Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 200

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

12.42

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Gebiet der Rechtspolitik scheidet die Geister so sehr wie gerade die Strafrechtspolitik. Das wird auch bei der Debatte über das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 wieder einmal sehr deutlich.

Man sieht, von welchen Werthaltungen und von welchen Werten von den politischen Trägern ausgegangen wird. Dabei kann man, vereinfacht gesagt – vor allem, wenn man das Protokoll der Nationalratsdebatte zum Strafrechtsänderungsgesetz studiert hat –, zwei Gruppen von Werten und Haltungen unterscheiden.

Da ist einmal die Ideologie jener, die die sogenannte Selbstverwirklichung, die ja so viel in unseren Zeitungen und Zeitschriften herumgeistert, als menschliches Grundideal vor Augen haben. Es mögen dieser Ideologie die Ideen Platos oder die Entelechie von Aristoteles zugrunde liegen: Ziel des Menschen ist es danach, ganz einfach gesagt, unbehindert von Normen der Sitte und der Ethik sozusagen frei der Vewirklichung seiner selbst entgegenzueilen.

Eine solche Sicht des Menschen hält ein Sexualstrafrecht für mehr oder minder verzichtbar, soweit den Mitmenschen nicht geradezu Gewalt angetan wird. Liebe ungestraft ausleben zu dürfen – das war ein Satz, der sich als gängige Formel in den Protokollen des Nationalrates zu diesem Tagesordnungspunkt findet. Eine solche sogenannte liberale Sicht hält aber auch etwa im Bereich des Wirtschaftsrechtes, das in diesem Strafrechtsänderungsgesetz ebenfalls einige bedeutsame Änderungen erfährt, strafrechtliche Bestimmungen etwa gegen den Förderungsmißbrauch oder strafrechtliche Bestimmungen gegen die fahrlässige Krida für entbehrlich.

Den Selbstverwirklichern stehen jene Ideologen gegenüber, die Werte wie Familie, Ehe, Treue, Bewahrung der Jugend hochhalten, selber leben und versuchen, diese Werte gegen Störer und Zerstörer zu verteidigen. Man muß sich dabei der Tatsache bewußt sein, daß die Rechtsordnung durch den Strafrichter dazu nur in sehr eingeschränktem Maße imstande ist. Das Strafrecht ist sozusagen der Rahmen, der das Erträgliche absteckt und das Unerträgliche inkriminiert. Was hiebei tolerierbar erscheint, ist oft mehr, als wir wahrhaben wollen, vom Zeitgeist mitgeprägt.

Vorkommnisse der letzten Zeit haben gezeigt, daß immer mehr Kinder das Opfer sexueller Angriffe sind, wobei sehr oft auch geschäftliche Interessen mit im Spiel sind. Die neugeschaffenen Bestimmungen des § 206 und des § 207 des Strafgesetzbuches errichten einen Damm, der dem sexuellen Mißbrauch von Kindern sehr wohl und mehr als bisher zu begegnen weiß, wie insbesondere Bundesrat Michael Strugl heute schon ausgeführt hat. Der Vorschlag, die Strafen noch höher zu setzen und zum Beispiel beim Mißbrauch mit Todesfolge dieselbe Strafe wie bei Mord, nämlich "Lebenslänglich" festzulegen, verkennt den Wirkungsbereich und die Möglichkeiten der Strafe.

Ich empfehle jedermann, einmal ein Gespräch mit Justizwachebeamten zu diesem Thema zu führen. Der Gedanke der Sühne verflüchtigt sich nämlich nach einer bestimmten Zeit. Bei Aussichtslosigkeit, weil eine nicht endenwollende Strafe in Aussicht steht, ist die Chance der Besserung praktisch nicht mehr gegeben, und bei Triebtätern ist sehr fraglich, ob die abschreckende Wirkung gegeben ist.

Es ist vielmehr die Möglichkeit ins Auge zu fassen, verhaltensgestörte Triebtäter ein Leben lang im Auge zu behalten und Wiederholungstäter auszuschließen, womit sich ja eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz beschäftigt.

Vornehmste Aufgabe des Staates ist es, Demokratie vor Korruption zu bewahren. Gerade der Beitritt zur EU und die Globalisierung der Wirtschaft überhaupt machen es notwendig, der Korruption auch auf europäischer und internationaler Ebene zu begegnen. – Sie gestatten, daß ich auch einige Wort zum Nicht-Sexualstrafrecht sage.

Das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 leistet dazu seinen Beitrag, indem es etwa den Förderungsmißbrauch kriminalisiert und die Straftatbestände der Geschenkannahme, der Beste


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite