Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 250

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Umso drängender erhebt sich aber dann die neuralgische Frage, welche Anforderungen an die Möglichkeit und an die Bereitschaft zur Integration von Ausländern konkret zu stellen sind. Das gilt vor allem dann, wenn es um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft geht; denn diese – das wurde schon gesagt – kann und soll ja nicht in inflationärer Art und Dimension erfolgen. Wäre dies doch sonst das falsche Signal, nämlich daß wir uns als echtes Einwanderungsland verstehen, was wir nicht sind und auch nicht werden wollen! Vielmehr muß daher die Staatsbürgerschaft gerade dann, wenn sie sich nicht aus der natürlichen Generationenfolge innerhalb der autochthonen Bevölkerung, das heißt des Mehrheitsvolkes und der traditionellen Minderheiten, ergibt, von einem zureichenden Ausmaß an Identifikation mit Österreich, seinem Gemeinwesen und seiner Kultur abhängig gemacht werden.

Welches Merkmal eignet sich aber mehr zur Beurteilung einer solchen Identifikation als die angemessene Beherrschung der Landessprache? – Lehnt man zu Recht die primäre Anknüpfung an die ethnische Herkunft oder gar an das religiöse Bekenntnis ab, so bietet sich eben allein die Einbindung in die Sprachgemeinschaft als sozio-kulturelles Kriterium der Identifikation mit der Staatsnation an. Darin folgen wir vornehmlich dem Vorbild Frankreichs und der USA! Insofern liegt es nahe und ist es auch der durchaus richtige Ansatz, daß die vorliegende Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache vorsieht.

Die Novelle beschreitet diesen Weg allerdings nicht konsequent genug – und daran üben wir Kritik; denn das erwähnte Erfordernis ist in mehrfacher Hinsicht allzu vage und unbestimmt geblieben. Weder ist damit näher umschrieben, was unter "entsprechenden Kenntnissen" zu verstehen ist, noch ist geklärt, wer die gebotene Beherrschung der deutschen Sprache zu überprüfen hat beziehungsweise auf welche Weise dies geschehen soll: durch ein informatives Gespräch, durch einen schriftlichen Sprachtest oder wie auch sonst. Jedenfalls bringt der neugeschaffene § 10a implizit zum Ausdruck, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft erst den Schlußpunkt einer erfolgreichen sozialen und kulturellen Integration in Österreich darstellen soll.

Nochmals ist zu betonen, daß das wesentliche Indiz dafür die Kenntnis der deutschen Sprache bilden muß – das durchaus nicht perfekt und auch nicht akzentfrei! Ich persönlich höre – um nur ein Beispiel zu nennen – den ungarischen Akzent überaus gerne. Wenn aber das heute zu beschließende Gesetz in bezug darauf abschwächend und relativierend auf die Lebensumstände des Betroffenen abstellt, ist dies zu unbestimmt und eröffnet der Behörde allzu weiten Beurteilungsspielraum. Dieses Ermessen ist nicht nur vom rechtsstaatlichen Standpunkt her fragwürdig, sondern gefährdet sowohl die Rechtssicherheit – auch für die Betroffenen – als auch eine wünschenswerte bundeseinheitliche Praxis. Das kritisieren wir Freiheitliche ebenso wie die beiden anderen im Nationalrat vertretenen Oppositionsparteien. Diesen freilich ist das Gesetz zu restriktiv, während es unserer Auffassung nach hingegen zu lax und dehnbar formuliert ist.

Meine Fraktion nimmt das im Gesetz angelegte Konzept, daß sich die Einbürgerung nicht als politisches Steuerungsinstrument, sondern als die letzte Stufe der Integration versteht, sehr ernst. Da dieser Verleihungsakt den Ausländer zum österreichischen Staatsbürger und damit zum Träger aller – insbesondere auch der politischen – Rechte und Pflichten eines Inländers macht, sollte er nicht bloß als rein administrative Routineübung oder gar als bloß gutgemeinter Akt der Billigkeit und Humanität betrachtet werden. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft wäre vielmehr bezüglich der kommunikativen Kompetenz in der Staatssprache von einer entsprechenden Überprüfung durch die Behörde abhängig zu machen. Auch die Wohnverhältnisse und die Möglichkeit der familiären Zusammenführung hätten einen Faktor der Beurteilung für eine gelungene Integration zu bilden.

Darüber hinaus müßte die soziale Einbindung einbürgerungswilliger Ausländer auch in ausreichender Akzeptanz der angestammten Bevölkerung zum Ausdruck kommen. Darin sehe ich durchaus keine illiberale Anforderung. So vertritt etwa Michael Walzer, ein höchst renommierter US-amerikanischer Gesellschaftstheoretiker und Politikwissenschaftler, dezidiert die Ansicht, daß über das Ob und das Wie jeder Einwanderung und umso mehr der Einbürgerung von Ausländern die einheimische Bevölkerung zu befinden habe. Die gleiche Einstellung liegt bekanntermaßen der Aufnahme Fremder in die Schweizer Landgemeinden zugrunde.


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