Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 26

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Präsident Gottfried Jaud: Bitte, stellen Sie die Frage.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (fortsetzend): Ja, ich frage gerade. Ich habe so angefangen: Glauben Sie ...

Präsident Gottfried Jaud: Bitte eine kurze Frage!

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (fortsetzend): Ich habe gesagt: glauben Sie.

Wenn Ihre Fraktion für einen NATO-Beitritt ist, glauben Sie, daß diese Zweigleisigkeiten nicht eher die Glaubwürdigkeit, Paktfähigkeit und Verläßlichkeit Österreichs in der Sicherheitspolitik aufs Spiel setzen als zur Lösung solcher Konflikte wie jetzt im Kosovo beizutragen?

Präsident Gottfried Jaud: Haben Sie die Frage in etwa verstanden? (Heiterkeit.) Wenn Sie unsicher sind, Herr Bundesminister, dann brauchen Sie nicht zu antworten.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Ich werde es versuchen.

Ich glaube, daß wir mit der Linie, die ich beim Allgemeinen Rat in Brüssel eingenommen habe und die wir gemeinsam, Klima und ich, beim Europäischen Rat in Berlin eingenommen haben, solidarisch, mit einer Stimme sprechend die NATO-Airstrikes als gerechtfertigt und als notwendig einzustufen, richtig gelegen sind. Man kann sich in dieser Situation, wenn man eine gemeinsame Außenpolitik der Union will, nicht abseits stellen und vergessen, was eigentlich alles geschehen ist.

Vor zwölf Jahren, genau zu diesem Zeitpunkt, hat eigentlich die ganze Krise noch im ehemaligen Jugoslawien begonnen. Damals ist der blutjunge serbische Parteiführer Slobodan Milošević mit einem Coup d’Etat innerhalb der serbischen Partei an die Macht gekommen. Es ist ganz interessant, sich daran zu erinnern, wie das geschah, nämlich über das Ausspielen der Kosovo-Karte, über das Schüren von Nationalismus. Zum ersten Mal sind die nationalistischsten Ressentiments geschürt worden. Dann kam es zwei Jahre später, 1989, bei diesem Jubiläum 600 Jahre Schlacht am Amselfeld zu der historischen Rede von Slobodan Milošević, der vor Hunderttausenden – ich glaube, es waren eine Million Serben, die bewußt dorthin gebracht worden sind – gesprochen hat.

Ich habe damals übrigens als kleiner Tourist die serbisch-orthodoxen Klöster besucht und habe mit Erstaunen und Entsetzen gesehen, wie jedes Wochenende Hunderttausende in Kragujevac und sonstwo aufmarschiert sind und ihre Parolen gedroschen haben. Diese Atmosphäre war unglaublich. Das ist ganz bewußt zwölf Jahre lang geschürt worden, und es ist daher völlig absurd, zu glauben, man könne aus der Geschichte nicht lernen. Es war daher richtig und notwendig, das auszusprechen.

Das heißt jetzt in keiner Weise, daß man deswegen morgen der NATO beitreten muß, das hat mit dieser Frage gar nichts zu tun. Ich möchte das auch bewußt auseinanderhalten. Die solidarische Benennung von Menschenrechtsverletzungen, von Vertreibungen, von ethnischen Säuberungen und die Notwendigkeit, als letztes Mittel zur Wahrung der Menschenrechte und zur Verhinderung von humanitären Katastrophen auch Gewalt einzusetzen, finde ich richtig und notwendig, und das hat auch Viktor Klima in Berlin bestätigt.

Das sollte man, so finde ich, nicht zusammenmischen mit einer kleinkarierten innerösterreichischen Debatte: Sollen wir oder sollen wir nicht? Diese Diskussion ist zu führen. Sie wird nicht direkt laufen, denn der Erste Erweiterungszug ist abgefahren, sondern sie wird über den quasi anderen Einstieg einer europäischen Sicherheitsordnung erfolgen.

Ich würde diese Gemeinsamkeit, daß man Vertreibungen Ende dieses Jahrhunderts als etwas Unzumutbares bezeichnet, gerne beibehalten. Sie werden daher von mir jetzt kein kritisches


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