1466/AB-BR BR

Die Bundesräte Weiss, Giesinger und Dr. Bösch haben am 19. Februar 1999
unter der Nr.1574/J - BR/99 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend Berücksichtigung von Stellungnahmen der Länder und Gemeinden
zu Vorhaben der Europäischen Union gerichtet.
 
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
 
Zu den Fragen 1 und 2:

Gemäß Art. 23d Abs. 1 B - VG hat der Bund die Länder unverzüglich über alle
Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die den selbständigen
Wirkungsbereich der Länder berühren oder sonst für sie von Interesse sein
könnten, zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Gleiches gilt für die Gemeinden, soweit der eigene Wirkungsbereich oder
sonstige wichtige Interessen der Gemeinden berührt werden. Die Vertretung
der Gemeinden obliegt in diesen Angelegenheiten dem Österreichischen
Städtebund und dem Österreichischen Gemeindebund.
Entsprechend Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den
Ländern gemäß Art. 15a B - VG über die Mitwirkungsrechte der Länder und
Gemeinden in Angelegenheiten der europäischen Integration,
BGBl. Nr.775/1992, unterrichtet der Bund die Länder unverzüglich im Wege
der Verbindungsstelle der Bundesländer über alle Vorhaben im Rahmen der
europäischen Integration, die ihren selbständigen Wirkungsbereich berühren
oder sonst für sie von Interesse sein könnten. Gleiches gilt für die Gemeinden,
soweit der eigene Wirkungsbereich oder sonstige wichtige Interessen der
Gemeinden berührt werden.
In diesem Zusammenhang kann zusätzlich festgehalten werden, daß den
Ländern - in der Regel vertreten durch die Verbindungsstelle - sowie Ge -
meinde - und Städtebund die Teilnahme an einschlägigen interministeriellen
Vorbereitungs - und Koordinierungsstrukturen gleichberechtigt offensteht. Diese
Einbindung gilt insbesondere für die Vorbereitung von Ratstagungen und des
COREPER sowie grundsätzlich für die Vorbereitung von EU - Vorhaben, zu
denen seitens der Länder bzw. der Gemeinden ein Interesse an Beteiligung
besteht.
Da die Länder ihre Stellungnahmen folglich nicht nur schriftlich, sondern auch
in vielfältiger Weise direkt im Rahmen von interministeriellen Besprechungen
vorbringen und deren Berücksichtigung weithin reibungslos funktioniert, ist eine
Aufstellung der Länderstellungnahmen nur hinsichtlich der als Anwendungsfälle
des Art. 23d Abs. 1 B - VG bezeichneten Positionen möglich, für die qualifizierte
Formvorschriften gelten (siehe Beantwortung zu Frage 3).
Die genannten Rechtsvorschriften sowie die geschilderte Praxis haben sich
bestens bewährt. Es ist gelungen, eine umfassende und zeitgemäße Infor -
mation der Länder, der Städte und der Gemeinden sicherzustellen. Dies hat
dazu geführt, daß seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am
1. Jänner 1995 seitens der Länder, des Österreichischen Städtebundes und
des Österreichischen Gemeindebundes zahlreiche Stellungnahmen zu unter -
schiedlichen Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union beim Bundes -
kanzleramt sowie bei den federführenden Ressorts eingelangt sind.
Diese Stellungnahmen wurden und werden regelmäßig bei der Erarbeitung der
gesamtösterreichischen Stellungnahmen berücksichtigt und dabei grundsätzlich
in analoger Weise zu Beiträgen von Bundesdienststellen eingebunden.
 
Zu Frage 3:

Die folgende Aufstellung enthält die von der Verbindungsstelle der Bundes -
länder als Anwendungsfälle des Art. 23d Abs. 2 B - VG bezeichneten Län -
derstellungnahmen seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Zu
dieser Liste ist anzumerken, daß die Vertretung dieser Länderpositionen - von
der in der Beantwortung zu den Fragen 4 bis 7 begründeten Ausnahme abge -
sehen - durchwegs problemlos erfolgte, sodaß im Einzelfall keine Klärung er -
forderlich war, inwieweit diese Stellungnahmen tatsächlich ganz oder in Teil -
aspekten unter Art. 23 d Abs. 2 B - VG zu subsumieren waren:
 
1995

- Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG in der Fassung 94/24/EWG), Anhang II,
Teil 2, Notifikation betreffend jagdbare Vogelarten:
VST - 2816/23 vom 14. März 1995
- Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des
Rates für ein Programm zur Förderung künstlerischer und kultureller Akti -
vitäten mit europäischer Dimension - KALEIDOSKOP 2000, KOM (94) 356
(ABI.Nr. C 324/5 vom 22. November 1994):
VST - 2172/3 vom 9. Mai 1995
- Vorschlag für eine gemeinsame Maßnahme betreffend die Rechtsstellung
von Staatsangehörigen dritter Länder, die sich regelmäßig langfristig in der
Union aufhalten (Ratsdokument Nr.12338/94, ASIM 244):
VST - 2868/7 vom 19. Juli 1995
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richt -
linie 90/428/EWG über den Handel mit Sportpferden und zur Festlegung der
Bedingungen für die Teilnahme an pferdesportlichen Veranstaltungen, KOM
(94) 11 (ABI.Nr. C 51/6 vom 19. Februar 1994):
VST - 2233/18 vom 28. Juli 1995
- Grünbuch der Kommission "Die Rolle der Union im Bereiche des Tourismus"
(KOM (95) 97 endg. vom 4. April 1995):
VST - 2615/19 vom 21. September 1995
- Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG i.d.F. 94/24/EWG), Anhang II, Teil 2,
Notifikation betreffend jagdbare Vogelarten:
VST - 2816/57 vom 28. September 1995
VST - 2816/58 vom 6. Oktober 1995
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates für strategische Umweltverträg -
lichkeitsprüfung - Konzept - UVP (kommissionsinterner Entwurf):
VST - 2805/133 vom 20. Oktober 1995
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die integrierte Vermeidung und
Verminderung der Umweltverschmutzung (IPC - Richtlinie), KOM (95) 88
(ABI.Nr. C 165/9 vom 1. Juli 1995):
VST - 2805/173 vom 19. Dezember1995
 
1996

- Europäischer Gerichtshof; Rechtssache C - 1/96 (Tierschutz in der Landwirt -
schaft):
VST - 2194/79 vom 4. März 1996
- Regierungskonferenz; grundsätzliche österreichische Position (Bundes -
kanzleramt 405.860/11 - IV/5/96, Bundesministerium für auswärtige Ange -
legenheiten 907.02/27 - III.3/96)
VST - 2855/47 vom 22. März 1996
- Europäischer Gerichtshof; Rechtssache C - 81/96 (Flächenwidmungsplan -
Umweltverträglichkeitsprüfung):
VST - 2194/94 vom 28. Mai 1996
- Vorschlag für eine Richtlinie über ein Verfahren zur Anerkennung von
Diplomen, KOM (96)22 (ABI.Nr. C 115/16 vom 19 April 1996):
VST - 2856/46 vom 11. Juni 1996
- Vereinbarung gemäß Art. 15a B - VG über Schutzmaßnahmen betreffend
Kleinfeuerungen, Kärntner Heizungsanlagengesetz 1996; Stellungnahmen
der Europäischen Kommission und einiger EU - Mitgliedstaaten (Bundes -
ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten 20.621/155 - I/A/4/96 vom
28. März 1996):
VST - 244/81 vom 25. Juni 1996
- Vorschlag für einen Beschluß des Rates über ein Mehrjahresprogramm zur
Förderung des europäischen Tourismus (1997 - 2000), PHILOXENIA, KOM
(96) 168:
VST - 2615/27 vom 15. Juli 1996
- Regierungskonferenz; Subsidiarität:
VST - 2855/99 vom 13. August 1996
- Entwurf einer Entschließung des Rates zur Chancengleichheit für behinderte
Menschen, KOM (96) 406:
VST - 2854/203 vom 31. Oktober 1996

1997

- Gemeinschaftsstrategie über die integrierte Kontrolle von Emissionen aus
kleineren Anlagen, SI (Konsultationspapier der Europäischen Kommission):
VST - 2872/49 vom 10. Februar 1997
1998

- Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für die Haltung von Wildtieren in
Zoos:
VSI - 2892/92 vom 22. April 1998
- Vorschlag für eine Richtlinie über eine Verringerung des Schwefelgehaltes
bestimmter flüssiger Kraft - und Brennstoffe und zur Änderung der Richtlinie
93/12/EWG (Schwefelgehalt von Brennstoffen):
VST - 2805/706 vom 29. April 1998
- Bauproduktenrichtlinie (89/106/EWG), geplante Änderung:
VST - 531/870 vom 8. Mai 1998
- Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Legehennen in
verschiedenen Haltungssystemen:
VST - 2823/90 vom 24. Juni 1998
- Vorschlag der Kommission für einen Beschluß des Europäischen Parlaments
und des Rates über ein einheitliches Finanzierungs - und Planungsinstrument
für die Förderung der kulturellen Zusammenarbeit (2000 bis 2004):
VST - 2663/36 vom 30. Juni 1998
Eine Sonderstellung innerhalb der genannten Fälle nimmt insbesondere die
Stellungnahme der Länder zur geplanten Änderung der Bauproduktenrichtlinie,
VST - 531/870 vom 8. Mai 1998 insofern ein, als es sich bei dieser Materie um
eine sogenannte ,,Querschnittsmaterie" handelt, in der sowohl dem Bund als
auch den Ländern Gesetzgebungsbefugnisse zukommen.
Zu den Fragen 4 bis 7:

Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist der Bund nur in einem
einzigen Fall von einer seiner Ansicht nach die Voraussetzungen des Art. 23d
Abs. 2 B - VG erfüllenden Stellungnahme abgewichen. Dabei ging es um den
Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates für die Haltung von
Wildtieren in Zoos (VST - 2892/92 vom 22. April 1998): Während die Länder in
ihrer einheitlichen Stellungnahme den Vorschlag der Europäischen Kommission
für eine Empfehlung des Rates für die Haltung von Wildtieren in Zoos zwar
begrüßten und unterstützten, die Erlassung einer Richtlinie aus näher darge -
legten Gründen jedoch ausdrücklich ablehnten, wurde in der Sitzung des EU -
Umweltministerrates am 16. und 17. Juni 1998 mit Zustimmung Österreichs
eine Richtlinie zur Haltung von Wildtieren in Zoos einstimmig beschlossen. Die
Gründe für die von der einheitlichen Länderstellungnahme abweichende Hal -
tung des Bundes wurden den Landeshauptmännern in einem Schreiben des
Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie dargelegt. Darin wurde
insbesondere auf integrationspolitische Überlegungen sowie auf Gründe des
Tierschutzes und des Schutzes der Artenvielfalt verwiesen. Dieses Schreiben
wurde von den Ländern zur Kenntnis genommen. Drei Bundesländer wandten
sich an den genannten Bundesminister mit dem Ersuchen um genauere Dar -
legung der für seine Entscheidung maßgeblichen Erwägungen; diesem Er -
suchen wurde mit einem weiteren Schreiben entsprochen.

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HTML-Dokument erstellt: Apr 27 14:00