Bundesrat Stenographisches Protokoll 676. Sitzung / Seite 120

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gehen, und auch Deutschland geht teilweise darunter. Aber im Prinzip können Sie davon ausgehen, dass Ihnen jeder erfahrene Richter die Antwort geben wird, dass Gerichte mit einer Besetzung in der Größenordnung von zehn bis zwanzig Richtern die Idealbesetzung haben. Daran müssen wir uns orientieren.

Letztlich ist es auch ein Ergebnis der Entwicklung in der EU. Wir hatten vor wenigen Tagen ein Gespräch mit der deutschen Botschafterin. Sie hat gesagt, auch in Deutschland war es so, dass die Bevölkerung in den ersten Jahren der EU-Mitgliedschaft überrascht war, welche Entwicklungen im Bereich der Verwaltungsreform und auch in anderen Gebieten ausgelöst worden sind. Jetzt, nach längerer Mitgliedschaft, hat sich die Bevölkerung in Deutschland daran gewöhnt, dass solche Entwicklungsschübe ausgelöst werden.

Da Sie von Leoben sprechen, möchte ich Folgendes feststellen: Es ist nicht so, dass wir dort einfach nur zusammenlegen. Gerade in Leoben bauen wir eine sehr moderne Justizanstalt, deren Planung schon abgeschlossen ist. In Wien verkleinern wir die Gerichtsgrößen; wir wollen zu Gerichtsgrößen um zirka zehn bis zwanzig Richtern hinkommen, weil manche Gerichte zu groß sind. Wir haben in Salzburg ein Gericht, das nur – statistisch gesehen – 0,4 Richter auslastet, und in Wien ein Gericht, das 48 Richter beschäftigt. Beide Gerichte sind Bezirksgerichte. Das kann man so nicht stehen lassen.

Ich muss an Ihre Bereitschaft appellieren, dem Rechtsstaat in Österreich einen guten Dienst zu erweisen, und bitte Sie, sich unsere Argumente anzuhören.

Es ist auch falsch, dass die Rechtsanwälte wegsiedeln würden. Die Rechtsanwaltskanzleien entstehen und etablieren sich dort, wo Arbeit ist. Wo aber die Arbeit nicht mehr vorhanden ist, um auch nur einen Richter auszulasten, wird auch keine Rechtsanwaltskanzlei mehr vorhanden sein. Es gibt leider auch Bezirkshauptmannschaften, die in ihrem Sprengel ein Gericht haben, das nicht einmal einen Richter auslastet. Das müssen wir bedenken. Es gibt Härtefälle in beiden Richtungen, zum Beispiel Reutte in Tirol, Lungau in Salzburg; aber das Bezirksgericht Radkersburg in der Steiermark lastet nicht einmal einen Richter aus, obwohl es dort eine Bezirkshauptmannschaft gibt.

Mit der Formel, die immer wieder vorgebracht wird – eine Bezirkshauptmannschaft soll auch ein Gericht aufweisen –, müssen und wollen wir uns beschäftigen. Aber wir müssen auch die Toleranz und die Bereitschaft haben, dass wir in beiden Richtungen Härtefälle prüfen. Hier kommen wir uns schon etwas näher. Dass ich aber als Justizminister noch ehrgeiziger bin, als einen Kompromiss zu erzielen, das müssen Sie mir, bitte, auch zugestehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.15

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Klaus Gasteiger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

18.15

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist bereits sehr vieles gesagt. In aller Kürze zu Tirol: Auch in Tirol wurden in der Vergangenheit Kleinstgerichte wie zum Beispiel Ried im Oberinntal, Steinach und andere mit der Zustimmung der Landesregierung abgeschafft. Daraus ist ersichtlich, dass sich das Land Tirol einer sinnvollen Reform der Gerichtsorganisationen nicht grundsätzlich verschließt.

In der Sitzung des Tiroler Landtages vom 22. März 2001 wurde mit der verfassungsmäßigen Mehrheit Folgendes beschlossen – ich darf zitieren –: Die Tiroler Landesregierung wird aufgefordert, in den für eine Änderung der Gerichtsorganisation erforderlichen Verhandlungen mit dem Bundesminister für Justiz auf die besondere verkehrsgeographische Lage Tirols hinzuweisen und im Besonderen den Erhalt der Bezirksgerichte überall dort sicherzustellen, wo eine Bezirksverwaltungsbehörde ihren Sitz hat, einem Gericht eine besondere, zentral örtliche Bedeutung zukommt oder dieses weit vom Zentralraum entfernt liegt.


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