Erlauben Sie mir aber noch weitere Hinweise zur Frage der Familienzusammenführung. Wenn im Nationalrat Abgeordnete der Grün-Alternativen vehemente Kritik daran geübt haben, daß der Nachzug quotenpflichtiger Drittstaatsangehöriger neben Ehegatten auf Kinder bis zum 14. Lebensjahr beschränkt worden ist, so gibt es dabei meines Erachtens nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben sie die Ratio dieser wohldurchdachten Regelung nicht verstanden, daß nämlich einem solchen Familienmitglied noch ein Jahr Schulbesuch in Österreich offensteht, um auf diese Weise die Sprache zu erlernen und sich einzugliedern; oder aber – ich muß leider annehmen, daß diese Variante zutrifft – die Grün-Alternativen legen auf eine solche echte Integration gar keinen Wert, weil sie in Wahrheit der Utopie der multikulturellen Gesellschaft verhaftet sind, bei der es ihnen auf die Beherrschung der deutschen Sprache wie die Kenntnis unserer überlieferten Kultur und unserer sozialen Sitten und Gebräuche, kurz: unserer historisch gewachsenen Lebenswelt, ohnehin gar nicht mehr ankommt.
Freilich darf ich mich nicht mit dieser Kritik an solchen Kritikern des vorliegenden Gesetzesvorhabens begnügen, denen dieses immer noch zu wenig weit geht; denn uns geht es im Gegenteil unverändert in vielen Punkten zu weit. Deshalb muß hier einmal grundsätzlich zum viel berufenen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention Stellung genommen werden, der in seiner normativen Tragweite erheblich überschätzt wird, wird doch diese Konventionsbestimmung stets strapaziert, um daraus einen völkerrechtlich verankerten und innerstaatlich verfassungsgesetzlich gewährleisteten, menschenrechtlichen Anspruch auf Familienzusammenführung abzuleiten. Davon kann aber überhaupt nicht die Rede sein. Artikel 8 garantiert jedermann ausschließlich den Anspruch auf die Achtung seines Privat- und seines Familienlebens wie auch seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Allein in der Ausübung dieses Rechtes darf der Staat den einzelnen nicht behindern; und nur vor staatlichen Eingriffen in diese Freiheitssphäre ist das Individuum grundsätzlich geschützt.
Aufgrund des Vorbehalts des Absatzes 2 darf eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme sogar in dieses Recht eingreifen, nämlich dann, wenn die Maßnahme für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Keineswegs verpflichtet aber Artikel 8 die Vertragsstaaten dazu, auch jedem Ausländer, mag er sich auch rechtmäßig auf seinem Gebiet aufhalten, eben hier die Zusammenführung mit seinen im Heimatstaat lebenden Familienangehörigen zu ermöglichen, das heißt, auch diesen ein Zuwanderungsrecht und eine Aufenthaltsgenehmigung im Inland einzuräumen. Das geht weder aus Artikel 8 MRK, nach welcher Interpretationsmethode auch immer, noch aus der Judikatur der Europäischen Kommission für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dieser Bestimmung hervor.
Lediglich zu den durch Artikel 8 gezogenen Grenzen der Abschiebung beziehungsweise der Ausweisung von im Inland befindlichen Familienmitgliedern haben die Straßburger Instanzen mehrfach Stellung bezogen. Wenn sogar Abgeordneter Dr. Khol mitunter anderes behauptet, so macht er damit weder seinem fachlichen Rang als Professor des Verfassungsrechts noch seinem ehemaligen akademischen Lehrer Ehre. Bei diesem, dem allzu früh verstorbenen, berühmten und weltweit angesehenen Rechtsgelehrten, Professor Felix Ermacora, hätte er in dessen Standardwerk über die Menschenrechte alles Nötige nachlesen können. Unter Verweis auf den Fall Abdulaziz, entschieden vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 1985, bestreitet er ein absolutes Recht auf Einreise und Aufenthaltserlaubnis, das sich aus Artikel 8 ableiten ließe. Selbst die Ausweisung eines Familienpartners müsse nach der Judikatur nicht notwendig Artikel 8 Abs. 1 und 2 widersprechen.
Aber zurück zum fremdenpolitischen Grundsatz: Integration geht vor Neuzuwanderung. Ehrlich und realistisch betrachtet läßt er sich nur dann verwirklichen, wenn für die zu integrierenden Ausländer sowohl Arbeitsplätze als auch Wohnungen in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen. Gegenwärtig trifft eben das jedoch nicht einmal für die bereits rechtmäßig in Österreich ansässigen Ausländer zu, geschweige denn für ihre zum Nachzug berechtigten Familienangehörigen. Zumindest in Wien besteht infolge der intensiven und unkontrollierten Zuwanderung in
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