Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 48

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Aufgrund der Verfassungsnovelle von 1997 hatten die Volksanwälte schon bisher die Möglichkeit, das Wort im Bundesrat zu ergreifen. Von heute an wird diese Verfassungsbestimmung in der Geschäftsordnung des Bundesrates Berücksichtigung finden.

Der Bundesrat will aber mit der Volksanwaltschaft in eine engere Zusammenarbeit eintreten. Die Volksanwaltschaft ist in die Begutachtung der Bundesgesetzgebung eingebunden. Durch die ständige Behandlung von Beschwerden aus der Bevölkerung ist die Volksanwaltschaft für Unzulänglichkeiten in der Gesetzgebung besonders sensibilisiert. Damit hat die Volksanwaltschaft selbstverständlich auch eine besondere inhaltliche Kompetenz zur Beurteilung von Bundesgesetzen.

Über die Geschäftsordnungsänderung hinaus soll den Volksanwälten in Hinkunft die Möglichkeit eröffnet werden, auch in den Ausschüssen entweder selbst oder über ihre Beamten ihre Meinung zu äußern.

In der Präsidialkonferenz haben alle Fraktionen darin übereingestimmt, daß von den Ausschüssen ein Beschluß auf Beiziehung von Volksanwälten als Auskunftspersonen ad hoc beschlossen wird, wenn von der Volksanwaltschaft die Teilnahme gewünscht wird.

Wir im Bundesrat erwarten uns durch eine engere Verbindung mit der Volksanwaltschaft eine Belebung der Kontrolle des Bundesrates über Bundesgesetze. Davon erwarten wir uns eine Stärkung der Volksanwaltschaft und natürlich auch eine Stärkung des Bundesrates.

Letztlich dient selbstverständlich alles dem gemeinsamen Bemühen um die Interessen der Bürger. Die sehr effizienten und komplizierten Gesetze in Österreich werden immer wieder kritisiert. Sie sollen daher lesbarer, überschaubarer und damit auch durchschaubarer, mit einem Wort: verständlicher werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute nur eine sogenannte kleine Geschäftsordnungsnovelle. Wir wissen aber, daß die Fragen des Stellungnahmerechtes des Bundesrates, jedoch auch die Fragen der Erledigung von Anträgen bereits jahrelang zurückliegen und längst unaktuell geworden sind, daß sie offen sind und daß Bemühungen für eine Realisierung im Gange sind.

Ein ganz besonders großer Brocken, nämlich die Bundesstaatsreform, steht uns noch bevor. Es hat jedoch den Anschein, als würde die Bundesstaatsreform nun endgültig ad acta gelegt. Nach langen Jahren der Diskussion mit hohem Zeit- und Geldaufwand steht für mich fest, daß der in der Vergangenheit beschrittene Weg zu keinem Ergebnis führt, vielleicht auch zu keinem Ergebnis führen kann. Daß aber der Föderalismus in Österreich einer dringenden Reform bedarf, steht eigentlich für alle außer Zweifel. Nur "wie nehmen wir ihn denn"? – Das weiß offenbar noch niemand.

Ich wende mich deshalb an alle drei im Bundesrat vertretenen Fraktionen mit der Einladung, eine dringend notwendige Bundesstaatsreform in Angriff zu nehmen. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Nicht alles auf einmal, sondern Punkt für Punkt mit Gesetzesanträgen die Bundesstaatsreform verwirklichen! Es gibt genügend Ideen und Vorschläge, wie eine Bundesstaatsreform letztlich aussehen soll. Diese Vorschläge sollten vom Bundesrat überprüft, mit wissenschaftlicher Unterstützung des Föderalismusinstituts untermauert und dann verwirklicht werden.

Ich weiß, das klingt kühn, meine Damen und Herren! Es ist für uns Bundesräte eigentlich völlig neu und ungewohnt, daß wir nicht nur das, was der Nationalrat beschließt, kontrollieren und nachvollziehen, sondern eigene Aktivitäten entwickeln.

Andere Staaten wie Italien versuchen, ihre Staatsordnung nach föderalen Grundsätzen umzustellen. Manche dort beneiden Österreich – wie wir anläßlich eines Besuches des Bundesratspräsidiums mit den Tiroler Bundesräten im Trentino erfahren konnten – um die Einrichtung des Bundesrates. Sie sagten zu uns: Ihr seid uns hier weit voraus! Wir haben noch den Senat, eine – wie uns berichtet wurde – eher ineffiziente Einrichtung. – Im Trentino sagten sie uns


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