Bundesrat Stenographisches Protokoll 670. Sitzung / Seite 139

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In der rechtspolitischen Bewertung dieses höchst ambitionierten, wenngleich gesellschaftspolitisch äußerst umstrittenen Gesetzesvorhabens hebe ich zunächst einmal eines positiv hervor: die Herabsetzung der Altersstufe für die Erreichung der Volljährigkeit von 19 auf 18 Jahre. Es ist dabei durchaus nicht allein der europaweite Gleichklang, der mich dazu veranlasst, obwohl er gewiss auch kein Nachteil der Neuregelung ist, waren wir doch mit 19 Jahren bereits ein Nachzügler im Spektrum der europäischen Rechtsordnungen.

Dennoch halte ich in dem Zusammenhang, ohne dass es hier eine politische Notwendigkeit wäre, zu diesem Tagesordnungspunkt bewusst fest, dass ich zugleich die Herabsetzung der Altersgrenze für die strafrechtliche Verantwortlichkeit dann als ebenso berechtigte Rechtsänderung betrachte, kann es doch nach meiner festen Überzeugung keine Rechte ohne korrespondierende Pflichten geben.

Dass entsprechend der früheren Erlangung der Großjährigkeit die aus eigenem geäußerte Meinung minderjähriger Personen in Bezug auf sie betreffende Sorgerechtsentscheidungen für relevant erachtet wird, begrüße ich uneingeschränkt.

Ebenso versteht es sich meines Erachtens aus heutiger Sicht von selbst, dass Minderjährige über 14 Jahre ihre Parteistellung in sie betreffenden Verfahren eigenverantwortlich wahrnehmen können. Hierbei wird meines Erachtens nur etwas gesetzlich verankert, was nach allgemein rechtstheoretischen und rechtspolitischen Überlegungen eigentlich schon länger hätte gelten sollen.

Gleichermaßen begrüße ich wie mein Vorredner die der Neuregelung offenkundig zu Grunde liegende Einsicht, dass die Wahrnehmung der Elternrolle nicht primär Rechts- oder gar Machtbefugnissen gilt, sondern dass es sich dabei vielmehr um eine vornehme Aufgabe der Eltern handelt.

Die unter dem Begriff Obsorge zusammengefassten Rechte und Pflichten im Eltern-Kind-Verhältnis dürfen nicht allein als solche, also als Rechte und Pflichten im technischen Sinn, verstanden werden, sondern sie sollten primär als ein Auftrag verstanden werden, elterliche Verantwortung zu tragen.

Zutiefst bedauere ich gerade deshalb, dass die so genannte gemeinsame Obsorge zum ideologischen Zankapfel geworden ist. Ein Vorredner sprach sogar davon, es handle sich hier um ein ideologisch motiviertes Rechtswerk. Mir persönlich geht es überhaupt nicht darum, es Vätern aus geschiedenen Ehen zu ermöglichen, die Mütter gemeinsamer Kinder zu plagen und zu enervieren. Das kann nicht der Sinn der Sache sein, und ich weiß aus der Praxis, dass es natürlich auch solche Fälle gibt. Aber – das sollten sogar echte Feministinnen beachten – wollen wir die so oft und mit Recht beklagte Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit bestimmter Väter aus geschiedenen Ehen dadurch noch fördern und bestärken, indem wir sie auf die Rolle einer reinen Zahl-Vaterschaft reduzieren? – Gewiss nein, ich glaube darin werden wir alle übereinstimmen. Dem gegenüber werden wir sowohl uneheliche als auch eheliche Väter in der Krisensituation wohl nur dann entsprechend und erfolgreich in Anspruch nehmen, wenn wir sie für die betreffenden Elternpflichten auch mit verantwortlich machen.

Mir persönlich erscheint es als eminenter familienpolitischer Fortschritt, dass das so genannte Besuchsrecht im Verhältnis zwischen dem nicht sorgeberechtigten Elternteil und dem Kind künftig als Option des Kindes geregelt wird. Es soll nicht so sehr wieder um den Streit zwischen Eltern um die Wahrnehmung und Ausübung ihrer Rechte gehen, sondern es ist ein Recht des Kindes auf den Umgang mit beiden Elternteilen; handelt es sich doch nicht länger primär um ein Recht des nicht sorgeberechtigten Elternteiles als Selbstzweck. Es vermindert sich dadurch gewiss auch die mitunter anzutreffende Tendenz des anderen Elternteiles, ihm dieses Recht zu sabotieren und zu unterlaufen.

Den Eltern, welche die Scheidung oder Trennung ihrer ehelichen oder eheähnlichen Beziehung betrieben haben, soll künftig dennoch eingeräumt werden, für die gemeinsame Obsorge zu plädieren. Mit anderen Worten wird es dann Vater und Mutter erlaubt sein, weiterhin gemeinsam auch rechtlich die Verantwortung für das Kind zu tragen, wenn sie das wollen und können.


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