Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 55

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nen Tochter. Diese Familie lebt an der Armutsgrenze. Das heißt, Rücklagenbildung – wofür auch immer – ist in dieser Situation sicher nicht möglich. Der junge Mann er­kennt, dass das so nicht bleiben kann, möchte sich weiterqualifizieren, um letzten En­des auch seiner Familie ein höheres Einkommen bieten zu können. Wenn er das aber machen will, muss er vorher in Kauf nehmen, dass er für die Zeit dieser Fortbildung auf ein Einkommen von 795 € im Monat zurückfällt – und das in einer Situation, wo er eben keine Rücklagen hat, um sich daraus irgendwie die Differenz zu finanzieren, und das in einer Situation, wo vielleicht Bildungsmaterialien, wenn er im falschen Bundesland lebt, wo das nicht vom AMS mitfinanziert wird, noch zusätzliche Kosten zu den Lebenshal­tungskosten verursachen.

Meine Damen und Herren, ich befürchte, dass es sich für Menschen wie diesen jungen Mann und seine Familie nicht ausgehen wird, dieses Facharbeiterstipendium in An­spruch zu nehmen, um sich fortzubilden. Er wird sich diese Fortbildung auch mit die­sem Facharbeiterstipendium wahrscheinlich nicht leisten können.

Ähnlich ist es auch mit der Teilzeit-Bildungskarenz. Ja, die ist schon so gestaffelt, dass die Niedrigverdiener geringere Einkommensverluste haben als Besserverdienende, aber trotzdem, es beginnt bei minus 5 Prozent und steigt dann bis hinauf zu minus 30 Prozent Einkommen. Und ich denke, hier muss man sehr, sehr genau beobachten, wer sich letzten Endes auch diese Teilzeit-Bildungskarenz wirklich leisten können wird.

Meine Damen und Herren, ein Punkt im Zusammenhang mit Bildungskarenzen ist für uns Grüne noch ganz wichtig, nämlich der, dass es eigentlich immer die Zustimmung des Arbeitgebers braucht, um die Bildungskarenz in Anspruch zu nehmen. Das heißt, es gibt keinen Rechtsanspruch. Und es soll ja durchaus vorkommen, dass ein Arbeit­geber nicht unbedingt daran interessiert ist, dass ein vifer, aufgeweckter Hilfsarbeiter sich höher qualifiziert, zurückkommt und dann mehr Geld fordert. Insofern ist es für uns also wichtig, einen Rechtsanspruch auf Bildungskarenzen einzuführen, natürlich in Kombination mit einem Kündigungsschutz. Wir wissen schon, dass der Kündigungs­schutz – diese Erfahrung haben wir von der Elternkarenz – nicht unbedingt dazu führt, dass nach Ende des Kündigungsschutzes nicht trotzdem eine Kündigung erfolgt, aber es besteht zumindest eine wesentlich bessere Chance, trotzdem im Betrieb behalten zu werden.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsan­spruch und Kündigungsschutz auch für Bildungskarenzmodelle

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Minister für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ei­nen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der einen Rechtsanspruch sowie einen Kündigungs­schutz nach der Bildungs- und Teilzeitbildungskarenz – analog zur Elternkarenz – schafft.

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Meine Damen und Herren, Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Wirtschaft, für eine gute Arbeitsmarktlage und auch für den Wohlstand der Einzelnen, und wir können gar nicht genug Augenmerk auf diesen Bereich legen.

Ich möchte deshalb noch einmal betonen, dass ich sehr, sehr viele Maßnahmen des Herrn Ministers im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik immer begrüßt habe und un-


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