Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 67

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Zwischen den ersten Grenzblockaden und jetzt hat sich die Stimmung der Blockadeteilnehmer grundlegend geändert. Anfangs war die Stimmung positiv, es hat Hoffnung gegeben, dass die Kraftwerksbetreiber und auch die tschechische Regierung ein Einsehen haben und Temelin nicht in Betrieb nehmen würden. Das hat sich aber als Trugschluss herausgestellt. Jetzt herrschen Wut und Hilflosigkeit.

Meine Damen und Herren! Während die Bevölkerung an den Grenzübergängen ihre Ängste und ihre Sorgen dokumentierte, wurde in Temelin der Reaktor aktiviert. Diese technische Wahnsinnstat wurde auch noch mit Sekt und einem opulenten Buffet gefeiert. Die Ignoranz, mit der den Ängsten und Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger seitens der tschechischen Regierung begegnet wird, ist nicht mehr zu überbieten.

Temelin ist das einzige Kraftwerk, in dem sich West-Technologie und Ost-Technologie treffen, und niemand weiß, wie all das ausgehen wird. Daher ist die Unsicherheit bei dieser Anlage so groß. Tatsache ist auch, dass der deutsche Umweltminister Trittin bekräftigt hat, dass Temelin weder in Deutschland noch in Frankreich eine Genehmigung bekommen würde.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich schätze Ihr persönliches Engagement in dieser Sache, nur kommen wir nicht so recht weiter. Es wurde – obwohl bereits seit längerem bekannt ist, dass das Kraftwerk in Betrieb genommen wird – seitens der Bundesregierung nicht sehr viel unternommen. Erst jetzt, da es bereits eine Minute vor zwölf ist, werden internationale Gespräche geführt; erst jetzt war Temelin bei der EU-Umweltministerkonferenz ein Thema, und auch die Außenminister haben sich kurz damit beschäftigt.

Mir fehlt einfach der geballte Einsatz der Bundesregierung, speziell auch der Einsatz des Bundeskanzlers. Es ist mir einfach zu wenig, dass der Bundeskanzler im Fernsehinterview die Angelegenheit Temelin zwar zutiefst bedauert, die Angelegenheit jedoch erst am 9. Oktober – zumindest laut "Kurier" – zur Chefsache erklärt; der 9. Oktober war jener Tag, an dem Temelin aktiviert worden ist.

Wenn etwas Chefsache ist – so verstehe ich den Begriff –, dann müsste man eigentlich etwas mehr tun, als dem tschechischen Ministerpräsidenten einen Brief zu schreiben und dann zutiefst enttäuscht zu sein, weil keine Antwort gekommen ist.

Ich glaube, in dieser für die österreichische Bevölkerung so bedeutenden Sache müsste der Bundeskanzler in erster Linie mit dem tschechischen Ministerpräsidenten sprechen – auch wenn das schwer ist, denn da gibt es Schwierigkeiten. Wir brauchen zurzeit nicht mit dem slowakischen Ministerpräsidenten zu sprechen, da gibt es keine Probleme.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns gegen Temelin aussprechen, dann müssen wir das mit aller Konsequenz tun, es ist heute bereits angeklungen. Für mich bedeutet das: kein Atomstrom von Temelin in Österreich, auch nicht durch die berühmte "Hintertüre". Mit dieser berühmten "Hintertüre" meine ich, dass Temelin zum Beispiel an einen bayerischen Energiekonzern oder an einen anderen großen deutschen Energieriesen Strom liefert, und von dort wird der Strom dann vielleicht in unser Stromnetz geliefert. Das darf nicht passieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Tschechien hat nämlich bereits im Vorjahr massive Stromexporte durchgeführt; Temelin dient also nicht der Stromversorgung im eigenen Land, sondern der Strom muss ins Ausland verkauft werden. In Österreich verbietet das bereits im Juli einstimmig beschlossene Energieliberalisierungsgesetz Dumpingexporte in unser Land. Das muss sehr genau geprüft werden, es darf zu keinen quersubventionierten Stromexporten aus Atomkraftwerken kommen.

Meine Damen und Herren! Ich habe bereits eingangs gesagt: Atomkraftwerke – ob sichere Technologie oder nicht so sichere Technologie – sind einfach für die Bevölkerung eine riesengroße Gefahr und Bedrohung. Die Technik beherrscht viel, sie beherrscht aber nicht alles, und eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Auch westliche Anlagen haben schon gezeigt, dass Störfälle erst viel später bekannt geworden sind.


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