Bundesrat Stenographisches Protokoll 627. Sitzung / Seite 15

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missar. Für den Fall der Erweiterung haben sich die großen Länder, vor allem Deutschland und Frankreich, in Nordwijk bereit erklärt, auf den zweiten Kommissar zu verzichten, sodaß man quasi in der nächsten Runde oder in den nächsten beiden Erweiterungsrunden Platz für fünf neue Mitglieder hätte.

Es gibt einen zweiten Versuch – am Montag wird das in Luxemburg noch einmal von seiten gewisser Verhandler thematisiert, ich nenne jetzt keine Namen –, das zu junktimieren und zu sagen: Dafür müßt ihr jetzt schon das Recht jedes Mitgliedstaates, einen Kommissar zu stellen, das heute im Vertrag steht, herausnehmen. – Dazu sage ich ganz offen: Das spielen sie nicht! Ich schließe aber nicht aus, daß das noch einmal zur Sprache gebracht werden wird. Der Status quo ist jedoch aus österreichischer Sicht sehr befriedigend: Jedes Land wird gleich behandelt, behält seinen Kommissar, im Fall der Erweiterung verzichten die großen auf den zweiten Kommissar.

Wichtig scheint mir auch zu sein, daß wir die Kommission insgesamt verändern und verbessern wollen. Das, was ich sage, steht außer Streit: Der Präsident wird gestärkt. Er bekommt eine Art Einvernehmensrecht. Die Deutschen nennen das "Benehmen", das hat aber nichts mit gutem oder schlechtem Benehmen zu tun. Der Präsident bekommt jedenfalls eine wesentlich stärkere Position in der Auswahl der Kommissare. Bis jetzt hat er diejenigen zu akzeptieren, die ihm die einzelnen Mitgliedsländer vorschlagen. In Hinkunft muß quasi gemeinsam entschieden werden, was ich für sehr gescheit halte. Denn wenn der zum Beispiel einen Ökologen oder einen Handelspolitiker braucht, dann soll er die Möglichkeit haben, einem Land zu sagen, daß er gerne einen Experten auf diesem Gebiet hätte. Er bekommt also ein stärkeres Einflußnahmerecht.

Weiters werden die gesamte Kommission und zuvor der Präsident vom Europäischen Parlament bestätigt. In Hinkunft wird man sich zuerst auf den Präsidenten einigen, dieser wird dann vom Europäischen Parlament bestätigt und hat eine unendlich starke Position. Denn er hat bereits den Approval und kann danach mit den Ländern verhandeln, wen er in seine Kommission aufnehmen möchte und braucht daher nicht vorher Wahlkapitulationen abgeben. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig und wird die Stellung des Präsidenten deutlich aufwerten.

Außerdem soll die Zahl der Geschäftsbereiche reduziert werden, was aus meiner Sicht nicht daneben ist: Man könnte etwa zehn, zwölf oder fünfzehn Geschäftsbereiche vorsehen, und die anderen Kommissare, die im Kollegium mit Sitz und Stimme aber gleichberechtigt sind, bekommen Sonderaufgaben, zum Beispiel für die Erweiterung, für die WTO-Runde, für die Überwachung der Einhaltung der Sozialstandards, für irgendein Projekt im Nahost-Friedensprozeß oder für ähnliche Projekte. In Anbetracht dessen meine ich, daß diese Neufassung der Kommission letztlich zu einer verbesserten Arbeitsweise führen wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Albrecht Kone#ny: Herr Vizekanzler! Sehen Sie darin – ohne daß das notwendigerweise Vertragsbestandteil werden kann, denn das ist natürlich nicht möglich – eine Tendenz, die zu dem Endergebnis führen könnte, daß die großen und einige der kleinen Mitgliedstaaten zu einer Art, in der Wiener Landesverfassung würde man sagen: amtsführendem Kommissionsmitglied kommen, während die kleineren Staaten, darunter auch Österreich, nur mit Sonderaufgaben betraute, aber de facto nicht amtsführende Kommissare stellen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das würde ich so nicht akzeptieren, das würde ich so aber auch nicht sehen, denn so ist es nicht gemeint. Das haben nicht einmal die großen Länder so vorgeschlagen. Die Franzosen, die den radikalsten Vorschlag gemacht haben, haben zum Beispiel vorgeschlagen, daß es im jeweiligen Geschäftsbereich zehn Kommissare im Rotationsprinzip geben soll, das alle umschließt, große und kleine. Das ist ein sehr radikaler Vorschlag, über den man irgendwann einmal – das sage ich auch ganz offen – vielleicht sogar diskutieren kann und soll, etwa wenn die Union viel weniger intergouvernemental ist, als sie es heute ist, wenn viel mehr Bereiche in Richtung einer


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