Bundesrat Stenographisches Protokoll 732. Sitzung / Seite 46

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Ich finde es ja sehr schön, dass sich jetzt alle darüber freuen, dass wir heute 13,60 € an Verpflegungsentgelt beschließen, aber in der Vergangenheit haben Sie, und zwar beide Parteien, SPÖ und ÖVP, immer anderes beschlossen, waren offenbar der Mei­nung, dass anderes auch ausreicht.

Es gibt zahlreiche Sprichwörter, die mir in diesem Zusammenhang einfallen würden, so zum Beispiel „Vorfreude ist die schönste Freude“. Sie, Herr Kollege Baier, müssen die­se Vorfreude in den letzten sechs Jahren bis ins Unendliche genossen haben. (Bun­desrat Mag. Baier: Da war ich noch nicht da!) Sechs Jahre lang hat es gedauert, bis jetzt endlich der Beschluss über 13,60 € hier gefasst werden kann, sechs Jahre, in de­nen junge Menschen darum kämpfen mussten, dass sie das Geld, das ihnen zusteht – von dem auch der Verfassungsgerichtshof sagt, dass es ihnen zusteht –, endlich aus­bezahlt bekommen! Sechs Jahre – das ist, finde ich, relativ dramatisch.

Österreich ist einer der reichsten Staaten der Welt, doch lange Zeit war es offensicht­lich grundlegende Meinung, dass 5 oder 6 € pro Tag durchaus reichen, um sich zu er­nähren. Ich habe beim letzten Mal zu diesem Thema gesagt, es sage einem der Haus­verstand, dass das nicht reicht, habe mich aber auf Grund der Ergebnisse meiner Re­cherche zu diesem Thema eines Besseren belehren lassen müssen. Auch wenn einem der Hausverstand etwas sagt, heißt das nicht, dass es nicht doch wissenschaftliche Studien gibt, die das Gegenteil belegen.

Ich weiß nicht, ob Sie den Grazer Universitätsprofessor Dr. Werner Pfannhauser ken­nen; er ist Professor für Lebensmittelchemie. Die Zivildienst-Agentur hat im Mai 2004 ein Gutachten bei Professor Pfannhauser in Auftrag gegeben, in dem er berechnen sollte, ob es vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus möglich wäre, mit 5 oder 6 €, die damals an Verpflegungsentgelt bezahlt wurden, auch tatsächlich nicht zu ver­hungern.

Professor Pfannhauser hat gemeinsam mit einer Ernährungswissenschafterin und einer Diätassistentin ein 90-seitiges Gutachten verfasst, das tatsächlich zu dem Schluss gekommen ist, dass, wenn man sehr viel Zeit investiert, um Preise zu verglei­chen, und in Supermärkten immer das Billigste kauft, immer die Großpackung kauft und jedes Angebot ausnützt, das irgendwie geht, es tatsächlich möglich ist, sich bei ge­ringer körperlicher Belastung um 4,88 € zu ernähren, bei schwerer körperlicher Arbeit um 6,06 €. Er setzt allerdings auch hinzu, dass man immer das preisgünstigste Ange­bot finden muss, dass bei der Zubereitung der Lebensmittel auch kein „Verlust“ auftre­ten darf, also gewisse küchentechnische Fertigkeiten wirklich Voraussetzung sind, um mit so wenig Geld auszukommen, dass der Zeitaufwand natürlich beträchtlich ist, dass entsprechende Vorratshaltung und so weiter berücksichtigt werden muss.

Das heißt, man hätte auch in der Vergangenheit den Weg wählen können – sage ich jetzt leicht ironisch, damit mich niemand falsch versteht –, den Zivildienern einen Er­nährungswissenschafter zur Seite zu stellen, der mit ihnen Einkaufen geht und ihnen erklärt, dass sie durchaus mit 4 bis 6 € auskommen. Das wäre aber eventuell teurer gekommen, als dem durchaus berechtigten Anspruch auf 13,60 € zu entsprechen. Das ist ein Betrag, der sich aus dem Heeresgebührengesetz ableitet, also eine Gleichbe­handlung darstellt – um das einmal klarzustellen!

Anstatt aber wahrscheinlich gutes Geld in durchaus interessante Studien zu investie­ren – da sind auch Menüpläne dabei; vielleicht wollen Sie sich das Gutachten ja durch­lesen, es ist eine sehr interessante Lektüre –, wäre es meiner Meinung nach sinnvoller gewesen, die Vorfreude auf diese jetzt vorliegende gute Regelung nicht sechs Jahre lang auszukosten, sondern sich schon ein bisschen früher überreden zu lassen, den Beschluss über diese 13,60 € Verpflegungsentgelt – die die Grünen schon lange gefor-


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