Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 61

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losem Gut hier nicht zum Zuge kommen. Am Erwerb von solchem Eigentum im Bewußtsein seiner Provenienz und im Wissen um die Umstände seiner Entziehung hätte der Bund nach meiner persönlichen Überzeugung niemals interessiert sein dürfen.

§ 2 Abs. 1 Z 2 ermächtigt daher die zuständigen Bundesministerien dazu, jene Kunstgegenstände, die nicht mehr restituiert werden können, an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zu übereignen. Dieser hat dann die ihm übertragenen Objekte zu verwerten und den Erlös für die angesprochenen Opfer zu verwenden. Eben deshalb ist auch die weitere Vorlage betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus durchaus zu begrüßen.

Problematischer ist meines Erachtens die für die zweite Kategorie gefundene Lösung. Denn bei ihr handelt es sich um durchaus möglicherweise rechtmäßig in das Eigentum des Bundes gelangte Wertobjekte, die freilich zuvor Gegenstand eines Rechtsgeschäftes oder eines nichtigen Rechtsaktes während der deutschen Besetzung Österreichs waren, das beziehungsweise der nach dem Bundesgesetz vom 15. Mai 1946 über die Nichtigerklärung dieser Rechtshandlungen unwirksam ist.

Im Klartext heißt das: Es sollen demnach auch solche Kunstgegenstände restituiert werden, die Museumsdirektoren in der Nachkriegszeit am Kunstmarkt von dazu befugten Händlern – sei es auch im guten Glauben – erworben haben. Ich halte, um Mißverständnissen vorzubeugen, fest: also auch aufgrund solcher rechtmäßiger Erwerbsakte, die keinen Fall eines bedenklichen Ankaufs darstellten. Daß sich dann zu einem späteren Zeitpunkt Zweifel an der Unbedenklichkeit der Herkunft ergeben haben, was an der Gutgläubigkeit zum Erwerbszeitpunkt nichts mehr zu ändern vermag, soll durch dieses Sondergesetz jetzt dennoch nachträglich releviert werden können.

Wie immer man über eine solche Ausgangslage denken mag, läuft die erörterte Regelung unverkennbar auf einen rückwirkenden Eingriff in gültig erworbenes Eigentumsrecht hinaus. Selbst unter der rechtspolitischen Voraussetzung, daß dieses Ergebnis dennoch angestrebt wird, ist dabei offenkundig übersehen worden, daß es als Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht, das auch juristischen Personen zusteht, meines Erachtens einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedurft hätte.

Aber davon einmal abgesehen: Eine in der Sache saubere Lösung hätte anders ausgesehen. Sie hätte wohl danach zu differenzieren, ob der ursprüngliche Ankauf durch die Museumsdirektoren tatsächlich unbedenklich war oder nicht. Gerade nach den jüngsten Ergebnissen der sogenannten Provenienzforschung war die Redlichkeit der Akquirierung zweifellos nicht der anzunehmende und sich von selbst verstehende Regelfall – bedauerlicherweise. Freilich erlauben selbst diese zeitgeschichtlichen Recherchen noch keineswegs den generellen Mißtrauensvorschuß, daß für alle diese Erwerbsakte der gute Glaube von vornherein gefehlt hat. Allein eine solche pauschale Annahme könnte indes die mit dem vorliegenden Gesetz vorgesehene, generell mögliche rückwirkende Aufhebung des Eigentumsrechtes rechtfertigen.

Gewiß wirft die Frage nach der damaligen Gutgläubigkeit nach mehreren Jahrzehnten schwerwiegende Beweisprobleme auf. Sie hätten sich aber jenseits der Frage, welche Vertragspartei im Falle des Rechtserwerbes gemäß § 367 ABGB beziehungsweise § 366 HGB die Beweislast für das Vorliegen oder den Mangel des guten Glaubens trifft, durchaus mittels einer widerlegbaren Beweisvermutung zugunsten des ursprünglichen Eigentümers beheben lassen.

Besonders heikle Fragen wirft zuletzt die erste Kategorie von Kunstgegenständen auf. Sie waren durchaus Gegenstand von Rückstellungen an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger, sind dann aber nach dem 8. Mai 1945 einem Verfahren gemäß dem Bundesgesetz über das Verbot der Ausfuhr von Gegenständen von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung von 1918 unterzogen worden und aufgrund eines im Zuge dieses Verfahrens abgeschlossenen Vergleiches unentgeltlich in das Eigentum des Bundes übergegangen.

Dazu eine kurze Vorbemerkung: Das erwähnte Gesetz ist bereits 1918 erlassen worden, um einem Ausverkauf des Kulturgutes der neugegründeten Republik Österreich vorzubeugen, den


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