Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 84

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Burgenlandes eigentlich Chicago mit 30 000 burgenländischen Einwohnern ist, dann ist das ein sehr anschauliches Bild für die damals schwierige wirtschaftliche Situation in unserem Land.

Die Schüsse von Schattendorf, ein kleiner Ort im Bezirk Mattersburg, leiteten eine Radikalisierung der österreichischen Innenpolitik ein. Die nationalsozialistische Herrschaft danach brachte für das jüngste Bundesland die Auflösung des gesamten Landes, die Zweiteilung und Zuteilung an den Gau Niederdonau und die Steiermark.

Die sieben Jahre lang dauernde Auflösung erschwerte natürlich in den folgenden Jahren die Entstehung eines Burgenlandbewußtseins. Daß die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für das Burgenland als sowjetische Besatzungszone besonders schwierig war, ist eine historische Tatsache. Der sogenannte Hungerwinter des Jahres 1946 konnte in meinem Bundesland nur durch Hilfsaktionen der Alliierten überwunden werden. Normalerweise hätte sich das damalige Agrarland Burgenland in der Krise der unmittelbaren Nachkriegszeit leichter ernähren können als die agrarisch schwächer entwickelten Bundesländer, aber diese waren von direkten Kampfhandlungen, die es im Burgenland leider gegeben hat, verschont geblieben.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau im Burgenland nach dem Zweiten Weltkrieg war schwierig. Das Burgenland blieb ein Aschenbrödel, blieb ein wirtschaftlich vernachlässigtes Bundesland. Nur wenige Gelder aus dem Marshallplan flossen in das Land. Zwar verbesserte sich auch im Burgenland die Versorgungssituation langsam und stetig, der Abstand zu den übrigen Bundesländern wurde aber immer größer.

Im Winter 1954/55 war die Situation wirklich katastrophal. Im gesamtösterreichischen Durchschnitt waren im Feber 11 Prozent der Erwerbstätigen arbeitslos, im Burgenland waren es 42 Prozent. Die vielen burgenländischen Bau- und Wanderarbeiter – für diese Bau- und Wanderarbeiter ist unser Land so bekannt – wurden oft als erste abgebaut. Die burgenländischen Politiker sprachen damals von der Schande der Wanderarbeit. Im Landesbudget des Jahres 1955 wurden erstmals eindeutige Schwerpunkte gesetzt, um mit diesen Problemen fertig zu werden: Straßenneubau, Schulbau und Wohnungsbau wurden forciert, der private Wohnbau kam in Schwung und wurde zu einem wichtigen Motor der burgenländischen Wirtschaft.

Schwierig war nach wie vor die Versorgung mit elektrischem Strom. Das Land hatte keine eigene Elektrizitätsgesellschaft; die NEWAG und die STEWEAG waren auch für das Burgenland zuständig, und das – das muß ich hier eindeutig sagen – wurde von vielen Burgenländerinnen und Burgenländern als unerträglich empfunden. Dazu kam das Problem der Bodenreform. Die großen Besitzungen der Esterhazys, die Esterhazy-Frage, sorgte immer wieder für politische Spannungen.

Von der Ungarnkrise 1956 war das Burgenland natürlich stärker als die anderen Bundesländer betroffen. Die Flüchtlingsströme überschwemmten unser Land, und die Burgenländer leisteten Hilfe.

Die politische Wende erfolgte 1964. Nach einem äußerst turbulenten Wahlkampf ging erstmals in der Zweiten Republik die Mehrheit in einem Bundesland auf eine andere Partei über: Die Sozialisten wurden zur stärksten Partei, Hans Bögl wurde Landeshauptmann. Ein neues Landesbewußtsein entwickelte sich. Mit Landeshauptmann Theodor Kery kam 1966 ein Landeshauptmann an die Spitze des Landes, der das politische Leben dieses Landes wie kein anderer prägte. Dies war ihm möglich, weil er vier Landtagswahlen als SPÖ-Spitzenkandidat mit absoluter Mehrheit gewann.

Eine burgenländische Industrie- und Betriebsansiedlungsgesellschaft wurde gegründet, die Wohnbauförderung wurde ausgebaut, und für Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser eigene Konzepte entwickelt. Ein wichtiger Programmpunkt war die Errichtung der Kulturzentren in jedem Bezirk. Mit den Kulturlandesräten Sinowatz und Mader präsentierte sich das Burgenland als Zentrum moderner Kunst.

Die sechziger und siebziger Jahre waren die Zeit des großen Strukturwandels. Kaum ein Lebensbereich blieb davon unbeeinflußt. In wenigen Jahren wurde aus einer noch sehr stark


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