Bundesrat Stenographisches Protokoll 651. Sitzung / Seite 77

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so wie jeder andere Betrieb auch – auch der Betrieb Gericht eine gewisse optimale Größe haben muß, die nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein darf.

Damit komme ich jetzt zu Ihrer, Herr Bundesrat, zusätzlichen Anmerkung. Wir haben uns das hinsichtlich der Bezirksgerichtsstruktur in Österreich sehr ausführlich überlegt – immer wieder, muß ich sagen – und sind felsenfest davon überzeugt, daß hinsichtlich der derzeitigen Bezirksgerichtsstruktur, wie sie in einzelnen wenigen Bundesländern gegeben ist – nämlich überall dort, wo in den letzten Jahrzehnten an der Bezirksgerichtsstruktur der Mitte des vorigen Jahrhunderts nichts geändert wurde –, Änderungsbedarf besteht.

Bezirksgerichte müssen eine gewisse Mindestgröße haben. Der Rechnungshof sagt, mindestens drei bis fünf Richter samt Anhang, wir legen die Latte bedeutend niedriger und meinen: Es ist keine funktionierende Einheit mehr im Sinne größtmöglicher Effektivität für den Bürger, wenn ein Gericht nicht einmal die Arbeitskraft eines ganzen Richters auslastet, was zur Folge hat, daß dieser Richter ein paar Tage bei dem einen Gericht, ein paar Tage bei dem anderen Gericht tätig ist, denn – was es auch lange Zeit gegeben hat –, daß ein Richter nur für zwei Tage zu tun hat, aber fünf Tage am Gericht sitzt und daher drei Tage nichts tut, das ist Gott sei Dank langsam ausgestorben.

Wir meinen, daß das nicht nur im Interesse einer sparsamen und wirtschaftlichen Ressortführung gelegen ist – das auch! –, sondern für uns steht im Vordergrund, daß es im Interesse der Bürger ist, eine Einrichtung vor sich zu haben, die es wert ist, als funktionierendes Bezirksgericht bezeichnet zu werden, weil dort wenigstens die ganze Woche hindurch ein "ganzer" Richter anwesend ist, das heißt, der Anfall dieses Gerichtes so groß ist, daß ein Richter ausgelastet ist.

Nun kann man fragen, wie man das erreichen kann. Das kann man erreichen, indem man den Bezirksgerichten mehr Kompetenzen gibt. Ich habe schon mehrmals ausgeführt, daß wir in den letzten Jahren eine Zuständigkeitsverlagerung von der Gerichtshofebene auf die Bezirksgerichtsebene sowohl im zivilrechtlichen als auch im strafrechtlichen Bereich in einem Ausmaß durchgeführt haben, das durchaus auch kritisiert wurde. Im strafrechtlichen Bereich ist man der Meinung, daß wir schon sehr weit gegangen sind und in den Bezirksgerichten schon Sachen angesiedelt sind, die vielleicht besser doch in den Gerichtshof gehörten. Jedenfalls ist einer weiteren Verlagerung ein Riegel vorgeschoben, denn es wäre unmöglich, dort Dinge zu verhandeln, für die auch Untersuchungshaft zu verhängen ist. Wir haben kein Bezirksgericht mit Gefängnis mehr. Die weitere Verlagerung von Kompetenzen im Strafbereich verbietet sich also auch aus diesem Grunde.

Im zivilrechtlichen Bereich haben wir die Wertzuständigkeit zuletzt auf 130 000 S hinunterverlagert. Die Sachzuständigkeit haben wir schon vor längerer Zeit, vor allem durch die Aufteilung der gesamten familienrechtlichen Rechtsprechung an die Bezirksgerichte, in einem Maße geändert, daß ich tatsächlich keine Möglichkeit mehr sehe – außer eine weitere schrittweise Hinaufsetzung der Wertgrenzen und damit Hinunternahme von Prozessen; aber das hat auch seine Grenzen –, daß wir von der Kompetenzlage her größere untere Eingangseinheiten schaffen.

Wenn ich aber durch Kompetenzzuweisungen die Einheit nicht auf eine wenigstens vertretbar kleine Größe vergrößern kann, dann bleibt mir nur übrig, mit Augenmaß und unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Gewährleistung von Begleitmaßnahmen, die für die Bürger dieses Bereiches den Verlust nicht zu schmerzhaft machen, eine Zusammenlegung ins Auge zu fassen – eine Zusammenlegung, wie sie in einer Reihe von Bundesländern vor längerem oder vor kürzerem stattgefunden hat, vor allem in Niederösterreich, wo Ihnen jeder Spitzenpolitiker, jeder mittlere Politiker und auch jeder betroffene Bürgermeister heute ungefragt sagen wird: Die Zusammenlegung hat letzten Endes weder politisch noch von seiten des Servicecharakters zugunsten der Bevölkerung irgendeine negative Auswirkung gehabt. Die Justiz hat die Versprechungen erfüllt, die sie hinsichtlich der Begleitmaßnahmen abgegeben hat, die Notariate sind vor Ort geblieben, die periodischen Gerichtstage finden nunmehr exakt an den der Bevölkerung von vornherein bekanntgegebenen Tagen statt. Es ist also nicht so, daß der Mensch kommt und nicht weiß, ist der Richter heute da, ist er beim anderen Gericht, oder wie erreiche ich ihn. Es


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