Fachinfos - Fachdossiers 22.11.2023

Nachhaltige öffentliche Beschaffung

Das österreichische Parlament arbeitet laufend daran, seinen Betrieb nachhaltiger zu gestalten. Für die Bestrebungen hinsichtlich Nachhaltigkeit wurde das österreichische Parlament mit dem Umweltmanagementsystem EMAS zertifiziert. Aus diesem Anlass erklärt das vorliegende Fachdossier, wie die öffentliche Hand als nachhaltige Einkäuferin am Markt wesentliche Impulse setzen kann. (22.11.2023)

Was bedeutet nachhaltige öffentliche Beschaffung?

Mit öffentlicher Beschaffung ist gemeint, dass der Staat zur Besorgung seiner Aufgaben Leistungen am Markt zukauft. Das kann der Bau einer Schule oder Eisenbahnstrecke, der Kauf von Möbeln, IKT-Ausstattung oder Feuerwehrautos oder die Beauftragung von Expert:innen wie etwa Architekt:innen oder Gutachter:innen sein. Um allen Unternehmen dieselbe Chance auf solche Aufträge zu geben und eine sparsame und effiziente Verwendung von Steuergeldern zu gewährleisten, sieht das Vergaberecht formalisierte und transparente Verfahren für solche Beschaffungen vor (Vergabeverfahren). 

In den Jahren 2015 bis 2020 betrug das durchschnittliche jährliche Beschaffungsvolumen Österreichs 67 Milliarden €, was 18 % des BIP entspricht. Der Staat ist somit ein gewichtiger Nachfrager bzw. Einkäufer auf unterschiedlichen Märkten und kann als solcher Impulse für einen Wandel zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem setzen. Nachhaltige öffentliche Beschaffung fasst alle Vorschriften und Möglichkeiten in einem Vergabeverfahren zusammen, mit denen ökologische oder soziale Kriterien bei der Auftragsvergabe neben dem Preis berücksichtigt werden können.

Aspekte von Nachhaltigkeit

Der Begriff der Nachhaltigkeit wird von unterschiedlichen Akteur:innen mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Einer breiten Öffentlichkeit wurde die Nachhaltigkeitsthematik durch das Drei-Säulen-Modell bekannt, welches in den 1980er-Jahren auf UN-Ebene ausgearbeitet wurde (Brundtland-Kommission). Dieses Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung geht davon aus, dass nachhaltige Entwicklung nur durch das gleichzeitige und gleichwertige Umsetzen von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen und Maßnahmen erreicht werden kann. Zwischen den drei Säulen besteht zudem eine Wechselbeziehung, sie bedingen einander. Nur durch eine ausgewogene Koordination dieser drei Aspekte ist die dauerhafte und zukunftsfähige Entwicklung und Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft sicherzustellen. 

Das Drei-Säulen-Modell wurde immer wieder weiterentwickelt (etwa durch Aspekte der intergenerationellen und globalen Gerechtigkeit) und kritisiert (etwa hinsichtlich der Frage, ob nicht doch ein Aspekt stärker als andere gewichtet werden sollte), bleibt aber bis heute so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner in vielen Nachhaltigkeitsdiskussionen.

Politisch finden sich mittlerweile vielfältige Bekenntnisse zur Nachhaltigkeit. Auf UN-Ebene sind das beispielsweise die Sustainable Development Goals (SDGs), auf EU-Ebene hat die Europäische Kommission den Green Deal als zentrale politische Leitlinie ausgegeben, und in Österreich hat die Bundesregierung Nachhaltigkeit zu einem bestimmenden politischen Vorhaben gemacht, wie aus zahlreichen Stellen des Regierungsprogramms 2020-2024 hervorgeht. Diese Liste lässt sich auf Landes- bzw. kommunaler Ebene (vgl. Wiener Klimafahrplan) fortsetzen und hat mittlerweile auch öffentliche Unternehmen (etwa die ÖBB oder Energieunternehmen) erfasst. 

Was gilt bei der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung?

Lange Zeit waren die Einkaufskosten der ausschlaggebende Faktor für Kaufentscheidungen der öffentlichen Hand (Vorrang der ökonomischen Säule). Dabei wurde ein Auftrag oft an den Billigstbieter vergeben. Eine nachhaltige Beschaffung betrachtet im ökonomischen Sinne jedoch die Lebenszykluskosten (total cost of ownership – TCO). Diese berücksichtigen die Gesamtkosten während der Lebensdauer inklusive Instandhaltungen und Entsorgung.

Zudem wurde in Österreich mit dem Paradigmenwechsel weg vom Billigstbieter- hin zum Bestbieterprinzip in den jüngsten Vergaberechtsnovellen dem Auftraggeber verstärkt die Möglichkeit eingeräumt, neben dem Preis auch qualitative Aspekte, etwa im Bereich sozialer oder ökologischer Nachhaltigkeit, zu berücksichtigen. Die Europäische Kommission setzt sich ebenso stark für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung ein und versteht darunter den gesamten Beschaffungsprozess unter der gleichwertigen Einbindung der drei Säulen der Nachhaltigkeit.

Während Nachhaltigkeitsaspekte in der Vergangenheit noch als "vergabefremde Kriterien" bezeichnet wurden (Primat des Preiswettbewerbs), haben sie sich mittlerweile als gleichberechtigter und integraler Bestandteil des Vergaberechts entwickelt. Der Grundsatz der Nachhaltigkeit ist im Bundesvergabegesetz (BVergG 2018) neben den Grundsätzen der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und des freien und lauteren Wettbewerbs verankert; und zwar differenziert in die Grundsätze der ökologischen Beschaffung, sozialen Beschaffung und der innovativen Beschaffung (vgl. § 20 BVergG). 

Ökologische Beschaffung

Das europäische und österreichische Vergaberecht schreibt dem öffentlichen Auftraggeber die Berücksichtigung der Umweltgerechtheit und die Einhaltung diverser umweltrechtlicher Vorgaben bei Beschaffungen verpflichtend vor. So sollen etwa Aspekte wie Energieeffizienz, Materialeffizienz, Abfall- und Emissionsvermeidung oder Bodenschutz berücksichtigt werden (vgl. § 20 Abs. 5 BVergG). Zur Konkretisierung dieser Vorgabe hat die Bundesregierung 2021 mit dem überarbeiteten Aktionsplan für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung (vgl. naBe-Aktionsplan) verpflichtende Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung in 16 Produktgruppen (etwa IT-Geräte, Möbel, Veranstaltungen, Hoch- und Tiefbau, Reinigungsdienstleistungen etc.) veröffentlicht. Schließlich wurde mit dem Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz die sogenannte Clean Vehicles Directive der EU umgesetzt, mit dem Ziel, den Fuhrpark öffentlicher Stellen emissionsfrei zu gestalten. 

Soziale Beschaffung

Das europäische und österreichische Vergaberecht verfolgt auch sozialpolitische Zielsetzungen. Anders als bei den ökologischen Zielen sind soziale Belange nicht verpflichtend, sondern lediglich ausdrücklich erlaubt. Dazu zählt etwa, dass auf die Beschäftigung von Frauen, von Personen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von Menschen mit Behinderung und älteren Arbeitnehmer:innen sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden kann (vgl. § 20 Abs. 6 BVergG). Ein spezifisches Instrument zur Berücksichtigung von Menschen mit Behinderung sind sogenannte "Vorbehaltene Aufträge zugunsten sozialer und beruflicher Integration" (§ 23 BVergG). Zudem müssen bei einem Vergabeverfahren zwingend zahlreiche arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen eingehalten werden. 

Die EU-Kommission gibt öffentlichen Einrichtungen mit der Neuauflage ihrer Mitteilung über eine sozialorientierte Beschaffung (socially responsible public procurement [SRPP]) eine Hilfestellung bei der Berücksichtigung von sozialen Aspekten in unterschiedlichen Stadien eines Beschaffungsprozesses. 

Innovative Beschaffung

Als weiteres Standbein nachhaltiger Beschaffung wurde in jüngster Zeit die innovative oder innovationsfördernde Beschaffung bestimmt. Innovative Aspekte sollen jedenfalls bei der Vergabeverfahrenskonzeption und der Angebotsbewertung berücksichtigt werden (vgl. § 20 Abs. 7 BVergG). Hintergrund ist die Idee, dass eine innovative öffentliche Beschaffung ein nachfrageseitiges Instrument der Innovationspolitik ist und als solches einen nachhaltigen Transformationsprozess in der Wirtschaft und Verwaltung unterstützt (etwa durch verbesserte oder ressourcenschonende Produktions- oder Arbeitsweisen). Die Bundesregierung hat dazu eigens eine Initiative gestartet (IÖB-Initiative) und eine entsprechende Servicestelle für öffentliche Auftraggeber eingerichtet. 

Nachhaltigkeit im Beschaffungsprozess

Es gibt also vielseitige Nachhaltigkeitsaspekte, die von öffentlichen Auftraggebern an unterschiedlichen Stellen des Beschaffungsprozesses berücksichtigt werden sollen oder können. Angesetzt werden kann beispielsweise an den folgenden Stellen:

Bedarfs- oder Leistungsbeschreibung

Bei der Bedarfs- oder Leistungsbeschreibung geht es darum, dass der öffentliche Auftraggeber entscheidet und definiert, welche Leistung er überhaupt benötigt. Da besteht wohl der größte Hebel für eine nachhaltige Beschaffung. So ist schon die Entscheidung zwischen der Neuanschaffung eines Gegenstandes im Gegensatz zur Reparatur oder Mitbenutzung eine unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu treffende Überlegung. Dasselbe gilt etwa für die Entscheidung Neubau oder Sanierung, Leistungsfestlegungen im Zusammenhang mit Kreislaufwirtschaft, die Frage, ob ein Fuhrpark angeschafft werden oder Mitarbeiter:innen durch Fahrräder oder öffentliche Verkehrsleistungen unterstützt werden sollen, etc.

Bei der Leistungsbeschreibung können sogenannte technische Spezifikationen nachhaltige Kriterien etwa aus dem naBe-Aktionsplan aufgreifen. Dadurch können beispielsweise Vorgaben zur Energieeffizienz oder Verwendung nachhaltiger Materialien einer zu beschaffenden Leistung gemacht werden (z. B. hinsichtlich der Energiebilanz eines Müllfahrzeugs oder der Bauweise eines Kindergartens mit nachhaltig gewonnenem Holz oder sozial fair abgebauten sonstigem Baumaterial). Bei Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, sind die technischen Spezifikationen so festzulegen, dass im Sinne der Barrierefreiheit die Nutzung allen Menschen gleichberechtigt offensteht (etwa im Baubereich, aber auch hinsichtlich digitaler Angebote).

Wenn die konkret zu beschaffende Leistung noch nicht feststeht, kann auch eine sogenannte Innovationspartnerschaft eine gute Idee sein. Dabei handelt es sich um ein besonderes Vergabeverfahren zur Entwicklung und dem anschließenden Erwerb innovativer Produkte und Dienstleistungen, wenn der bestehende Bedarf nicht durch bereits am Markt verfügbare Lösungen befriedigt werden kann. Der öffentliche Auftraggeber kann nunmehr Produkte, Bau- oder Dienstleistungen innovativ und maßgeschneidert entwickeln lassen und im Anschluss direkt vom Entwickler erwerben.

Anwendbare Eignungs-, Auswahl- oder Zuschlagskriterien

Eignungs- und Auswahlkriterien sind unternehmensbezogen, das heißt, es können (Mindest-)Anforderungen an ein Unternehmen gestellt werden, damit es im Rahmen eines Vergabeverfahrens überhaupt ein Angebot legen darf. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, ein Umweltmanagementsystem (z. B. EMAS- oder ISO-14001-Zertifizierung) vom interessierten Unternehmen zu fordern und somit ein starkes Signal an den entsprechenden Bieterkreis zu senden.

Zuschlagskriterien schließlich sind angebotsbezogen, das heißt, mit ihnen wird das beste Angebot entsprechend transparent bekannt gegebener Kriterien ermittelt. Es besteht die Möglichkeit, Siegel oder Zertifikate bei der auszuführenden Leistung besser zu bewerten, beispielsweise bei Büromaterialien, wenn diese mit dem Blauen Engel oder einem anderen Umweltzeichen zertifiziert sind. Andere Bewertungen können z. B. auf den Anteil an biologisch gewonnenen oder recycelten Produkten (etwa bei Lebens- oder Reinigungsmitteln) oder den CO2-Ausstoß bei der Leistungserbringung abstellen.

In sozialen Belangen kann die Anzahl der bei der Ausführung des Auftrags einzusetzenden benachteiligten Personen oder Angehörigen sozial schwacher Gruppen bewertet werden. Auch ist es möglich und zulässig, besondere soziale Kompetenzen (etwa Sensibilisierungsschulungen) des einzusetzenden Schlüsselpersonals im Rahmen der Zuschlagskriterien zu bewerten.

Vertrags- bzw. Ausführungsbestimmungen

Das BVergG sieht sämtliche nationalen und internationalen arbeits-, sozial- und umweltrechtlichen Bestimmungen als zwingende Anforderung bei der Leistungserbringung eines öffentlichen Auftrags vor (vgl. § 93 BVergG). Vertragsbestimmungen, wonach eine bestimmte Lehrlings- oder Frauenquote bei der Leistungserbringung erfüllt werden muss, können im Sinne der sozialpolitischen Rolle des Vergaberechts sachlich gerechtfertigt sein.

Aus ökologischer Sicht kommen beispielsweise beim Transport von beschafften Leistungen vertragliche Vorgaben hinsichtlich Maximalemissionen oder zum Verpackungsmaterial (Mehrwegsystem oder Karton) infrage. Ebenso kann eine bestimmte Abfallentsorgung bei großen Sanierungsvorhaben oder überhaupt der Einsatz von Produkten aus erneuerbaren Rohstoffen (auch eine Ökostromquote bei der Leistungserbringung) vorgeschrieben werden. Und schließlich kann ein Auftragnehmer vertraglich zur langfristigen Lieferung von Ersatzteilen bzw. Wartungs- und Reparaturleistungen verpflichtet werden.

Conclusio

Das österreichische Parlament legt hohen Wert auf einen nachhaltigen Betrieb und hat in der jüngsten Vergangenheit diesbezüglich starke Akzente gesetzt, welche nun mit der EMAS-Zertifizierung bestätigt worden sind. Im Bereich des Beschaffungswesens hat sich das Parlament mittels einer Selbstverpflichtungserklärung dem oben erwähnten Nationalen Aktionsplan für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung der Österreichischen Bundesregierung unterworfen und wendet diesen folglich an. Auch wurde im Sinne einer diesbezüglichen Professionalisierung eine eigene interne Beschaffungsrichtlinie erlassen.

Wie die obigen Ausführungen zeigen, haben der nationale sowie der europäische Gesetzgeber in den vergangenen Jahren die rechtliche Basis für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung geschaffen, mit dem Ziel, diese auch zu fördern. Dabei wurde in den Beschaffungsvorgängen viel Gestaltungsspielraum eingeräumt. Zum einen ist dies positiv, da dadurch der technologischen Weiterentwicklung und auch aktuellen gesellschaftlichen Diskursen Rechnung getragen wird. Zum anderen stellen weit ausgelegte Definitionen und fehlende verbindliche Standards eine Herausforderung für den Alltag von öffentlichen Einkäufer:innen dar. Im Bereich der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit steht dem Staat mit dem öffentlichen Beschaffungswesen jedenfalls ein starker Hebel zur Verfügung, welcher zunehmend engagierter und professionalisierter herangezogen wird.

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