Bundesrat Stenographisches Protokoll 658. Sitzung / Seite 49

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dass während unserer Vorsitzführung eine umfangreiche Zahl von Veranstaltungen mit den dazu notwendigen Vorbereitungen stattgefunden hat. Diese Vorbereitungen inkludieren alle relevanten Gremien: die Regierungschefs, den Rat der Außenminister, die gesamten Ministerräte, COREPER I und II, die verschiedensten Fachausschüsse bis hin zur COSAC, nämlich der Vertretung von europäischen Parlamentariern. Das sollte hier positiv bemerkt werden. Ich meine, dass Kritik oft von jenen kommt, die selbst nicht involviert sind und das Ausmaß dieser Vorbereitungen gar nicht abschätzen können.

Wir sind auf dem Weg nach Europa, und ich glaube, wir können jetzt schon "Europa" sagen, nachdem dieses Europa bisher doch eher Westeuropa gewesen ist. Wir haben bis jetzt sehr viel erreicht, Dinge, an die man – wenn ich auf meinen Lebensweg zurückschaue – vor 55 Jahren nicht denken konnte und die nicht vorstellbar waren. Herr Kollege Bieringer, der du direkt dort lebst! Allein der Wegfall der Grenze am Walserberg in Salzburg war damals doch praktisch unvorstellbar, ebenso wie der Wegfall von Pass- und Zollkontrolle, Handelsbeschränkungen und so weiter! Ich habe vor 30 Jahren dort an die in langen Schlangen wartenden Autofahrer im Namen der Europäischen Jugend Prospekte ausgeteilt, etwa in dem Sinn: Wäre es nicht schön, wenn diese Grenze verschwände? – Ich habe aber eigentlich kaum geglaubt, dass das wirklich einmal der Fall sein wird.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese Erfolge sollten wir bei allen weiterführenden Bemühungen sehen! Wir haben natürlich noch einen langen Weg vor uns. Es standen und stehen vor allem auch die Themen "Staatenbund", "Bundesstaat" und "Europa der Vaterländer" zur Diskussion. Ich glaube, derzeit gibt es eine Mischform daraus: Wir sind nicht mehr Staatenbund und sind noch nicht Bundesstaat. Es wird diese EU in ihrem Aufbau auch mit keinem der gegenwärtigen Mitgliedstaaten völlig gleich sein, sondern es werden verschiedenste europäische Elemente eingebracht werden. Ich glaube allerdings, dass der Weg doch in Richtung Bundesstaat geht, wie immer dieser inhaltlich mit einer Verfassung beziehungsweise verfassungsähnlichen Verträgen dann definiert sein wird.

Ich glaube, man sollte den Menschen heute nicht sagen: Ihr bleibt völlig selbständig, ihr könnt tun, was ihr wollt, denn es wird sowieso keinen Bundesstaat geben, sondern die einzelnen Staaten werden wie ein loser Staatenbund miteinander verbunden bleiben! – Ich möchte aber gleichzeitig betonen, dass das nicht eine Entwicklung in Richtung zentraler Staat sein wird, sondern in Richtung föderalistischer Staat mit Subsidiaritätsprinzip: Nur das Wichtigste, was wir als kleine Einheiten nicht erledigen können, wird dieser größeren Einheit übertragen werden. Es wird notwendig sein, in den nächsten Regierungskonferenzen – es werden noch mehrere sein müssen – dieses Europa weiterzuentwickeln.

Eine der tragenden Säulen bildet das Parlament, das noch stärkere Rechte bis hin zu einem Initiativrecht bekommen müssen wird. Auch die Kommission muss sich weiterentwickeln, auch dort, wo sie bisher negative Äußerungen getan hat. Und auch der Rat als Vertreter der Länderinteressen wird sich diesem Gesamtgefüge anzupassen haben. Eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Römer Verträge – die letzten Etappen waren Maastricht und Amsterdam – ist auf jeden Fall notwendig.

Ich glaube, dass wir darüber hinaus weitere Säulen einbeziehen müssen, darunter auch den Ausbau der Sozialcharta, wofür der Regierungswechsel in Großbritannien verbesserte Chancen bietet. Es wird noch mehr "Vergemeinschaftung" – obwohl mir dieses Wort übrigens nicht gefällt – geben müssen. Das Ganze hat mit einer Wirtschaftsgemeinschaft begonnen, das ist zweifellos sehr wichtig. Weiters kommt es zu einer Währungsgemeinschaft. Aber auch hinsichtlich Umwelt, Ausbildungsmöglichkeiten, Forschung, Wissenschaft, Wettbewerb und Steueranpassungen wird eine gemeinsame Politik notwendig sein. Trotzdem müssen auch die unteren Einheiten der Mitgliedstaaten, die Bundesländer oder Distrikte und Regionen – denn die meisten EU-Staaten haben keine Bundesländer – bis hin zu den Gemeinden ihre Rolle spielen. Die nationale Identität und die Kultur in ihrer Vielfalt müssen erhalten bleiben.

Ich meine, dass wir auch heute schon sehen, dass manche, die gegen die EU waren, sie bereits dort so nützen, wo sie für Österreich nützlich ist. Das hat man auf den verschiedensten Ebenen


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