geht, hat man ja beim Kollegen Scheibner gesehen. Die Raiffeisen-Bank geht her – deshalb sage ich noch einmal, ich bin froh, dass ich bei Raiffeisen kein Konto habe – und entdeckt auf einmal beim „PEP Scheibner“ eine begründete Annahme dafür, dass Geldwäscherei vorliegen könnte. Kollege Scheibner erläutert der Bank zwar alles, diese meldet es aber an das Bundeskriminalamt weiter. Und das Bundeskriminalamt sagt dem Abgeordneten Scheibner nicht, dass er beamtshandelt wurde. Das erfährt er erst, nachdem dieses Ersuchen in der Parlamentsdirektion eingelangt ist.

Diese Raiffeisen-Bank hat aber keinerlei Gründe gesehen, beim Herrn „PEP Strasser“ Geldwäsche zu vermuten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Ich repliziere nur auf Sie. Herr Kollege Matznetter, Sie sind mir so wichtig mit dem, was Sie hier so „gescheit“ vortragen, dass ich Ihnen erklären muss, wie es wirklich ist. Das haben Sie nämlich nicht gecheckt. Sie haben dieses Gesetz zwar mitbeschlossen, haben aber das alles nicht überrissen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Sie, Herr Kollege Matznetter, haben nicht überrissen, dass Sie als PEP in Terrorismus- und Geldwäscheverdacht stehen. Und das kann auch Ihnen jederzeit passieren. Morgen kann zum Beispiel jemand behaupten, dass der Abgeordnete und Staats­sekretär außer Dienst, also zusagen ein Super-PEP, Geldwäscherei betrieben habe. Dann gibt es ein Auslieferungsbegehren – und der Kollege Matznetter erfährt das nicht einmal, obwohl die Information darüber laut Gesetz gegeben werden muss.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen damit nur sagen, was in diesem Staate alles möglich ist. Reden Sie nicht davon, Herr Kollege Matznetter, dass dadurch irgend­jemand geschützt werden soll, denn dieser „Schutz“ wird dazu benutzt, um gegen einzelne Abgeordnete vorzugehen!

Und das kann man Ihnen anhand des Falles Scheibner nachweisen. Meine Damen und Herren, die gleiche Bank hat bei den Konten des Herrn Strasser keine Geld­


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wäscherei-Verdachtsmomente gehabt, wo es entsprechende Verdachtsmomente in Millionenhöhe gegeben hätte. Eigenartig! Natürlich, ist klar, rein „zufällig“: Der eine PEP ist nämlich ein schwarzer PEP und der andere PEP ist eben ein oranger PEP, und deswegen ist die Welt halt unterschiedlich, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

So viel zu Ihrem PEP-System, das Sie selber heute hier verteidigen. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, genau das sind die Gründe, warum wir Ihnen misstrauen. Das sind die Gründe, warum wir sagen, dass das Machtmissbrauch ist, wie er im Gesetz bereits vorgelegt wird. (Beifall beim BZÖ.)

21.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Schwentner gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.00.42

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine Damen und Herren! Dass Investitionsschutzabkommen insgesamt heikel sein können, dem kann ich mich nur anschließen, Herr Kollege Matznetter. Wir haben dies auch unlängst in einer sehr breit angelegten Veranstaltung diskutiert. Da gibt es viele Punkte, die man sich genau anschauen und die man auch berücksichtigen muss, und die haben Sie auch erwähnt.

Wir wissen auch, dass es demnächst EU-weite multilaterale Abkommen geben wird. Trotzdem haben wir diesem bilateralen Abkommen mit dem Kosovo zugestimmt, nicht zuletzt deswegen, weil wir das als positives auch außenpolitisches Zeichen Österreichs gegenüber dem Kosovo sehen, der ja nicht von allen Ländern, mittlerweile auch nicht allen EU-Staaten anerkannt ist, auch nicht von allen WTO-Staaten.

Nichtsdestotrotz möchte ich sagen, dass es ein bisschen ambivalent ist, zum einen die Investitionsschutzabkommen zu unterstützen – das tun jetzt alle fünf Parteien, soweit ich das jetzt verstanden habe –, zum anderen aber – und das finde ich wesentlicher, was den Kosovo anbelangt – zum Beispiel den Ausbau des Justizsystems, an dem wir maßgeblich beteiligt waren, mit der Zeit jetzt langsam abzubauen. Mittlerweile ist der letzte österreichische Richter, der im Kosovo war, abgezogen.

Ich halte es für problematisch, dass das Engagement Österreichs gerade im Justiz­system und im Demokratieaufbau zunehmend reduziert wird. Wir sollten nicht nur auf die Investitionen schauen, sondern auch auf unsere Aufgabe im Zusammenhang mit Demokratie und Justiz im Kosovo. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Staatssekretär Mag. Schieder gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.02.31

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zum Thema Doppelbesteuerungsabkommen, Erneuerung des bis dahin schon bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens mit Frankreich: Wie richtigerweise schon gesagt worden ist, geht es um die Umsetzung der erneuerten OECD-Standards hinsichtlich Transparenz und Amtshilfebereitschaft. Es geht nicht um eine Aufweichung des Bankgeheimnisses bezüglich österreichischer Staatsbürge­rinnen und Staatsbürger.

Dies ist aber ein wichtiges Element für nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen, so wie auch Investitionsschutzabkommen. Dazu ein Beispiel: Im ersten Quartal des heurigen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 228

Jahres sind die Exporte von österreichischen Firmen nach Frankreich um 18 Prozent gestiegen. Doppelbesteuerungsabkommen haben natürlich innerhalb der Europä­i­schen Union nicht die Bedeutung, die sie mitunter außerhalb der Europäischen Union haben, weil sie einen vielfältigen stabilen Rechtsrahmen geben, sind aber ein wichtiger und verlässlicher Bestandteil.

Investitionsschutzabkommen sind ein weiterer Baustein in einer Kette von stabilen Beziehungen und stellen im Wesentlichen zwei Dinge sicher, nämlich eine faire Behandlung von österreichischen Investoren im Ausland, was wichtig ist, denn wenn man sich als österreichisches Unternehmen entscheidet, Geld und Know-how auch im Ausland einzusetzen, will man auch nachhaltige, stabile Beziehungen. Man stellt damit weiters die Wirtschaftsbeziehungen auf sichere Beine und vertieft diese auch.

Heute stehen mehrere dieser Abkommen auf der Tagesordnung. Die einen betreffen Zentralasien, einen extrem spannenden Markt. Die Wirtschaftsbeziehungen dort sind abhängig vom Engagement beider Seiten. Ich habe im Zusammenhang mit den DBA-Gesprächen in Tadschikistan und Kasachstan beziehungsweise der EBRD-Tagung auch gemerkt, wie wichtig diese Handelsbeziehungen für Österreich sind und welch großes Interesse es auch vor Ort gibt.

So ist zum Beispiel Kasachstan das stabilste und wohlhabendste Land in dieser zentralasiatischen Region. Und wir haben ein bilaterales Handelsvolumen, das erstmals 2007 die Ein-Milliarden-Grenze überschritten hat. 50 österreichische Firmen haben auch Niederlassungen oder Repräsentanzen in diesem Land.

Tadschikistan ist momentan noch nicht so bedeutend wie Kasachstan. Wir hatten im Jahr 2009 Exporte in Höhe von 2,8 Millionen und Importe in Höhe von 1,5 Millionen, aber wir haben große Chancen in diesem Land, denn die Themen, die dort diskutiert werden, sind Infrastruktur, Wasserkraft und damit verbunden das gesamte Energie­thema. Das sind die Bereiche, in denen österreichische Firmen über ein besonderes Know-how verfügen.

Den Kosovo halte ich aus mehreren Gründen für wichtig, und zwar deswegen, weil gerade der Balkan, vor unserer Haustür gelegen, ein wichtiger Wirtschaftsraum ist und die Handelsbeziehungen zwischen Österreich und diesem Raum zu Stabilität in dieser Region beitragen können und dies auch tun. Daher ist das Investitionsschutz­abkom­men gerade für den Kosovo aufgrund der nachbarschaftlichen Situation sowohl poli­tisch als auch wirtschaftspolitisch wichtig. Es freut mich auch, dass ich Ihren Debat­tenbeiträgen entnehmen konnte, dass die Mehrheit in diesem Haus den Beschlüssen positiv gegenübersteht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

 


21.06.07

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär, danke schön, dass Sie diese Investitionsschutzabkommen jetzt in der vollen Breite und sehr viel besser, als ich es könnte, erläutert haben. Es ist dem nichts mehr hinzu­zufügen.

Wenn man sich die Einleitung zu diesem Investitionsschutzabkommen durchliest, dann sieht man, dass darin die Rede davon ist, dass menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen sind. Es geht da um die Achtung der Menschenrechte – bei Tadschikistan wird dies ein Problem sein –, arbeitsrechtliche Mindeststandards müssen eingehalten werden. Dann habe ich noch etwas ganz Spannendes gefunden, nämlich: Es wird betont, „dass die Notwendigkeit für alle Regierungen und zivilen Akteure gleicher­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 229

maßen besteht, die internationalen Anti-Korruptionsbemühungen einzuhalten, vor allem die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption“.

Wenn man sich die Diskussion der letzten Tage und auch von heute anschaut, dann hat, so meine ich, auch Österreich noch einiges zu tun, um diesen Vertrag so zu erfüllen.

Meine Damen und Herren, vorhin ging es in der Diskussion wieder um Gemeinde­zusammenlegungen. Herr Kollege Podgorschek hat gemeint, dass es vier Gemeinden sind, es sind bei uns im Mühlviertel nur drei Gemeinden. Dazu darf ich Ihnen aber etwas erzählen: Die Industriellenvereinigung ist ja ganz stark dahinter, dass diese Gemeinden zusammengelegt werden. Ist ja alles okay. Wenn sie wollen, ist das gut.

Nur argumentiert man da mit der Untersuchung eines Linzer Universitätsprofessors, die auf völlig falschen Zahlen basiert. Dieser Herr Professor nimmt die Quote, die Ertragsanteilsquote pro Kopf aus dem Jahr 2006, multipliziert diese mit den 11 000 Einwohnern der zusammengelegten Gemeinden und kommt da auf gute 2 Millionen Mehrertrag für diese neue Stadt. Wenn er aber die Ertragsquote von 2009 nimmt, dann sind es nur mehr 200 000 mehr Ertrag, und dann schaue ich mir an, was von diesen 200 000 noch übrig bleibt, wenn man die Zusammenlegung mit allem Drum und Dran gegenrechnet.

Ich bin ja froh, dass in der Steiermark dieses Projekt so gut läuft, Herr Kollege Schickhofer. Ist ja alles bestens. Nur eines – und dagegen verwahre ich mich, solange ich kann –: Das kann nicht erzwungen werden, das muss immer noch Sache der Betroffenen bleiben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


21.09.03

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die heutige Tagesordnung behandelt unter anderem drei Abkom­men über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und den Republiken Kosovo, Kasachstan und Tadschikistan. Ziel dieser Abkommen ist es, österreichische Unternehmen bei Auslandsinvestitionen zu unterstützen. Ziel dieser Abkommen ist es auch, bilaterale Wirtschaftsbeziehungen weiterzuentwickeln.

Mit den heute noch zu beschließenden drei Abkommen wird das fünfte Dutzend derartiger Abkommen komplettiert, Abkommen, die auch die Grundlage für Inves­titionen in Österreich bilden, die der Rechtssicherheit dienen wie auch dem Schutz der Umwelt, der Sicherheit und der Beschäftigung. Es werden auch Verfahren zu Enteignung, Entschädigung und Streitbeilegung geregelt.

Positiv zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass zunehmend auch KMUs in der Frage grenzüberschreitende Investitionen aktiv werden. Weiters positiv zu vermer­ken sind auch die Beschäftigungseffekte: zum einen im Zusammenhang mit den steigenden Direktinvestitionen, aber nicht nur in der Frage der Investitionen, sondern auch in der Frage der Exporte, zumal festzustellen ist, dass bei steigenden Direkt­investitionen oft auch die Exporte steigen.

In Summe: gut für Wirtschaft und Beschäftigung. Daher werden wir diesem Abkommen zustimmen – und ich darf Sie alle dazu einladen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.10



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 230

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Linder gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


21.10.49

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Kollege Matznetter ist zwar jetzt nicht hier, trotzdem sage ich ihm: Wir stimmen ganz bestimmt nicht gegen dieses Doppelbesteue­rungsabkommen, weil wir irgendwelche Schwarzgeldwäscher oder sonst irgendjeman­den schützen wollen, denn Sie haben – wir haben das zuvor ja auch schon vom Kollegen Stadler gehört – gute Möglichkeiten, Konten zu überprüfen; und ich bin überzeugt davon, dass Sie das auch machen. – Das ist offensichtlich so; ich bin selber ein bisschen überrascht.

Jedenfalls sind wir für die Abkommen über die Förderung und den Schutz für Investitionen mit der Republik Kosovo, mit der Republik Kasachstan sowie der Republik Tadschikistan. Wir meinen, dass das ein richtiger und wichtiger Weg ist, um die Außenhandelsbeziehungen zu fördern sowie um den Betrieben, die in diesen Ländern investieren, Schutz zu geben und so den Export zu stützen.

Wünschen würde ich mir allerdings, dass den gleichen Schutz und die gleiche Hilfe auch österreichische Betriebe bekämen, und zwar gerade kleine Betriebe, denn, Kolleginnen und Kollegen, nach dieser schwierigen Sommersaison haben ja gerade die kleinen Gastronomiebetriebe mit enormen Problemen zu kämpfen. Im Moment ist die Stimmung in diesen Betrieben geradezu am Boden. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Eine ganz schlechte Saison haben wir gehabt. Und im Übrigen seit 2009 nur Minuszahlen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.) Weißt du, warum? – Weil wir seit 2009 einen schwarzen Tourismusreferenten haben; deshalb also nur Minuszahlen. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei der FPÖ.)

Die Wirtschaftsdaten sind in diesem Bereich wirklich schlimm. Daher würden wir uns erwarten, dass diesen kleinen Betrieben Hilfe gegeben wird, wenn schon nicht in finanzieller Weise, dann wenigstens in Bezug auf einen Abbau von Bürokratie und all den zahlreichen Auflagen. Wir brauchen doch die kleinen Betriebe, um die Vielfalt der österreichischen Gastronomie aufrechtzuerhalten, und wir müssen verhindern, dass es nur mehr in Richtung Systemgastronomie geht. Gerade was den Tourismusbereich anlangt, brauchen wir doch diese Vielfalt an österreichischen Gastronomiebetrieben.

Zeigen wir den inländischen Betrieben, dass wir genauso hinter ihnen stehen wie hinter jenen Betrieben, die ins Ausland exportieren! (Beifall bei der FPÖ.)

21.13

21.13.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstatter wünschen kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Protokoll und Zusatzprotokoll zwi­schen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in 1331 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z. 1 Bundes-Verfas­sungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 231

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen in 1332 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z. 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die albanische und die serbische Sprach­fassung dieses Staatsvertrages gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan in 1333 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z. 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen in 1334 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z. 1 B-VG die Geneh­migung zu erteilen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG, dass die tadschikische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen ist, dass sie zur öffentlichen Ein­sichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegt.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

21.16.319. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Peter Fichtenbauer, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1618/A)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 232

Zu Wort kommt zunächst der Antragsteller Abgeordneter Pendl. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten. – Bitte.

 


21.17.08

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir eingangs als einem, der mit vielen Kolleginnen und Kollegen über eine sehr lange Zeitspanne in dieser Arbeitsgruppe gesessen ist, mich bei allen Fraktionen zu bedanken (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), denn die Diskussion in dieser Arbeitsgruppe war wirklich zielorientiert, und wir haben, auch wenn es lange gedauert hat, mit einem gemeinsamen Antrag eine einhellige Lösung zustande gebracht.

Außer Streit steht, dass wir mit diesem Vorschlag versucht haben, die immer wieder in Diskussion stehende außerberufliche Immunität abzuschaffen sowie die sachliche Immunität sozusagen neu zu organisieren, diese auch auszuweiten. Ebenso geht es dabei um die Einführung von sogenannten Parlamentsgeheimnissen beziehungsweise um Ermittlungsverbote bei Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit parlamen­tarischen Aktivitäten.

Da das alles aber nicht nur das Hohe Haus betrifft, ist man nach einer längeren Diskussion zu der Auffassung gelangt, in diesem Zusammenhang eine Ausschuss­begutachtung durchzuführen. Daraus haben wir ja einige Erkenntnisse erlangt. Ich bin jedenfalls davon überzeugt: Wenn wir uns, wie das in den letzten Wochen und Monaten geschehen ist, mit Nachdruck dieses Themas annehmen, dann wird es sicherlich zu weiteren nützlichen Anregungen kommen.

Dazu: Ich meine, dass man über die Anzahl der Personen wird diskutieren können. Ich glaube aber auch, dass wir, wenn es beispielsweise zu kreditschädigendem Verhalten kommt, weiter darüber diskutieren müssen. Das haben uns ja auch zahlreiche Fachleute mit auf den Weg gegeben.

Meine Bitte und Einladung an alle Fraktionen – wir haben ja noch Zeit, Ausschuss­termine haben wir ebenfalls bereits vorgesehen –, im Herbst dieses Jahres das endlich positiv abzuschließen.

Ich würde Sie wirklich einladen und bitten, alles zu versuchen, dass wir das zustande bringen, und ich meine, dass wir alle miteinander das doch von Haus aus sowieso so gewollt haben. In diesem Sinne: Wir sind da, wie ich meine, auf einem guten Weg, und ich bin überzeugt davon, dass wir das noch heuer zustande bringen werden. Ich darf Sie jedenfalls sehr herzlich dazu einladen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ.)

21.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Don­ner­bauer. – Bitte.

 


21.20.01

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich kann eigentlich alles, was mein Vorredner gesagt hat, nur unterstreichen. Er hat das sehr richtig dargestellt, und ich glaube, dass wir auch zuversichtlich sein können, dass wir hier in den nächsten Wochen sehr rasch zu einem Abschluss kommen, wiewohl klar ist, dass wir natürlich die Bedenken, die Punkte, die auch jetzt im Rahmen des Begutachtungsverfahrens kritisch angemerkt wurden, noch einmal gemeinsam diskutieren und allenfalls auch da und dort berücksichtigen.

Ich glaube nämlich, man kann nicht darüber hinweggehen, wenn sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Praxis, insbesondere zum Beispiel von der Rechts­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 233

anwaltskammer, Bedenken dahin gehend geäußert werden, dass hier Wirkungen erzielt werden, die wir uns, glaube ich, alle nicht wünschen, nämlich dass eindeutig nicht zu unterstützende Vorgangsweisen – verleumderische Behauptungen oder ähn­liche Dinge – dadurch, dass man sie eben hier im Hohen Haus in Zukunft in irgendeiner Form tätigt – nicht nur durch eine Rede im Plenum, sondern auch durch eine Anfrage oder durch andere Möglichkeiten, sie hier zum Verhandlungsgegenstand zu machen –, quasi immunisiert werden.

Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir uns einfach noch einmal anschauen müssen: ob hier nicht Wirkungen erzielt werden, die wir so nicht haben wollen. Ich glaube, dieser Arbeit sollen wir uns unterziehen, die werden wir in den nächsten Wochen angehen und die Stellungnahmen einfach noch einmal kritisch heranziehen und dann, glaube ich, eine gute Lösung finden für eine Neuregelung der parlamentarischen Immunität. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)

21.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Fichten­bauer zu Wort. – Bitte.

 


21.21.28

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Nur aus der Tatsache heraus, dass kritische Stellungnahmen einlangen, die teilweise auch so weit gehen, das Instrument der Immunität überhaupt nicht zu wünschen, soll man jetzt einmal keine kalten Füße kriegen. Was in der Arbeitsgruppe entwickelt worden ist, ist wohlbedacht und wohlabgewogen.

Es ist zudem daran zu erinnern – das schreibt ja auch das Justizministerium –, dass das Immunitätsrecht primär kein subjektives Recht des Abgeordneten ist, sondern Ausfluss der Volkssouveränität: dass der gewählte Abgeordnete in Vertretung des Volkes frei und unbehindert zu sprechen hat oder seine Sache vorbringen kann.

Dass man künftig das, was man im Hohen Haus gesagt hat, straffrei wiederholen kann, ist eigentlich nicht auf die wörtliche Auslegung des Artikels 57 zurückzuführen, sondern auf eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes, die sich eigentlich abseits des Gesetzeswortlautes bewegt, sodass man vernünftigerweise, wenn ein anderer das, was ein anderer gesagt hat, straffrei, weil wahrheitsgetreu, berichten kann, zum Urtext zurückkehrt und sagt: Das, was der Abgeordnete selber geäußert hat, kann er auch straffrei außerhalb des Hauses wiederholen, sodass also die richtige Wiedergabe eines im Haus getätigten Inhaltes doch auch dem Immunitätsbereich unterliegen soll.

Nicht zu vergessen ist, dass ja ein großer Teil des Immunitätsrechtes entfällt, nämlich die sogenannte außerberufliche Immunität, und die Sache nur auf die sachliche Immunität reduziert wird, wenngleich, den modernen Erfordernissen Rechnung tra­gend, selbstverständlich unter Ausdehnung der Kommunikationsmittel und auf die Mitarbeiterebene.

Ein bisschen macht mich die Sache schon zögern, denn was Kollege Stadler erwähnt hat, das habe ich gestern auch zum ersten Mal gehört: dass wir als PEPs eine Spezialklasse bilden und sich da unter der Oberfläche ein Termitenbau entwickelt hat, der von einer tendenziellen Kriminalisierungsbereitschaft betroffen ist oder von der Bereitschaft, dass PEPs, Personen von exponierter politischer Stellung, besonders beobachtet werden müssen und einer besonderen Überwachung unterliegen.

Also, so habe ich mir den Rechtsstaat bisher eigentlich nicht vorgestellt, sodass ich eigentlich schon daran zu denken hätte oder daran denken möchte, dass wir den vorliegenden Entwurf – der natürlich durch Stellungnahmen angereichert worden ist, die wir beachten werden – beziehungsweise diese Sache im Lichte der gestrigen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 234

Erklärung eines Beamten in „Zeit im Bild“, dass PEPs Pep sind, überdenken. Ich bin nicht bereit, nur deshalb, weil ich im Hohen Haus als frei gewählter Abgeordneter tätig bin, ein prinzipiell Verdächtiger zu sein, samt Familie. Ich glaube, niemand in diesem Haus wünscht sich das. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

21.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


21.25.27

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was heute auf dem Tisch liegt, ist ja ein Teil der angedachten Immunitätsänderung, nämlich der Part, wo die Geschäftsordnung betroffen ist. Der ist relativ unumstritten und hat eigentlich die heiklen Punkte, auf die sich das Stellungnahmeverfahren bezogen hatte, nicht beinhaltet. Das sind die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die werden wir noch bei anderer Gelegenheit diskutieren.

Ich war bei dem ganzen Stellungnahmeverfahren und bei der öffentlichen Diskussion in den letzten Tagen schon einigermaßen überrascht, wie diese Diskussion abgehalten worden ist. Ich möchte nur daran erinnern, was der Ausgangspunkt für die Überle­gungen war. Der Ausgangspunkt für die Überlegungen, die Frage der Immunität anzugehen, war aus unserer Sicht – und ich glaube, darüber hat es ja weitgehend Übereinstimmung in der Arbeitsgruppe gegeben –, dass es bei der Auslegung des Immunitätsrechts durch die Justiz – und das war auch Ergebnis des Untersuchungs­ausschusses – schwere Mängel gegeben hat.

Jetzt kann man natürlich sagen: Warum muss man das Gesetz ändern, wenn die zum Teil rechtswidrig vorgehen? Da könnte man ja versuchen, das auch anders hinzu­bekommen! – Aber: Nicht alle Dinge, hat sich gezeigt, waren rechtswidrig, sondern es gibt auch Lücken. Darauf möchte ich schon noch einmal näher eingehen, und ich möchte auch einmal klarmachen, wo aus unserer Sicht die Schwächen bestanden haben.

Im jetzigen Immunitätsrecht haben wir auch vorgesehen gehabt, dass es eigentlich nicht notwendig ist, Auslieferungsbegehren zu stellen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit vorhanden ist.

Was aber ist in der Praxis passiert? – Völlig wurscht, ob es einen Zusammenhang gegeben hat oder nicht, die Justiz hat grundsätzlich Auslieferungsbegehren gestellt. Da waren Fälle dabei – ich möchte keine Namen nennen, darum geht es jetzt nicht, aber: Wie der Verdacht der Anstiftung zu einem Mord in einem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit zu stehen hat, hat die Justiz auch nie zu erklären versucht.

Wir haben Fälle gehabt, wo Zeugenaussagen aus einem Untersuchungsausschuss gekommen sind, wo es um ein privates Unternehmen eines Abgeordneten aus einem Landtag gegangen ist. Auch dort hat offenbar irgendjemand in der Justiz vermutet, vielleicht könnte es doch einen Zusammenhang geben.

Wir hatten also jede Menge Auslieferungsbegehren, die eigentlich gar nicht in dieses Haus gehört hätten. – Punkt eins.

Punkt zwei: Genau dort, wo es heikel geworden ist, in vielen Fällen, wo die parlamen­tarische Immunität im Kern berührt worden ist, ist ermittelt worden – ohne Information und in extrem heiklen Fällen; ich will sie benennen. Das hat fast alle Bereiche betroffen.

Fall eins: Sachliche Immunität, Recht der wahrheitsgemäßen Berichterstattung. Klas­sischer Fall: Rede des Abgeordneten Westenthaler im Rahmen einer Sondersitzung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 235

des BZÖ. Der Pressedienst des BZÖ gibt diese Rede im Pressedienst wieder – ein klassischer Fall, der vom Immunitätsrecht umfasst ist.

Was macht die Staatsanwaltschaft? – Sie ermittelt. Sie ermittelt auch auf Aussage weiter und versucht herauszufinden: Na ja, den Westenthaler können wir nicht belan­gen, aber jetzt finden wir einmal heraus, wer diese Presseaussendung des BZÖ-Klubs verfasst hat! – Die klassische Form von parlamentarischer Immunität im Sinne der sachlichen Immunität, aber der Justiz war das völlig wurscht. Das ist dann, glaube ich, nicht daran gescheitert, dass sie es eingestellt hätten, sondern es hat nicht wirklich zu Ergebnissen geführt, dass sie herausgefunden haben, wer es geschrieben hat. Aber aus unserer Sicht ist das ein klassischer Missbrauch, eine eindeutig rechtswidrige Vorgangsweise.

Fall zwei der rechtswidrigen Vorgangsweise, aus meiner Sicht eigentlich der heikelste Punkt: der Versuch, in der Causa Strasser-E-Mails den Laptop des Abgeordneten Pilz zu beschlagnahmen. Das, finde ich, muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen:

Strasser hat auf die Veröffentlichung von Pilz reagiert und hat gesagt: Moment, wenn der Pilz die E-Mails gekriegt hat, dann muss sie ja irgendwer hingegeben haben – also Verdacht auf Amtsmissbrauch! Da müssen wir irgendwie vernünftig ermitteln!

Strasser schreibt eine Anzeige, die Anzeige wird wortident übernommen, und es kommt zu einem Vorgehen der Justiz, wo genau diesem Begehren, nämlich der Idee von Strasser, den Laptop von Pilz zu beschlagnahmen, auch wirklich stattgegeben wird. (Abg. Mag. Stadler: Eins zu eins!) Eins zu eins, wörtlich übernommen.

Und diesen Punkt, finde ich, muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ich möchte ihn auch hier ausführen, weil ja diese öffentliche Debatte weitergeht und niemand von den Rechtswissenschaftlern, die hier Kritik geübt haben, auf diese heiklen Fälle eingegangen ist.

Und ich frage jetzt schon: Wird parlamentarische Kontrolle benachteiligt, wird sie unterdrückt, wenn Informanten davon ausgehen müssen, dass die Informationen, die sie an Abgeordnete weitergeben, möglicherweise aufscheinen in jenen Laptops, in denen die Unterlagen von Abgeordneten beschlagnahmt werden, und die Informanten auffliegen? Und wer da jetzt als Justizexperte und als Rechtswissenschaftler – da gebe ich Herrn Kollegen Fichtenbauer recht – nicht irgendwie auch einmal Alarmglocken läuten lässt, der, finde ich, sollte sich auch fragen, ob das Immunität fördert oder nicht fördert.

In dem Zusammenhang hätte man auch noch sagen können: Das ist rechtswidrig! Warum muss man deswegen das Gesetz ändern?

Aber da wird es schon kompliziert, denn was bisher nicht geschützt gewesen ist, wird im Folgenden klar: Wenn man an den Abgeordneten Pilz beziehungsweise an seinen Laptop nicht herankommt, so hat dieser ja vermutlich Mitarbeiter, und diese Mitarbeiter haben vermutlich die Dokumente auch irgendwo – und das ist jetzt nicht geschützt. Diese Vorgangsweise, nämlich zu sagen, ich kriege es zwar vom Abgeordneten nicht, aber ich hole es mir über die Mitarbeiter, die ist nach der jetzigen Regelung möglich. Und da frage ich schon einmal, ob es nicht vernünftig ist, parlamentarische Immunität zu stärken, indem man den Kernbereich parlamentarischer Aufdeckung schützt und diese Möglichkeit bei der Justiz zumacht. – Dazu aus unserer Sicht ein klares Ja.

Dritter Fall – auch dort ist es aus unserer Sicht um einen klaren Missbrauch gegangen, aber die Regelung macht es jetzt klarer –: der Fall Haidinger im Innenausschuss. Haidinger – auch bekannt gewesen – ist im Innenausschuss erschienen. Es gab ORF-Bilder – so ist das Verfahren auch gelaufen; das findet sich übrigens alles im Unter­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 236

suchungsausschuss-Endbericht wieder, in mehreren Berichten, auch in unserem Bericht, also in den parlamentarischen Unterlagen.

Man liest dann in diesem Begehren, man hat in den Fernsehbildern gesehen, wie Herr Haidinger mit dem Herrn Abgeordneten Pilz den Saal betreten hat. Aus diesem gemeinsamen Betreten des Saales hat man dann geschlossen, dass Herr Pilz im Ausschuss Dinge zitiert hat, die er nur von Herrn Haidinger bekommen hat können, also war da vermutlich Amtsmissbrauch im Spiel. Und der Verdacht war, Herr Pilz hat den Herrn Haidinger zum Amtsmissbrauch angestiftet. Und genau so liefen dann auch die Ermittlungen: Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch.

In diesem Fall ... (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Jetzt hören Sie einmal zu, das wäre vielleicht besser! (Abg. Wöginger: Jetzt redest du eh schon die ganze Zeit allein!) Da waren wir uns im Immunitätsausschuss nämlich einig.

In diesem Fall ist es so weitergegangen, dass ein Auslieferungsbegehren gegen den Abgeordneten Pilz gestellt worden ist. Diesem Auslieferungsbegehren ist nicht statt­gegeben worden. Und was hat die Justiz gemacht? – Sie hat ihn als Zeugen vernommen, unter Wahrheitspflicht, weil das Auslieferungsbegehren sozusagen als Beschuldigter nicht angenommen worden ist.

Und jetzt reden wir einmal über diese Missstände, die in der Justiz hier aufgetreten sind und die Ursache für die Überlegungen zur Neuregelung des Immunitätsrechts gewesen sind. Ich glaube, dass da einiges dran ist und dass wir hier einen Verän­derungsbedarf haben. Jetzt bin ich beim Kollegen Pendl: Man kann in einzelnen Punk­ten schauen, ob es bessere Formulierungen gibt. Es sind ja Dinge behauptet worden, die aus meiner Sicht an den Haaren herbeigezogen wurden, zum Beispiel, man dürfe nicht mehr ermitteln, wenn es eine Bombendrohung gibt, weil irgendwie Abgeordnete damit betroffen sind. – Wer das Gesetz liest, sieht in den Erläuterungen, dass bei einem ziemlich heiklen Fall, nämlich dem Diebstahl von Laptops von Abgeordneten, wo alle Unterlagen drauf sind, explizit festgehalten wird, dass hier ermittelt werden kann – obwohl sozusagen auch der Kernbereich betroffen sein kann: wenn der Laptop weg ist, kann dort Heikles drauf sein. Also, wenn man dann sagt, man darf bei Erpressungen nicht ermitteln, man darf – wie war das? – bei Bombendrohungen nicht ermitteln, ist mir das rätselhaft. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Es steht aber nicht drinnen. – Sie können das Gesetz ja lesen; wir haben es ja auch gemeinsam unterschrieben, und ich vermute, wir wissen, was drinnen steht: dass im Übrigen auch genau jene Tatbestände von der Nichtermittlung ausgenommen sind, wo es jetzt neue Korruptionsbestimmungen geben wird. In all diesen Fällen steht jetzt im Gesetz drinnen, dass explizit ermittelt werden kann. Also von mir aus können wir es noch klarer machen. Mir geht es ja nur darum, aufmerksam zu machen darauf, was die Intention ist, und die teile ich nach wie vor, und da sollten wir auch draufbleiben.

Lassen Sie mich noch zu einem Letzten kommen, wo eigentlich der zweite Punkt betroffen ist. Es gab ja drei große Kritikpunkte. Der erste Punkt war, wie gesagt, diese Form der Nichtermittlung. (Abg. Wöginger: Das ist ja ein Referat!) Der zweite große Punkt war der Vorwurf des Missbrauchs parlamentarischer Immunität. Um das noch einmal klarzumachen: Da wird dann behauptet, der unschuldige Bürger kann sich nicht mehr wehren, wenn Abgeordnete wiederholt in der Öffentlichkeit Anschuldigungen machen.

Was ist jetzt der Fall? – Die parlamentarische Rede hier, parlamentarische Anfragen, parlamentarische Anträge sind von der Immunität voll umfasst, zivilrechtlich und strafrechtlich. Jeder Abgeordnete kann nach der jetzigen Immunitätsregel die Dinge immer wieder im Plenum behaupten, er kann sie in Anfragen wiederholen. Es ist die wahrheitsgemäße Berichterstattung darüber geschützt. Jedes Medium in Österreich,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 237

jede Homepage, jeder Pressedienst, jeder andere Abgeordnete hier kann berichten, was im Hohen Haus erfolgt ist – das ist von der parlamentarischen Immunität umfasst.

Das Einzige, was jetzt nicht umfasst ist, ist, dass der Abgeordnete selbst, als Person selbst, die gleichen Dinge, die er hier sagt, wiederholt. Ich möchte nur einmal sagen, was die Überlegung dazu war. (Zwischenruf des Abg. Pendl.)

Ja, es ist da drinnen jetzt noch viel wilder. Wie läuft denn das, wenn Fernsehinterviews gemacht werden? – Der ORF schneidet wunderbar mit, bekommt die Geschichten, kann sie vom Rednerpult aus nehmen. Wenn ein Privatmedium draufkommt, dass das eine interessante Geschichte ist und dem Abgeordneten sagt: Geh, können Sie mir ... (Abg. Rädler: Dann soll er herkommen!) – Ja, dann „soll er herkommen“, klar! Rädler, super! Zudecken, nicht auf! Passt schon! Das kennen wir vom Rädler. (Abg. Wöginger: Was heißt das?)

Wenn der Punkt ist, dass das Privatmedium kommt und sagt: Geh, können Sie das, was Sie im Plenum gesagt haben, vor der Kamera noch einmal sagen?, und der Abgeordnete sagt genau das Gleiche, was er hier vom Rednerpult aus gesagt hat, da vor der Tür im Couloir, dann ist es von der Immunität nicht umfasst. Und da muss man die Frage stellen, ob das sinnvoll ist. Das ist genau der Punkt, wo es aufgeht.

Ich sage nur: Wenn man Missbrauch verhindern will, dann muss man die parlamen­tarische Immunität zur Gänze abschaffen. Dem steht gegenüber, dass sie die Form ist, wie Aufklärung geschützt werden kann. Das ist eine Interessenabwägung. Man kann von mir aus darüber reden, dass man in heiklen Fällen, wie zum Beispiel bei einem Verleumdungsvorwurf – der strafrechtlich in diesem Haus nie vorgekommen ist; ich kenne keinen einzigen Immunitätsfall, wo es um Verleumdung gegangen ist –, das anders handhabt. Soll sein! Aber wissen Sie, wo es aufgetaucht ist? – Bei übler Nachrede. Und wissen Sie, wer der größte Kläger in diesem Haus seit Jahren war? – Karl-Heinz Grasser. Karl-Heinz Grasser hat massenhaft aufdeckende Abgeordnete mit Klagen zugeschüttet, hat sie zivilrechtlich geklagt, hat Prozessrisiken verursacht von, im Fall Kogler, weit über 100 000 €. Rumpold hat Prozessrisiken von mehr als 200 000 € verursacht bei Fällen, wo, glaube ich, nachweisbar ist, dass hier parlamen­tarische Aufklärung betrieben worden ist. (Abg. Mag. Donnerbauer: Hat es gestimmt? Hat es sich herausgestellt, dass es gestimmt hat?) Die meisten Fälle haben wir im Übrigen gewonnen. (Abg. Mag. Donnerbauer: Dann passt es eh!) Das ist aber ein interessanter Punkt! Gut, dass wir heute noch etwas Redezeit übrig gehabt haben; wir haben auch nachher noch welche.

Aber wissen Sie, was der Punkt ist: Was passiert denn? – Die Kollegin Moser sitzt da, und Sie können ja einmal die Kollegin Moser fragen, wie diese Fälle laufen. Wer von den Abgeordneten kriegt denn bei heiklen Fällen, bei Korruptionsfällen, bei Miss­ständen in den Ministerien, in allen Fällen die Unterlagen so, dass es dokumentiert ist, wo man nur mehr die Unterlagen kopieren muss, damit weitergeht und sie der Staatsanwaltschaft gibt, und die können dann ermitteln? Was passiert, ist, dass Informationen fließen und dass das parlamentarische Interpellationsrecht, das Anfra­gerecht doch genau dazu da ist, um diese Informationen zu überprüfen, um die Anfragen stellen zu können, wo sich die Minister dann gut überlegen werden, sagen sie die Wahrheit oder nicht. Und schauen Sie einmal im Fall Telekom nach, was dort bei den Anfragen von Frau Kollegin Moser an Aufklärung betrieben worden ist und wo jetzt auch klar geworden ist, warum die Verfahren geführt worden sind. (Abg. Wöginger: Da herinnen!)

Das ist ja genau der Punkt! Und außerhalb des Parlaments darf sie nichts dazu sagen, weil es drinnen ist? Sollen wir den Herrn Grasser schützen? Sollen wir den Herrn Strasser schützen, damit er die Parlamentarier möglichst mit Klagen zuschüttet, damit


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er sie existenziell bedrohen kann, um Aufklärung zu verhindern? – Das ist die Frage, die wir diskutieren sollten.

Ich bin sehr dafür, dass wir die Diskussion weiterführen, aber dass wir die Grundzüge von diesen Vorschlägen aufrechterhalten, weil es die parlamentarische Kontrolltätigkeit stärkt, sie schützt und weil es eine sinnvolle Maßnahme ist, um parlamentarische Kontrolle lebbar zu machen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: Auf dem grünen Parteitag!)

21.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Stadler gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.37.09

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Es ist schon bemerkenswert, Hohes Haus, wenn man sich die Zwischenrufe aus der ÖVP zu diesem Thema ein bisschen vergegenwärtigt. Ihr wollt keine Aufklärung – das ist immer so gewesen –, natürlich nicht! Es gibt keine Fraktion in diesem Haus, die dermaßen aufdeckungsfeindlich ist wie die ÖVP! Das ist nun einmal so. Das ist eine Erfahrungstatsache, das kennen wir! Daher habe ich da gar keine Hoffnung. (Beifall beim BZÖ.)

Und dann kommen Sie da heraus, Herr Kollege Donnerbauer, und sagen, das Justizministerium hat Einwände. Na großartig! Genau dort habe ich es mir erwartet! – Das Justizministerium hat keinerlei Bedenken gehabt, das Verfassungsrecht zu brechen, keinerlei Bedenken gehabt, das Mediengesetz zu missachten, als sie gegen BZÖ-Mitarbeiter vorgehen wollten. (Ruf bei der ÖVP: Oje!) Das haben Sie noch eine Zeitlang im Ausschuss zu decken versucht. Wer hat da gesagt: „Oje!“? – Es sind ja bloß Mitarbeiter des BZÖ, da ist das doch wurscht für die ÖVP! Aber wehe, wenn ein Schwarzer betroffen ist, dann heulen Sie auf! Der Herr Strasser – ihr habt ihn jahrelang geschützt, euren Grasser; Strasser, Grasser, alle! Jetzt, wo es herauskommt, was wirklich dahinter ist, kommen Sie alle daher und sagen: Mein Gott, das hätten wir nie geglaubt! Das hätten wir nie geglaubt!

Wie wäre es denn aufgedeckt worden, wenn diesen Leuten gestattet wäre, die Aufdecker mit Klagen zuzudecken – mit dem Geld, das sie sich vorher als Bestechungsgeld eingesteckt haben? Wie denn? – Das Geld haben wir nicht zur Verfügung, das die Leute bei bestimmten Beschaffungsvorgängen in die Tasche gesteckt haben, um damit Abgeordnete niederzuklagen. Das wäre ja die Chuzpe zum Quadrat, dass vorher einer ein Geld nimmt und dann mit dem Geld noch den Abgeordneten niederklagt, der versucht, das aufzudecken! – So weit werden wir noch kommen! Das ist Ihre Welt, nicht unsere.

Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich der Parlamentarismus unabhän­gig von der Österreichischen Volkspartei weiterentwickelt. Parlamentarismus heißt: Aufklärung, Kontrolle. Das ist der moderne Parlamentarismus, und den wird die ÖVP nicht aufhalten können, meine Damen und Herren, Hohes Haus! (Beifall beim BZÖ.)

Und da nehme ich auch einmal in Kauf, dass man sich auf die Hinterpfoten stellen muss, wenn eine schwarze Bank gegen einen orangen Abgeordneten versucht, eine böse Rechnung ... (Abg. Mag. Donnerbauer: ... einen Bürger erwischt! Macht ja nichts!)

Ja, ja, genau die Raiffeisen-Partei, die regt sich da am meisten auf. Keine Bank besitzt mehrere Abgeordnete in einem Parlament – Raiffeisen schon! Kein Bankapparat, diese Krake, besitzt eine solche Medienmacht wie Raiffeisen – Raiffeisen schon! Keine Bank ist auf die Idee gekommen, gegen einen Oppositionspolitiker mutwillig Verdachts­momente zu äußern und gleichzeitig aber bei einem Exminister oder mehreren


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Exministern auf den Konten bei Raiffeisen alle Geldwäscherei-Vorgänge völlig zu ignorieren – Raiffeisen schon!

Dass das eine zufällig Schwarze und das andere sozusagen nur Oppositionelle sind, ist wahrscheinlich reiner Zufall. Typisch ÖVP, denke ich, meine Damen und Herren! Daher warne ich davor, meine Damen und Herren von der SPÖ, den Bedenken der ÖVP in irgendeiner Weise Rechnung zu tragen.

Die bisherige Handhabung der Immunität hat Folgendes gezeigt, und ich kann Ihnen das anhand des Falles Huber und des Falles Stadler exemplifizieren. Seit Monaten gibt es keine Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft mehr, aber auch keine Anklage. Heute habe ich einen Mitarbeiter der Ministerin gefragt, wie lange das eigentlich noch geht, was da jetzt geschieht. – Auslieferungsbegehren, kein politischer Zusammenhang, riesige mediale Berichterstattung, dann wird ermittelt – und dann stellt sich heraus, es ist nichts, daher macht man keine Anklage, aber man stellt auch nicht ein. Wir werden eine parlamentarische Anfrage einbringen, das haben wir diesem Mitarbeiter schon angekündigt. Monatelang ist einfach nichts mehr zu tun, weil man leider keine Anklage gegen die missliebigen Abgeordneten der Opposition zustande bringt. – Das ist Ihr Justizministerium, das jetzt angeblich die großen Bedenken gegen unsere Immunitätsvorschläge hat? Dieses Justizministerium ist diesem Haus feindlich gesonnen, meine Damen und Herren! Das soll man nicht übersehen. Dieses Justiz­ministerium versucht, Politik gegen einzelne Fraktionen zu machen, und das werden wir nicht zulassen!

Ich sage Ihnen in aller Nüchternheit, ich habe die Staatsanwälte gebeten, doch eine Anklage, doch eine Hauptverhandlung zu machen. In der Zwischenzeit ist herausge­kommen, dass Herr Pleischl dafür gesorgt hat, dass gegen mich ein Verfahren stattfindet. Wissen Sie, warum? Bei der Tagung in Kössen übrigens, Kollege Donner­bauer, hat er die Hosen runterlassen, dort hat er gesagt, warum. – Weil ich ihn so schlecht behandelt habe im Untersuchungsausschuss, hat er gesagt. So etwas hat er noch nie mitgemacht. Außerdem, hat er gesagt, habe ich noch eine andere Staats­anwältin verdächtigt, dass sie an einem konspirativen Treffen teilgenommen hat.

Dieses konspirative Treffen hat dazu gedient, in einer Anwaltskanzlei der SPÖ darüber nachzudenken, wie man mehr rote Richter unterbringen könnte, weil es angeblich zu viele blaue Richter in der Justiz gebe. – Also wenn das ein Treffen der Kleingärtner war, dann weiß ich nicht! Natürlich war das ein konspiratives Treffen, bei dem man versucht, eine Staatsgewalt unter parteipolitische Kontrolle zu bekommen. Das hat der Mann geleugnet, er hat gesagt, es war nichts. – Das ist die Justiz, von der Sie behaupten, dass sie Bedenken hätte bezüglich dessen, was wir hier tun?

Meine Damen und Herren! Um Aufklärung, um demokratische Kontrolle zu gewähr­leisten, werde ich zuletzt bei der letzten und schlechtesten Adresse nachfragen, nämlich beim Justizministerium. Dort muss man endlich zur Kenntnis nehmen, dass auch die Tätigkeit und Untätigkeit der Staatsanwaltschaft parlamentarischer Kontrolle zu unterliegen hat, meine Damen und Herren, Hohes Haus! (Beifall beim BZÖ.)

Daher sage ich, auf eine Immunität, die letztlich gegen den Abgeordneten wirkt, weil man sinnloserweise haltlose, fern der Rechtslage formulierte Auslieferungsbegehren stellt, nur damit man eine mediale Berichterstattung zustande bringt, um dem Abgeord­neten zu schaden, weil man eine Anklage nicht zustande bringt, auf eine derartige Immunität pfeife ich und meine ganze Fraktion dazu, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Reduzieren Sie die Immunität auf die sachliche Immunität, machen Sie es aber so, dass am Schluss nicht der Informant der Dumme ist, dass man nicht über den kleinen Bürger drübersteigt! Sorgen Sie dafür, dass der Abgeordnete über das, was er hier im


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Hohen Haus vorgetragen hat oder was er in Anträge gegossen hat, draußen auch selbst reden kann! Das ist vernünftig, das ist modern und das dient der Aufklärung und jedenfalls nicht jenen, die viel zu verstecken und zuzudecken haben. (Beifall beim BZÖ.)

21.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Strutz zu Wort. – Bitte.

 


21.43.48

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Abgeordneter Stadler hat insofern recht, als in diesem Gesetzentwurf – auch aus meiner Sicht – gewisse schwammige Formulierungen zu finden sind, wie etwa der Begriff der Abschaffung der außerberuflichen Immunität, die dazu führen, dass die Politiker in der Öffentlichkeit prinzipiell einmal als potenzielle Verdächtige, wie das Kollege Fichtenbauer so treffend festgelegt hat, gesehen werden.

Klar zu definieren ist – und das möchte ich im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte einmahnen –, dass wir heute nicht isoliert den Begriff der Immunität diskutieren als ein gewisses Privileg, ein Recht, das notwendig ist, um Missstände aufzuzeigen, zu beseitigen, öffentlich zu machen. Neben den Rechten, die Politiker haben, müssen auch die Pflichten klar definiert sein, denn nur so werden die Rahmenbedingungen für die Parlamentarier klar geregelt, sodass man in der Öffentlichkeit nicht als potenzieller Verdächtiger geführt wird. Ein potenzieller Verdächtiger ist – wenn man die Debatte in den letzten Wochen verallgemeinert – jeder, der neben seiner Abgeordnetentätigkeit auch der Ausübung eines Berufes nachgeht. Deshalb glaube ich, dass auch der Begriff der außerberuflichen Immunität ein falscher ist. Die meisten von Ihnen sitzen hier nicht als hauptberufliche Politiker – das wünsche ich mir auch nicht –, sondern üben eine Funktion aus, und für diese Funktion gilt auch ein gewisser politischer Schutz.

Ich habe gestern die Pressemeldungen betreffend die geheimen Geschäfte unserer Parlamentarier verfolgt. Prinzipiell ist jeder verdächtig, der neben seiner politischen Funktion noch einen Beruf ausübt. Besonders verdächtig sind die Selbständigen. Das liest sich folgendermaßen in der Öffentlichkeit: 138 von 183 Abgeordneten haben einen Nebenjob. – Also ich habe keinen Nebenjob. Viele andere Anwälte, Selbständige, die hier ein Mandat innehaben, werden das auch nicht so empfinden, dass ihr Beruf als ein Nebenjob angesehen wird, die Höhe der Einkünfte wird sozusagen verschleiert; ob das Rechtsanwalt Jarolim ist, bei dem es dann plötzlich heißt, seine Kunden sind nicht bekannt, ob das Kollegin Cortolezis ist, der man prinzipiell einmal unterstellt, ihre Kunden zu verschleiern, ob es Rechtsanwälte sind, ob es Berater sind, ob es Anwälte sind. (Abg. Dr. Jarolim: ... Sie Komiker! Das darf ja nicht wahr sein! – Abg. Amon: Wieso? Das ist ja korrekt! – Abg. Dr. Jarolim: Das ist absurd! – Abg. Amon: Er hat ja recht!) – Kollege Jarolim, ich glaube, Sie haben jetzt nicht richtig zugehört. – Okay, Zwischenruf zurückgenommen.

Was ich einmahnen möchte, ist, dass den Abgeordneten auch ihre Pflichten klar sein müssen. Dürfen wir neben unserer politischen Tätigkeit einen Beruf ausüben? Wenn ja, was ist offenzulegen? Sind die Kundendaten offenzulegen, sind die Einkommen offenzulegen? – Das ist eine Rechtsunsicherheit, die in Wirklichkeit die Ausübung unseres Berufes nicht einfach macht. Ich glaube, solange wir auf der einen Seite unsere Pflichten nicht klar definiert haben, so lange brauchen wir auch über die Ausweitung der Rechte nicht zu diskutieren. Deshalb mahne ich jenen Arbeitskreis ein, der eingesetzt worden ist, um die Frage der Lobbying-Tätigkeiten zu klären, denn das Unvereinbarkeitsgesetz gehört parallel zu den Immunitätsbestimmungen klar geregelt, anderenfalls werden wir in der Öffentlichkeit weiterhin als prinzipielle Verdächtige oder


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potenzielle Täter geführt werden, und das möchte ich nicht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

21.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1618/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

21.48.3910. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Fritz Neugebauer, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1657/A)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste erhält Frau Abgeordnete Mag. Muttonen als Antragstellerin das Wort. – Bitte.

 


21.49.11

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Bedeutung der europäischen Politik hat in den vergangenen Jahren in großem Umfang zugenommen. Immer mehr Themen werden heute auf europäischer Ebene bearbeitet, weil sie einfach national nicht ausreichend zu lösen sind.

Wie umfangreich die Politik auf europäischer Ebene geworden ist, können wir schon allein an der stark angestiegenen Anzahl der EU-Unterausschüsse sehen. Aber auch im Plenum steht fast immer wenigstens ein europäisches Thema direkt oder indirekt auf der Tagesordnung. Am eindrucksvollsten ist allerdings, dass dem Parlament pro Jahr mittlerweile rund 20 000 Dokumente übermittelt werden, was eine enorme administrative Aufgabe und Herausforderung darstellt.

Das heißt, das bisherige Geschäftsordnungsgesetz ist auf diese Intensität und Qualität der EU-Politik nicht ausgelegt. Deshalb wollen wir mit den vorgeschlagenen Neue­rungen der Geschäftsordnung des Nationalrates die europapolitischen Instrumente des Nationalrates umfassend erweitern und an die heutigen und zukünftigen europäischen Herausforderungen anpassen.

Der Nationalrat wird durch das erneuerte Geschäftsordnungsgesetz und das ebenfalls demnächst zur Abstimmung stehende EU-Informationsgesetz in seiner EU-Politik handlungs- und gestaltungsfähiger, weil er umfassender, schneller und effizienter jene Information erhält, die er für seine Arbeit benötigt. So wird etwa auf die digitale Übermittlung der Dokumente umgestellt, automatisch und in Echtzeit.

Durch die neue EU-Datenbank, die in der Parlamentsdirektion aufgebaut wird, erübrigt sich auch jede manuelle Bearbeitung, was eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung und auch -reduktion bedeutet.

Die Novelle wird außerdem den Handlungsspielraum des Nationalrates erweitern. Es werden genaue Regeln für den Fall einer Subsidiaritätsklage oder eines Antrags zur Ablehnung gewisser EU-Initiativen festgelegt.

Außerdem erleichtern wir mit dieser Novelle die Einberufung des EU-Haupt­aus­schusses und auch des EU-Unterausschusses, um schneller reagieren zu können.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 242

Weiters erhöhen wir die Transparenz und die demokratische Kontrolle EU-politischer Entscheidungen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Einführung der schrift­lichen Information durch die jeweiligen MinisterInnen hinweisen, also eine erweiterte Informationspflicht der Ministerien gegenüber dem Parlament, auf das Instrument der Dokumentationsanfrage, auf die Möglichkeit zur Abhaltung einer Enquete zu EU-Ange­legenheiten, auf die Möglichkeit einer Aussprache in allen Ausschüssen über aktuelle bereichsbezogene EU-Fragen.

Ein weiterer Punkt, der auch sehr wichtig ist – die EU-Politik geht freilich über das Parlament hinaus –: Es ist auch unsere Aufgabe, die Transparenz europäischer Politik in der Öffentlichkeit zu erhöhen. So wird die neue EU-Datenbank des Parlaments so weit als möglich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Durch all diese neuen Maßnahmen machen wir einen großen Schritt bei der Qualität der Beratung von EU-Vorhaben hier im Haus, auf die wir durchaus stolz sein können. Ich darf daher alle Fraktionen ersuchen, sich im weiteren Beratungsprozess in diesem Sinne konstruktiv einzubringen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Kollege Zweiter Präsident Neugebauer zu Wort. – Bitte.

 


21.53.15

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, dass es an einem Tag, an dem Korruption und Verdächtigungen über weite Bereiche die Debatten bestimmt haben, noch etwas zum Schmunzeln gibt, nämlich dann, wenn Kollege Dr. Strutz dem Kollegen Dr. Jarolim aus der Seele spricht und dieser nicht bereit ist, seine Seele zu öffnen, um dieses Lob auch anzunehmen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Mit dieser Änderung der Geschäftsordnung wollen wir ein Bündel von Anpassungen vornehmen, um die parlamentarische Praxis und die alltäglichen Abläufe in der europapolitischen Arbeit im Parlament zu optimieren.

Wir sind auf einem hohen Niveau, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe nicht an, zu sagen, dass das, was wir da an Methodik entwickelt haben, erstens auf einem guten Zusammenwirken aller Fraktionen basiert, aber auch auf einer hervorragenden Vorarbeit der Kolleginnen und Kollegen aus der Parlamentsdirektion, die gerade, was die Subsidiaritätsprüfungen betrifft, eine ausgezeichnete legistische Vorbegutachtung für uns machen.

Man muss die Änderungen der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem EU-Informationsgesetz sehen; die Begutachtung ist vergangene Woche zu Ende gegangen. Das wird uns insgesamt – beide Änderungen, Geschäftsordnung und EU-Informationsgesetz – helfen, unsere täglichen Abläufe entsprechend zu optimieren, eine aktivere Teilhabe und Mitwirkung an den Rechtsetzungsprozessen in Europa sowie eine bessere Information der Öffentlichkeit, etwa mit der neuen, der Öffent­lichkeit zugänglichen Datenbank, zu erreichen.

Meine Vorrednerin hat dankenswerterweise alle Positionen lückenlos aufgezählt. Da das jetzt die erste Lesung ist, freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 243

21.55.17

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Ja, eines ist klar: Mit diesem Gesetz vollziehen wir die Verfassungsrechtslage, die wir im vergangenen Jahr schon hergestellt haben, nach. Das heißt, dieses Gesetz wird notwendig sein. Aber, lieber Herr Präsident und liebe Kollegin Muttonen, eines muss ich schon sagen: Wir wirken hier nicht aktiv an Gesetzgebungsakten mit. Wir reden, wir schreiben, wir informieren – aber wir wirken nicht mit!

Gehen wir einmal an den Kern dieser ganzen Geschichte heran. Nehmen wir zum Beispiel § 31d in der neuen Geschäftsordnung, so wie Sie das vorgeschlagen haben – das ist ja ein ziemlich dickes Papier –, daran kann man sehen, was wir über den Hauptausschuss wirklich machen.

Als Erstes gibt es die Stellungnahme an die Regierung. Darin kann man der Regierung sagen, was man will, und sofern nicht zwingende integrationspolitische Überlegungen entgegenstehen, sollte die Regierung beziehungsweise das Regierungsmitglied, das im Rat Österreich vertritt, das auch machen. Angesichts unserer Verfassungs­wirklichkeit, wonach sich im Wesentlichen ja die Regierung aussucht, was das Parlament tun soll, weil die Regierung eine entsprechende Mehrheit im Parlament hat und sozusagen das Gewaltentrennungsprinzip auf dem Kopf steht, angesichts dieser Verfassungsrealität ist das auch nicht sehr viel.

Dann kommen jene Dinge, die eigentlich überhaupt nichts sind, hinsichtlich derer aber am meisten Wirbel gemacht und Aufwand getrieben wird. Das sind die 20 000 Rechts­etzungsakte, wonach wir als Parlament direkt etwas tun können. Aufgrund von Artikel 23f zum Beispiel können wir Wünsche an die zuständigen EU-Organe richten; „Wünsche“, das steht so drin.

Das Zweite ist die Subsidiaritätsprüfung. Wir können einen Leserbrief schreiben, in dem wir sagen, was wir nicht wollen. Selbst wenn alle den gleichen Brief schreiben, was äußerst unwahrscheinlich ist, geschieht trotzdem nichts; abgesehen davon, dass die Kommission noch einmal prüft.

Weiters können wir natürlich noch zur Kenntnis nehmen, wenn wir Stellungnahmen über die Gründe einer Abweichung eines Regierungsmitgliedes von unseren Aufträgen in der Stellungnahme bekommen. Nur wenn die Verfassung geändert wird, können wir widersprechen. Wie das funktionieren wird, werden wir sehen.

Also in Summe werden wir das natürlich tun müssen, was hier beantragt ist in der einen oder anderen Form, ungefähr so, wie Sie es ohnehin gemacht haben, aber wir sollten uns dabei nicht in die eigene Tasche lügen und sagen, wir wirken jetzt mit und machen etwas. Es kommt da enormer Beschäftigungsaufwand auf uns zu – in einer Sache, in der wir keine wirkliche Kompetenz haben. Wir werden unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Vertretung des Volkes, nicht wahrnehmen können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Musiol gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.58.05

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Hübner, man kann natürlich bei allem, was man zu Europa bespricht, ein Haar in der Suppe finden. Tatsache ist, dass mit dieser Geschäftsord­nungsnovelle sozusagen etwas nachvollzogen wird, was im Rahmen des Lissabon-Vertrags bestimmt wurde.


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Der Inhalt ist schon von meinen VorrednerInnen ausführlich beleuchtet worden. Er reicht von Aussprachen über aktuelle Themen in Fachausschüssen, in denen wir uns eben auch mit europarelevanten Themen beschäftigen werden, über die Möglichkeit der Abhaltung von Enqueten, über Angelegenheiten der EU bis hin zu einer Frist­setzung bezüglich der Jahresvorschau der Regierungsmitglieder und eben den Subsi­diaritätsklagen und Subsidiaritätsrügen. Tatsache ist, es ist ein Geschäftsordnungs­werk geschaffen worden, das all dies berücksichtigt.

Es gibt auch noch eine Erweiterung, die zumindest einmal konsensual vereinbart wird und die dann auch noch zu erfolgen hat, und diese betrifft die Dokumentenanfrage, hinsichtlich derer noch weitere Schritte zu setzen sind. Nicht zu vergessen ist auch die Datenbank, in der EU-Dokumente aufgefunden werden können. – Also durchaus eine Geschäftsordnung, die Transparenz, Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten bietet.

An dieser Stelle möchte ich nicht nur den MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion – wie das Herr Präsident Neugebauer schon getan hat – danken, sondern vor allem auch den MitarbeiterInnen von SPÖ und ÖVP und vom Klub der Grünen – einer zumindest ist derzeit anwesend –, die wirklich in vielen Gesprächen versucht haben, eine gute Lösung zu finden. Ich glaube, das ist Ihnen auch gelungen. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


22.00.08

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich sehe das ein bisschen anders als die Grünen. Das ist nicht der große Wurf, was hier mit dieser Geschäftsordnungsänderung geschaffen wurde. Das Parlament be­kommt ein bisschen mehr Informationen über EU-Vorhaben und EU-Tätigkeiten, aber in Wirklichkeit wird sich nicht viel ändern. Man darf ein bisschen mehr mitreden, aber Entscheidungen werden dann trotzdem wieder außen herum getroffen. Das heißt, in Wirklichkeit werden die großen, bedeutenden Entscheidungen in der EU von der Regierung mit privatrechtlichen Verträgen abgeschlossen. Das Parlament wird wieder ausgeschaltet, eigentlich der höchste Gesetzgeber, der darüber abstimmen sollte.

Hier ist also keine Verbesserung in Sicht. Deswegen ist das Ganze weder Fisch noch Fleisch. Es ist eigentlich nicht viel, ein bisschen Trommelwirbel, und schlussendlich bleibt wieder heiße Luft über. Mehr ist da nicht drinnen.

Kollege Hübner hat es sehr gut und detailliert angesprochen. Ich kann das nur unterstützen. Wir sehen das genauso. Der große Wurf ist das nicht. Ein bisschen mehr heiße Luft produzieren dürfen wir, aber mehr ist nicht drinnen. – Danke. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Hübner.)

22.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1657/A dem Verfassungsausschuss zu.

22.01.33 11. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichts Innsbruck (24 Hv 69/11b) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer (1397 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 245

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es ist niemand zu Wort gemeldet. Daher ist sie schon wieder geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1397 der Beilagen, Folgendes zu beschließen: 

„In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes Innsbruck, GZ 24 Hv 69/11b, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der vom Privatkläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

22.03.0412. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (502 St 28/11s) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer (1398 d.B.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte ist eröffnet und schon wieder geschlossen, weil niemand zu Wort gemeldet ist.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1398 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien, GZ 502 St 28/11s, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen dem inkriminierten Sachverhalt und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

22.04.2413. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (604 St 8/11z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner (1407 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 246

Es gibt eine Wortmeldung. Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat sich zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, wie viel Redezeit soll ich Ihnen einstellen? Das BZÖ verfügt noch über 10 Minuten. (Abg. Mag. Stadler – auf dem Weg zum Rednerpult –: 10 Minuten! – Abg. Mag. Wurm: 12! – Rufe bei der SPÖ: Mehr!)

 


22.05.12

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Das Auslieferungsbegeh­ren der Staatsanwaltschaft Wien beruht auf einer Meldung der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, wo der Kollege Scheibner ein Girokonto hat.

Diese Meldung wurde offensichtlich unter Berufung auf die Bestimmungen des Bankwesengesetzes nach § 41 an die Geldwäschemeldestelle des Bundeskriminal­amtes weitergeleitet, weil es sich beim Kollegen Scheibner um eine sogenannte PEP handelt, eine politisch exponierte Person. Deren gibt es in diesem Haus etwa 300, 300 PEPs, das heißt, die Abgeordneten und alle parlamentarischen Mitarbeiter, unsere Ehegattinnen und Eltern nicht zu vergessen. Und ausgerechnet beim Kollegen Scheibner wird ein Fall der Geldwäsche daraus konstruiert, und diese Geldwäsche, Herr Kollege Pilz, schaut folgendermaßen aus – Geldwäsche, nicht Korruption, denn du redest von Korruption –:

Das schaut so aus, dass acht Jahre nach dem Grundgeschäft angeblich Herbert Scheibner zu einer Tochtergesellschaft von Eurofighter gegangen sei, um dort zu sagen: Ihr müsst mir jetzt monatlich 5 000 € überweisen, und das bitte ein Jahr lang, in Summe 60 000 €. Die muss ich dann noch versteuern, dann bleiben noch 30 000 € dafür, dass ich vor acht Jahren für euch eine Typenentscheidung gefällt hätte – wo er übrigens ursprünglich ja evidentermaßen gegen diese Typenentscheidung war. Da waren ein ganz anderer Minister und übrigens eine ganz andere Partei auch noch ganz wild dahinter her, dass jener Typ angeschafft wurde, der dann angeschafft wurde. Da war zunächst Herbert Scheibner derjenige, der am längsten und am hinhaltendsten Widerstand geleistet hat. (Abg. Wöginger: Das nutzt auch nichts!)

Also, meine Damen und Herren: Welche Firma nähme so ein Ansinnen acht Jahre nach dem Grundgeschäft noch ernst?  Ich glaube, niemand. Und wenn da irgend­jemand nach acht Jahren auf die Idee käme, sich ein Milliardengeschäft mit 60 000 € abgelten zu lassen, dann würde ich einen Besachwalterungsantrag für diesen entsprechenden Menschen (Abg. Wöginger: Das hast du schon mal gesagt!) – ja, ich wiederhole es hier noch einmal – stellen.

Aber was ich auch täte, ist, zunächst einmal der Innenministerin klarzumachen, wieder ÖVP, dass ihre eigenen Beamten das Gesetz missachtet haben, denn sie hätten den Abgeordneten Scheibner sofort darüber informieren müssen, dass eine derartige Meldung gemacht wurde. Das haben sie nicht getan. (Abg. Ursula Haubner: Unge­heuerlich!) Ich wiederhole es noch einmal: Die Meldung kam erst über die Medien, nachdem hier im Haus das Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft eingelangt ist. § 41 Abs. 3 unseres Bankwesengesetzes sieht aber eine sofortige Verständigung des betreffenden Kontoinhabers, über den es eine entsprechende Meldung gegeben hat, vor.

Missachtet! Das interessiert niemanden. Solange es nicht um schwarze PEPs geht, ist es ja Wurscht, was man mit anderen PEPs macht.

Und dann kommt diese Raiffeisenbank auf die Idee, daraus einen Geldwäschefall zu konstruieren, obwohl man ihr vorher die Verträge offengelegt und erläutert hat, worum es geht, während sie beim PEP Strasser, PEP Grasser und all den anderen PEPs, die dort ihre Konten haben, noch nie auf irgendeinen Geldwäscheverdacht gekommen ist. Das ist reiner Zufall. Das sind natürlich in der Regel alles Schwarze, meine Damen und Herren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 247

Ich wiederhole es – das wird Raiffeisen jetzt noch häufiger zu hören bekommen; da gibt es durchaus auch Medien, die nicht so mainstreamig gleichgeschaltet, schwarz-giebelkreuzmäßig ausgerichtet sind, die bereit sind, darüber auch objektiv zu berichten –: Wer in diesem Land ein Konto bei Raiffeisen hat, muss wissen, dass er der Österreichischen Volkspartei niemals in die Quere kommen darf, denn sonst werden seine ganzen Kontodaten schonungslos an die Öffentlichkeit gespielt. Und das alles, meine Damen und Herren, mit einem bloß behaupteten Geldwäscheverdacht.

Wer ein Konto bei Raiffeisen hat, muss wissen, dass er keinem ÖVP-Interesse im Wege stehen darf, wer ein Konto bei Raiffeisen hat, muss wissen, dass dann, wenn es der Österreichischen Volkspartei dient, insbesondere der niederösterreichischen Volkspartei – da muss man unterscheiden, denn es gibt Bereiche in der Österreichi­schen Volkspartei, die da in Wirklichkeit nicht mitmachen –, das Gesetz keine Rolle mehr spielt. Ich möchte übrigens auch dezidiert eine andere Raiffeisenorganisation, etwa Oberösterreich, ausnehmen. Das scheint ein Spezifikum von Raiffeisen Niederösterreich zu sein. In dem Moment, in dem also Raiffeisen Niederösterreich entschieden hat, dass es der Österreichischen Volkspartei zu dienen hat, wenn sie jetzt auf einmal Kontodaten an die Öffentlichkeit spielt, dann spielt das Gesetz keine Rolle mehr. Dann spielt auch die Bank keine Rolle mehr. Dann wird schonungslos über die Leute drübergefahren.

Ich kann nur jedem raten: Lösen Sie Ihr Konto bei Raiffeisen auf! Es gibt keine Bank, die dermaßen gefährlich ist, wenn es um politische Querverbindungen geht, wie Raiffeisen Niederösterreich, meine Damen und Herren. – Das ist das Erste.

Aber es wäre ja alles noch irgendwie argumentierbar, wenn die Bank nur jene Konto­daten an das Parlament weitergemeldet hätte, die angeblich geldwäscherei­verdächtig sind. – Aber nein, sie hat alle hergeschickt! Alle! Pimperlüberweisungen, die mit der sogenannten Geldwäscherei überhaupt nichts zu tun haben. Jeder kann drüben den Akt jetzt einsehen und kann sich all diese Kontobewegungen anschauen. Da spielen Bankgeheimnis, Bankwesengesetz keine Rolle mehr. Nichts! Das spielt überhaupt keine Rolle.

Wenn Raiffeisen entschieden hat, jetzt braucht die ÖVP eine Entlastung, weil ÖVP-Politiker im Schussfeld sind, dann hat der Herr Konrad so entschieden. Und bitte, es ist absurd zu glauben, dass das nicht über den Schreibtisch des Herrn Konrad gegangen ist, des Herrn Oberjägermeisters. Nein, dann wird abgeschossen. Dann ist der Blatt­schuss fällig. Das ist die ganze Politik, die Raiffeisen betreibt. Und daher sage ich: Der Raiffeisenkrake wird jetzt merken, dass wir uns das nicht gefallen lassen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir sind nicht die mächtigste Partei in diesem Lande, aber wir werden es uns nicht gefallen lassen, wenn Raiffeisen glaubt, uns zum Gegenstand der politischen Kalkül- und der politischen Strategieentscheidungen für die Österreichische Volkspartei zu machen. (Abg. Mag. Donnerbauer: Was ist mit den Zahlungen an Scheibner?)

 Bitte? Auch ein Raiffeisenvertreter. Ja, bitte sehr, kein Raiffeisenvertreter. Aber natürlich, Raiffeisen Niederösterreich! Ihr kriecht alle vor Raiffeisen Niederösterreich, weil das eure Bestands- und Existenzgarantie ist. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Das haben wir ja beim Herrn Pröll gesehen. Herr Pröll füttert Raiffeisen Nieder­österreich und Herr Pröll wird bei Raiffeisen Niederösterreich nach dem Ausscheiden aus der Politik natürlich weitergefüttert. (Abg. Tamandl: ... ! Das ist ein Witz!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, das ist Ihr Bankensystem. Und wir werden uns um dieses Bankensystem jetzt natürlich etwas anders kümmern, als es bisher der Fall war. Ich kann nur sagen, Raiffeisen wird jetzt sehr viel Freude mit uns haben, denn ich werde jede Woche die Bürger davor warnen: Wenn jemand befürchten muss, ÖVP-


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Interessen in die Quere zu kommen, dann darf er eines nicht haben: ein Raiffeisen­konto, meine Damen und Herren! Ich kann jedem nur raten, seine Raiffeisenkonten sofort aufzulösen. (Beifall beim BZÖ.)

Zum Immunitätsfall selber. Ich bin froh darüber, dass das rasch über die Bühne geht, denn Herbert Scheibner ist in der Lage, das alles bei der Staatsanwaltschaft aufzuklären. (Abg. Wöginger: Das ist eh klar! Alles!) Wir werden sehen.

Bitte, auf der anderen Seite würde ich euch einmal wünschen, dass ein Korruptionsfall im Zusammenhang mit dem Eurofighter herauskäme, denn ich garantiere euch, das wäre nämlich dann ein Vertragsauflösungsgrund. Ja, wisst ihr, welche Fraktion dann die größte Panik hätte, wenn der Vertrag aufgelöst würde? – Die Österreichische Volkspartei und ihr Fast-Parteiobmann Grasser! Meine Damen und Herren, so schaut es aus. Keine Fraktion in diesem Haus muss mehr fürchten, dass dieses Rechts­geschäft rückabgewickelt wird als die Österreichische Volkspartei. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Also das ist überhaupt die größte Chuzpe, dass hier drinnen Abgeordnete sitzen und jetzt glauben, sich auf die Schenkel klopfen zu können, weil es den Herbert Scheibner trifft. Erstens wird es ihn nicht treffen. Zweitens würde ich mir wünschen, es käme ein Korruptionsfall heraus, denn dann wärt ihr nämlich die Ersten, die heulen würden, denn in dem Moment wäre der Vertrag rückabzuwickeln. In dem Moment bräche das gesamte Gebäude zusammen. In dem Moment geschähe das, was ihr im Eurofighter-Untersuchungsausschuss verhindert habt, nämlich Aufklärung. In dem Moment wäre die Aufklärung erzwingbar. Das ist hier in diesem Fall leider nicht möglich. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. Gewünschte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


22.13.39

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Möglicherweise stimmt nicht alles im Detail, was Kollege Stadler gerade gesagt hat. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Aber es ist wichtig, auf den Unterschied hinzu­weisen; vielleicht war es ein Fehler von Herbert Scheibner, sich für Raiffeisen und gegen Hypo Alpe-Adria zu entscheiden. (Abg. Amon: Die Konten hat die Staats­anwaltschaft geöffnet, nicht Raiffeisen!) Das war ein Fehler und ich werde auf diesen Fehler zurückkommen.

Beginnen wir zuerst einmal im Jahr 2000! Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP: Nicht nur mir hat Herbert Scheibner berichtet, dass es bei diesen Koalitions­vereinbarungen um eine Nebenvereinbarung gegangen ist, die nicht im Koalitions­vertrag steht, die da lautet: Die FPÖ verpflichtet sich, keinem Thomson-Unter­suchungsausschuss zuzustimmen. (Ruf bei der ÖVP: Sideletter!)

Die erste Frage ist: Warum? Was war Thomson? – Ein Rüstungsgeschäft aus den späten neunziger Jahren, wo es schwere Vorwürfe gegen den späteren Bundeskanzler Dr. Schüssel gegeben hat. – So. Und es hat sicherlich Interesse daran gegeben, dass das nicht untersucht wird. Ich hätte gerne Aufklärung darüber, ob es diese Nebenvereinbarung gegeben hat und ob Herbert Scheibner an ihr mitgewirkt hat. Wir werden das in diesem Haus klären können, weil es weitere Zeugen außerhalb von FPÖ und auch ÖVP für diese Nebenvereinbarung gibt. – Das nur zum Beginn. (Abg. Kößl: Märchenonkel!)

Dann zum Jahr 2002. Kollege Stadler, Sie können das natürlich so darstellen, als wäre Eurofighter ein Raiffeisenflugzeug gewesen und der SAAB Gripen das Flugzeug des


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freien und nicht korrumpierten Bankwesens. Das war nicht ganz so. Ich gehe davon aus – und das werden spätere Untersuchungen, insbesondere der Staatsanwaltschaft zeigen –, dass SAAB und Eurofighter, wie es halt üblich ist, genau dieselben Methoden verwendet haben, bis möglicherweise, ich sage es vorsichtig, hin zur Bestechung von Amtsträgern, nicht nur von Politikern.

Herbert Scheibner – Kollege Stadler hat es richtig gesagt – war kein Vertreter von Eurofighter, sondern ein Vertreter von SAAB. Er war also um nichts besser und um nichts schlechter als Karl-Heinz Grasser, er war nur erfolgloser. Das ist der große Unterschied zwischen Grasser und Scheibner bei der Abfangjägertypenentscheidung. (Abg. Mag. Stadler: ... ! Das ist absurd!)

Jetzt brüstet sich Mensdorff-Pouilly gegenüber seinen Auftraggebern in London, er habe mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung gestellt worden seien, das Ziel erreicht, nämlich dass SAAB Gripen – die waren aufgrund der Gleitpreisklausel schon ausge­schieden – wieder in die Ausschreibung, wieder in den Wettbewerb hineingenommen wird. Und wir schauen in den Akten nach und sehen, da gibt es eine Weisung vom Verteidigungsminister Herbert Scheibner. Das heißt noch nicht, dass er dafür Geld genommen hat. (Abg. Mag. Stadler: Das will ich wohl meinen!)

Aber es heißt, dass der Verdacht, auch der Staatsanwaltschaft, begründet ist, dass genau er die Person war, die den Interessen von British Aerospace und ihrem Geld­briefträger Mensdorff-Pouilly zum Durchbruch verholfen hat. Oder glauben Sie wirklich, Herr Kollege Stadler, British Aerospace hat über Mensdorff-Pouilly alle Unbeteiligten geschmiert und die Beteiligten von Schmiergeld unbehelligt gelassen? (Abg. Mag. Stadler: Das haben wir im Ausschuss aufgeklärt!) – Nein, das klärt jetzt der Staatsanwalt. Lassen wir es dort! Es wird später einmal eine parlamentarische Untersuchung geben.

Und jetzt die große niederösterreichische Raiffeisenverschwörung: Wollen Sie uns wirklich erklären – und ich bin wirklich kein großer Freund des Herrn Konrad und von Raiffeisen –, dass Herr Konrad eine Briefkastenfirma hinter dem Rücken von Herbert Scheibner gegründet hat, auf die dann Herbert Scheibner irrtümlich und irregeleitet durch Raiffeisen Gelder überwiesen hat? (Abg. Mag. Stadler: Das ist keine Brief­kastenfirma! Wie kommst du darauf, dass das eine Briefkastenfirma ist? Das behauptest du!)

Und dann erklärt Herbert Scheibner, warum er das Ganze nicht an das Parlament gemeldet hat und sagt, weil er nie ein Einkommen hatte? (Abg. Mag. Stadler: Das ist absurd!) Und dann wird er von Armin Wolf gefragt, was es mit der Briefkastenfirma auf sich hat und erklärt, ja, da habe er Honorare mit zwei dort Tätigen geteilt? (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja absurd!)

Kollege Stadler, erklären Sie mir einmal, was das ist! Sie erklären, Sie beziehen ein Honorar, das kein Einkommen ist?! Das ist eine komplizierte Angelegenheit, die nicht nur den Staatsanwalt interessieren wird: das einkommenslose Honorar des Ex-Vertei­digungsministers. Das einkommenslose Honorar! (Abg. Mag. Hakl: Die Gesamtrede­zeit ist aus!)

Herr Kollege Stadler, jetzt gebe ich Ihnen in einem Punkt recht: Ja, Herbert Scheibner hat wahrscheinlich zwei Fehler in Bezug auf Raiffeisen und Geldwäschemeldungen gemacht, deren Stichhaltigkeit der Staatsanwalt zu überprüfen hat und nicht ich. Erstens: Er hätte wahrscheinlich wirklich zur Hypo Alpe-Adria gehen sollen, da wäre er parteimäßig gut aufgehoben oder besser aufgehoben gewesen.

Oder: Er hat den Fehler gemacht, nicht rechtzeitig der ÖVP beizutreten, was ja angesichts seiner politischen Karriere und der Parteiwechsel durchaus eine Möglichkeit


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gewesen wäre. Aber im Nachhinein den Umstand zu kritisieren, dass es eine Geldwäscheanzeige von Raiffeisen gibt, die ein Staatsanwalt zumindest so ernst nimmt, dass er das einmal überprüft und in diesem Zusammenhang die gesetzlich vorgesehenen Schritte gegenüber dem österreichischen Nationalrat, dem Parlament setzt – dieser Vorwurf kann nicht zu Recht erhoben werden.

Es gibt große Zweifel daran, dass Herbert Scheibner jemand ist, der es wert ist und der geeignet ist, als Verteidigungsminister oder als Abgeordneter dieser Republik zu die­nen. Es gibt viele Gründe, und es sind nicht nur Eurofighter und die dubiosen Geschäfte, die jetzt die Staatsanwaltschaft bewegen, die uns dazu bringen sollten, über Abgeordnete wie Herbert Scheibner einmal genauer nachzudenken. Abgeord­nete, die nichts dabei finden, als Ex-Verteidigungsminister, ohne dem Parlament etwas zu sagen, dann in Richtung österreichisches Militär Geschäfte zu machen und möglicherweise das ganze Gewicht ihres ehemaligen Amtes dafür zu gebrauchen und möglicherweise zu missbrauchen.

Ich möchte, dass wir damit genauer umgehen, und ich möchte, dass wir Abgeordnete haben, von denen die Menschen, die sie gewählt oder nicht gewählt haben, ganz genau eines wissen: Wem sie verpflichtet sind  ob sie ausschließlich den Wählerinnen oder Wählern verpflichtet sind oder kleineren oder größeren Rüstungsfirmen. Und eines sage ich Ihnen schon, Herr Kollege Stadler: Diese Frage hat Kollege Scheibner, Noch-Kollege Scheibner, durch seine Praxis eindeutig beantwortet. Ihm war es wichtiger, Rüstungsfirmen als den Menschen, die ihn gewählt oder nicht gewählt haben, verpflichtet zu sein, und deswegen wird zu Recht untersucht  jetzt vom Staatsanwalt und sicher in einer weiteren Runde parlamentarisch. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

22.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler ein weiteres Mal gemeldet. Herr Abgeordneter, 2 Minuten Restredezeit sind übrig. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


22.21.49

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): In aller Kürze: Jetzt haben wir gesehen, was der Peter Pilz hat: nichts außer lächerliche Vermutungen. Es gibt kein einziges Geschäft, das der Herbert Scheibner mit dem österreichischen Bundesheer gemacht hat, keines! Komm heraus und sage, welches! Du bist nicht in der Lage dazu! Außer einer unbewiesenen, pauschalen und auch dummen Verdächtigung hast du nichts.

Zweitens: Es gibt keine Briefkastenfirmen. Diese Firmen sind seit Jahr und Tag dort eingetragen. Es gibt österreichische Geschäftsleute, die diese Firmen betreiben, und diese Firmen sind nicht illegal und sind offengelegt worden. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Drittens: Für die Meldung hat er vorher eine Expertise der Parlamentsdirektion einge­holt. Das zu kriminalisieren ist eine Infamie. Du hast nichts in der Hand. Du hast außer lächerlichen Falschbehauptungen nichts, schüttest den Kollegen Scheibner an und glaubst, damit etwas gewinnen zu können?!  Das werden wir dir austreiben! (Allgemeine Heiterkeit. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Denn eines lassen wir nicht zu, nämlich dass der Herr Pilz glaubt, er kann sich hier aussuchen, wen er abschießt. So nicht, mein lieber Freund! Da hast du dir diesmal die Richtigen ausgesucht. Raiffeisen ist ein ganz anderes Kapitel. (Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Das ist kein Zufall, dass Geschäftstätigkeit aus dem Jahr 2009, Geschäftstätigkeit aus dem Jahr 2010 jetzt auf einmal, im Herbst 2011, wo


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die ÖVP in Bedrängnis ist, zum Verdachtsthema wird. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zwei Jahre lang nicht, aber jetzt auf einmal  werden wir aufklären, machen wir uns schon mit denen aus. (Abg. Dr. Matznetter: Was heißt denn „ausmachen“?) Aber Peter Pilz wird bei uns nicht dafür sorgen, dass wir den Kollegen Scheibner krimi­nalisieren, nur weil du mit deiner Phantasie glaubst, ihm einen Strick drehen zu können. Du hast nichts in der Hand! Wenn du hier heraußen etwas in der Hand gehabt hättest, hättest du es ja vorlegen können. Mit uns kann man über alles diskutieren, insbesondere mit mir. Aber mit blanken Hosen da herauskommen und dann eine große Lippe riskieren, das ist Peter Pilz heute gewesen. (Beifall beim BZÖ.)

22.23

22.23.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, ich sage es an dieser Stelle nur ungern und ich würde das auch gerne noch einmal mit den Fraktionen klarstellen: Expertisen der Parlamentsdirektion können nur erstellt werden, wenn sie über meinen Auftrag erfolgen, und ich habe keinen Auftrag gegeben. Das heißt, jeder Abgeordnete hat natürlich die Möglichkeit, Auskünfte über seine eigene Meldung zu machen, aber es ist keine Expertise in diesem Haus vorhanden. Ich will das nur klarstellen. (Abg. Mag. Stadler: Hat er eingeholt! Nennen wir es eine Auskunftserteilung!)

Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank!)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1407 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien, GZ 604 St 8/11z, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammen­hang zwischen dem inkriminierten Sachverhalt und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner besteht.“ (Zwischenrufe bei der ÖVP in Richtung des den Sitzungssaal verlassenden Abg. Huber.)

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.25.19Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Dr. Pilz, Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Walter Rosenkranz, Peter Pilz, Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen

gemäß § 33 GOG auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 252

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungs­ausschuss im Verhältnis: 8 SPÖ, 8 ÖVP, 5 FPÖ, 3 Grüne, 2 BZÖ einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

1. Die Wahrnehmung der staatlichen Aufsicht und Kontrolle über die anteilig im Staatseigentum stehende Telekom Austria AG und ihre Beteiligungen im Hinblick auf

a. die Leistung von Zahlungen ohne nachvollziehbare Gegenleistung,

b. die Versteuerung sämtlicher Zahlungen der Telekom Austria an deren Lobbyisten, Berater, Vermittler etc.,

c. die Weiterleitung von Zahlungen an Politikerinnen und Politiker und diesen nahe stehende natürliche oder juristische Personen sowie - direkt oder indirekt - an Parteien,

d. die lukrative Zwischenschaltung von parteinahen Personen und Unternehmen in den Erwerb ausländischer Beteiligungen (insb. Mobiltel Bulgarien, MDC Weißrussland, Mobtel Serbien),

e. die Manipulation von Börsenkursen sowie

f. die direkte Einflussnahme auf die Erarbeitung von Gesetzen und Verordnungen in Ministerien durch die Telekom Gruppe und damit in Zusammenhang stehende Zahlungen. Diese Beeinflussung von Gesetzen und Verordnungen ist auch bezüglich der Vorgänge in den betroffenen Ministerien zu untersuchen.

2. Die Verkaufsverfahren von im Bundeseigentum befindlichen Immobilien der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften (BUWOG) und der Wohnungen der BIG sowie die Einmietungen von Gerichten im "Justizzentrum Wien Mitte" und der Finanzlan­desdirektion Linz in den "Terminal Tower", im Hinblick auf mögliche politische Einfluss­nahme, die Einbeziehung von externen Beratern und Vermittlern sowie sonstige Unstimmigkeiten und Klärung der politischen Verantwortlichkeit,

3. Der Versuch der Lockerung des Glücksspielmonopols durch Finanzminister Mag. Karl Heinz Grasser und diesbezügliche politische Interventionen und Zahlungen durch Glücksspielunternehmen,

4. Die Vorgänge rund um die Vergabe der Aufträge für das Behördenfunknetzwerk durch das Innenministerium, die spätere Kündigung der Verträge und die neuerliche Vergabe, unter Berücksichtigung der Beiziehung externer Berater und Vermittler und die damit in Zusammenhang stehenden Zahlungsflüsse einschließlich allfälliger - direkter oder indirekter - Zahlungsflüsse an Parteien,

5. Die Vergabe von Staatsbürgerschaften gem. § 10 Abs 6 StBG im besonderen Interesse der Republik unter besonderer Berücksichtigung der erbrachten oder zu erwartenden außerordentlichen Leistungen der betroffenen Personen,

6. Aufklärung über die Schaltung von ÖBB-Inseraten auf Weisung oder sonstige Einflussnahme des damaligen Bundesministers für Verkehr, Innovation und Tech­nologie, Werner Faymann sowie vergleichbare Fälle anderer Bundesminister.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch die Anwendung aller in der VO-UA vorge­sehenen Instrumente zum Untersuchungsgegenstand, insbesondere durch die Vorlage von Akten der Bundesministerien für Finanzen, für Verkehr Innovation und Technologie, für Inneres, für Wirtschaft und Arbeit sowie für Justiz sowie von Akten der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 253

Finanz- und Justizbehörden sowie durch die Anhörung von Auskunftspersonen, die den Gegenstand der Untersuchung bildenden Umstände ermitteln.

Begründung:

In den vergangenen Wochen wurde in den Medien beinahe täglich über neue Korrup­tionsvorwürfe berichtet:

Ungereimtheiten, skandalöse Malversationen und klärungsbedürftige Geldflüsse aus dem Bereich der Telekom zu Parteien und Politikern, aber auch im Zusammenhang mit der Vergabe des Blaulicht-Funknetzes Tetron, der Vergabe von Staatsbürgerschaften, dem Schalten von ÖBB-Inseraten im Auftrag eines Regierungsmitgliedes, der versuch­ten Einflussnahme von Unternehmen auf die Gesetzgebung bis hin zu den aufklärungsbedürftigen Vorgängen um die BUWOG-Privatisierung. Beinahe täglich wurden weitere Details und Korruptionsvorwürfe bekannt, die bis in die ehemalige bzw. aktuelle Regierungsspitze reichen.

Angesichts der vielen bekannt gewordenen Korruptionsvorwürfe kann die Politik nicht weiter untätig bleiben. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist daher umgehend notwendig, um die Vorwürfe lückenlos aufzuklären und die politische Verantwortung der Entscheidungsträger zu klären.

Gemäß § 33 Abs.2 GOG  verlangen die unterfertigten Abgeordneten die Durchführung einer kurzen Debatte.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte jeweils 5 Minuten. Dem Erstredner steht eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung; Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung können ebenfalls 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


22.26.08

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist der zweite Antrag, den wir in diesem Zusammenhang stellen und den wir in der Sache durchaus ähnlich begründen. Bei der ersten Diskussion, die wir vor Kurzem über den kommenden – und er wird kommen – Untersuchungsausschuss hatten, hat Klubobmann Cap mit einer gewissen Berechtigung gesagt: Ja, wenn sich nicht einmal die Opposition einigen kann, wie sollen wir dann zustimmen?! Voraus­setzung für eine Zustimmung ist die Einigung der Opposition!

Wie Sie sehen, haben wir das ernst genommen. Es ist ja nicht ganz einfach, bei sehr unterschiedlichen Grundeinstellungen, wie sie der Freiheitlichen Partei, dem BZÖ und uns zu eigen sind, zu gemeinsamen Anträgen zu kommen. Aber wir haben diesen gemeinsamen Antrag formuliert. Ich sage Ihnen auch, warum.

Erstens: weil es in der Sache nicht besonders kompliziert war. Wir haben alle wesent­lichen Punkte in eigentlich sehr einfachen Verhandlungen, in sehr einfachen Sachver­handlungen zusammengefasst. Niemand der drei Oppositionsparteien hat wider­sprochen, dass das Thema Telekom in all seinen Details zu untersuchen ist. Niemand hat widersprochen, dass das Thema BUWOG im Detail zu untersuchen ist. Niemand hat widersprochen, dass das Thema „Novomatic versucht als organisiertes Glücksspiel


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 254

ein Gesetz in diesem Haus zu kaufen“ untersucht werden muss. Niemand hat wider­sprochen, dass der Behördenfunk, also Tetron/Adonis, im Innenministerium aber auch weit über das Innenministerium hinaus untersucht werden muss.

Vergabe von Staatsbürgerschaften  auch das waren sehr einfache Gespräche. Alle drei Oppositionsfraktionen haben gesagt: Okay, da gibt es Vorwürfe, lasst uns diese Vorwürfe parlamentarisch untersuchen. Und ähnlich war es bei der Frage der ÖBB-Inserate, Faymann, Ostermayer. Mit einem Zusatz, nämlich dass wir nach kurzer Diskussion gesagt haben: Ja, falls es weitere Hinweise gibt, schreiben wir auf jeden Fall „sowie vergleichbare Fälle anderer Bundesminister“ hin. Es gibt eine gewisse Verhaltensauffälligkeit auch jenseits der SPÖ, was Inserate betrifft. Wenn ich etwa die einschlägige Tätigkeit des amtierenden Umweltministers verfolge, dann gibt es zumin­dest für mich einige gute Gründe, auch da sehr, sehr genau hinzuschauen.

Bevor Josef Cap jetzt zu strahlen beginnt und signalisiert: Schaut, auch ihr könntet da ein Problem kriegen! (Heiterkeit bei der ÖVP. Abg. Dr. Fichtenbauer: Er stimmt eh nicht mit, ist ihm egal!), sage ich: Na, wenn man sich die Praxis dieser Bundesre­gierung anschaut, dann ist es ja keine große Überraschung, dass die Probleme durchaus ähnlich sind. Das hat vielleicht Werner Faymann erfunden, aber er war nicht lange allein. Na, selbstverständlich ist das von anderen Parteien nachgeahmt worden, und ich bestreite, dass die ÖVP die einzige Partei war, die da erfolgreich Nachahmung betrieben hat. Aber das werden wir uns alles anschauen.

Das waren die sachlichen Verhandlungen. Der entscheidende Punkt war aber ein anderer: Es gibt seit Kurzem den in einer beeindruckenden Unverschämtheit vorgetra­genen Versuch von SPÖ und ÖVP, uns nächste Woche mit einer Regierungsvorlage zu einem Untersuchungsausschuss zu beglücken.

Mir ist nichts Ähnliches bekannt  dass sich Regierungsparteien darauf einigen, wie das Parlament in einem Untersuchungsausschuss die Tätigkeit von Regierungen kontrollieren soll. Und dazu wollten Sie uns nächsten Mittwoch einladen?  Um uns eine Regierungsvorlage vorzulegen und zu sagen: Das hat eine Mehrheit, und ihr könnt euch überlegen, ob ihr zustimmt oder nicht, vielleicht gibt es kleine Verhand­lungs­mög­lichkeiten, aber nicht mehr.

Wir kennen Ihre Kuhhändel, und der Kuhhandel war ganz einfach und auch ganz offen, weil Sie der Meinung sind, dass das nach wie vor in diesem Haus geht. Der Kuhhandel lautet ganz einfach: Ihr verzichtet auf die Untersuchung der Faymann-Inserate, und wir verzichten auf die Untersuchung des Verdachts der Parteienfinanzierung der ÖVP in den Fragen Telekom und Tetron, direkt oder über die Industriellenvereinigung; denn es geht in diesem Fall schlicht und einfach um ein organisiertes System der Spen­denwäsche, das in Österreich leider noch legal, in der Bundesrepublik längst illegal ist. Sie riskieren dort drei Jahre Gefängnisstrafe.

So! Und dieser Kuhhandel war klar, und es war vollkommen klar, dass uns nächste Woche genau dieses Ultimatum hätte gestellt werden sollen: Macht mit oder macht nicht mit! Und es ist eines klar, bei allen Unterschieden der Oppositionsfraktionen: Bei einem Vertuschungsausschuss anstelle eines Untersuchungsausschusses wird die Opposition in diesem Haus nicht mitmachen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Deswegen haben wir jetzt diesen Antrag vorgelegt. Na selbstverständlich sind wir bereit, diesen Antrag zu verhandeln. Wir haben als Oppositionsfraktionen keine Mehr­heit in diesem Haus, und wir brauchen eine Mehrheit, um das beschließen zu können. Aber unterschätzen Sie eines nicht: Wir haben genau für diese Untersuchungen eine große Mehrheit, die Mehrheit der Ehrlichen und Anständigen in der österreichischen Bevölkerung, hinter uns.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 255

Ich würde Ihnen nicht empfehlen, es darauf ankommen zu lassen, was letzten Endes stärker ist: Eine parlamentarische Mehrheit der Unehrlichkeit und der Nichtbereitschaft zur Aufklärung oder eine Mehrheit in der österreichischen Bevölkerung, die genau das will und vom Parlament erwartet, nämlich dass jeder dieser Punkte lückenlos aufgeklärt wird.

Jetzt gibt es natürlich vernünftige Einwände und Hinweise, dass wir einigen Fragen besondere Beachtung schenken müssen. Wie zum Beispiel: Was passiert mit den Ermittlungen der Justiz?  Ja natürlich, wenn es nach der ÖVP ginge, würden wir erst parlamentarisch untersuchen, wenn alle Verfahren abgeschlossen sind, das heißt in zwei bis drei Legislaturperioden. Das ist sinnlos.

Aber wir werden auf die Ermittlungsinteressen der Justiz Rücksicht nehmen. Ich bin dafür, dass wir an die Präsidentin des Nationalrates herantreten und sagen, es muss doch möglich sein, ein Gespräch mit der Justiz zu führen, wo besondere Ermitt­lungsinteressen in den nächsten Wochen und Monaten gefährdet wären und in welchen Bereichen es bereits möglich ist, ohne besondere Gefährdung von Ermittlun­gen mit den Befragungen im Rahmen eines Untersuchungsausschusses zu beginnen.

Das sind praktische Abstimmungsprobleme, die wichtig sind und die von uns auch positiv gelöst werden können. Aber das erste Problem, das wir zu lösen haben, ist ganz einfach: Wir müssen die Regierungsparteien dazu bringen, dass sie all das, was in diesem Antrag drinnen steht, auch mit uns gemeinsam untersuchen.

So, und jetzt erwarte ich mir, dass Josef Cap, oder wer auch immer in seinem Namen, herauskommt und sagt: Okay, ihr habt unsere Bedingung erfüllt, die Opposition hat sich geeinigt. Wir diskutieren bis nächste Woche noch über ein paar Details, aber dann wird der Untersuchungsausschuss eingesetzt. Und ich erwarte mir, dass die ÖVP sagt – sie wird es sicherlich anders formulieren : Na, wenn wir uns diesmal nicht auf die SPÖ verlassen können, dann sind wir halt auch dabei.

Letzten Endes wissen Sie, dass Sie diese parlamentarische Untersuchung nicht verhindern können. Deswegen ist es sinnvoll, dass wir das gemeinsam so schnell wie möglich machen  aber auf der sachlichen Basis, die jetzt die Opposition gemeinsam erarbeitet hat. Ich sage Ihnen nur eines: Wenn Sie weiter versuchen, das zu verzögern und zu verschleppen und wenn Sie weiter versuchen, den Untersuchungsaus­schuss­auftrag einzuengen und wenn insbesondere Sie, von der Österreichischen Volkspartei, weiter versuchen, den Untersuchungsausschuss daran zu hindern, illegale Parteien­finanzierung für die Österreichische Volkspartei zu untersuchen, dann wird es nicht gehen.

Aber dann werden wir von der Opposition uns überlegen müssen, ob und wie wir uns an die österreichische Bevölkerung wenden, um die Mehrheit der Ehrlichen und Anständigen, auch gegen eine bremsende und verhindernde Regierungsmehrheit, zu mobilisieren.

Ich würde es gut finden – für uns alle, auch für die Regierungsparteien –, wenn Sie jetzt zur parlamentarischen Vernunft kommen und das mit uns schnell verhandeln. Ein sachlich gut begründeter Antrag liegt vor. Ich glaube, es ist sinnvoll, nur diesen Antrag zu verhandeln. Vergessen Sie irgendwelche Koalitionsanträge! Wir brauchen Sie nicht mehr. Tragen Sie sachlich etwas zur Verbesserung dieses Vorhabens bei, und dann kön­nen wir sehr, sehr schnell mit der Arbeit dieses Ausschusses beginnen!  Herz­lichen Dank. (Beifall bei den Grünen. Abg. Neugebauer: Ganz schön überheblich!)

22.36



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 256

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt jeweils 5 Minuten. Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. – Bitte.

 


22.36.27

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Pilz, danke für das Ultimatum, das Sie uns hier auf den Tisch gelegt haben! Die Leistung – Sie sind jetzt anscheinend der vereinigte Oppo­sitionssprecher oder -führer – der Oppositionsparteien war, dass sie die Anträge, die sie vor einer Woche gestellt haben, alle in einem Antrag verpackt haben und uns jetzt verkauft haben, dass sie intensiv diskutiert, verhandelt haben und sich wirklich Sorgen und Gedanken gemacht haben, wie man in unserem Land am besten aufklären kann.

Zum Beginn der Geschichte: Die Telekom ist im Zentrum, Kursmanipulationen, Finan­zierung von ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern und deren Infrastruktur, Vergabe des Behördenfunks, Zahlungen an Agenturen, wo wir täglich neue Meldungen und Aufdeckungen über die Medien vermittelt bekommen, Jagderlebnisse samt Abschuss­garantie und sehr oft auch mit wirtschaftlicher Abschlussgarantie, Beratungsaufträge für ausgeschiedene Regierungsmitglieder – und über dem Ganzen schwebt der Gedanke der Unmäßigkeit und vor allem das Wirtschaften in die eigenen Taschen.

Diese Dimension, dieser wirtschaftliche Schaden, der in den Unternehmen stattge­funden hat, der die Reputation der österreichischen Republik und deren Funktions­träger betrifft, aber auch der Schaden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist enorm. Vor allem den Schaden an Glaubwürdigkeit, diese Dimension müssen wir uns anschauen. Es gibt ein gemeinsames Thema, das haben wir schon in mehreren Sitzungen hier diskutiert.

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Pilz, Sie haben gesagt, alle, die nicht dem Antrag der vereinigten Oppositionsparteien zustimmen wollen, die sind bei den Unehrlichen, Unanständigen und Unmäßigen. Das möchte ich wirklich zurückweisen (Beifall bei SPÖ und ÖVP Abg. Neugebauer: Diktion Pilz!), denn alle Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Haus sind darum bemüht, sich tagtäglich für die Interessen der Bevölkerung einzusetzen und nicht in die eigenen Taschen zu wirtschaften!

Wir haben ein gemeinsames Thema. Ich ersuche die Kolleginnen und Kollegen, auch vonseiten der Oppositionsparteien, daran zu arbeiten, dass wir den gemeinsamen Auftrag formulieren können und dass wir zu einem Konsens kommen; denn das ist Demokratie. Ich weiß, das ist immer eine sehr intensive Auseinandersetzung, dass man zu einem Konsens kommt, weil man sich dann immer auf neuen Positionen finden muss, die man vertreten muss. Es ist wahrscheinlich für Sie am allerschwierigsten, dass man nicht gleich bei Ihrer Position ist, sondern dass es dazu Verhandlungen gibt.

Aber ich denke mir, die Verhandlungen bezüglich der weiteren Vorgangsweise sind bereits eingeleitet, und es sind ja auch schon Termine fixiert und dargelegt. (Abg. Dr. Pilz: Welche Termine sind fixiert? Zwischen SPÖ und ÖVP?) Es sind Termine in Verhandlung. Sie haben vorher darüber gesprochen, dass nächste Woche Verhand­lungstermine stattfinden werden.

Wir haben den Auftrag, werte Kolleginnen und Kollegen, eine demokratische Ent­scheidung zu fällen, und ich vertraue dabei auf die Weisheit und Gelassenheit der Vertreterinnen und Vertreter der fünf Parlamentsparteien hier in diesem Hohen Haus. (Beifall bei der SPÖ.)

22.40



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll118. Sitzung / Seite 257

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Bartenstein: Es ist eh schon alles gesagt worden!)

 


22.40.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, Herr Kollege Bartenstein, es ist wirklich schon sehr viel gesagt worden, aber nicht alles. Das wollen wir schon noch ein bisschen nachholen.

Es gibt ein paar Punkte, die durchaus von der Kollegin Lapp jetzt angesprochen wor­den sind, die in diesem gemeinsamen Antrag der Oppositionsparteien drinnen sind, die auch wichtig sind. Natürlich die ganze Telekomgeschichte, wo unter anderem immer wieder als Argument vorgeschoben wird, es sei ja alles versteuert worden. Na ja, um die Versteuerung geht es auch, aber nicht nur, denn nicht alles, was versteuert wurde, hat auch seinen richtigen Weg gefunden, und nicht weniges von diesen Mitteln, die versteuert wurden, hat sich im Endeffekt widerrechtlich, nicht legitim oder wie auch immer in den Taschen von Politikern oder der Politik nahestehenden Personen gefunden.

Behördenfunk – ein ähnliches Bild. – Man muss es wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da gibt es eine Vergabe, dann wird der Vertrag im Nachhinein gekündigt, und dann gibt es eine Neuvergabe. (Abg. Dr. Bartenstein: Das ist oft der Fall!) Da kann man sagen, das ist in der Wirtschaft sehr oft der Fall – aber immer nur dann, wenn es einen ganz triftigen Grund gibt. Und Sie können sicher sein, in der Wirtschaft – Sie werden es wissen, Herr Kollege Bartenstein – staubt es bei solchen Fällen ganz kräftig, denn da wurde Einfluss genommen. Das ist nicht zufällig irgendetwas. Da hat nicht irgendwer zufällig eine falsche Entscheidung getroffen, sondern da wurde im Nachhinein Einfluss genommen. Und das ist das, was schändlich ist.

Jetzt kommen wir zu den zusätzlichen Sachen, die in diesem Fall durchaus erwäh­nenswert sind, nämlich zu den Staatsbürgerschaften. Ich weiß, jetzt kommt gleich wieder: Na schaut euch doch den Scheuch an! – Nein, nicht Kollegen Scheuch, sondern den Herrn Colombo zum Beispiel. Der war ja eigentlich nicht unbedingt Österreicher, aber der musste ganz, ganz schnell Österreicher werden – ohne Fest­spiele, ohne Sonstiges.

Was durchaus auch noch wichtig und interessant ist, das ist das ganze Thema der ÖBB-Inserate. Da gibt es ja bitte – und es wurde heute schon mehrmals erwähnt – ein Schuldgeständnis des Herrn Ostermayer. Es geht nicht – und das möchte ich ausdrücklich betonen – um die strafrechtliche Relevanz. Das prüft jemand anderer. Aber wenn ich heute in einer Presseaussendung Folgendes lesen kann: „Dieser Sach­verhalt ist seit Jahren bekannt sowie ausführlich diskutiert und geprüft. Seit 2008 wurden dazu sechs parlamentarische Anfragen gestellt und umfassend beantwortet.“, dann muss ich sagen: Geh bitte!

Wie werden in diesem Haus manchmal – ich sage nicht: immer, sondern ich sage: manchmal – parlamentarische Anfragen beantwortet? – Mit dem Standardgschichterl: Ingerenz, ausgelagerte Gesellschaft!, so nach dem Motto: Habt uns gerne! Vor allem die Frau Finanzminister ist da sehr toll bei ihren Beantwortungen. Manchmal heißt es auch: Es gibt daraus keine neuen Erkenntnisse!

Es geht – noch einmal! – nicht darum, was strafrechtlich passiert ist, sondern es geht schlicht und einfach um die politische Verantwortung. Die ist zu untersuchen! Und wenn man sich dann hinstellt und sagt: Na ja, bei der ganzen Inseratengeschichte war es so: Die Firmen wollten ja inserieren!, dann muss ich sagen: Das glaube ich schon, aber sie wollten nicht in diesem Umfang inserieren und sie wollten nicht den Minister


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auf dem Inserat draufhaben und sie wollten vieles andere auch nicht haben, aber sie wurden gezwungen. Da ist die politische Verantwortung zu untersuchen!

Dazu noch folgenden Satz aus der oben genannten Presseaussendung: „Hier ist ein System sichtbar geworden, das auf Plünderung von Volksvermögen ... ausgerichtet ist.“ – Diesem Satz stimme ich zu.

Weiters heißt es da: „Hier ist wirklicher Bedarf an Aufklärung, damit politische Verant­wortung festgemacht und gesetzliche Konsequenzen gezogen werden können.“ – Das ist zu unterstreichen. Ich schließe mich auch diesen Worten an.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, schließen Sie sich diesem unserem Antrag an, damit das wirklich untersucht werden kann! (Beifall bei der FPÖ.)

22.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


22.45.00

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lapp, ich danke für den Appell an unsere Weisheit, auch an unsere Gelassenheit. Ich glaube, die Weisheit sagt, wir sollen endlich wieder Vertrauen in die Politik und Vertrauen in die Demokratie schaffen. Ich glaube, es ist auch ein Gebot der Weisheit, in Österreich Zustände zu vermeiden, die in anderen Staaten korruptionsmäßig teilweise leider noch mehr zu beobachten sind.

Gerade wenn Sie an diese Weisheit appellieren, müssten Sie doch auch auf unseren Antrag gehen, denn es geht darin auch darum, dass wir bei der BUWOG endlich Klarheit schaffen. Wie oft hat doch die SPÖ, durchaus in einer gewissen Weisheit, festgehalten: Ja, das muss untersucht werden!

Denken Sie doch an den Kollegen Kräuter! Der war immer dafür, dass man das untersucht. Kollege Jarolim hat sogar gesagt, bis zum heurigen Sommer soll der Untersuchungsausschuss in der „Causa BUWOG“ kommen. Jetzt auf einmal ist keine Rede mehr davon. Das ist das deutliche Signal dafür, dass Sie einen in Ihrem Sinne weisen Kuhhandel mit der ÖVP geschlossen haben: Kein Behördenfunk, dafür auch keine BUWOG! – Na gut. Die Offenbarung war ja jetzt.

Nun der zweite Punkt: die Gelassenheit. – Ja meine Güte, wir haben doch schon genug Gelassenheit an den Tag gelegt, indem wir es hingenommen haben, bei den Inseraten seit dem Jahr 2007 – ich muss korrigieren: nicht erst seit 2008, sondern seit 2007! – die Sache einfach so im Raum stehen zu lassen.

Diese Gelassenheit dauerte mehr oder weniger vier Jahre. Jetzt reicht es aber! Jetzt brauchen wir auch da endlich Aufklärung. Es ist zwar nicht unbedingt in erster Linie eine Strafrechtsangelegenheit, sondern es ist in erster Linie eine politisch-moralische Sache, und zwar vor allem in der Hinsicht, dass die beteiligten Personen – und das ist für mich das Frustrierende! – nicht die geringste Ungerechtigkeit daran finden, sich nicht im Geringsten irgendeiner Schuld bewusst sind. Die tun so, wie wenn das selbstverständlich wäre.

Das ist das Problem: kein Unrechtsbewusstsein bei tiefstem politisch-moralischem Vergehen! Das verstehe ich nicht, und da kann ich leider nicht gelassen bleiben, obwohl ich es eigentlich in dieser Sache ohnedies schon vier Jahre lang bin. Jetzt reicht es aber wirklich.

Oder: die Staatsbürgerschaften. – Warum haben Sie von der SPÖ ein Problem, die „Causa Staatsbürgerschaften“ zu untersuchen? Noch stecken Sie dort nicht drinnen, zumindest nach meinem Wissen. Aber man weiß ja nicht, was sich da wieder verbirgt.


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Also da verstehe ich überhaupt nicht, warum man diese Materie von vornherein ausscheidet und sich wirklich nur in die Telekom-Bereiche verkrallt. Das ist ja nur ein Aspekt, wie wir schon mehrfach gehört haben.

Auch beim Glücksspiel ist jetzt auf einmal die SPÖ ruhig. Sie bringt ja viel mehr in diesen interkoalitionären Kuhhandel ein als die ÖVP. Die SPÖ zahlt ja dauernd drauf: Auf die BUWOG verzichtet sie, aufs Glücksspiel verzichtet sie, auf den Behördenfunk verzichtet sie, auf die Staatsbürgerschaften verzichtet sie – nur damit nicht über die Inserate eine Untersuchung angestellt wird!

Bitte, das ist ein schlechter Kuhhandel! Da gehen Sie wirklich einen schlechten Handel ein. Da ist die Zuwaage Ihrerseits übergroß. Das muss man schon sehr deutlich sagen.

Jetzt bin ich neugierig, wie die Argumentation von der ÖVP lauten wird. Ich wage eine prophetische Ansage. Die ÖVP wird sagen: Ja, wir müssen uns auf einen ganz klaren und eindeutigen Untersuchungsgegenstand konzentrieren, und wir dürfen die gerichtlichen Vorgänge nicht beeinträchtigen!

Aber ich sage ganz ehrlich: Wir haben es nur aufsummiert, ganz klar und eindeutig. Wir können nach der Reihe mit Zeitabschnitten, mit terminlichen Zeitspannen genau umrissen die einzelnen Kapitel abhandeln, systematisch, klar und konsequent. Und wir können sofort mit der Staatsanwaltschaft in Verhandlungen treten und uns ausmachen, in welchem zeitlichen Korsett, in welchem zeitlichen Rhythmus das vor sich gehen soll, damit die Justiz nicht beeinträchtigt ist.

Das sage ich Ihnen gleich vorneweg zu Ihrer Argumentation, die Sie jetzt wahr­scheinlich als Replik an mich wiederholen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

(Ruf bei der ÖVP: Steht der Van der Bellen auch im Antrag drinnen? – Abg. Rädler: Van der Bellen – Zusatzantrag vom Kollegen Stadler!)

 


22.49.41

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Einen guten Vorschlag kann man durchaus aufgreifen. Seid ihr dann dabei? Nehmen wir den Van der Bellen mit hinein! Ich habe kein Problem damit. Seid ihr dabei? Ist das eine Zusage? Von der ÖVP ist ja bisher niemand zu Wort gemeldet. Ihr beteiligt euch ja nicht einmal an dieser Debatte. Das lässt auch tief blicken.

Ist jetzt jemand zu Wort gemeldet? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Na gut, dann soll er herauskommen und sagen: Wenn der Van der Bellen draufsteht, dann stimmen wir zu! Dann reden wir gleich darüber. Das kann man mit uns gleich machen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, dieser Antrag ist die Antwort der Opposition auf die Kontrollpersiflage, die Sie vorhaben. Ich meine, da muss man wirklich der Kollegin Lapp dankbar sein, dass sie hier herausgeht und in einer gewissen Ahnungslosigkeit oder Unbedarftheit sagt: Ja es sind eh schon die Termine fixiert! So quasi: Aber nicht mit uns! Nein, die Regierung kontrolliert sich selber, da sind ja schon die Termine fixiert. Kontrolle? – Was brauchen wir da die Opposition dazu? Das machen wir uns selber aus! Tausche meine Kontrolluntätigkeit gegen deine Kontrolluntätigkeit: Das ist doch der Deal, der seit Jahr und Tag zwischen diesen beiden Regierungsparteien abläuft, meine Damen und Herren!

Nur, meine Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP, diesmal läuft es ein bisschen anders: nicht nur deshalb, weil, wie Kollege Pilz gesagt hat, die Mehrheit der


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Bevölkerung der Meinung ist, dass das alles zu kontrollieren ist, sondern es läuft auch deswegen ein bisschen anders, weil sich die Rechtslage ein wenig geändert hat.

Eine der wenigen guten Hinterlassenschaften der früheren Frau Bundesministerin Bandion-Ortner, die im Vergleich zu ihrer Nachfolgerin immer noch eine Riesin war, ist, dass sie die Kronzeugenregelung hinterlassen hat. Und da können Sie machen, was Sie wollen: Die Kronzeugenregelung, meine Damen und Herren von der ÖVP, wird dazu beitragen, dass all die Vorkommnisse bei Telekom früher oder später heraus­kommen. Das garantiere ich Ihnen!

Kollege Bartenstein: Ein Kronzeuge, der lügt, begibt sich auf ein Glatteis, wo er die Benefizien, die ihm die Kronzeugenregelung zubilligen würde, verliert. Das heißt, es kann davon ausgegangen werden, dass ein Kronzeuge nicht lügt. Und der Kronzeuge, der sich hier angeboten hat, ist meiner Ansicht nach sehr glaubwürdig. – Das zur ersten Änderung.

Die zweite Änderung ist, dass Sie ein Klima der Feindseligkeit haben, das ich eigentlich seit der Zeit, als Willi Molterer verkündet hat, es geht nicht mehr, es reicht, nicht mehr erlebt habe. Derzeit haben wir in Wirklichkeit eine Situation, die früher einmal zu vorgezogenen Nationalratswahlen geführt hätte. Rot schaut hintenherum, über seine Medien, dass möglichst gegen Schwarz gearbeitet wird. Schwarz schaut daraufhin mit seinem früheren Generaldirektor aus den ÖBB, dass ein Faymann-Inserateng’schichterl herauskommt. – Lauter Kronzeugen treten auf einmal auf den Plan.

Dieses Spielchen wird weitergehen. Heute habe ich gelesen, jetzt schüttet wieder Rot den Herrn Huber an und sagt: Der Herr Huber hat mit dem Herrn Hochegger zusam­mengearbeitet! Das wird immer lustiger. Es hat ja die Frau Lapp angedeutet, dass da schon wieder etwas herausgekommen ist.

Ich weiß nicht, ob Sie das bei Ihrer Terminfixierung auch schon besprochen haben. Ich habe den Verdacht, Sie haben das nicht mehr unter Kontrolle. Die Feindseligkeiten zwischen diesen beiden Parteien, die offen sind, die massiv sind, würden sogar zu Nationalratswahlen führen, wenn Sie derzeit nicht beide fürchten müssten, dass sie katastrophal enden würden, weil Sie beide vom Wähler eine aufs Dach kriegen würden. Sonst hätten wir nämlich schon Nationalratswahlen. Sie von Rot haben es gut vorbereitet, aber es ist Ihnen diese Inseratengeschichte halt ein bisschen dazwischen­gekommen. Ihre Spindoktoren haben dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Schwarz hat es auch probiert. Bei den Schwarzen scharen sich die großen Talente jetzt um den Herrn Rauch. Der hat beim Ernst Strasser gelernt, ist Lehrling vom Strasser – ist ja für Sie nicht wirklich angenehm! Der glaubt auch, er müsste jetzt sozusagen seine Meriten verdienen, und er zeigt es jetzt dem Spindelegger, wie man das richtig macht: mit einem sogenannten „dirty campaigning“. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) Da wird auch schon der Wahlkampf vorbereitet.

Das heißt, in Wirklichkeit wäre alles schon Wahlkampf, wenn das nicht katastrophal enden würde, wenn Sie von den Wählern nicht eine aufs Dach kriegen würden.

Und jetzt glauben Sie, in dieser Zeit können Sie Kontrolle verhindern? – Sie haben es nicht mehr unter Kontrolle! Sie können es nicht mehr verhindern, meine Damen und Herren! Wenn heute Jarolim, Kräuter, Krainer nicht mehr das sagen, was sie noch vor einigen Sitzungen gesagt haben, dann deutet das darauf hin, dass Sie tatsächlich Gefahr laufen, dass ein Untersuchungsausschuss passieren könnte. Deswegen dürfen die alle nicht mehr reden. Deswegen schicken Sie die Frau Lapp hier heraus.


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Frau Präsidentin Prammer verkündet über den ORF, dass es diese Kontrolle heuer noch geben wird. Aber mit der Opposition redet niemand, weil die Regierung sagt: Wir werden uns den Wahlkampf durch die Opposition nicht versauen lassen! Meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, dass dieses Spiel aufgeht, dann täuschen Sie sich. Ich sage Ihnen: Dieses Spiel geht nicht auf!

Jetzt noch ein Hinweis auf die Vergabe von Staatsbürgerschaften. Das ist nicht nur ein Kärntner Thema, sondern das ist auch ein Thema im roten Salzburg. Das heißt, Grund genug für die SPÖ, das auch nicht mehr als Thema wirklich zu mögen. Und die Argumentation mit der Justiz ist Ihnen heute sogar durch die Justizministerin abhanden gekommen, die selber gesagt hat: Das, was hier aufzuklären ist, muss das Parlament aufklären, und das, was von der Justiz aufzuklären ist, soll die Justiz aufklären! (Beifall beim BZÖ.)

22.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


22.55.10

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wortmeldungen des BZÖ sind ja heute wirklich entlarvend. Das ist wirklich bemerkenswert. Ich glaube im Übrigen, die einzige Partei, die sich wirklich vor Wahlen fürchten müsste, ist das BZÖ, weil mehr als unsicher wäre, ob es danach diesem Haus überhaupt noch angehören würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wir haben keine Angst! Die ÖVP ist so schlecht, dass wir keine Angst haben! Der ÖVP geht es so mies, dass wir keine Angst haben müssen!)

Ich habe mir heute im Laufe des Tages sehr genau angehört, was Sie vom BZÖ von sich gegeben haben. Kollege Grosz etwa hat heute am Vormittag wörtlich verlangt, es müsste einen Ständigen Untersuchungsausschuss nach dem Vorbild der Inquisition geben.

Ich nehme an, Herr Kollege Stadler, Sie wissen, was die Inquisition war. Da waren der Ermittler, der Ankläger und der Richter, alle drei in einer Person. Ein derartiges Verfahren ist schlimmer als die Korruption insgesamt. Herr Kollege Stadler, das ist etwas, was wir uns nicht vorstellen können. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Keine Inquisition! (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist auch das, was Sie in Ihrer Wortmeldung bei der vorherigen Debatte gemacht haben, als Sie behauptet haben, die Raiffeisen hätte im Auftrag der ÖVP Konten geöffnet. Diese Aussage ist ja wirklich absurd! (Abg. Mag. Stadler: Im Interesse der ÖVP! Zuhören! Im Interesse der ÖVP!) Wenn jemand Konten öffnet, dann ist es die Wiener Staatsanwaltschaft. Und ich muss sagen: Der Wiener Staatsanwaltschaft kann man viel vorwerfen, aber dass sie mit der ÖVP irgendetwas zu tun hat, kann man ihr wirklich nicht vorwerfen, Herr Stadler! (Beifall bei der ÖVP.)

Also lenken Sie, bitte, nicht von den Problemen, die das BZÖ mit dem Erklärungs­bedarf hat, damit ab, dass Sie uns hier Vorwürfe machen! (Abg. Mag. Stadler: Wir haben keine Probleme! – Abg. Dr. Moser: Vielleicht könnten Sie zu unserem Antrag etwas sagen!)

Ich glaube auch, dass es unerhört ist und auch eine Art inquisitorischer Vorgang ist, wenn Sie, Kollege Pilz, hier von illegaler Parteienfinanzierung bei der Volkspartei sprechen. Legen Sie einen Beweis dafür auf den Tisch! Behaupten Sie nicht Dinge, die aus der Luft gegriffen sind! Ich weise das zurück. Es ist falsch. Es gab keine illegale Parteienfinanzierung. Herr Dr. Pilz, wenn Sie einen solchen Beweis haben, legen Sie ihn auf den Tisch! (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich habe mir heute am Nachmittag ein paar Stichworte aufgeschrieben, was ich heute am Abend sagen werde. Da steht unter anderem: Opposition bringt heute keinen gemeinsamen Antrag zustande! Den ganzen Nachmittag über gab es von der Oppo­sition drei unterschiedliche, zum Teil sich widersprechende Anträge, Sie haben uns, den Regierungsparteien, aber vorgeworfen, wir würden nur blockieren. – Völlig absurd! Die beiden Klubobleute der Regierungsparteien haben Sie für die nächste Woche zu einem Gespräch eingeladen, wo man versuchen wird, sich auf einen gemeinsamen Antrag für einen Untersuchungsausschuss zu einigen.

Ich weiß nicht, warum man da so agiert. Da wird man dann befragt von den Medien, wo es heißt, die Opposition würde „mit Schaum vor dem Mund“ reden, weil die Regierungsparteien so blockieren. Schaum vor dem Mund, das ist ganz schlecht, denn das ist ein Zeichen großer Emotion. Wir wollen sachlich aufklären, meine Damen und Herren, nicht mit Emotion. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Moser: Ja wann denn?) Gewinnen wir im Sinne Mosers das Vertrauen in die Politik zurück! Viel mehr gewinnen wir es zurück, wenn wir uns sachlich diesen Dingen nähern.

Es haben, meine Damen und Herren – der Herr Präsident hat es um 18.50 Uhr verkün­det –, alle drei Oppositionsparteien hintereinander ihren Antrag zurückgezogen – offenbar hatten sie es nicht so mit der Qualität – und einen neuen gemeinsamen Antrag eingebracht. Gut. Ich habe mir den sehr genau angeschaut und muss sagen: Das ist halt dann so, wenn man Husch-Pfusch-Aktionen macht.

Ich nehme einmal den ersten Gegenstand her, der sich von a bis f gliedert, und stelle fest: Da sind leider nur zwei Punkte drinnen, die tatsächlich das Parlament überprüfen kann. (Abg. Dr. Cap: So ist es!) Nur zwei Punkte beziehen sich auf die Vollziehung, meine Damen und Herren. Und das geht eben nicht! Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, darf ich Sie höflich ersuchen: Nehmen Sie das Angebot der Klubobleute der beiden Regierungsparteien an! (Abg. Dr. Moser: Was ist nicht Vollziehung?)

Ich kann es Ihnen sagen. Wenn es da heißt: Versteuerung sämtlicher Zahlungen der Telekom Austria an deren Lobbyisten, Berater und Vermittler. – Entschuldigen Sie, nicht böse sein, aber es ist Aufgabe der Steuerbehörden und nicht Aufgabe des Parla­ments, die ordnungsgemäße Versteuerung zu überprüfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das ist ja Vollziehung!)

Da müssen Sie sich das Steuerrecht anschauen! Seien Sie mir nicht böse, aber es ist nicht Aufgabe des Parlaments, für richtige Steuereintreibung zu sorgen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja Vollziehung! Verfassungsrecht, erstes Semester!)

Also mein Vorschlag ist: Nehmen Sie das Angebot der Klubobleute der Regie­rungs­parteien an, kommen Sie zu dem Gespräch. Ich sage Ihnen aber auch eines: ohne Einschränkung, inhaltlich ohne Einschränkung. Wir laden Sie ein zu ergebnisoffenen Gesprächen. Schauen wir, bei welchen Punkten wir Einvernehmen herstellen können, und dann setzen wir den Untersuchungsausschuss ein und sorgen für eine sachliche Aufklärung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

23.00

23.00.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Rosen­kranz, Dr. Pilz, Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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23.00.58Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1660/A bis 1678/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 9287/J bis 9340/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Mag. Stadler an die Präsidentin des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.01 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.01.39Schluss der Sitzung: 23.01 Uhr

 

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