Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 57

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich erteile ihm das Wort.

12.22

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Seit der Volksabstimmung in Österreich über die Inbetriebnahme von Zwentendorf und dem damit verbundenen Beschluß des Atomsperrgesetzes wird in unserem Land der Einsatz der Atomkraft abgelehnt. Seit diesem Beschluß verfolgt Österreich eine sehr konsequente Antiatompolitik mit dem Ziel, ein kernenergiefreies Mitteleuropa zu erreichen. Die Antiatomkraftwerkspolitik der österreichischen Regierung hat innerhalb der Europäischen Union Einfluß auf die Haltung zur Atomkraft im allgemeinen, aber im speziellen auch bei der Gestaltung verschiedenster Programme im Bereich der Energieversorgung, ausgeübt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß im fünften Rahmenprogramm der Europäischen Union eindeutige Erfolge dadurch erzielt werden konnten, daß die Mittel, die für die Erforschung der Atomkraft zur Verfügung gestellt wurden, reduziert und innerhalb des Budgets zugunsten von Sicherheitsstandards umstrukturiert wurden. Ein anderer großer Teil dieses Budgets steht für die Erforschung und den Ausbau erneuerbarer Energieformen zur Verfügung. Kollege Rodek hat bereits auf einige sehr wichtige Technologien hingewiesen, die auch mit diesen Finanzmitteln von seiten der EU gefördert werden.

Kernenergie ist eine risikoreiche und deshalb auch sehr teure Technologie. Nur vordergründig ist Atomstrom verglichen zu anderen Energieformen im liberalisierten Strommarkt Europas kostengünstiger. Dies ist deshalb so, weil die Folgekosten, wie zum Beispiel die Kosten der Entsorgung oder auch die Sicherheits- und Haftungsfragen, sehr oft von den Betreibern an die öffentliche Hand delegiert werden. Deshalb ist das vorliegende Gesetz auch ein Beitrag dazu, die Kostenwahrheit in der Energieerzeugung herzustellen, und damit verbunden auch ein großer Vorteil, wie ich meine, für unser Land, das in besonderer Weise sehr umweltfreundliche Formen fördert.

Die zentrale Bestimmung des neuen Atomhaftungsrechts ist die uneingeschränkte, strikte Gefährdungshaftung. Dies bedeutet, daß es im Haftungsrecht für Anlagen nach oben kein Haftungslimit, wie es jetzt bestanden hat und es auch in den internationalen Haftungsübereinkommen weiterhin Gültigkeit hat, mehr gibt. Das jetzige Gesetz sieht für die Haftung eine betragsmäßig unbeschränkte Haftungsregulierung mit einer Mindestdeckungssumme in der Höhe von 5,6 Milliarden Schilling für Betreiber von Atomkraftwerken vor.

Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit von nuklearem Material, insbesondere dessen Aufbereitung, Transport und Nutzung für Forschung und medizinische Zwecke, wurde die Haftung sehr weit normiert. Dies geht noch weiter, als es in den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist. Neben dem Verschuldensprinzip und den Schadensersatzgrundsätzen des ABGB werden für Geschädigte von Kernkraftwerken im Atomhaftpflichtgesetz Beweiserleichterungen vorgesehen, die es den Geschädigten ermöglichen, den Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der Verursacherquelle darzustellen.

Wie im Gen-Haftpflichtgesetz werden auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf die Umweltschäden mitberücksichtigt. Das ist ein Thema, das wir auch bereits im Justizausschuß behandelt und besprochen haben. Bei beiden Technologien sind die Auswirkungen gegenwärtig nicht völlig abschätzbar. Deshalb sind gesonderte Haftpflichtgesetze sinnvoll und notwendig. Außerdem gibt es in diesem neuen Gesetz eine strikte Gefährdungshaftung, das heißt, es gibt eine Haftung auch im Falle höherer Gewalt. Es haftet dabei derjenige, der eine derartige Gefahrenquelle aufbaut oder verursacht, letztlich auch für all jene Konsequenzen, die durch diese Gefährdungsquelle entstehen können – auch im Falle höherer Gewalt, wie beispielsweise Katastrophenfälle.

Ein weiterer maßgeblicher Schritt besteht darin, daß es in Zukunft auch möglich sein wird, bei Schäden, die von einem Atomkraftwerk außerhalb Österreichs ausgehen, die aber in Österreich


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