die Gewalt persönlich betroffen sind oder miterleben müssen, wie Gewalt an ihren Müttern ausgeübt wird.
Es wird angenommen – das ist schon vorher in einzelnen Reden angesprochen worden –, daß zirka jede fünfte bis zehnte Frau davon betroffen ist und daß die Dunkelziffer der Gewalttaten im Familienkreis extrem hoch ist.
Nach Schätzungen des Polizeijuristen Dr. Bohrn in Wien, der eine Untersuchung von Polizeieinsätzen geführt hat, werden in Österreich jährlich etwa 150 000 bis 300 000 Frauen mißhandelt. Fakten sind, daß 54 Prozent aller Morde im Familienkreis begangen werden und 90 Prozent der Mordfälle Frauen und Kinder als Opfer sind. Faktum ist, daß allein 1994 984 Frauen und 1 041 Kinder in elf österreichische Frauenhäuser flüchten mußten.
Die Verhinderung von Gewalt muß daher ein oberstes Ziel der Politik sein. Verantwortungsvolle Politik muß sowohl Gewalt als auch anderen Übeln der Gesellschaft in umfassender Weise mit allen der Demokratie zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten.
Zu diesen Möglichkeiten gehört sicher die Prävention allgemein, indem man versucht, Gewalt mittels erzieherischer Maßnahmen dadurch zu verhindern, indem individuelle Hilfen für die Betroffenen angeboten werden, aber auch dadurch zu verhindern, daß weitere Gewalttätigkeiten und Schadensbegrenzungen durch die tertiäre Prävention verhindert werden. Das heißt, die Politik muß auch durch die Rechtsordnung mit all ihren Instrumentarien entschlossen gegen Gewalt auftragen.
Die uns heute zur Beschlußfassung vorliegende Gesetzesmaterie ist in diesem Sinne ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt, denn sie verbessert die Kooperation zwischen Gericht und Sicherheitsbehörden bei Gewalt in der Familie und überträgt den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zusätzliche Kompetenzen zum Einschreiten bei Gewalt in der Familie.
Dieser Gesetzesvorschlag – das ist die besondere Qualität – sieht in concreto die Möglichkeit für ein gewaltbedrohtes Familienmitglied vor, eine gewalttätige, in einer gemeinsamen Wohnung lebende Person aus der Wohnung weisen zu lassen, und zwar nicht nur dann, wenn schon eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, sondern wenn diese zu erwarten ist – das ist das sogenannte Wegweiserecht –, und dieser Person auch die Rückkehr in die Wohnung untersagen zu lassen – das Rückkehrrecht.
Ich habe gesagt, das ist die besondere Qualität, denn wir wissen, daß bisher Exekutivbeamte sehr oft unverrichteter Dinge abziehen mußten, nachdem sie beruhigend auf den Aggressor eingewirkt haben und keine Möglichkeit zum Schutz der Frauen darüber hinaus hatten. Nach der derzeitigen Regelung mußten meist die Frauen und die Kinder die Wohnung verlassen und flüchten, in Frauenhäuser ziehen, in andere Kindergärten oder Schulen gehen, faktisch ihren Lebensmittelpunkt verlassen. Der Aggressor konnte bisher an seinem Platz in der Wohnung bleiben. Ich glaube, daß wir – das ist ein Vorbild für ganz Europa – nun endlich erreichen, daß der Aggressor zu gehen hat und die Opfer in ihren Wohnungen bleiben können. Wir sollten daher auch diesem Gesetz die Zustimmung geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist sehr wohl bewußt, daß bei unseren Bemühungen um eine sachgerechte Lösung natürlich auch die vorgeschlagenen Regelungen in einem Spannungsverhältnis zwischen einem möglichst wirksamen Schutz vor Gewalt im häuslichen Bereich auf der einen Seite und dem Eingriff in sensible Grundrechte auf der anderen Seite stehen. Ich glaube aber, daß die klaren und adäquaten Voraussetzungen dieses Gesetzes sowohl für die polizeiliche Wegweisung als auch für die Erlassung einer gerichtlich einstweiligen Verfügung ausreichend präzise Kriterien sind, daß der Staat nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Umstände des Einzelfalles in den durch das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens geschützten Bereich eindringt, um dem in Not befindlichen Opfer Hilfe zu bringen. Hier gilt eindeutig für mich Opferschutz vor Täterschutz. Daher werden wir seitens der Österreichischen Volkspartei gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erheben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
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