Bundesrat Stenographisches Protokoll 618. Sitzung / Seite 184

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und Herrn Kollegen Heinz Meier – umfangreiche Gutachten erstellt, auch über Wunsch des zuständigen Bundeskanzleramt-Verfassungsdienstes, trotzdem ist es nicht zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes gekommen, weil zuständige Politiker hiezu nicht imstande waren, initiativ zu sein.

Meine sehr Verehrten! Es wäre in der jetzigen Zeit in Anbetracht merkwürdiger Alternativszenerien und mancher Diskussionen wirklich notwendig, daß wir uns um ein vermehrtes Verfassungs- und Staatsbewußtsein bemühen. Und wir hätten bei diesem Jubiläum Österreichs auch Anlaß gehabt, über die Partei- und Landesgrenzen hinweg einen entsprechenden Rechtsakt zu setzen.

Das Verfassungsrecht Österreichs befindet sich in einem ruinenhaften Stadium, was Minister Klecatsky schon vor Jahrzehnten festgestellt hat. Ich möchte nur ein Beispiel bringen: Die umfassende Landesverteidigung ist im Artikel 9a des Bundes-Verfassungsgesetzes zu finden. Umfassender Umweltschutz oder die Neutralität Österreichs, die doch eine bestimmte Bedeutung hat, sind hingegen in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz verankert. Diese sind nicht im Bundes-Verfassungsgesetz verankert. Auch die politischen Parteien, die in Österreich eine bedeutende Rolle spielen, finden nur in einer Verfassungsbestimmung eines einfachen Bundesgesetzes aus dem Jahr 1975 Niederschlag, aber nirgends im Bundes-Verfassungsgesetz, von den Interessenverbänden ganz abgesehen.

Ich glaube, daß wir auf dem Weg zum sozialen Rechtsstaat sind. Dieser findet jedoch im B-VG mit keiner einzigen Zeile seinen Ausdruck! Ich unterstreiche das, was Jürgen Weiss betreffend Inkorporationsgebot treffend gesagt hat. Sie wissen, daß ich mich seit Jahren immer dafür ausspreche. Das ist ein Punkt, in dem ich mit dem Herrn Präsidenten des Nationalrates Professor Fischer einer Meinung bin. Es gibt wenige Punkte, aber in diesem Punkt bin ich mit ihm wirklich einer Meinung: Es ist sehr wichtig, daß wir zu dieser Neukodifikation mit dem Inkorporationsgebot kommen. Ich möchte hier wirklich bitten, daß wir in der Länderkammer jede Gelegenheit wahrnehmen, um auf diese Notwendigkeit hinzuweisen, und uns nicht dazu verschweigen. Hoher Bundesrat! Ich bedaure auch sehr, daß bei der letzten Regierungsklausur nicht zum Ausdruck gekommen ist, daß man eine solche Neukodifikation ohne eine Bundesstaats- und Bundesratsreform nicht durchführen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir dem Konsultationsmechanismus nicht unkritisch gegenüberstehen, dann sollten wir uns gleichzeitig auch dafür aussprechen, daß es zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes und zu jener Bundesstaatsreform kommt, deren Inangriffnahme schon 1992 mit Unterschrift des Bundeskanzlers Dr. Vranitzky erklärt wurde, der auch nach jeder Regierungserklärung hier erklärt hat, daß er zu dieser Unterschrift steht. Ich glaube, es besteht die Notwendigkeit, uns in den kommenden Monaten und auch im neuen Jahr zu bemühen, daß es auch auf Verfassungsgebiet eine Neukodifikation und einen Fortschritt gibt. Denn wer wollte leugnen, daß wir auch in einem integrierten Europa das entsprechende Verfassungs- und Rechtsbewußtsein als Voraussetzung eines Staatsbewußtseins brauchen? – Ich glaube, das sollten wir auch miteinbringen. Dann haben wir nämlich diese Gedenktage nicht bloß registriert und memoriert, sondern auch zukunftsträchtig genutzt. (Beifall bei der ÖVP.)

22.47

Präsident Josef Pfeifer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch nicht. Danke.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird.


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