Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 158

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deswegen allerdings zu glauben, daß Österreich europa- und weltweit eine gentechnikfreie Insel bleiben kann, ist sicherlich eine Illusion. Daher ist auch die im Volksbegehren geforderte gentechnikfreie Zone Österreich allein schon aufgrund der EU-Bestimmungen weder durchsetzbar noch realisierbar. Die Außenhandelsverflechtungen im Agrarbereich sind zu groß, sodaß unseren Bauern nicht zugemutet werden kann, Garantien für die Gentechnikfreiheit abzugeben, vor allem auch deswegen nicht, weil dies auch ihre Vorlieferanten nicht tun und weil außerdem derzeit nicht genügend Ware, die gentechnisch frei ist, angeboten wird, und wenn, dann zu stark überhöhten Preisen.

Es ist daher eine weitere Zumutung, von unseren Bauern zu verlangen, Genfreiheit zu garantieren, dadurch Produktionsnachteile in Kauf zu nehmen, aber alles zum selben Preis anzubieten! Als Beispiel dafür, wenn es auch nicht unbedingt das beste ist, mögen die Kartoffelbauern im Waldviertel stehen: Diesen Bauern wäre es durchaus möglich, gentechnisch veränderte Erdäpfel anzubauen, die wesentlich mehr Stärke beinhalten. Und wenn man weiß, daß diese Erdäpfel ausschließlich für industrielle Zwecke angebaut werden, also zum Beispiel für die Erzeugung von Klebstoffen, dann dürfte es eigentlich keine Produktionseinschränkungen geben, da diese Erdäpfel nicht in die Nahrungsmittelkette kommen. Bauen die Bauern diese aber nicht an, dann decken sich die Produzenten und Abnehmer aus anderen Gebieten ein. Die Bauern im Waldviertel verlieren somit ihre Existenz, und was das für diesen ohnedies nicht mit Arbeitsplätzen gesegneten Raum und für die ländlichen Gebiete dort bedeutet, kann sich jeder ausrechnen!

Grundsätzlich bewirtschaften unsere Landwirte – das möchte ich betonen – ihren Grund und Boden verantwortungsbewußt und unter Beachtung ökologischer Grundsätze. Sie produzieren gesunde Lebensmittel. Sie brauchen an und für sich die Gentechnik gar nicht. Man muß ihnen aber Chancengleichheit mit anderen EU-Staaten in der Produktion zugestehen. Viele Konsumenten, die in Österreich nach den strengsten Lebensmittel- und Hygienebestimmungen rufen, haben jedoch auf der anderen Seite weniger Bedenken, sich in Tschechien mit unkontrollierten, aber dafür billigen Lebensmitteln einzudecken oder bedenkenlos in den Urlaubsländern eine mit genmanipulierten Tomaten bedeckte Pizza zu verzehren!

Meine Damen und Herren! Man könnte natürlich jetzt stundenlang – aber dazu fehlt die Zeit! – über die Vor- und Nachteile dieser Gentechnik referieren und diskutieren. Dabei ist wirklich interessant, daß sich die Diskussion hauptsächlich im Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittel bewegt. Der Einsatz der Gentechnologie im Bereich der Medizin, zum Beispiel in der Krebsforschung, findet nämlich durchaus breite Akzeptanz, und zwar zu 80 Prozent, wenn man vom Menschen-Klonen, dieser Horrorvision, einmal absieht. 90 Prozent der Österreicher lehnen hingegen die Anwendung der Gentechnik bei den Nahrungsmitteln ab. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist etwas anderes!) Herr Kollege! Die Gentechnik hat in diesen Bereich, allerdings ohne daß man es wußte, schon längst ihren Einzug gehalten. Sie wissen genau, daß Vitamine gentechnisch erzeugt werden, Sie wissen, daß Fermente gentechnisch erzeugt werden, Lab für die Käseerzeugung, Zitronensäure, Hefe, Haltbarmacher und so weiter: Überall ist gentechnisch Verändertes in den Lebensmitteln enthalten, nur ist es zuwenig bewußt!

Warum wird dann eigentlich so viel über die Gentechnik in der Landwirtschaft diskutiert? Welche Chancen, aber auch welche Risken sind damit verbunden? – Nun, seit der Mensch seßhaft ist und Landwirtschaft betreibt, praktiziert er auch die pflanzliche Züchtung. Kollege Kraml ist darauf bereits eingegangen. Unsere heutigen Kulturpflanzen sind durch Kreuzungs- und Hybridtechnik entstanden. Die oft viele Jahre dauernden Kreuzungsversuche werden mit Hilfe der Gentechnik auf nur wochenlange Laborversuche gekürzt. Gleichzeitig versucht man, Pflanzen durch Einbau von Genen gegen Schädlinge aller Art resistent zu machen. Dem Landwirt wird die Schädlingsbekämpfung dadurch erleichtert. Skeptiker sprechen allerdings davon, daß einerseits gesundheitliche Gefahren für den Menschen als Folge des Eingriffs in den Stoffwechsel der Pflanzen nicht ausgeschlossen werden können, zum Beispiel kommt es zum Unwirksamwerden von Antibiotika. Andererseits wird davon gesprochen, daß innerhalb kürzester Zeit Insekten und andere Schädlinge resistent gegenüber den genmanipulierten Pflanzen werden könnten und damit wieder vermehrter Herbizideinsatz notwendig wird.


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