Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 107

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Die andere Frage betrifft diese Grenze von 20 Beschäftigten pro Betrieb. Da ist die Argumentation der Regierungsparteien meiner Meinung nach doch ein wenig un­schlüssig. Einerseits sagt man, die Wirtschaft verkraftet das nicht, deshalb braucht es diese Grenze von 20 Beschäftigten. Andererseits hört man dann wieder: In kleinen Be­trieben macht man sich das ohnehin aus. Das widerspricht sich. Was trifft jetzt wirklich zu? – Wenn Sie sagen, die Wirtschaft verkraftet das nicht, dann sagen Sie es wenigs­tens laut, und behaupten Sie bitte nicht, dass Sie eine Vereinbarkeit schaffen, die ja so nicht geschaffen wird. In dieser Hinsicht ist dieses Gesetz nämlich nur Kosmetik. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Wirtschaft vorgeht, dann geben Sie das zu, das ist eine legitime Meinung. Nur wird das wahrscheinlich nicht zu Ihrer Familienfreundlichkeit passen, die sich die ÖVP immer auf die Fahnen schreibt.

Dieses Gesetz ist wieder einmal einer von diesen vielen kleinen, feinen Mechanismen, die auch dazu führen, dass Frauen zu Hause gehalten werden. Dieses Gesetz trifft nämlich vor allem wieder Frauen. (Bundesrätin Gansterer: Der Ausdruck „zu Hause gehalten“ ist schlimm! – Ruf bei der ÖVP: Zu Hause bleiben!) Na ja, „zu Hause bleiben“ klingt so, als wäre es die absolut freie Entscheidung, ob ich einen Beruf oder eine Fa­milie haben möchte. (Bundesrätin Gansterer: ... keinen braucht!) Entschuldigung, den Vergleich haben jetzt Sie gebracht, den habe ich ganz sicher nicht gebracht. (Bundes­rätin Gansterer: Aber wenn Sie sagen, dass Frauen „gehalten werden“! Was bedeutet das, bitte?)

Das heißt, dass einfach die finanzielle Realität der ausschlaggebende Grund ist, war­um die Frau zu Hause bleibt. Das heißt, sie wird von Sachzwängen zu Hause gehalten, und sie hat nicht die freie Entscheidung, ob sie Karriere machen möchte oder ob sie bei der Familie bleibt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Es gibt in diesem Gesetz zum Beispiel eine Passage, die es dem Dienstgeber erlaubt, aus betriebsorganisatorischen Gründen die Teilzeit zu verweigern, auch wenn man einen Anspruch darauf hätte. Das kommt vor allem Betrieben mit Filialen zugute. Zum Beispiel der Handel ist wahrscheinlich einer der Hauptprofiteure dieser Regelung. Im Handel sind zu 70 Prozent Frauen beschäftigt.

Wo, frage ich mich, sind eigentlich die Maßnahmen, damit Männer in Teilzeit gehen? – Wenn Sie sagen, es geht um Vereinbarkeit, dann müsste man doch irgendwelche Re­gelungen finden, die dazu führen, dass Männer verstärkt die Teilzeit annehmen. Es sind ja schon jetzt sehr viele Frauen in Teilzeit, also das Problem, dass Frauen Teil­zeitbeschäftigungen nicht annehmen würden, kann es nicht sein. Wenn Sie von Ver­einbarkeit und von Familienfreundlichkeit reden, müsste es darum gehen, auch Männer in die Teilzeitbeschäftigungen zu bringen und dazu anzuregen, dass auch sie mehr am Leben der Familie teilnehmen.

Diese Maßnahmen, um Männer aufzufordern, fehlen mir einfach. Zum Beispiel die Re­gelung, dass man Teilzeit dann nicht in Anspruch nehmen kann, wenn der Partner oder die Partnerin in Karenz ist: Es sind eben meistens die Frauen in Karenz, und das ist eine Realität, die zum Beispiel vom Einkommen des Mannes und der Frau abhängt. Das haben wir an dieser Stelle schon oft genug diskutiert, dass es da einen gewaltigen Unterschied gibt und dass die Realität einfach so ausschaut: Wenn man es sich durch­rechnet, wird der Mann arbeiten gehen und die Frau in Karenz gehen, und wenn die Frau in Karenz geht, kann der Mann auch diese Teilzeit nicht in Anspruch nehmen. Wenn Sie sagen, das ist familienfreundlich – eine Verbesserung ist es jedenfalls nicht! Man braucht in diesem Falle keine Gender-Mainstreaming-Expertinnen oder -Experten, um festzustellen, dass dies wieder einmal die Lebensrealität von Frauen nicht berück­sichtigt und dass mehr Frauen als Männer nicht von diesem Gesetz werden profitieren können.

 


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