Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 135

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Meine Damen und Herren! Sie werden – vor allem auch auf Seiten der SPÖ – verstehen, wenn ich mit einer gewissen inneren Befriedigung hervorhebe, dass es zu einer diese letzten Gerechtigkeitsdefizite bereinigenden Lösung erst in einer Regierungskonstellation gekommen ist, der die FPÖ angehört, während eine solche Regelung früheren Regierungen unter Führung der SPÖ leider nicht geglückt ist. Das erwähne ich jetzt bloß deshalb, weil die gegenwärtige Bundesregierung und insbesondere meine sie mittragende Fraktion noch vor kurzem EU-weit verfemt war, und dies nicht zuletzt wegen der völlig unzutreffenden Unterstellung, dass sich die FPÖ nicht klar genug von der NS-Vergangenheit distanziert hätte. Auch daran wird deutlich, welche Heuchelei hinter den im Anschluss an die Konferenz in Stockholm 1999 beschlossenen Sanktionen der EU-14 stand!

Aber kehren wir zum parteienübergreifenden Positiven zurück! Den die gewiss äußerst schwierigen Verhandlungen führenden österreichischen Repräsentanten – sie wurden heute schon zu Recht von den Vorrednern genannt, allen voran Sonderbotschafter Dr. Ernst Sucharipa und Botschafter Dr. Hans Winkler – sind voller Respekt und hohe Anerkennung für ihre verdienstvolle Leistung zu zollen! Diese besteht darin, dass es gelungen ist, das rechtsethisch Gebotene – Frau Präsidentin Haselbach hat von einem Gewissensdruck gesprochen – mit dem realpolitisch und finanziell Vertretbaren in einem konsensual erzielten Verhandlungsergebnis zu vereinen.

Erlauben Sie mir noch eine weitere Klarstellung. – Wie auch Abgeordneter Dr. Harald Ofner im Nationalrat zutreffend betont hat, darf selbst eindeutig eingetretener Verjährung oder Verfristung, die im Normalfall zum Anspruchsverlust führt, im Kontext von Menschenrechtsverletzungen keine rechtliche Relevanz zukommen. Freilich sei aus diesem Anlass gleichzeitig bemerkt, dass Verjährung ebenso wenig ein Argument dafür sein kann, um Opfer der kollektiven Vertreibung und entschädigungslosen Enteignung von Volksdeutschen ost- oder südostdeutscher Staaten rechtlos zu stellen. Dabei geht es mir nicht um die verpönte historische "Aufrechnung", die in diesem Zusammenhang völlig verfehlt wäre, und zwar schon angesichts der ganz unterschiedlichen und miteinander kausal gar nicht verknüpften Opfergruppen. Vielmehr geht es darum – das habe ich, wie auch Abgeordneter Dr. Ofner in der erwähnten Nationalratssitzung am 31. Jänner 2001, aus vergleichbarem Anlass bereits früher im Bundesrat betont –, dass das Recht und daher natürlich auch das Unrecht unteilbar sind. Mit der stets problematischen Aufrechnung von Schuld, die sich auf verschiedene Seiten verteilt, hat das auch deshalb nichts zu tun, weil die Kompensation als rechtliches Institut die wechselseitige volle Tilgung, also ein Nullsummenspiel, bedeutet. Mit anderen Worten ist ein beiderseitiges politisch historisches Unrecht, vor allem wenn es nicht in einem Kausalnexus steht, niemals kein Unrecht mehr, sondern bleibt vielmehr stets doppeltes Unrecht.

Wenn ich von Schlusspunkten sprach, so meine ich allerdings auch, dass es mit der vorliegenden Regelung zugleich einen prinzipiellen rechtlichen Schlussstrich unter weitere materielle Entschädigungsforderungen geben muss; ist doch damit eine letzte echte Lücke geschlossen worden. Wir erkennen und akzeptieren dabei durchaus, dass an sich nicht abzugeltende ideelle und emotional nachwirkende Beeinträchtigungen dennoch offen bleiben. Sie müssen allerdings, so weit das überhaupt möglich scheint, auf ihrer je eigenen Ebene behandelt werden. Der vornehmlich materiellen Ansprüchen verpflichtete Gesetzgeber kann das gewiss nicht leisten. In diesem Sinne erscheint es mir begründet, wenn es der Nationalrat in seinem Entschließungsantrag begrüßt – ich zitiere –, "dass die Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung jetzt abgeschlossen werden konnte".

Damit komme ich noch zu einem kritischen Punkt. Analog zum Prozedere im Rahmen der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter strebt Österreich auch bei der vorliegenden Regelung "Rechtsfrieden" mit den USA an. Dieses Ziel soll zweistufig erreicht werden. Diejenigen Anwälte der Organisationen der Geschädigten, welche die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich mit unterfertigt haben, verpflichten sich darin, die von ihnen eingereichten Sammelklagen zurückzuziehen. Da das jedoch nicht alle anhängigen Gerichtsverfahren erfasst, haben die Vereinigten Staaten verbindlich erklärt, ein so genanntes "Statement of Interest" zu erlassen. Damit wird den Gerichten notifiziert, dass es die USA als ihren außenpolitischen Interessen zuwiderlaufend erachten, wenn die Gerichte Klagen in diesen zwischenstaatlich geregelten Angelegenheiten in der Sache behandeln und ihnen stattgeben.


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