Bundesrat Stenographisches Protokoll 676. Sitzung / Seite 108

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Ich darf feststellen, dass uns auf unsere Mitteilung hin der Herr Landeshauptmann gesagt hat, dass es einen alten Landesregierungs-, aber vor allem Landtagsbeschluss gibt, einen Initiativantrag, der einstimmig am 25. 4. 1996 beschlossen worden ist, mit dem festgehalten wird, dass alles getan werden soll, um die Erhaltung der kleinen Bezirksgerichte beziehungsweise auch anderer öffentlicher Einrichtungen im ländlichen Raum zu ermöglichen.

Ich darf festhalten, dass die Bezirke, die betroffen sind, natürlich enttäuscht sind von solch einer Entwicklung und wir in aller Form darum ersuchen, dass Überlegungen dahin gehend angestellt werden, dass die Menschen, die dort wohnen, keine Benachteiligungen haben, sondern mit gleichen Voraussetzungen arbeiten und ihr Leben bestreiten können, wie das in größeren Bereichen der Fall ist. Aber es sei hier nochmals erwähnt, dass die Einwohnerzahl im Bezirk Ried 55 700 und im Bezirk Schärding 56 300 beträgt. Ich will jetzt nicht streiten, wer mehr oder weniger hat; das hat überhaupt keine Bedeutung, sondern es geht darum, dass man nicht einen Bezirk völlig unbedacht arbeiten lassen kann, dass man alles abziehen kann und die Menschen dann über weite Strecken zu den Ämtern beziehungsweise zum Bezirksgericht fahren müssen.

Eines sei noch erwähnt: Gedanken zu Einsparungen sind verständlich, dass aber kleine Bezirksgerichte aufgelöst werden – also überhaupt keine mehr in den Bezirken sind –, ist unverständlich. Die Auswirkungen, die wir befürchten und die damit zusammenhängen, können nicht vertreten werden.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, eine Lösung herbeizuführen, die für die Menschen in den Bezirken akzeptabel ist. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

17.19

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte schon nach dem ersten Redner, Herrn Bundesrat Gstöttner, Stellung nehmen. Ich werde mich sicherlich noch öfter zu Wort melden, vor allem wenn die Fragen mehr ins Detail gehen. Ich möchte aber trotzdem eine grundsätzliche Stellungnahme abgeben.

Erstens: Ich bin sehr froh, dass ich diese Anfragen bekommen habe. Ich habe sie sehr ausführlich beantwortet und habe auch Herrn Bundesrat Konecny diese Liste, die soeben erwähnt wurde, beigelegt, sodass ich davon ausgehen kann, dass alle Mitglieder des Bundesrates auch über die von uns vorgeschlagenen Zusammenlegungen – es geht nicht um Schließungen, das wäre falsch – informiert sein müssten.

Zweitens: Die Verfassungslage macht es notwendig, dass die Landesregierungen auf Grund einer Verfassungsbestimmung aus 1920 mittels Verordnung zustimmen müssen, wenn Bezirksgerichte zusammengelegt werden. Das heißt, eine Modernisierung liegt in den Händen der Landesregierungen. Ich als Justizminister kann eine solche Modernisierung nur vorschlagen und kann Sie auf ein bestehendes Problem hinweisen.

Drittens: Dieses Problem heißt "veraltete Gerichtsstruktur". Diese Gerichtsstruktur stammt aus dem Jahre 1848 – aus einer Zeit, in der man die Gerichtssprengel danach eingerichtet hat, dass man im Zuge einer Tagesreise mit Hilfe eines Ochsengespanns oder eines Pferdewagens zu Gericht fahren, dort die Verhandlung absolvieren und wieder nach Hause zurückkehren konnte. Seit diesem Zeitpunkt wurde diese Gerichtsstruktur im Wesentlichen nicht mehr verändert.

Ich habe schon im Hohen Haus, im Parlament gesagt: Als im Jahre 1922 Prälat Seipel als Bundeskanzler der Republik Österreich nach Genf gefahren ist, um eine Völkerrechtsanleihe zu bekommen, wurde die Erteilung derselben von der Bedingung abhängig gemacht, dass – wir schrieben damals den 6. Oktober 1922 – die entbehrlichen Bezirksgerichte zusammengelegt werden müssten. Es ist seit dem Zeitpunkt in dieser Richtung kaum etwas geschehen. Es handelt sich also nicht um ein Problem, das ich aufgegriffen hätte, sondern um ein Problem, das Jahrzehnte alt ist.


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