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752. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 20. Dezember 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

752. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 20. Dezember 2007

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 20. Dezember 2007: 18.41 – 21.46 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opfer­fürsorgegesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung

*****

Inhalt

Bundesrat

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR .............................................................................................. 3

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 48

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 3

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 3

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sorge­gesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (304 d.B. und 354 d.B. sowie 7877/BR d.B.) ...................................................... 3

Berichterstatter: Harald Reisenberger ........................................................................... 3


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 2

Rednerin:

Ana Blatnik ...................................................................................................................... 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................................... 5

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung (309 d.B. und 356 d.B. sowie 7878/BR d.B.) ................................................................... 5

Berichterstatter: Harald Reisenberger ........................................................................... 6

Redner:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ....... 6

Josef Kalina ............................................................................................................. ....... 8

Ludwig Bieringer .................................................................................................... ..... 11

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 14

Renate Seitner ......................................................................................................... ..... 16

Sonja Zwazl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 17

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 18

Sissy Roth-Halvax ........................................................................................................ 21

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger ................................................................  24, 44

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 28

Ludwig Bieringer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 32

Albrecht Konecny (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 32

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 33

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 34

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 37

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 39

Alfred Schöls ........................................................................................................... ..... 41

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 43

Manfred Gruber ...................................................................................................... ..... 43

Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kol­le­gen betreffend Beendigung der Verunsicherung rund um die Legalisierung von Kräften für die 24-Stunden-Betreuung von pflege- bzw. betreuungsbedürftigen Personen – Ablehnung .......................................................  13, 49

Entschließungsantrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth betreffend soziale und rechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen – Unterstützungsfrage – genügend Unterstützung – Ablehnung       15, 16, 49

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Pflegeamnestie – Ablehnung ......................................................  19, 49

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vermeidung von Härtefällen für Betroffene der Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung – Annahme (E 224-BR/07) .....................................................................................................................  20, 49

Entschließungsantrag der Bundesräte Peter Mitterer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend zumutbare Regelung der Pflegeproblematik – Ablehnung ........................................................  34, 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 48

 


18.41.25


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 3

Beginn der Sitzung: 18.41 Uhr

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich eröffne die 752. Sitzung des Bundesrates.

18.42.12Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betreffend

ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sorgegesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden, und

eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung,

die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

18.42.581. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorge­gesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (304 d.B. und 354 d.B. sowie 7877/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisenberger. Ich bitte um den Bericht.

 


18.43.12

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Soziales und Kon­sumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betref-


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 4

fend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opfer­fürsorgegesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2007 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile ihr dieses.

 


18.44.05

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Minister! Gospod minister! Erlauben Sie mir, dass ich mich am Anfang recht herzlich für Ihr Vertrauen, welches Sie mir entgegengebracht haben, bedanke.

Nun zur Tagesordnung. – Mit dieser Regierungsvorlage werden das Kriegsopferver­sorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz und das Heeresversorgungsgesetz geän­dert. Das Heeresversorgungsgesetz wird dahin gehend geändert, dass durch die Herabsetzung der sogenannten Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 auf 20 Prozent den betroffenen Menschen ein leichterer Zugang zur Beschädigtenrente ermöglicht wird. Diese „begünstigende“ Maßnahme soll nunmehr im übrigen Bereich des sozialen Entschädigungsrechts, nämlich dem Kriegsopferversorgungsgesetz und dem Opferfürsorgegesetz, nachvollzogen werden.

Von dieser Neuregelung des Rentenanspruches sind im Jahre 2008 rund 2 800 Per­sonen betroffen. Der Jahresaufwand dafür beträgt zirka 1,8 Millionen €. Pro Fall sind das 638 €.

Es sind vergleichsweise kleine Beträge, die hier ausgegeben werden, aber in sehr vielen Fällen sind das genau jene Summen, die die Betroffenen vor akuter Armut schützen. Es ist ein Betrag, der uns bei der Beseitigung von sozialen Ungerech­tigkeiten niemals zu hoch sein sollte.

Es geht hier um österreichische Staatsbürger, die als Soldaten der ehemaligen Deut­schen Wehrmacht oder der ehemaligen k. u. k. Armee beziehungsweise von deren Verbündeten oder des Bundesheeres der Ersten Republik, um österreichische Staats­bürger, die durch vormilitärische Ausbildung, die durch sonstige Dienstverrich­tungen, durch Kriegsgefangenschaft, durch unverschuldete Kriegseinwirkung oder durch unver­schuldete Gewaltakte der Besatzungsmächte Österreichs eine Gesundheitsschädi­gung/Dienstbeschädigung erlitten haben sowie um deren Hinterbliebenen.

Welche Leistungen gibt es für Kriegsbeschädigte?

Beschädigtengrundrente, das, was ich am Anfang schon erwähnt habe, wenn die Erwerbsfähigkeit in Folge der Dienstbeschädigung in Zukunft um mindestens 20 Pro­zent gemindert ist;

Zusatzrente und Familienzulagen, garantiertes Mindesteinkommen für Schwerbeschä­digte;

Schwerbeschädigtenzulage;

Pflegezulage oder Blindenzulage;

Blindenführzulage;

Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz;


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 5

pauschalierten Ersatz für Mehrverbrauch an Kleidern und Wäsche;

Diätkostenzuschüsse;

Heilfürsorge und orthopädische Versorgung;

berufliche und soziale Rehabilitation.

Welche Leistungen gibt es jetzt für die Hinterbliebenen?

Hinterbliebenenrente beziehungsweise Witwen-/Witwerbeihilfe;

Zulage nach Pflege- und Blindenzulagenempfängern mindestens der Stufe III;

Diätkostenzuschüsse;

Krankenversicherung;

Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz.

Außerdem gibt es für hinterbliebene Ehegatten und waisenversorgungsberechtigte Kin­der Sterbegeld und Gebührnisse für das Sterbevierteljahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine winzige Änderung, die wir heute beschließen, aber sie bedeutet für die Betroffenen sehr viel. Es sind Menschen, die immer noch an den Folgen eines Krieges leiden, der schon lange her und für viele Menschen, die heute in Österreich leben, nur mehr Geschichte ist. Für manche eine Geschichte, an die sie sich nicht mehr erinnern wollen.

Diese Gesetzesänderung bedeutet für mich nicht nur, dass 2 800 Menschen mehr Geld bekommen werden, sie bedeutet für mich auch, dass wir daran erinnert werden, dass wir uns stets bewusst sein sollten, dass wir in einer Zeit des Friedens leben, der nicht selbstverständlich ist.

Frieden zu bewahren und zum Frieden in Europa und in der Welt beizutragen soll immer als Aufgabe in unserem Bewusstsein vorhanden sein.

Wir werden selbstverständlich diesem Gesetz zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.50.172. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betreffend eine Ver­einba­rung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung (309 d.B. und 356 d.B. sowie 7878/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 6

Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Nun gelangen wir zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist ebenfalls Herr Bundesrat Reisenberger. Ich bitte um den Bericht.

 


18.50.36

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2007 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratungen der Vorlage am 19. Dezember 2007 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.

 


18.51.27

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rache des Journalisten ist das Archiv. Ich bin zwar keine Journalistin und ich bin auch nicht rachsüchtig, aber ich habe doch in den Reden von vor ungefähr einem Jahr nachgestöbert, was denn in dieser Kammer gesagt wurde, als wir die Amnestie für die 24-Stunden-Betreuung eingeführt haben.

Die erste Wortmeldung war von Eva Konrad – die verlese ich jetzt nicht, denn die war sowieso super und perfekt. Im Redebeitrag von Herrn Bundesrat Sodl hat mir auch einiges sehr gut gefallen, unter anderem die Forderungen, die die SPÖ allgemein zur Pflege und zum Thema Amnestie eingebracht hat. Er hat gesagt: Amnestie ja, für eine gewisse Zeit, aber es muss in dieser Zeit auch etwas geschehen, und zwar:

Erstens: Die Bedürfnisse und Interessen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen müssen im Vordergrund stehen.

Zweitens: Die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen vor Lohndumping im Bereich der Pflege geschützt werden.

Drittens: Ein menschlicher Umgang, adäquate Bezahlung sowie soziale Absicherung der Pflegekräfte müssen gewährleistet sein.

Und viertens: Die Lösung ist für die Betroffenen und die öffentliche Hand im Rahmen der Finanzierbarkeit zu gestalten.

Das war für die SPÖ damals die Grundvoraussetzung für die Einführung der Amnestie.

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax hat auch zu diesem Thema geredet, auch ein sehr interessanter Beitrag, sie hat erzählt, was denn nicht alles in Niederösterreich so passiert. (Bundesrätin Roth-Halvax: Bitte jetzt nicht alles wiederholen!) Ich wiederhole jetzt nur einen Teil davon, nicht alles, keine Sorge. Eine Aussage, die mir besonders gut gefallen hat, war: Es ist uns klar, dass eine umfassende Regelung des Pflege­systems notwendig ist.

Es gab dann auch noch weitere Ausführungen darüber, dass Demenzkranke beson­ders zu berücksichtigen sind. Weiters hat die Frau Bundesrätin dann noch gesagt: Zur Erarbeitung eines gesamtheitlichen Konzepts gehört natürlich auch eine Kompetenz­bereinigung, denn momentan ist der Bund für die Auszahlung des Pflegegeldes und


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die pflegenden Angehörigen zuständig und das Land für die stationären Einrichtungen und die mobilen Dienste. Ich denke, das gehört einheitlich organisiert und zu einem Gesamtpaket geschnürt. – Gefällt mir auch sehr gut diese Aussage.

Die Aussage von Frau Bundesrätin Blatnik: Ich hoffe wirklich, dass alle die Zeit bis zum 30. Juni 2007 dazu nützen werden, nach dieser Übergangsnotlösung am 1. Juli 2007 zu einer positiven Gesamtlösung zu kommen, die allen Beteiligten zugute kommt und auch akzeptiert werden kann. – Kann ich nur unterschreiben.

Dann weiter: Pflege, meine Damen und Herren, ist ein Grundrecht. Man kann dieses Grundrecht nicht allein mit einem Übergangsgesetz, mit einem Notgesetz lösen. Weitere wichtige Bausteine für eine seriöse Pflegepolitik sind notwendig, und diese werden von der SPÖ auch gefordert.

Und dann kamen Forderungen, die ich auch alle zu 100 Prozent unterschreiben würde: Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots an professioneller ambulanter und stationärer Betreuungspflegeleistung, Unterstützung und Absicherung von pflegenden Angehörigen, Aufwertung der Beschäftigung, Nahtstellenmanagement Gesundheit und Pflege, Schaffung von Anreizen für ehrenamtliche Betreuungsdienste, Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung der Pflege, regelmäßige Valorisierung des Pflege­geldes.

Diese Aussagen sind jetzt ein Jahr her, und mit 31.12. dieses Jahres wird die Pflege­amnestie, also die Amnestie für jene, die illegal PflegerInnen beschäftigt haben, zu Ende gehen. Die Übergangsfrist ist teilweise genutzt worden, aber leider nicht in dem Umfang, wie wir es damals im Bundesrat von vielen Seiten gehört haben. Das finde ich sehr schade, und darum bin ich auch der Meinung, dass dieses Thema damit noch lange nicht abgehandelt sein kann.

Was dazukommt, ist die Diskussion der letzten Wochen, wo SPÖ- und ÖVP-Abge­ordnete, -Minister, -Landeshauptmänner et cetera diskutiert haben, wer denn nun der Sozialere ist. Das habe ich jetzt nicht unbedingt als hilfreich empfunden, weder für die zu pflegenden noch für die pflegenden Menschen. Ich habe es auch sehr interessant gefunden, dass der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich jetzt seine soziale Ader entdeckt hat und meint, dass es ganz und gar unmöglich ist, dass für eine 24-Stunden-Betreuung ein Zugriff aufs Vermögen gemacht werden könnte. Interessanter­weise ist dann, wenn jemand in ein Pflegeheim geht, dieser Zugriff auf Vermögen auch in Niederösterreich nach wie vor möglich. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist nicht mehr!) – Nein, das andere wird abgeschafft, nämlich der Zugriff auf das Vermögen der Kinder, aber der Zugriff auf das Vermögen ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Auch der Ehepartner!) – Na ja, auch der Ehepartner, aber es ging ja um das eigene Vermögen.

Während man bei der 24-Stunden-Betreuung jetzt mehr oder weniger sagt, es ist ganz unmöglich und absolut unsozial, dass es das gibt, war bis jetzt, wenn man in ein Pflegeheim gegangen ist, der Zugriff aufs Vermögen in Niederösterreich gang und gäbe, und das wird zum Teil auch so bleiben. Das ist für mich eindeutig nur ein Wahl­kampfgeplänkel – leider auf dem Rücken von Menschen, die das eigentlich nicht verdient haben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir sind auch dafür, dass es nicht möglich sein soll, dass für Aufwendungen für die Pflege auf das Vermögen der Menschen zugegriffen werden kann. Egal, ob da jetzt eine Grenze eingezogen wird bei 5 000 oder bei 7 000 €, ich denke, dass jeder Mensch ein Anrecht hat, eine gewisse Sicherheit, auch finanzielle Unabhängigkeit im Alter zu genießen. Und wenn das Vermögen auf 7 000 € reduziert wird, dann mag das vielleicht für manche Menschen trotzdem noch viel sein, aber für die meisten Menschen bedeutet das schon sehr viel Unsicherheit. Man braucht dann nur irgendeine Kleinigkeit, die man anschaffen muss, und ist schon auf andere Menschen


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angewiesen. Das ist etwas, was für ältere Menschen etwas ganz Entsetzliches ist. Ich erinnere mich, bei meiner Mutter wäre das unmöglich gewesen, die hätte das auch nicht ausgehalten.

Auf der anderen Seite ist erst vor Kurzem die Erbschaftssteuer abgeschafft worden, ich denke, das widerspricht dem im Prinzip: Auf der einen Seite sage ich, ich greife auf das Vermögen der älteren Menschen zu, um die Pflege zu gewährleisten, auf der anderen Seite sage ich, das Vermögen, das vererbt wird, wird nicht mehr angegriffen. Diese Einstellung finde ich ein bisschen seltsam, das passt für mich nicht zusammen. (Beifall bei den Grünen.)

Das, was für uns wichtig ist und was auch vor einem Jahr noch für viele in diesem Raum wichtig war, ist, dass es ein Gesamtkonzept für Pflege und Betreuung geben muss. Auf der einen Seite gibt es eine individuelle 24-Stunden-Betreuung, aber es gibt auch andere Möglichkeiten wie mobile PflegerInnen, wie betreutes Wohnen, wie Heime. Und ich denke, es ist einfach wichtig, dass für jeden Menschen, der Pflege und Unterstützung braucht, diese Pflege und Unterstützung in individueller Form gegeben ist und man sich nicht allein auf diese 24-Stunden-Betreuung konzentriert, sondern wirklich ein Gesamtpaket schnürt. (Beifall bei den Grünen.)

18.59


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kalina. Ich erteile es ihm.

 


18.59.19

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zu Beginn nur zur Erinnerung: Es geht hier zwar im Verhältnis zur Gesamtgruppe von Menschen in Österreich, die Betreuung und Pflege bedürfen, eigentlich nur um eine sehr kleine Gruppe, aber es geht eben um eine Gruppe, die in einer sehr schwierigen, in einer sehr besonderen Form betreuungs­bedürftig und manches Mal eben auch pflegebedürftig ist und für die die Politik in Österreich nach vielen Jahren des Ignorierens jetzt endlich eine Lösung gefunden hat. Das sollte man zu Beginn feststellen.

Aber worum geht es heute hier? Geht es hier um Freude am Gestalten, an Verbes­serungen für die Menschen? Geht es um Pflege und Betreuung von Senioren und Kranken? Mein Eindruck ist, dass wir leider alle drei Fragen mit Nein beantworten müssen, denn es geht um Wahlkampf, um ganz billige Wahlkampfmunition für einen absolutistischen Fürsten, der um seine absolutistische Mehrheit bangt. Das steckt hinter dem Theater, das die ÖVP hier herinnen seit zwei Tagen aufführt! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Eine Unterstellung!)

Aber das müssen Sie sich ja dann intern ausmachen, ob das alle mittragen! (Bun­desrätin Roth-Halvax: Das habe ich mir nicht intern auszumachen! Sie haben Ihre Wortwahl zu zügeln! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zunächst doch auch noch einmal zur eigentlichen Sache: Nach den sieben Jahren der schwarz-blau-orangen, bunten Regierung – das Problem wurde geleugnet, es wurde verdrängt; Sie wissen, Ihr amtierender Realparteiführer hat ja gesagt, es gibt gar keinen Pflegenotstand für diese Gruppe, obwohl er selbst schwer betroffen war – packt diese Regierung nach der Abwahl Ihres damaligen Bundeskanzlers endlich das Prob­lem an. Sie geht es gemeinsam an. Herr Bundesminister Buchinger natürlich als Federführender, aber auch Minister Bartenstein, der eine gewisse Zuständigkeit für diesen Bereich hat, und natürlich auch Finanzminister Molterer, der ja den eigentlichen Punkt, den wir heute hier besprechen und verhandeln, nämlich die Artikel-15a-Verträge betreffend die Pflege, haben mit den Bundesländern verhandelt. Das heißt, es ist eine


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Bundesregierung – natürlich nach dem Wechsel der Führung von der ÖVP zur SPÖ! – in einer einhelligen und gemeinsamen Art daran gegangen, dieses für viele Leute so schwierige Problem endlich einer legalen und leistbaren Lösung zuzuführen.

Ich glaube, der Herr Bundesminister wird Ihnen sicherlich im Detail erläutern, was diese Lösung alles zu bieten hat. Von mir hier schon: Es gibt genug Publikationen – jetzt schon! –, Informationen in Zeitungen, auf den Homepages des Finanzminis­te­riums, selbstverständlich des Sozialministeriums, des Wirtschaftsministeriums (Zwi­schenruf der Bundesrätin Roth-Halvax), der diversen Hilfsorganisationen. Dort sieht man – und dabei möchte ich es belassen –, dass die Sache legal wird, und vor allem, dass sie für die Betroffenen, die ja schwer betroffen sind, eben auch leistbar wird.

Das führt mich schon wieder zurück: Diese Artikel-15a-Vereinbarungen, die heute hier auf der Tagesordnung stehen, hat, natürlich in Absprache mit Sozialminister Buchin­ger, Finanzminister Molterer, ÖVP-Obmann und Vizekanzler, verhandelt. Aber darum geht es der ÖVP offensichtlich nicht! Es geht, wie gesagt, um den Wahlkampf in Niederösterreich. Landeshauptmann Erwin Pröll möchte kurz vor der Wahl endlich wieder einmal nach sieben harten Jahren, wo das gar nicht so leicht möglich war, als guter Onkel dastehen. Er möchte sich von Ihrer Politik distanzieren, von sieben Jahren Herzlosigkeit und Menschenferne, in denen die Leute nur belastet wurden, in denen dieses Problem ignoriert wurde. Davon möchte er sich distanzieren. – Das ist der Hintergrund des Theaters, das hier stattfindet.

Dazu erhält er bedauerlicherweise Schützenhilfe von Ihrem Klubobmann. Aber dazu muss man auch ein paar Worte zu Niederösterreich sagen, weil das die Kollegin von den Grünen vorher auch schon getan hat. Bis vor Kurzem, bis vor wenigen Tagen hat genau dort, wo jetzt Erwin Pröll den guten Onkel spielen möchte, das strengste und herzloseste Reglement für diese Sachen gegolten. Was ist passiert, wenn die Mama pflegebedürftig war? – Eigene Pension: weg, Haus: weg, Vermögen: weg, Einkommen der Kinder: eingezogen und manches Mal sogar gepfändet. – Das war die Lösung, die in Niederösterreich bis vor wenigen Tagen gegolten hat (Bundesrätin Roth-Halvax: Und was ist in Salzburg, in der Steiermark und sonst wo?) und gegen die die SPÖ Niederösterreich – die, die von uns sind, wissen das – zig Anträge im Nieder­öster­reichischen Landtag eingebracht hat, dass man das abschaffen möge. Nein, das hat Erwin Pröll nicht gemacht! Das hat er nicht gemacht. Das wurde vom gar nicht guten Onkel in den letzten sieben Jahren immer abgeschmettert. (Bundesrätin Roth-Halvax: Ihre Diktion ist unerträglich!)

Deswegen muss man sich dafür bei Heidemaria Onodi und bei der SPÖ Nieder­österreich bedanken, die jahrelang dafür Druck gemacht haben, dass es jetzt kurz vor der Wahl doch so weit gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) – Es kommt noch mehr, nur nicht aufregen!

Wie heißt das Sprichwort? – Am Abend wird der Faule fleißig. – Ein altes Sprichwort. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Für Niederösterreich heißt das vielleicht: Vor der Wahl wird selbst der härteste Stahlhelm rostig. – Das ist offensichtlich das Motto, das sich dort abspielt. Oder sie werden weich, was auch immer Stahlhelme werden können. Ich weiß es nicht, ich habe ja keinen auf. Das sind ja Ihre Parteifreunde dort.

Was braucht man dann dazu? – Man braucht einen Außenfeind. Das ist immer der alte Schmäh. Dann zieht dieser Landeshauptmann eine Show ab, die in Österreich meiner Meinung nach in der Politik noch nicht da war. (Bundesrat Mag. Himmer: Da dürften Sie der Experte sein!) Er nimmt sich zwar pro forma den Sozialminister, der unserer Fraktion angehört und der dieses Problem endlich gelöst hat, vor, aber die Wahrheit ist: Es ist dies eine ungeheuerliche Illoyalität des niederösterreichischen Landeshaupt­mannes gegen die eigene Regierung, gegen die eigene Partei und gegen den eigenen


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Parteiobmann Molterer! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Him­mer: Das können Sie unsere Sorge sein lassen! Das kriegen wir intern auf die Reihe! – Bundesrat Wolfinger: Wir sind im Bundesrat! Wir brauchen das nicht von der SPÖ!)

Machen wir ein Quiz! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Herr Bundesrat Kalina!

 


Bundesrat Josef Kalina (fortsetzend): Wer hat das gesagt? (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) 13. Juni: „Nun ist garantiert, dass Menschen in vertrauter Umgebung zu Hause in der Familie legal und leistbar gepflegt werden können.“ – Quiz an die ÖVP-Fraktion! – Molterer hat das gesagt! ÖVP-Pressedienst, Wilhelm Molterer, 13. Juni. So schaut es aus!

Wir haben die Amnestie ein zweites Mal gemeinsam verlängert, um eben diese Re­gelung, so wie sie jetzt ist, ordentlich hinzubringen. Danach, schon im Oktober, wieder eine Aussendung des ÖVP-Pressedienstes. Sie wissen, es geht um den Finanz­ausgleich; der Finanzminister hat da etwas verhandelt, ganz in Ordnung, und er sagt stolz: Der Finanzausgleich macht es möglich, dass ich Ihnen heute – bitte, dem eigenen Parteiobmann zu lauschen! – die Zukunftsperspektiven für unser Land präsen­tieren kann.

Als Beispiele nannte er fünf Bereiche, und als zweiten Bereich schon: Die wichtigsten Zielsetzungen sind sichergestellt. Die 24-Stunde-Pflege, dass jeder zu Hause bleiben kann, ist sichergestellt. – Wilhelm Molterer, im Oktober.

Und noch besser: Im „Mittagsjournal“ am 8. Dezember gab es ein sehr langes Interview im „Journal zu Gast“. Da wird Molterer vom ORF gefragt: Herr Vizekanzler, nach dem ganzen Vorspiel, was übrig bleibt: Die Schwarzen stimmen beim Ministerrat zu, um dann die Roten zu ärgern und zu sagen, okay, das war vielleicht eine Fehl­entscheidung. – Also, Kollege Aigelsreiter vom ORF hat schon begriffen, worum es geht. – Molterer bestreitet das.

Dann sagt der Kollege vom ORF: Na gut, ich halte fest: Verlängerung der Amnestie heißt so viel wie: Das neue Gesetz ist schlecht. – Was sagt daraufhin Herr Vizekanzler, Finanzminister, ÖVP-Parteiobmann Molterer? – Nein, Herr Aigelsreiter, das stimmt eben nicht! Das Modell, dass wir hier selbständige und unselbständige Betreuungs­möglichkeiten geschaffen haben, das ist okay. – 8. Dezember, Wilhelm Molterer.

Was haben wir dann noch? – Zwei Tage danach Erwin Pröll: Herzlos, soziale Kälte pur, eine Schande für einen Finanzminister und eine Schande für das Land. Belas­tungen, die Regelung hält nicht. – Das ist die ÖVP, wie sie sich heute präsentiert. Der zieht gegen die eigene Bundesregierung zu Felde! (Rufe bei der ÖVP: Finanz­minister?! – Bundesrat Schöls: Zitieren Sie die Zitate richtig!) – Ach so, ja, es steht „Sozialminister“ da, aber er meint „Finanzminister“! Das ist der Unterschied. (Rufe bei der ÖVP: Ah!) Das stimmt.

Aber er konnte nicht alle überzeugen, denn Herr Bundesminister Bartenstein hat da­nach eine Broschüre herausgegeben. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dieser teilt die Meinung des niederösterreichischen Landesfürsten nicht. Er sagt, es ist nicht herzlos, es ist nicht soziale Kälte pur. Er sagt: „Die vorliegende Broschüre gibt einen Überblick über die neuen arbeits- und gewerberechtlichen Bestimmungen“ und so weiter und so fort. „Für klare und sichere Verhältnisse. Für Betreuung, die Maß am Menschen nimmt.“ – Das sagt Bartenstein.

Pröll sagt, „herzlos“, Pröll sagt, „kalt“. Was ist da los in der ÖVP? – Waltraud Klasnic schickt via ÖVP-Pressedienst aus, wie toll die Lösung ist! Und – das ist der Punkt –,


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wenn man auf der ÖVP-Homepage ist, kommt man mit einem Mausklick auf eine Organisation, die Ihnen auch nahesteht, zum Hilfswerk Österreich, einer tollen Organi­sation.

Dort finden Sie Folgendes – wenn Sie das nicht wissen, dann sagen es die Nieder­österreicher vielleicht Pröll weiter; ich kenne ja nicht alle und weiß nicht, aus welchem Bundesland Sie sind – : „Die wichtigsten Ergebnisse“ der Lösung, wie sie jetzt die Bundesregierung gemeinsam gefunden hat, wie sie der Nationalrat schon beschlossen hat. Was sind die wichtigsten Ergebnisse? Diese loben Niederösterreich und Vorarl­berg, welch Wunder, ÖVP! Aber, zweiter Punkt: „Bereits ab einem Einkommen von jährlich 20 000 € ist die legale Betreuung in ganz Österreich billiger als die illegale Betreuung.“

Also, was ist los? Warum kann man das nicht beschließen? Warum soll das nicht in Kraft treten? Sagen Sie es mir! Es ist billiger, sagen Bartenstein, Molterer, das Hilfs­werk, Klasnic. Warum soll das nicht in Kraft treten? Warum sollen wir das verzögern? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht nur um eine einzige Geschichte: Das ist der Landtagswahlkampf in Niederösterreich. Das ist der Versuch des Erwin Pröll, sich von diesen sieben herzlosen Jahren unter Schwarz-Blau zu absentieren, und das auf Kosten sogar der eigenen Partei. Und dabei machen wir nicht mit!

Sie müssen nur schauen, was Pröll da dem eigenen Regierungspartner in Österreich dann wörtlich ausrichtet – das spottet, wie gesagt, jeder Beschreibung.

Ich kann Ihnen bei diesem wichtigen Thema nur sagen: Passen Sie auf!

Vielleicht erklärt uns heute hier jemand das, was im „Kurier“ von morgen schon steht, nämlich dass Sie sogar überlegt haben auf Druck der niederösterreichischen ÖVP, dem gar nicht zuzustimmen, das zu verzögern, was dazu führen würde, dass die Leute ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Wo hast du das schon wieder her?) – Das steht in der Zeitung! Sie können es ja dann erklären, ich bin ja vor Ihnen dran. (Bundesrat Mag. Baier: Sie glauben alles, was in der Zeitung steht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin ohnehin gespannt. Sie brauchen das ja nur zu lesen, das liegt ja auf.

Ich sage Ihnen zum Abschluss nur eines: Passen Sie hier herinnen auf! Machen Sie nicht mit! Lassen Sie sich von der niederösterreichischen ÖVP nicht in den Landes­wahlkampf hineinziehen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Passen Sie auf, dass bei den von Erwin Pröll eingeforderten und von Schüssel unterstützten Tricksereien nicht die zu Pflegenden auf der Strecke bleiben! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

19.12


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Bieringer. Ich erteile es ihm.

 


19.12.47

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Kalina, Sie haben heute hier zweimal gesprochen. Ich würde Sie eindringlich bitten: Lassen Sie Ihren Parteijargon in der Parteizentrale! Schicken Sie Ihre Meldun­gen hinüber, der andere soll sie herüberschicken! Dort gehört es hin, aber nicht hier in den Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind es hier gewohnt, sachlich zu diskutieren, und ich werde mich auch bemühen, hier wirklich sachlich zu sein, und werde auf den Boden der Realität beziehungsweise zu den Fakten zurückkehren.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, was Pflege heißt, ich weiß, was Altenbetreuung heißt und alles, was dazugehört. Ich bin Bürgermeister einer 11 600 Einwohner zählen­den Gemeinde. In meiner Gemeinde gibt es 114 Pflegebetten, das heißt, für 100 Ein-


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 12

wohner steht ein Pflegebett zur Verfügung. Zeigen Sie mir eine Gemeinde in der Größenordnung, die das aufweisen kann!

Ich habe aber auch alle anderen nach heutigem Wissensstand für die Alten- und Pflegebetreuung vorhandenen Institutionen und Einrichtungen. Auf diese bin ich stolz! Und bevor der Herr Bundesminister für Soziales dieses wurde, hat er bei mir die Seniorentagesbetreuungsstätte eröffnet und hat dort erklärt: Wals-Siezenheim ist auf dem Gebiet der Senioren- und Krankenbetreuung Spitze im Land Salzburg! – Darauf bin ich stolz, nicht nur, weil das der heutige Sozialminister gesagt hat, sondern weil es stimmt und wir hier wirklich keine Kosten und Mühen gescheut haben, um den älteren Mitbürgern das zu geben. Aber es sind ja leider nicht nur ältere, sondern auch sehr viele junge; wir haben in unserer Betreuungseinrichtung auch einen 36-Jährigen und einen 46-Jährigen, der Pflege rund um die Uhr braucht. Da ist es gut, wenn man so etwas hat.

Nur: Wenn ich mich damit zufriedengeben würde, wäre ich kein christlich-sozialer Politiker. Ich habe daher danach getrachtet, soweit wie irgendwie möglich, zum Teil auch mit Freiwilligen, eine Betreuung für kranke Mitbürger einzuführen.

Sie können mir daher glauben, dass ich hier nicht aus irgendwelchen populistischen Gründen, sondern deshalb, weil mir das wirklich eine Herzensangelegenheit ist, spreche, weil das Menschen sind, die unsere Hilfe und unsere Unterstützung brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte beim besten Willen nichts davon, wenn wir hier große Worte sprechen und ab 1. Jänner 2008 etwas eintritt, wo eine Verunsicherung in der Bevölkerung und ins­besondere bei den Ärmsten der Armen herrscht, nämlich jenen, die Pflege brauchen, die ohne Rund-um-die-Uhr-Pflege nicht mehr das Auslangen finden.

Ich verstehe es daher nicht, warum wir uns nicht darüber einigen können, dass diese Amnestie, Herr Bundesminister, bei der du dafür bist, dass sie bis zum 31. Dezember dieses Jahres gelten soll, weiterhin gilt, zumal wir noch nicht soweit sind – was passieren kann; Rom ist auch nicht an einem Tag erschaffen worden!

Ich bin daher sehr erstaunt darüber – und ich gebe da der Vizepräsidentin Haselbach recht –, dass in den letzten zwei Tagen hier eine Hektik eingesetzt hat, wie ich sie in den immerhin 23 Jahren, wo ich die Ehre habe, diesem Hohen Hause anzugehören, noch nie erlebt habe. Wir haben viermal denselben Ausschuss gehabt. Weil wir uns nicht mehr anders wehren konnten, haben wir bei der letzten Ausschusssitzung den Sitzungssaal verlassen. Wir haben den Saal deswegen verlassen, weil wir auf die Ernsthaftigkeit, die wir in diesem Beschluss sehen, hinweisen wollten. Wir wollten darauf hinweisen, dass wir nur dann sagen können: Jawohl, wir stimmen dem zu, was vereinbart wird oder vereinbart worden ist, aber wir brauchen, wenn Sie so wollen, einen Sicherheitsanker!

In der Koordinationssitzung, die jeden Dienstag vor einem Ministerrat stattfindet, wurde am vergangenen Dienstag zwischen den Klubobmännern der beiden Regierungs­frak­tionen und den Klubdirektoren, die da immer anwesend sind – und der Klubdirektor der SPÖ-Fraktion führt dort das Protokoll – vereinbart, dass der beiliegende Ent­schließungsantrag in den Ausschussberatungen des Bundesrates vorgelegt wird und im Bundesrat angenommen wird.

Ich war daher bass erstaunt, als mir Kollege Konecny mitgeteilt hat, dass diese Ver­einbarung nicht hält. Und ich war noch mehr verwundert, nachdem mir mitgeteilt wurde, dass in dieser Sitzung der Herr Bundesminister für Soziales dreimal vom Kollegen Cap angerufen wurde und nach dem dritten Anruf Cap bestätigt hat, dass Bundesminister Buchinger diesem Antrag zustimmen werde.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 13

Wir waren dann noch erstaunter, dass es gestern nach dem Ministerrat geheißen hat, der Herr Sozialminister wisse davon nichts. Ich will hier nicht unterstellen, dass jemand nicht die Wahrheit sagt, aber ein bisschen Verwunderung, lieber Herr Bundesminister, darf ich hier schon äußern.

Nach langen und reiflichen Überlegungen in der ÖVP-Fraktion muss ich sagen – meine Damen und Herren von der SPÖ, wir von der ÖVP-Fraktion nehmen auch nicht alles leicht oder nehmen alles als „gegessen“ hin, wir diskutieren zum Teil sehr heftig und emotional –: Wir bilden uns eine Meinung, und zu dieser Meinung stehen wir! Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass wir den Entschließungsantrag, der zwischen den beiden Regierungsparteien auf Klubebene akkordiert ist, beim Parlamentsklub der Sozialdemokraten und beim Parlamentsklub der ÖVP akkordiert ist, durch den jewei­ligen Klubvorsitzenden vertreten, heute noch einmal einbringen. Und wir laden unsere Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion ein, diesem Ent­schließungsantrag beizutreten.

Ich darf daher im Wege der Debatte zur Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Bieringer, Sissy Roth-Halvax, Kolleginnen und Kollegen

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Das Pflege-Übergangsgesetz (Amnestie) bezieht sich auf Verwaltungsstrafen im Zusammenhang mit der illegalen Beschäftigung von Betreuungspersonen. Es stellt sicher, dass die illegale Beschäftigung von Betreuungspersonen vor dem 1. Jän­ner 2008 durch die Verwaltungsstrafbehörden nicht geahndet werden kann. Ausländer­beschäftigungsrechtlich ist durch eine Verordnung zum Ausländerbeschäftigungs­ge­setz sichergestellt, dass Angehörige der neuen Beitrittsländer ausländerbeschäfti­gungsrechtlich legal in Österreich eine 24-Stunden-Betreuung vornehmen können.

Für den Fall, dass nach dem 1. Jänner 2008 nicht angemeldete Betreuungspersonen tätig sind, geht der Bundesrat davon aus, dass die Verwaltungsstrafbehörden in einer Übergangsphase die schwierige Situation betreuungsbedürftiger Menschen berück­sich­tigen und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Verwaltungs­straf­gesetzes von der Bestrafung absehen werden.

Hinsichtlich der schon bisher nicht amnestierten Beitragsleistungen zur Sozialver­siche­rung und der möglichen Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche ist festzustel­len, dass es bisher keine Nachforderungen oder arbeitsrechtliche Klagen gegeben hat. Für die Zukunft geht der Bundesrat deshalb davon aus, dass es solche Nachforde­rungen auch weiterhin nicht geben wird, weil das Auslaufen des Pflege-Übergangs­gesetzes dazu keinerlei Anlass gibt. Der Bundesrat geht weiter davon aus, dass die Krankenversicherungsträger und die KIAB weder entsprechende Schwerpunktaktionen setzen noch die Legalisierung bisher illegaler Betreuungspersonen zum Anlass für Nachforderung nehmen werden.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 14

Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung, durch objektive Information und Unter­stützung der Betroffenen, die Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung auf eine akzep­tierte Basis zu stellen.

Der Bundesrat geht weiters davon aus, dass in jedem Fall Härten für die Betroffenen unter Ausschöpfung der im Gesetz vorgesehenen Nachsichtsmöglichkeiten im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung vermieden werden.

Die zuständigen Bundesminister (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend) werden daher ersucht, auf die Verwaltungsbehörde und die Sozialversicherungsträger im Wege des Hauptverbandes im Rahmen ihrer Kompetenzen dahingehend einzuwirken, dass diese im oben darge­stellten Sinne vorgehen.“

*****

Ich darf Ihnen, Herr Präsident, diesen Entschließungsantrag übergeben, den ich hiemit eingebracht habe.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie! Ich bitte Sie eindringlich: Überlegen Sie es sich noch einmal! Treten Sie diesem Entschließungsantrag bei! Ich glaube, dass es dadurch für jene, die betroffen sind, nicht die hundertprozentige, aber eine gewisse Sicherheit gibt. Und ich glaube, wir sind dazu da, dass wir alles daransetzen, dass wir für die Bevölkerung unserer wunder­baren Republik Sicherheit schaffen und dieser Sicherheit geben.

In diesem Sinne bitte ich Sie noch einmal: Treten Sie unserem Entschließungsantrag bei! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

19.27


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühl­werth. Ich erteile ihr das Wort.

 


19.27.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wenn man dieser Debatte bisher gefolgt ist, muss man sich schon wundern: Wer hat jetzt eigentlich diese Vereinbarung im Nationalrat beschlossen? – Doch wohl die SPÖ und die ÖVP!

Jetzt plötzlich kommen Sie von der ÖVP drauf, dass das vielleicht doch nicht so passt und wollen es nicht mehr in dieser Form. Das scheint Usus zu sein in dieser Regierung. Ununterbrochen segnet irgendjemand im Ministerrat und im Nationalrat etwas ab, um nachher draufzukommen, dass es so, wie er seine Stimme abgegeben hat, doch nicht passt. – Das ist wirklich eine erbärmliche Arbeit einer Regierung, wo ich sagen muss: Ich kann mich nicht erinnern – und wir haben die Regierungen schon oft kritisiert –, dass es jemals so schlimm war wie jetzt!

Sie vergessen immer dabei, dass Sie das alles auf dem Rücken der Betroffenen austragen.

Wenn man sich heute angehört hat, was Kollegin Kerschbaum vorgelesen hat, nämlich die Debattenbeiträge von ÖVP und SPÖ, möchte man meinen, dass es hier ja ohnehin eine Einigung geben muss. Die Unterschiede sind nicht groß, eigentlich wollen alle das Gleiche. Also, wo ist jetzt das Problem?

Kollege Kalina hat allerdings in seiner Rede schon gezeigt, dass die Verantwortung hin- und hergeschoben wird und dass hier auch eine offensichtlich bestehende gegenseitige Abneigung zum Ausdruck kommt.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 15

Das alles – ich betone es noch einmal – auf dem Rücken der Betroffenen! Und das kann es eigentlich nicht sein!

Es ist auch schon gesagt worden, dass wir von einer relativ kleinen Gruppe sprechen. 80 Prozent der zu pflegenden Personen werden zuhause betreut. Gott sei Dank! Und den Familienmitgliedern, die ihre Angehörigen pflegen, kann man gar nicht genug dafür danken, denn wir stünden vor einer finanziellen Katastrophe, wenn es nicht so wäre. Die Pflege in einem Heim rund um die Uhr kostet durchschnittlich 3 000 €. Ungefähr dasselbe kostet es, wenn man die Betroffenen zuhause pflegt. Das geht aber natürlich nur aufgrund einer geringen Bezahlung und bei sehr langen Arbeitszeiten.

Die Amnestie, die hier jetzt so beschworen wird, ist keine Sicherheit, dass nicht einer der illegal beschäftigten Pfleger klagt. Die schützt ja nur vor verwaltungs­straf­recht­lichen Reformen; darauf hat mich das letzte Mal auch der Herr Minister extra hinge­wiesen. Und es gibt auch keine Garantie dafür, dass die Krankenkassen die Betroffenen nicht auffordern, ihre Beiträge zu zahlen.

Es gibt mit der Pflegeamnestie keinerlei Garantie dafür, dass das nicht passiert. Gott sei Dank ist noch keiner auf die Idee gekommen, diesbezüglich tätig zu werden.

Wir können uns nicht einverstanden erklären, dass wir sagen: Ja, die Pflegerinnen aus Osteuropa sollen hierher kommen, die bekommen weniger und daher können sich die Leute die Pflege jetzt leisten.

Und das ist jetzt überhaupt nicht ausländerfeindlich. Sonst schreien Sie immer und sagen: Man kann nicht so sein! Aber hier nehmen Sie ein Preisdumping ausländischer Arbeitskräfte offensichtlich ganz bewusst in Kauf. Ich bin bei Ihnen, wenn ich sage: Ja, die legale Pflege muss auch leistbar sein!

Da sind wir wieder beim eigentlichen Punkt: Dafür werden wir Geld in die Hand neh­men müssen! Es geht nicht ohne Geld. Ich kann nicht sagen: Ja, wir wollen die Leute pflegen, aber das Geld dafür geben wir nicht her! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Sie können sich beide, ÖVP und SPÖ, an der Nase nehmen! Sie haben jetzt ein Jahr lang Zeit gehabt, einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Geschehen ist nichts! Sie haben sich Unfreundlichkeiten über die Medien ausgerichtet, und am Ende stehen jetzt die Betroffenen da und können nur hoffen, dass nichts passiert. Aber die haben auf jeden Fall unser Mitgefühl. Und es ist leider nicht davon auszugehen, dass sich die Praxis demnächst ändern wird.

Wie lange wollen Sie das jetzt eigentlich noch verlängern? Noch ein halbes Jahr, dann noch einmal ein halbes Jahr? – Die Streitereien werden ja deswegen nicht aufhören.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrätin Mühlwerth betreffend soziale und rechtliche Absicherung der pflegen­den Angehörigen

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu setzen, um

1. neben der Fördermöglichkeit ab der Stufe 3 auch für alle anderen Pflegestufen unter der Stufe 3 nach einer Bedarfsprüfung eine Fördermöglichkeit für die Betreuung vorzusehen,

2. der Scheinselbstständigkeit vorzubeugen,


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 16

3. für den, von Regierungsvertretern in Abrede gestellten, doch eintretenden Fall einer Klage auf Anerkennung als Arbeitnehmer einen Amtshaftungsanspruch zu gewähren,

4. im Falle der Pflege- und oder Betreuungsdürftigkeit, ebenso wie bei Krankheit und Unfall, die Einkommens- und Vermögensgrenze im Sinne einer Solidarleistung entfal­len zu lassen,

5. den Förderwerber mit einem Rechtsanspruch auszustatten.“

*****

Ich bitte Sie um Unterstützung!

19.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der vorhin von Herrn Bundesrat Bieringer eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der soeben von Frau Bundesrätin Mühlwerth gestellte Entschließungsantrag trägt nur eine Unterschrift und ist somit nicht genügend unterstützt.

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Bundesrätinnen und Bundes­räte, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, dies also nicht bereits durch die Unterschrift zum Ausdruck gebracht haben, um ein Handzeichen. – Das ist die ausreichende Unterstützung. Der Antrag steht somit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Seitner. – Bitte.

 


19.34.17

Bundesrätin Renate Seitner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung schaffen wir endlich ein legales Pflegemodell. Wir haben in den bisher gehaltenen Reden schon gehört, dass rund 3 bis 4 Prozent der zu Pflegenden unter die davon betroffene Gruppe von Menschen fallen. Jeder einzelne Fall, jeder einzelne Betroffene leidet selber und auch seine Familie. Es ist ein großes Leid beziehungs­weise ein großer Schmerz, wenn man mit ansehen muss, wie lange oft solche Pflegezeiten und Betreuungszeiten dauern, und es ist wichtig, dass da auch wirklich persönliche Zuwendung und Ansprechpartner vorhanden sind.

Mit diesem Modell, bei dem sehr viele Menschen mitgearbeitet haben, wo die Inter­essenvertretungen eingebunden waren, die Gemeindevertreter eingebunden waren, die Ländervertreter eingebunden waren, hat Sozialminister Buchinger ein Modell ge­schaffen, wo man als Betroffener – und ich weiß, wovon ich spreche – mit ruhigem Gewissen dieses unterstützen kann. Es ist erstmals ein Modell, das doch in einem gewissen Rahmen auch leistbar ist. Es ist ein Modell, das positiv zu sehen ist für diejenigen, die betreut werden müssen und Betreuung brauchen. Es ist aber auch ein Modell, das für die Betreuerinnen Rechtssicherheit schafft. Und das ist mir als einer Gewerkschafterin ebenfalls sehr wichtig.

Es ist sehr scheinheilig, nur weil in einem Bundesland Wahlkampf ist, mit Argumenten zu kommen, dass die Förderung auf einmal zu wenig ist. Gerade das Land Nieder­österreich hat sehr restriktive Regressforderungen. Das haben wir vorhin ja schon gehört; und als Niederösterreicherin kann ich das nur bestätigen.

An die Kollegen der ÖVP-Fraktion sei Folgendes gerichtet: Wenn wir so viel Geld in Niederösterreich haben, das wir so verteilen können, dann frage ich mich, warum ich aus verschiedenen Pflegeorganisationen höre – und darunter ist auch das Hilfswerk –, dass 16 Millionen € an Fördergeldern von Seiten des Landes Niederösterreich an diese


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 17

Hilfsorganisationen für Pflegeleistungen, die schon getätigt worden sind, nicht ausbe­zahlt worden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht auch noch eines zum Kollegen Bieringer. Wir schaffen Sicherheit, nämlich Rechtssicherheit mit dem Beschluss dieses Gesetzes – und dazu stehen wir heute da und dafür arbeiten wir! (Beifall bei der SPÖ.)

An der Ernsthaftigkeit so mancher Kollegen und Kolleginnen der ÖVP-Fraktion muss ich auch zweifeln. Ich hatte sozusagen die Ehre, an der Ausschusssitzung teilzu­nehmen. Das Verhalten der Kollegen und Kolleginnen dort war wahrlich ein jämmerliches. Ich habe das so empfunden. Ich bin seit vielen Jahren politisch tätig und mit ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie haben keine konkreten Argumente vorgebracht.

An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei den MitarbeiterInnen des Sozial­ministeriums bedanken, die wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet haben, die bestens informiert haben, die uns sehr deutlich dargestellt haben, dass es drei Arbeitsgruppen gibt, die auch weiterarbeiten. Und wir können nur dann weiterarbeiten und dieses Gesetz evaluieren, wenn wir dieses Gesetz beschließen, wenn dieses Gesetz mit 1. Jänner in Kraft treten kann. Wir können nur dann eine Qualitätssicherung garan­tieren, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt. Und wir können nur dann entsprechende Kon­trollen durchführen und vor allem auch den betroffenen Menschen garantieren, dass sie auf legale Art und Weise betreut und gepflegt werden, wenn das umgesetzt wird.

Es ist einfach menschenunwürdig, zwei Systeme aufrechtzuerhalten, nämlich ein lega­les und ein illegales System. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne bin ich auch sehr froh darüber, an dieser Stelle zu stehen – ich bin knapp ein Jahr in diesem Haus; diese Tätigkeit hier ist sehr interessant –, aber ich muss schon sagen: Mit Verwunderung habe ich festgestellt, dass gewisse Argumen­tationen und gewisse Verhandlungen oft sehr unsachlich geführt werden! (Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.)

Umso mehr freut es mich wirklich, wenn wir heute dieses Gesetz beschließen können. In diesem Sinne: Danke an Minister Buchinger und danke vor allem auch an die MitarbeiterInnen des Sozialministeriums! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

19.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Zwazl zu Wort gemeldet. Ich mache ausdrücklich auf die bekannten Be­stimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte.

 


19.40.19

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Ich habe während Ihrer Wortmel­dung Herrn Dr. Strasser angerufen und ihn gefragt, ob Ihre Aussage stimmt, und er hat gesagt, sie stimmt nicht. Es hat vorige Woche eine Vereinbarung mit ihrem Landesrat Schabl und mit Frau Landesrätin Bohuslav gegeben, und für 2008 ist die Finanzierung nicht nur vom Hilfswerk, sondern für alle Hilfsorganisationen gewährleistet. Also das Land Niederösterreich ... (Bundesrat Boden: Gewährleistet, aber nicht ausbezahlt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Dr. Strasser hat gesagt, es ist nichts offen, und für 2008 ist sogar ein größerer Polster, und zwar nicht nur an das Hilfswerk, sondern an alle niederösterreichischen Hilfsorganisationen gegangen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

19.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Schennach.

 



BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 18

19.41.22

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Frau Kollegin Seitner, Sie haben hier am Red­nerpult Ihrer Verwunderung über Vorgänge, parlamentarische Vorgänge, die an sich ganz normale parlamentarische Vorgänge des Versuchens von Positionsfindungen sind, Ausdruck verliehen. Wissen Sie, worüber ich mich wundere? – Wie locker in den letzten zwei Tagen hier Eingriffe in die Verfassung gemacht wurden. Es ist ver­wunderlich, wie locker man hier mit Grund- und Freiheitsrechten umgegangen ist; kein Problem, da findet man sich sofort.

Aber wenn es ums Leben geht, um das wirkliche Leben geht, da wird es auf einmal schwierig. Ein bekannter Publizist hat geschrieben: Warum haben wir das Gefühl, dass dieses Phänomen namens Politik in Österreich mit unserem Leben nichts zu tun hat, obwohl es oft um Lebensthemen schlechthin geht? – Die Pflege ist in einem Land alter Leute bei Gott ein Stück sehr harter Realität.

Ich erinnere daran – das war, glaube ich, sogar ich, oder die Kollegin Lichtenecker –, dass wir hier vor gar nicht so langer Zeit gestanden sind und gesagt haben, es gibt einen Pflegenotstand in diesem Land. Und wissen Sie, was damals der Bundeskanzler gesagt hat? – Es gibt keinen Pflegenotstand!

Dann kam es zu einem Vorschlag, den man nur mehr als eine Scheinlösung bezeich­nen kann. Können Sie sich noch daran erinnern, dass man den Menschen gesagt hat, es werde eine Regelung geben: 3 000 € monatlich für Vollpflege!? – Und dann die Lösung der Amnestie. Ich bin ja nicht jemand, der einem Regelungswahn unterliegt, und ich finde, dass manche Menschen für sich Lösungen gefunden haben, wo sich tatsächlich die Frage stellt, ob man nicht vielleicht diese Lösungen, die die Menschen gefunden haben, um mit diesem Pflegenotstand in Österreich individuell fertig zu werden, hätte belassen sollen.

Wir haben immer schon gesagt: Das mit dieser Pflegeamnesie, begrenzt bis Jah­resende, das geht sich nicht aus! Das haben wir vor einem halben Jahr gesagt, das haben wir vor wenigen Monaten gesagt, und ich sage es auch heute: Das geht sich nicht aus! Und wir sollten Menschen, die in einer hilfsbedürftigen Situation sind, nicht in unnötige Zwangssituationen und Härtesituationen drängen. Und diese Pflege­am­nesie ... (Bundesrat Konecny: Die „Amnesie“ hat der Herr Schüssel gehabt! – Heiter­keit bei der SPÖ.) – Nein, der Terminus heißt „Pflegeamnesie“. Lieber Kollege Konecny, den Terminus haben wir, aber wir können auch sagen: die Amnesie gegenüber der illegalen Beschäftigung.

Ich habe hiermit kein Problem. Herr Schüssel hat immer eines nicht gesagt, aber Herr Sozialminister Buchinger hat es gesagt, und es war dann plötzlich Rauschen im Wald, nämlich, dass das für einen Teil nicht gilt, nämlich für die Ansprüche der Sozial­versicherungen. Da geht das ja gar nicht. Und diese könnten, wenn sie wollten, fünf Jahre zurückfordern. Das heißt, man hat auch hier, wie man gesagt hat, eine Lösung bis Ende des Jahres gefunden, eine Scheinlösung gefunden.

Wir haben, Kollege Bieringer, in den letzten Tagen heftig diskutiert. Ich habe immer gesagt: Mir geht es aber auch darum, als parlamentarisches Gremium nicht Verwal­tungsbehörden aufzufordern, einen Gesetzesbruch zu machen! (Beifall bei Grünen und SPÖ.) Auch wenn ich hier für ein Gesetz eine Gegenstimme abgebe, gilt es auch für mich, und es muss somit auch für Behörden im Vollzug gelten.

Das Nächste, und da bin ich konsequent in der Diskussion, wie jetzt beim Asylgerichts­hof oder beim Sicherheitspolizeigesetz: Was ich nicht will, ist eine Vermischung von


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 19

Exekutive, Legislative und Gerichtsbarkeit. Wir können den Gerichten von hier nichts ausrichten, weil wir hier die Legislative sind. Und es gehört zu den Grundfesten des Staates, dass wir hier keine Vermischungen haben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Aber wir wollen eine Lösung, wir wollen nicht, dass das am 31. Dezember 2007 so in Kraft tritt, weil die Voraussetzungen, wie sie in Kraft getreten ist, nur die halbe Wahrheit waren. Und, lieber Kollege Kalina, die alten Menschen, die auf den Homepages Ihrer Institutionen herumturnen (Heiterkeit bei der ÖVP), halte ich für eine Zumutung. Diese Information hat in dieser Form nicht stattgefunden. Hier alte Menschen auf Homepages zu verweisen, halte ich geradezu für eine Verhöhnung der Menschen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie können nicht leugnen, dass es eine Verunsicherung gibt. Oder sind Sie nur im Zentralsekretariat der SPÖ zu Hause? Wenn Sie heute irgendwo in eine Veranstaltung gehen oder wenn Sie zumindest betreuende Personen kennen – und in diesem Land kennt man sehr, sehr schnell jemanden, der pflegebedürftige Menschen zu betreuen hat –, dann hören Sie diese Verunsicherung heraus. Ganz offensichtlich kann es heute, wenige Stunden vor Ablauf dieser gesetzlichen Regelung, einfach nicht aus sein.

Meine Damen und Herren, ich halte aber auch nichts – und da fühle ich mich durchaus zu Hause bei der Diakonie zum Beispiel – von einem Wettlizitieren zwischen den Bundesländern: Wer hat das Fescheste anzubieten?, denn auch das verunsichert. Ich halte, wie gesagt, nichts vom Wettlizitieren!

Die Bundesregierung war gefordert, eine gemeinsame Lösung zu finden, nachdem die Vorgängerregierung nicht einmal den Notstand erkannt hat, und diese Lösung, lieber Herr Soziaminister, ist leider unbefriedigend gewesen.

Daher bringt meine Fraktion heute zwei Entschließungsanträge ein:

Erstens:

Entschließungsantrag

des Bundesrates Schennach, Freundinnen und Freunde

betreffend Verlängerung der Pflegeamnestie

Begründung:

Im Finanzausgleich haben Bund und Länder bis zum Jahr 2013 paktiert, wie sie aufgrund der Kompetenzlage die Finanzierung der Aufgaben der Gebietskörper­schaf­ten vornehmen. Da das Gesundheitswesen einen integrierenden Bestandteil der Pflegeversorgung der Bevölkerung darstellt, stellen die unterfertigten BundesrätInnen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:


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Entschließung:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und Bundesrat umgehend eine Vorlage betreffend die Verlängerung der Pflegeamnestie zur Beschlussfassung vorzulegen.

*****

Der zweite Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

des Bundesrates Schennach, Freundinnen und Freunde

betreffend Vermeidung von Härtefällen für Betroffene der Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung

Begründung:

Das Pflege-Übergangsgesetz (Amnestie) bezieht sich auf Verwaltungsstrafen im Zusam­menhang mit der illegalen Beschäftigung von Betreuungspersonen. Es stellt sicher, dass die illegale Beschäftigung von Betreuungspersonen vor dem 1. Jänner 2008 durch die Verwaltungsstrafbehörden nicht geahndet werden kann. Weiters ist mittels einer Verordnung zum Ausländerbeschäftigungsgesetz sichergestellt, dass Angehörige der neuen Beitrittsländer ausländerbeschäftigungsrechtlich legal eine 24-Stunden-Betreuung vornehmen können.

Die unterfertigten Mitglieder des Bundesrates stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung in jedem Fall Härten für die Betroffenen unter Ausschöpfung der im Gesetz vorgesehenen Nach­sichtsmöglichkeiten im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung vermieden werden und dadurch die schwierige Situation pflegebedürftiger Personen berücksichtigt wird

Der Bundesrat geht weiters davon aus, dass die Krankenversicherungsträger bzw. die KIAB weder entsprechende Schwerpunktsaktionen setzen noch die Legalisierung bisher illegaler Betreuungspersonen zum Anlass für Nachforderungen nehmen.

Die zuständigen Bundesminister werden daher ersucht, auf die Verwaltungsbehörden und Sozialversicherungsträger im Rahmen ihrer Kompetenzen dahingehend einzu­wirken, dass diese im oben dargestellten Sinne vorgehen.

*****

Die beiden Entschließungsanträge wurden bereits dem Präsidium übermittelt.

Meine Damen und Herren, ich ersuche Sie, dass wir vielleicht doch noch zu später Stunde und knapp vor Ende dieser zweiten Sitzung zumindest ein Signal setzen. Wir haben uns sehr bemüht, die unterschiedlichen Standpunkte, auch innerhalb der Regierungsparteien, hier auszuloten und hier zwei Entschließungen vorzulegen, die


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sowohl für die Regierung machbar sind, als auch den Menschen, die es betrifft, in dieser schwierigen Situation eine gewisse Sicherheit für den Beginn des nächsten Jahres geben. Ich ersuche Sie daher, diesen Entschließungen Ihre Unterstützung zu geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die von Herrn Bundesrat Schennach soeben einge­brachten und verlesenen Entschließungsanträge – es sind zwei an der Zahl – sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax.

 


19.52.26

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Minister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist für mich unerträglich, Menschen in der schwierigen Situation einer erforderlichen Pflege allein zu lassen. Und ich kann mich erinnern, Stefan, du hattest recht mit deiner Aussage. Als es das zweite Mal um die Verlängerung der Amnestie ging, hast du gesagt: Ihr werdet sehen, das wird nicht reichen! Da hast du recht mit dieser Aussage, und ich bin hier begeistert gestanden und habe gesagt: Wir werden das schaffen, es wird möglich sein!

Wir haben es nicht geschafft! Für mich ist das, was vorliegt, kein Modell, das für die Bedürftigen, die eine 24-stündige Betreuung brauchen, ein leistbares Modell ist. Die För­derungssätze sind zu niedrig gegriffen, und die Vermögensgrenze wird als zutiefst unsozial empfunden. Ich muss doch bitte die Sensibilität haben zu, erkennen: Was liegt vor? Wonach müssen wir handeln? Und was passt zu den Menschen? – Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. (Zwischenrufe des Bundesrates Kalina.) – Sie stören! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Beweisen kann ich das Ganze dadurch, dass das nicht greift. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis und dem, was die Menschen draußen brauchen, ist, dass Anfang Dezember in ganz Österreich noch keine 100 Anträge auf Förderung der legalen 24-Stunden-Betreuung gestellt wurden. In Niederösterreich sehen die Zahlen so aus: Wir haben 4 000 Pflegefälle, und davon haben 15 Personen angesucht für dieses Buchinger-Modell und diese Pflege. Das heißt, 3 985 Personen wissen damit nicht umzugehen, und da hilft eine Homepage überhaupt nichts!

Das heißt, das, was vorliegt, ist nicht tauglich. Und ich fordere Sie, Herr Minister, daher auf, ich bitte Sie, dass das Modell, das adaptiert werden soll, nicht nur leistbar ist, sondern auch eine unbürokratische Linie vorgibt, damit die Menschen damit umgehen können, denn momentan ist das nicht der Fall. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Kalina: Der Applaus kommt nicht von den Niederösterreichern, nur mehr von den anderen!) – Es ist öd, auf Ihre Bemerkungen einzugehen, das zahlt sich nicht aus.

Es ist für mich unerträglich, dass der Antrag, der am 7. November von der National­ratskollegin Aubauer im Nationalrat eingebracht wurde, nicht in Verhandlung genom­men wurde, und es ist für mich weiters unerträglich, dass der Entschließungsantrag der Kollegen Kritzinger, Saller, Mayer und mir, am 22. November eingebracht, von Ihnen auch nicht in Verhandlung genommen und einfach ignoriert wurde. Und jetzt frage ich Sie eines, und das ist mir jetzt ganz wichtig, es ist hier für mich eine Betrachtung fällig, und zwar: Was ist der Stellenwert des Bundesrates? Was ist der Stellenwert von uns Bundesräten?


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 22

Ich habe mit großer Verwunderung gelesen: Neobundesrat Josef Kalina ist sich noch nicht sicher, ob der Bundesrat mehr Kompetenzen braucht. – Na, da sind Sie aber da richtig! Ich hoffe, Sie fühlen sich hier recht wohl.

Was ist mein erster Denkansatz hier als Bundesrat? – Erstens stelle ich einmal fest, dass der Bundesrat für mich ein freies Mandat bedeutet. Das heißt, ich kann mit­denken, fühlen, empfinden, ich habe ein soziales Gewissen. Und warum können wir, wenn wir etwas empfinden, nicht sagen, es ist etwas im Nationalrat nicht so gelaufen, wie wir uns das vorstellen, wir als Bundesräte haben eine andere Meinung? Wer kann uns verbieten, das hier zu sagen? (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens will ich auch betonen, dass ich mich hier als Vertreter meines Bundeslandes fühle, das mich hierher entsandt hat, und das, bitte, mit Recht. Da können Sie sagen, was Sie wollen. Und wir haben uns eben damit beschäftigt, zu fragen: Was fehlt denn hier noch? Was ist zu tun? Was können wir daran ändern? – Und wenn Sie jetzt die Frage aufwerfen, ob der Bundesrat mehr Kompetenzen braucht oder nicht: Eine sehr wichtige Kompetenz wäre zum Beispiel, dass wir die Gelegenheit hätten, in den Ge­setz­werdungsprozess im Nationalrat als Bundesräte schon mit einbezogen zu werden. Dann hätten wir schon früher die Möglichkeit, etwas zu ändern oder zumindest zu beeinflussen. Aber anscheinend ist Ihnen das nicht wichtig genug; ich weiß nicht, aus welchem Grund Sie hier sitzen.

Was mich auch sehr, sehr verwundert, Herr Kalina, und was mich sehr unangenehm berührt: Es ist mir, seit ich hier in diesem Hause Bundesrätin bin, noch nie passiert, dass hier einer eine Drohung ausspricht! (Bundesrat Kalina: Wer?) – Na Sie! Haben Sie schon vergessen, was Sie gesagt haben? Sie haben eine Drohung ausge­sprochen, und Sie haben gewarnt. Ihre Diktion hier ist unmöglich, und ich bitte, dass Sie sich zügeln, denn das entspricht nicht der Würde des Hauses. (Bundesrat Kalina hält eine Zeitung in die Höhe.) Ich spreche von dem, was Sie gesagt haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Sie auch an das erinnern, was unser Klubobmann schon berichtet hat. Es gab einen gemeinsamen Antrag, der eigentlich schon abgestimmt war. (Bundesrat Ko­necny: Nein!) Also der Herr Klubobmann hat es anders berichtet, und ich glaube ihm, wenn er mir das sagt. (Bundesrat Konecny: Ja, das ist sein Problem!) Und das, was mich jetzt verwundert: Bitte, meine Damen und Herren, was sind wir denn eigentlich? Sind wir hier Marionetten? Können wir eigentlich entscheiden? (Bundesrat Winterauer: Sie sind Marionetten!)

Bei uns hat es keinen Herrn Kalina gegeben und keinen Herrn Gusenbauer, der gesagt hat: Njet, der Antrag wird nicht eingebracht! Wir sind keine Marionetten. Ich frage Sie, was Sie sind.

Eines ist für mich unmöglich: dass ein politisches Spiel auf dem Rücken von Menschen betrieben wird, die Hilfe benötigen und auch einen Anspruch darauf haben. (Ruf bei der SPÖ: Das Spiel macht ihr!)

Auch wenn Sie das nicht gerne hören, Herr Kalina, ich werde es Ihnen doch berichten, und ich weiß mich hier mit meinem Landeshauptmann eines Sinnes, was das nieder­österreichische Pflegemodell betrifft, auf das ich sehr stolz bin. Wobei ich eines sagen muss: Das ist ein Thema, das sich ständig bewegt und verändert und wo sich die Bedürfnisse verändern. Es ist etwas, wo die Bewegungen nicht enden wollend sind. Das ist jetzt nur der momentane Stand. Ich sage nicht, dass man in ein, zwei Monaten nicht wieder andere Erkenntnisse hat, und das ist auch richtig so.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 23

Der momentane Stand des niederösterreichischen Pflegemodells ist folgender: Wir haben zu Beginn eine Pflegehotline, wo jeder anrufen kann, wo er sich am besten hin­wendet und beraten wird.

Es geht weiter mit dem kostenlosen Pflegeberatungsscheck. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Natürlich, das gehört zu dem ganzen Paket dazu! Wenn Sie das nicht ver­stehen, tun Sie mir leid. Außerdem ist das Thema so wichtig, dass ich es hier wohl zu Ende führen können werde.

Mit dem kostenlosen Pflegeberatungsscheck, wo ein Experte ins Haus kommt und berät, geht es weiter. (Bundesrat Gruber: Ich habe geglaubt, es kommt das Christkindl am 24.!) Ich weiß, Sie hören es nicht gerne, aber es ist so. Als Bürgermeister sollten Sie eigentlich ... Lachen Sie nicht so! (Bundesrat Konecny: Frau Kollegin! Jetzt reicht es aber!) Also wir haben heute ein anderes Beispiel vorgeführt bekommen. Da braucht man sich eigentlich nicht mehr zurückzuhalten. (Bundesrat Kalina hält einen Zeitungs­artikel in die Höhe.) Wo haben Sie denn das schon wieder her? (Bundesrat Konecny: In einer Zeitung von Raiffeisen!) Würden Sie mehr drinnen sitzen und weniger draußen reden, dann wüssten Sie, was läuft. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei der 24-Stunden-Betreuung sieht das niederösterreichische Pflegemodell so aus: Keine Vermögensgrenze für Förderungen, zusätzliche Förderungen für selbständig Tätige von 275 € monatlich, das heißt, es sind insgesamt 500 €. Zusätzliche Förderung für unselbständig Tätige von 200 € monatlich, das heißt, es sind dann insgesamt 1 000 €. Förderung für Pflegegeldbezieher ab der Stufe 3 und für Demenzkranke auch für Pflegestufe 1 und 2. Entfall des Regresses für Ehepartner und Kinder bei statio­närer Pflege.

Es ist auch für uns in Niederösterreich unvorstellbar, dass wir Strafen über illegale Pfle­ger verhängen. Uns geht es um Helfen und Unterstützen, aber nicht um Strafen.

Ich appelliere daher an alle zuständigen Krankenversicherungsträger (Zwischenrufe des Bundesrates Gruber) – Sie können es nicht hören, Herr Gruber, ich weiß es ohne­hin, aber ich werde es trotzdem zu Ende sagen –, ihre gesetzlichen Ermessens­spielräume im Sinne einer sozial ausgewogenen Vollziehung dahin gehend auszu­schöp­fen, dass Härten für die Betroffenen vermieden werden. Alles andere steht in den Anträgen. (Bundesrat Gruber: Aufruf zum Gesetzesbruch!) Kannst du nicht einmal ruhig sein! (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Ich passe mich an, Herr Klub­obmann. Ich rede jetzt auch weiter, und Sie hören jetzt auf zu schreien. (Bundesrat Gruber: Aufruf zum Gesetzesbruch, Frau Kollegin!)

Wenn es möglich wäre, dass man noch einen Schlusssatz hier ohne Schreien sagen könnte, würde ich meinen: Nichtsdestotrotz appelliere ich an Sie als Menschen. Jeder von uns hat jemanden zu Hause, der pflegebedürftig ist, der ein Problem hat und unse­rer Unterstützung bedarf. Und mir geht es nicht sehr gut zu Weihnachten, vielleicht geht es Ihnen anders, ich sage Ihnen nur, mir geht es nicht gut, wenn das so, wie es vorliegt, ohne Änderungen für die Betroffenen durchgeht. Und ich appelliere an Sie, hier keine Parteipolitik zu betreiben (Ah-Rufe bei der SPÖ), sondern darüber nachzu­denken, was diese Menschen brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Klubobmann Konecny, ich hoffe, dass Sie auch dann noch so lachen, wenn es eines Tages Sie betrifft. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

20.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesminister Dr. Buchinger das Wort.

 



BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 24

20.04.00

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Vielleicht ist es sinnvoll, sich kurz daran zu erinnern und sich zu vergewärtigen, worüber Sie denn heute hier abstimmen wollen. Sie sind nicht hier, um das Modell der 24-Stunden-Betreuung heute hier abzustimmen. Das haben Sie schon getan. Auch Sie, geschätzte Frau Bundesrätin Roth-Halvax, haben mit Ihrer Stimme im Juli im Bundesrat dieser 24-Stunden-Betreuung zugestimmt, die Sie heute hier so verdammen. (Beifall bei der SPÖ.) Es tut mir leid, dass ich Ihnen das sagen muss, aber es ist so. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Bundesrat hat das Gesetz zur Regelung der 24-Stunden-Betreuung, das im Nationalrat beschlossen worden ist, im Juli ebenfalls beschlossen. Das ist hier beschlossen worden.

Was Sie heute hier laut heutiger Tagesordnung abzustimmen haben, das ist, meine sehr geschätzten Damen und Herren, die Regelung einer Artikel-15a-Vereinbarung über ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern. Und diese Regelung hat drei Neuigkeiten gegenüber dem, was auch Sie, geschätzte Frau Bundesrätin Roth-Halvax, mit Mehrheit hier im Haus bereits beschlossen haben, nämlich das Buchinger-Bartenstein-Modell. Drei Zusätze. (Bundesrätin Roth-Halvax: Man kann auch ge­scheiter werden!) Wenn Sie mir zuhören, dann sage ich es Ihnen.

Das Erste ist, dass sich nunmehr auch die Länder verpflichten, in die Kofinanzierung dieses Modells einzutreten. Das war im Juli noch nicht der Fall. Im Juli haben Sie ein Gesetz beschlossen, wo der Bund seine Bereitschaft erklärt hat, bis Ende 2007 auch ohne Kostenbeitrag der Länder diese 24-Stunden-Betreuung zu finanzieren. Das heißt, ab 1.1.2008 wäre dieses Modell ohne Beitrag der Länder nicht mehr umgesetzt worden.

Das ist das Erste, das Sie in dieser Artikel-15a-Vereinbarung, wenn Sie das be­schließen, absegnen: die Kostenbeteiligung der Länder. Das müssten auch alle neun Landeshauptleute und alle neun Landtage noch tun.

Das Zweite, das Sie beschließen werden, falls Sie es tun, ist, dass diese Kostenteilung im Verhältnis 60 : 40 erfolgt. Das ist exakt der Vorschlag, den ich bereits im April den Sozialreferenten und Finanzreferenten unterbreitet habe und was Finanzminister Molterer in den Finanzausgleichsverhandlungen auch so abgeschlossen hat, auch mit Ihrem Herrn Landeshauptmann Pröll, vertreten durch Herrn Sobotka. (Bundesrätin Roth-Halvax: Noch nicht unterschrieben!)

Das Dritte, das hier beschlossen wird, falls Sie es tun, ist neu gegenüber dem, was Sie im Juli beschlossen haben, dass die Gesamtaufwendungen für die 24-Stunden-Betreu­ung mit 40 Millionen € gedeckelt sind. Auch dem haben das Land Niederösterreich und Landesrat Sobotka zugestimmt. Das war die Vereinbarung. (Bundesrätin Roth-Halvax: Noch nicht!) Zugestimmt im Finanzausgleich, Frau Kollegin, das ist paraphiert worden im Finanzausgleich, den Ihr Vizekanzler und Finanzminister Molterer gut verhandelt hat, und ich habe ihn gut dabei unterstützt. (Zwischenruf des Bundesrates Gruber.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Was Sie also heute hier beschließen, sind die Kostenbeteiligung der Länder im Verhältnis 60 zu 40 und der Deckel von 40 Mil­lionen €. (Bundesrat Mag. Baier: Und den Entschließungsantrag!)

All das, was inhaltlich hier zum Teil kritisch in Diskussion gebracht worden ist, haben Sie bereits beschlossen. Und die Kritik daran ist auch formal nicht berechtigt, weil es bereits beschlossen ist. Sie ist auch inhaltlich nicht berechtigt, denn – das wurde wiederholt von Vertreterinnen und Vertretern mehrerer Fraktionen gesagt – es ist im


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Vergleich zu dem, was in den letzten sechs Jahren an politischer Praxis in diesem Lande war, nämlich dieses Problem zu ignorieren, wegzuschauen und schönzureden, ein bedeutender Fortschritt, wenn auf das Problem hingeschaut und dieses einer gemeinsamen Lösung zugeführt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Frau Bundesrätin Kerschbaum, Sie haben darauf hingewiesen, dass ein Gesamtpaket erforderlich ist. Und Sie haben recht, es ist ein Gesamtpaket erfor­derlich. An diesem Gesamtpaket Pflege und Betreuung wird auch gemeinsam mit allen Ländern, Städten und Gemeinden in drei Arbeitsgruppen gearbeitet. Es war nur ganz besonders dringlich, diese Frage der 24-Stunden-Betreuung aus dem Gesamtpaket vorzuziehen, weil es für diesen Bereich bisher keine legale Möglichkeit gegeben hat. Daher musste das jetzt rasch gemacht werden. Und dann kann gemeinsam mit den anderen wichtigeren Problemen der Finanzierung, der Neuregelung des Pflegegeldes, aber auch der Angleichung und der Qualitätssicherung der sozialen Dienstleistungen der Länder wieder im Einvernehmen Bund und Gebietskörperschaften eine gute Rege­lung gefunden werden.

Zum geschätzten Herrn Bundesrat Bieringer. Die Gemeinde Wals-Siezenheim und du als Bürgermeister verdienen tatsächlich jeden Respekt für das, was ihr für die Senioren und Seniorinnen, für die Pflegebedürftigen in der Gemeinde leistet. Das habe ich vor einem Jahr gesagt und sage ich auch jetzt hier, habe ich auch dir (in Richtung Bun­desrat Gruber) heute gesagt. Hier ist Wals-Siezenheim vorbildlich, und was du inhaltlich gesagt hast, ist auch zu respektieren.

Freilich, die Verunsicherungen der Bürger und Bürgerinnen gibt es tatsächlich. Auch ich spüre sie in vielen Anrufen, wir spüren sie bei der Pflegehotline. Aber wir sollten uns alle fragen, kritisch und ernsthaft, was jeder von uns dazu beiträgt, diese Verun­sicherung weiterzuführen, zu stärken oder dieser Verunsicherung entgegenzuwirken.

Ich kann Ihnen viele Beispiele dafür nennen (Bundesrat Bieringer winkt ab) – nein, du nicht, Herr Bundesrat –, auch aus dem Nationalrat, wie in der Regierungskoalition an dieser Verunsicherung mitgearbeitet wurde. Ich habe es nicht verstanden, warum im Sozial­ausschuss und im Plenum des Nationalrates zwei Abgeordnete der Regierungs­koalition dagegen Stellung bezogen haben, dass es eine angebliche – so war ihre Wortwahl – Absetzbarkeit der Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung gibt. Ich habe dort richtigstellen müssen, dass es das natürlich gibt, und zu Recht, was auch der Finanzminister in einer Richtlinie jetzt bestätigt. Es wurde hier zitiert, auch das Öster­reichische Hilfswerk, eine hervorragende Einrichtung, hat in seiner Information auf diese Absetzbarkeit hingewiesen. Aber da haben Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion zu dieser Verunsicherung mit beigetragen.

Ich bin dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Christoph Leitl und dem General­sekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Mitterlehner dankbar dafür, dass sie auch darauf hingewiesen haben, dass das Modell, das ja nicht von mir alleine, sondern von der gesamten Bundesregierung vorgetragen wurde, das Nationalrat und Bundesrat beschlossen haben, grundsätzlich handhabbar ist, insbesondere im Bereich der selbständigen Betreuung, und dass es auch finanzierbar ist, dass die Mehrkosten, so Präsident Leitl und stellvertretender Generalsekretär Mitterlehner, mit 30 € pro Person überschaubar sind. Und wenn man die Absetzbarkeit als außergewöhnliche Belastung noch dazuzählt, dann ist es sogar in vielen Fällen günstiger. (Bundesrat Wolfinger: Lohnsteuer!) – Herr Kollege, das Hilfswerk kann Ihnen vorrechnen, ab 20 000 € Pension, und das sind, wenn Sie es umrechnen, 1 500 € brutto im Monat. Und ich freue mich, dass ich in einem Sozialstaat lebe, wo viele Pensionisten und Pen­sionistinnen 1 500 € brutto Pension haben. Für all die wird es nicht teurer, sondern billiger mit der legalen Lösung. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 26

Ich verstehe nicht, geschätzter Herr Bundesrat, warum Sie so eine positive Nachricht nicht positiv kommentieren und weitergeben, warum Sie eine derart positive Nachricht kritisch kommentieren. Das verstehe ich nicht.

Der nächste Punkt: Du, sehr geschätzter Herr Bundesrat Bieringer, hast auf die Ent­schließungsanträge im Bundesrat hingewiesen. Ich sage, mit Entschließungsanträgen im Bundesrat habe ich als Minister inhaltlich wenig zu tun. Richtig ist, dass mich Kollege Cap angerufen hat, zweimal nach meiner Erinnerung, aus einer Koordinie­rungssitzung und gesagt hat, dass Entschließungsanträge diskutiert werden, die mich nicht nennen, sondern die MinisterkollegInnen Bartenstein und Kdolsky. Ein Antrag, den du vorgelesen hast, der war auch so. Mir ist nie ein Antrag schriftlich übermittelt, auch nicht vorgelesen worden. Es ist mir nur gesagt worden, dass es einen Antrag gibt, der an diese beiden MinisterInnen adressiert ist.

Daraufhin habe ich gesagt: Dann ist es mir egal, dann müsst ihr mit diesen beiden Ministern reden, ob sie es für richtig halten, wenn sie über den Bundesrat zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert werden. Ich möchte nicht so weit gehen wie Kollege Schennach, der gesagt hat, der Bundesrat sollte eigentlich die Exekutive nicht aufru­fen, Gesetze nicht zu respektieren. Das ist nicht meine Wortwahl, sondern so hat das Kollege Schennach bezeichnet.

Da ich davon nicht berührt war, habe ich gesagt: Mir ist es egal, ich freue mich aber, dass meine Bundesratsfraktion beschlossen hat, diese Entschließungsanträge nicht zu respektieren und nicht zu unterstützen, weil ich meine, dass es im Sinne der Gewaltenteilung, des Respekts vor dem Rechtsstaat von der Interpretation her durch­aus problematische Entschließungsanträge sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzter Herr Bundesrat Bieringer, sie lösen auch kein Problem. Ich muss das ganz deutlich sagen. Die Pflegeamnestie wird mit diesen Entschließungsanträgen, auch nicht mit dem von Ihnen, Herr Kollege Schennach, nicht verlängert. Die Verlän­gerung der Pflegeamnestie kann nur durch das gesamte Parlament, durch Nationalrat und Bundesrat, in einem ordentlichen Gesetzwerdungsprozess vollzogen werden, nicht durch eine Entschließung des Bundesrates, in der er meint, dass er davon ausgehe. Das ist keine Amnestie, das ist vielleicht dazu geeignet, die Bürger und Bürgerinnen in einer falschen Sicherheit zu wiegen.

Wenn Ihnen das inhaltlich wichtig ist, dass die beiden zuständigen Minister Kdolsky und Bartenstein ihren gesetzlich vorgesehenen und möglichen Spielraum im Rahmen der Rechtsordnung nützen, der ein ganz, ganz enger ist, ich glaube sogar, er ist gar nicht gegeben, aber wenn, dann ist er ein ganz, ganz enger, die Verwaltungs­straf­behörden auf die Tatsache hinzuweisen, dass es einen § 21 Verwaltungsstraf­gesetz gibt, der die Möglichkeit der Nachsicht und der Milderungsgründe anführt, dann brauchen Sie dazu keinen Entschließungsantrag im Bundesrat. Wenn die beiden MinisterInnen das nicht wissen – ich gehe davon aus, dass sie das wissen –, dann genügt es, wenn Sie ihnen das sagen. Dann kann diesem Anliegen auch Rechnung getragen werden, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Geschätzte Frau Bundesrätin Mühlwerth! Sie sagen, geschehen ist in einem Jahr nichts, obwohl ein vernünftiger Kompromiss zu finden gewesen wäre. Sie gestatten, bei allem Respekt, da bin ich anderer Auffassung. Ich denke, dass Buchinger, Barten­stein, Molterer mit einem gemeinsamen Vorschlag, den die Bundesregierung mehrmals abgesegnet hat, den der Ausschuss, der Nationalrat und auch der Bundesrat beschlossen haben, durchaus einen vernünftigen Kompromiss gefunden haben, der es wert ist, fair beurteilt zu werden, und der es wert ist, einem halben Jahr Bewährungs­probe in der Praxis unterzogen zu werden.


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Es ist tatsächlich so, wie die geschätzte Frau Bundesrätin Seitner gesagt hat, die beste Sicherheit für die Bürger und Bürgerinnen wäre, wenn diese Artikel-15a-Vereinbarung, die es jetzt ermöglicht, das zugrunde liegende Gesetz auch ab dem 1. Jänner weiter anzuwenden und zu finanzieren, ohne lange Verzögerung in Kraft treten könnte.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Bundesrätin Roth-Halvax sagt, für sei ist das „Buchinger-Modell“, wie sie es bezeichnet hat, kein taugliches Modell. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das habe ich erläutert!) – Sie gestatten mir die Frage, warum Sie dann im Bundesrat zugestimmt haben und warum Ihr Finanzminister Molterer dem mit zugestimmt hat, warum Minister Bartenstein zugestimmt hat, warum Kollege Sobotka zugestimmt hat und warum auch Ihre Soziallandesrätin zugestimmt hat.

Sie sagen, dieses Modell greift nicht, weil es Anfang Dezember weniger als 100 An­träge gegeben hat. Die Antwort darauf ist ja, gerade deswegen müssen wir dafür sorgen, dass nach dem Auslaufen der Pflegeamnestie zum 1. Jänner 2008 – und diese läuft aus, weil ein entsprechender Gesetzesbeschluss nicht mehr gefasst werden kann – die Personen das neue, legale, leistbare und qualitätsgesicherte Modell auch nutzen. Wir tun im Sozialministerium alles dafür, um das zu kommunizieren, zu infor­mieren. Ich bin der Wirtschaftskammer, der Sozialversicherungsanstalt dankbar dafür, dass sie diese Information unterstützen, auch der Wirtschafts- und Arbeitsminister tut das mit einer entsprechenden Broschüre.

Ich habe heute vom Generalsekretär-Stellvertreter Mitterlehner gehört, dass wir bereits etwa 260 selbstständige Gewerbeberechtigungen in diesem Bereich haben. Wir haben bereits über 100 Anträge. Ich gehe davon aus, dass wir im Jänner relativ rasch auch die Zahl 1 000 und in den nächsten Monaten dann eine noch größere Zahl erreichen werden, weil es wichtig ist, weil es ein gutes Modell ist, das angewandt werden soll. (Bundesrat Schennach: Mit dem Problem der Scheinselbständigkeit!)

Das Problem der Scheinselbständigkeit ist etwas, was sich in der Gewerbeordnung findet, was sich in den arbeits- und gewerberechtlichen Regelungen findet, die Minister Bartenstein in seinem Gesetz getroffen hat, denen ich zugestimmt habe, weil wir nach meiner Überzeugung genügend Vorkehrungen getroffen haben, und zwar sowohl in entsprechenden Verordnungen nach der Gewerbeordnung als auch in qualitäts­sichern­den Richtlinien und Rahmenbedingungen, dass diese Gefahr nicht eintritt. Wenn sie tatsächlich eintritt, dann werden wir das bei der Evaluierung sehen, die wir uns zur Jahresmitte 2008 vorgenommen haben. Dann werden wir entsprechend gegensteuern.

Ich bitte aber inständig darum, geben auch Sie, geschätzte Damen und Herren vom Regierungspartner, und geben auch Sie von den Grünen und Sie, meine Damen und Herren Bundesräte, diesem neuen Modell, das wir gemeinsam gefunden haben, eine faire Chance der Beurteilung durch die Bürger und Bürgerinnen! Sie werden sehen, wir werden ein gutes Modell ins Feld bekommen. Dort, wo es nach der Evaluierung im Sommer verbesserungswürdig ist, werden wir auch Verbesserungen vornehmen. Aber da brauchen wir auch wieder gemeinsam alle Länder und da brauchen wir auch den Herrn Finanzminister, da wir wieder gemeinsam verhandeln, weil – und das wäre so im Bereich von Pflege und Betreuung auch weiterhin zu sichern – eine möglichst bundes­einheitliche Regelung wichtig ist, damit sich die Menschen im gesamten Bundesgebiet darauf verlassen können, dass es legal, leistbar und qualitätsgesichert möglich ist, auch zu Hause gepflegt und betreut zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

20.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny.

 



BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 28

20.19.35

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es erscheint mir angemessen, dass ich meine Ausführungen – jetzt ist sie allerdings hinausgegangen und wird das leider nicht hören – mit einem sehr ernst gemeinten Dank an die Kollegin Konrad beginne, und zwar einem Dank nicht nur in meinem Namen und im Namen meiner Fraktion, sondern im Namen all jener, die pflege­bedürftig sind und von den Regelungen profitieren werden.

Meine Damen und Herren! Ich wende mich an die ÖVP und erinnere sie an die gestrige Sitzung des Sozialausschusses. Dort haben wir uns in der Früh die Zeit damit vertrieben beziehungsweise haben Sie sich die Zeit damit vertrieben, dass Sie den Vertreter des Soziaministers nach der Zimmertemperatur, dem Datum und der Uhrzeit gefragt haben, und dann war die Stunde um. Man hat es dir (in Richtung der sich zu ihrem Sitzplatz begebenden Bundesrätin Konrad) ausgerichtet: Ich habe dir, wie angekündigt, gedankt.

Dann haben wir die Sitzung auf den Abend verlegt. – In dieser Sitzung hat die ÖVP-Fraktion nach einigen Erklärungen den Saal verlassen.

Der Dank an Kollegin Konrad resultiert aus der Tatsache, dass sie, die sie gegen den 15a-Vertrag gestimmt hat – und das vermutlich auch heute tun wird, ich weiß es nicht –, im Saal geblieben ist. Wir hätten diesen Verhandlungsgegenstand nicht auf der Tages­ordnung des Bundesrates, weil das Quorum im Ausschuss nicht gegeben gewesen wäre, wenn sich Kollegin Konrad, was politisch durchaus verständlich gewesen wäre, dieser absolut verantwortungslosen Haltung der ÖVP angeschlossen hätte.

Halten wir fest: Wenn sieben Mitglieder den Saal verlassen hätten – sechs ÖVPler und eine Grüne –, dann wäre nicht mehr als die Hälfte der Ausschussmitglieder anwesend und ein Beschluss nicht möglich gewesen. Das haben Sie, die Sie im Sozialausschuss waren, das hast du, lieber Kollege Bieringer, billigend in Kauf genommen.

Ich habe euch davor gewarnt, eure vier Landeshauptleute zu falsifizieren, die das unterschrieben haben, ich habe davor gewarnt, diese Regelung in Frage zu stellen. – Ihr habt es getan, und ich will bitte nach diesem Verhalten die Krokodilstränen über das Schicksal der Pflegebedürftigen in diesem Saal nicht mehr hören. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Baier: ... Oberlehrer!) – Ich bin kein Lehrer, aber die Ge­schäfts­ordnung habe ich gelesen, und ich kann sie auch auslegen, was bei der ÖVP offenbar nicht der Fall ist. (Bundesrat Dr. Kühnel: Er ist ein Professor!)

Kollege Bieringer hat über die gestrigen Gespräche über Entschließungsanträge berich­tet. – Er hat dabei ein paar kleine Auslassungen begangen, aber ich ergänze das gerne, und wir werden dann einen gemeinsamen Bericht an das Plenum erstatten.

Kollege Bieringer hat mir im Verlauf des späteren Vormittags zwei – inzwischen haben sie sich auf einen „amalgamiert“ – Entschließungsanträge in die Hand gedrückt und mir die Frage gestellt, ob wir da mitkönnten. – Ich habe diese Texte überflogen und gesagt: Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, aber ich rede noch einmal mit meinen Leuten.

Diese „meine Leute“, die ich da gemeint habe, sitzen in diesem Saal, und wir waren übereinstimmend der Meinung – zu den Gründen dafür komme ich dann noch –, dass wir diesen Entschließungsanträgen nicht beitreten wollen.

Kollege Bieringer hat dann gefragt: Na, was könnt ihr euch denn vorstellen? Und es gab daraufhin einen Entwurf, den eine Klubmitarbeiterin in aller Eile, denn es musste dann ja auch schon schön langsam schnell gehen, zusammengestellt hat und den wir dir überreicht haben. (Bundesrat Bieringer: Wann, heute?) – Gestern. Bitte, ich kann ihn auch noch reproduzieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.)


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Ab diesem Punkt hat die sozialdemokratische Bundesratsfraktion, und das ist schon eine interessante Erscheinung, nichts mehr von diesem Entschließungsantrag von Seiten ihrer ÖVP-Kollegen gehört. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das stimmt ja nicht!) –Entschuldigen Sie, das stimmt. Ich weiß nicht, mit wem Sie geredet haben oder meinen geredet zu haben – mit einem Mitglied dieser Fraktion nicht. (Bundesrätin Roth-Halvax: ... Kalina geredet!) – Nein, wirklich nicht!

Was dann geschehen ist, war Folgendes, und das geht ein bisschen nach einem Motto, das der Sozialdemokratie sehr fremd ist, nämlich: Wenn die Lausbuben nicht funktionieren, dann gehen wir zum Chef, der wird ihnen schon die Wadln „viare­richten“. – Wir pflegen nicht am Nasenring durch die Gegend geführt zu werden (Ruf bei der ÖVP: Nein, an der Kette!), wir bilden uns unsere Meinung selbst.

Wenn Herr Klubobmann Schüssel, der natürlich eine wichtige Zentralfigur in diesem Störmanöver ist – klar, wie in vielen anderen Fällen auch – und unter dem ja nicht nur wir, sondern vor allem Herr Molterer leidet – aber das ist wiederum nicht mein Prob­lem ... (Zwischenruf.) – Ja, das kann ich voll unterschreiben. Gott sei Dank hat es Gespräche mit dem Klubobmann gegeben.

Der Herr Klubobmann hat uns über das, was besprochen wurde, berichtet, und wir waren übereinstimmend der Meinung, dass das kein taugliches Ergebnis für eine Beschlussfassung ist. (Bundesrat Gruber: Weil wir ein freies Mandat haben! – Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Ja, die Kollegin hat uns auf unser freies Mandat aufmerksam gemacht. Wir sind so frei, eine Meinung zu haben, Frau Kollegin!

Das ist die einfache Geschichte eines nicht zustande gekommenen gemeinsamen Ent­schließungsantrages. Ich sage Ihnen auch sehr gerne, warum das so ist, auch wenn ich hier etwas, was Kollegin Seitner schon gesagt hat und was zum Teil auch der Herr Bundesminister ausgeführt hat, wiederhole: Wir können nicht auf Dauer ein legales Betreuungsmodell forcieren, wenn wir alles dazu tun, ein illegales aufrecht­zuerhalten! Diese zwei Systeme können nicht nebeneinander bestehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt ist: Wir können Menschen nicht eine Scheinsicherheit vorgaukeln, die, wie zahlreiche Sprecher betont haben, so nicht gegeben sein kann. Eine Auffor­derung an die Exekutive, die Gesetze zu ignorieren, ist mit Sicherheit nicht die Aufgabe einer parlamentarischen Kammer, und dazu stehen wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundesminister, die Krankenkassen, sie alle haben klar erklärt: Was im Rahmen der Gesetze möglich ist, wird von diesen Institutionen getan werden, um den Menschen nicht noch eine weitere Beschwernis, eine Strafverfolgung, eine Strafe aufzuerlegen.

Ich entsinne mich einer anderen Debatte, in der ein Minister da auf der rechten Seite mit viel schlechteren Argumenten von der Notwendigkeit, den Rechtsstaat aufrecht­zuerhalten, gesprochen hat. – Meine Damen und Herren! Auch im Sozialbereich gibt es einen Rechtsstaat, und auch den haben wir zu verteidigen. Das ist ein hohes Gut und nicht etwas, was man so wegwischen kann!

Es ist viel von Verunsicherung gesprochen worden. – Ja, diese existiert. Aber jeder, der sich in dieser Debatte zu Wort meldet, sollte sich, bevor er den Mund aufmacht, einmal kurz überlegen, was er mit den Wortmeldungen, Vorschlägen, Entschließungs­anträgen und was sonst es auch immer sei, zu dieser Verunsicherung beiträgt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen den Menschen in vielfacher Hinsicht Sicherheit geben: die Sicherheit, dass sie zu ihrer Pflege kommen, die Sicherheit, dass sich das nicht im rechtsfreien, son­dern im legalen Raum abspielt, und auch die Sicherheit, dass sie sich auf die Regelungen, die in den Bundesländern durchaus unterschiedlich sein mögen, auch


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verlassen können. Aber sich auf etwas verlassen heißt nicht, dass wir einen Text be­schließen, in dem die absolut nichtssagende Formulierung steht – sorry, aber das gilt für zwei der hier vorgelegten Anträge –: Der Bundesrat geht davon aus.

Bitte, welche Bindungswirkung soll das haben, wenn der Bundesrat „von etwas aus­geht“? – Das ist ein Nullum! Da versprechen wir den Menschen etwas, was niemand halten kann und niemand zu halten verpflichtet ist. Mit diesem Text verbreiten wir, bezie­hungsweise nicht wir, sondern Sie, die totale Verunsicherung par excellence! (Bundesrat Mayer: Das haben wir von euch gelernt!)

Meine Damen und Herren, dieses Spiel mit Entschließungsanträgen ist ein weiterer Schritt, die Menschen, die auf eine klare Richtungsvorgabe warten, weiter zu verun­sichern!

Was notwendig ist, sind nicht Entschließungsanträge – noch dazu solche mit diesem merkwürdigen Charakter –, sondern was notwendig ist, ist genau das, worüber wir gestern im Ausschuss und heute vom Herrn Bundesminister informiert wurden: inten­sivste Information der Betroffenen und natürlich vor allem ihrer Familienangehörigen.

Die rotzige Bemerkung von der rechten Seite des Hauses, dass die Pflegebedürftigen ja nicht im Internet herumsurfen ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Na, wirklich nicht! – Bundesrat Schennach: Nein, das war ich!) – Nein, Entschuldigung, in der Mitte des Hauses, er hat sich gemeldet. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, er hat nicht recht! (Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Gut, diese Bemerkung ziehe ich auch zurück. Das hätte ich für rechts gehalten. (Bundesrat Dr. Kühnel: Herr Professor, entschuldigen Sie sich! – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt neuerlich das Glocken­zeichen.) – Ja, aber Entschuldigung, die, die sich informieren, sind doch die Familien­angehörigen, die für ihre greisen Eltern – für ihre greise Mutter, für ihren pflegebedürf­tigen Vater – sorgen! Wer redet denn davon, dass ein pflegebedürtiger Achtzigjähriger auch die Broschüre liest?! Das ist doch Unsinn! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Kalina, und er ist dafür gescholten worden (Bundesrätin Roth-Halvax: Mit Recht!), hat darauf hingewiesen. Entschuldigung, ich ziehe den Ausdruck mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück (neuerliche Zwischenrufe der Bundesrätin Roth-Halvax), er ist beschimpft worden von der Kollegin – das war ja wirklich schwer auszuhalten –, und es spricht für die Disziplin eines neuen Mitgliedes dieses Hauses, dass er das ausgehalten hat. (Zwischenrufe der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Frau Kollegin, Sie sind wirklich schwer auszuhalten! (Bundesrat Mag. Baier: Aber Sie vielleicht?!) – Tatsache ist, dass dieses Thema nicht zum Gegenstand eines inner­parteilichen Kriegs der ÖVP werden darf.

Ich habe genau geschaut, woher die wenigen Klatscher für die Frau Kollegin kamen, außer sie hat einmal ordentlich auf uns hingeschlagen, dann hat die ganze Fraktion  (Bundesrat Mag. Baier: Machen Sie sich keine Sorgen!) – Ich mache mir keine Sorgen! (Bundesrat Mag. Baier: ... und Hühneraugen, ... das sind Ihre Ausführun­gen!) – Nein, ich vergieße hier auch keine Krokodilstränen, ich diagnostiziere etwas.

Kollege Pröll, dessen Umfragedaten offenbar für ihn alarmierend sein müssen ... (Bun­desrätin Zwazl: Nein, mach dir da keine Sorgen!) – Auch das ist mir völlig gleichgültig, das müssen die niederösterreichischen Wähler beantworten! Schauen Sie, diese Kraftmeierei vor Wahlen: „Wir werden ...!“, die habe ich nie mitgemacht, auch damals nicht, als wir uns um die Mehrheit beziehungsweise um die Führungsrolle beworben haben! Ich habe, das ist nachzulesen, gesagt: Wir werden sehen, wer vom Wähler recht bekommt. (Bundesrätin Zwazl: Ja, aber das ist ja nicht das Thema, bitte!) – Das waren wir, und das hat mich gefreut. Aber diese Kraftmeierei vor den Wahlen: „Wir werden ...!“


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 31

Ich weiß es nicht – es ist nicht mein Bundesland, daher weiß ich es noch ein bisschen weniger –, aber wenn man so um sich schlägt wie Herr Pröll, hat man üblicherweise einen Grund dafür. (Ruf bei der ÖVP: Wo haben Sie das her?!) – Also, dass er um sich schlägt, das kann ich mir täglich im niederösterreichischen Landesfernsehen an­schauen. (Bundesrat Boden: „Pröll heute“!) – Im Pröll-Sender, ja. (Bundesrätin Roth-Halvax: ... Kalina!) – Aber auch das ist jetzt sozusagen nur der Hintergrund dieses Konflikts.

Wir haben das erlebt, und das hat sich bis in die Medien herumgesprochen. Also, mit Verlaub gesagt, der Raiffeisen-eigene „Kurier“ ist ja nicht gerade als Parteiblatt der SPÖ anzusprechen, und wenn der ... (Bundesrätin Zwazl: Aber abonniert haben Sie ihn, weil ...!) – Nein, wir haben ihn nicht abonniert, wir haben ein ordentliches Service unserer Fraktion für die Mitglieder! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Stadler – eine Ausgabe der Zeitung in die Höhe haltend –: Wir haben die „Krone“ auch!) – Ich an Ihrer Stelle würde mich einmal bei Kollegem Zögernitz beschweren, wenn ihr keine Zeitungen bekommt.

Nein, das ist sicherlich keine Zeitung, die die Geschäfte der SPÖ erfüllt, das ist sicher keine Zeitung, die die Propaganda der SPÖ verbreitet, aber es ist eine offensichtlich gut informierte Zeitung. – Herr Pröll versucht also auf Teufel komm raus vergessen zu machen, dass er sechs, sieben Jahre lang bei der unsozialen Politik der Regierung Schüssel eifrigst mitgemacht hat (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das wird ihm nicht gelingen!), und er hat jetzt entdeckt, wie er sich absetzen kann, beziehungsweise glaubt er entdeckt zu haben, wie er sich absetzen kann.

Gut, wenn er glaubt, das ist ein Weg, will ich das nicht werten, aber ... Bitte? (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – In Ordnung! Wer hat Ihnen denn das gesagt? – Der Pröll?

Tatsache ist, dass die Nachricht, dass bei Ihnen überlegt wurde, die ganze 15a-Ver­einbarung abzulehnen (Bundesrätin Roth-Halvax: Na geh!) – und dass Ihr Verhalten im Sozialausschuss knapp neben dieser Tatsache gelegen ist, habe ich Ihnen schon gesagt, also insofern ist das sehr real –, schon eine Haltung darstellt, die nicht mehr in den Rahmen dessen passt, was man von einer Regierungspartei erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht meine Aufgabe, Mahnungen, Warnungen oder Drohungen auszu­sprechen ... (Bundesrätin Zwazl: Ist schon geschehen! Ist schon geschehen!) – Das habe ich nicht gemacht! Gut, wenn Sie es als Drohung, Mahnung oder Warnung empfunden haben, ist das Ihr Problem. (Bundesrat Reisenberger: Empfänger sind unterschiedlich!) – Dann muss irgendetwas im Unterbewusstsein unterwegs sein, das mir nicht bekannt ist. Bitte? (Bundesrätin Konrad: Über die Botschaft entscheidet der Empfänger!) – Gut, okay! Na, ich würde sagen: The medium is the message! Wie auch immer, jedenfalls ist das eben aufgrund bestimmter subjektiver Rezeptoren so, und die sind offenbar gegeben.

Ich gehe davon aus, dass es irgendwann einmal, vielleicht nach der niederöster­reichischen Landtagswahl, die Möglichkeit geben wird, zu einer politischen Zusam­menarbeit der beiden Regierungsparteien zurückzufinden. (Bundesrat Schennach: Das ist aber eine schön lange Zeit, wo da nichts ist!) – Wenn das so ist? Also ich bin dafür nicht zuständig! Ich bitte, diesbezüglich Erkundigungen einzuziehen! Ich glaube, dass es das Land braucht: nicht nur die Behinderten, sondern auch viele andere politische Baustellen.

Vielleicht, ich habe das schon gestern gesagt, hält es irgendjemand für Erfolg ver­sprechend, hier den permanenten Dauerkrieg zu eröffnen. – Wir halten es jedenfalls nicht für Erfolg versprechend, sondern wir sind dafür, dass gearbeitet wird. Und wie


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 32

das Beispiel dieser Vereinbarung zeigt, geht das ja auch. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

20.36


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bun­desrat Bieringer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm unter Hinweis auf die Geschäfts­ordnung das Wort.

 


20.37.12

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny, ich halte erstens fest, dass ich zu keiner Zeit – weder gestern noch heute – von dir irgendeinen Entwurf zu einem Entschließungsantrag oder sonst irgendetwas erhalten habe. Das ist Faktum. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, ich habe wirklich keinen bekommen!

So gut, denke ich, kennt mich Herr Bundesminister Buchinger, dass, wenn ich sage, dass ich etwas entgegengenommen habe, ich es auch entgegengenommen habe, darauf bin ich nämlich stolz. (Ruf bei der ÖVP: Das ist wieder typisch!) – Und ich habe weder gestern noch heute einen Entschließungsantrag oder sonst irgendetwas aus deiner Hand bekommen, das möchte ich ausdrücklich festhalten. (Ruf bei der ÖVP: Die arbeiten mit allen Mitteln!)

Zweiter Punkt: Herr Kollege Konecny, niemand von uns, der diesen Entschließungs­antrag ausgearbeitet oder unterschrieben hat, fordert irgendjemanden zum Geset­zesbruch auf! (Bundesrat Konecny: Ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hört mir vielleicht einmal zu! Das ist das Wichtigste, was ein Politiker tun müsste! Herr Bürgermeister Wiesenegg! Wir zwei wissen das, weil Bürgermeister gewohnt sind zuzuhören. (Ruf bei der SPÖ: Darum bin ich so ruhig!)

Hier steht im zweiten Absatz: im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Ver­waltungsstrafrechtes von der Bestrafung abzusehen ...; im vorletzten Absatz: „... unter Ausschöpfung der im Gesetz vorgesehenen Nachsichtsmöglichkeiten im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung vermieden werden ...“; und im letzten Absatz: „... im Rahmen ihrer Kompetenzen dahingehend einzuwirken, dass diese im oben darge­stellten Sinne vorgehen.“ (Bundesrat Konecny: ... Kompetenzen!)

Wo hier irgendjemand irgendjemanden zum Gesetzesbruch aufgefordert hat, das mag vielleicht irgendjemand wissen, der über uns weilt, denn der wird bestätigen, dass durch diesen Entschließungsantrag niemand zu einem Gesetzesbruch aufgefordert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

20.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Professor Konecny das Wort.

 


20.39.47

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Kollege Bieringer hat mir ganz ernst ins Gewissen geredet, ich muss mich daher selbst berichtigen.

Es war nicht gestern, sondern vorgestern, als du den Entwurf bekommen hast! Teile dieses Entwurfes sind auch in die sogenannte Einigung zwischen Schüssel und Cap eingegangen. Das müsste eine eigenartige Gedankenübertragung gewesen sein, wenn dieser Text ... (Bundesrat Mag. Baier: Also war es doch vorher und nicht nachher! – Bun­desrätin Roth-Halvax: Es war ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Es war am Dienstag. Kollege Bieringer hat recht, er hat gestern keinen Text von mir bekommen. Er hat ihn vorgestern bekommen, und die ganze Szenerie im Ausschuss


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 33

gestern in der Früh war ja deshalb so, weil man auf eine Einigung hoffte; das wissen wir.

Es war also vorgestern, und damit ist das klar. Das hast du auch nicht dementiert. (Bundesrätin Roth-Halvax: Also Cap ja, Kalina nein!)

20.40


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


20.40.46

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es könnte ein Freudentag oder zumindest ein freudiger Abend für eine kleine Oppo­sitionspartei wie das BZÖ sein, nämlich die heutige Sitzung hier im Bundesrat mit zwei Regierungsparteien, die gemeinsam im Nationalrat fast 70 Prozent innehaben, im Bundesrat fast 90 Prozent und in der Bundesregierung 100 Prozent an Mehrheiten aufzuweisen haben.

Es ist aber kein Freudentag, sondern es stimmt einen eher traurig, weil das Thema nicht zur Freude Anlass gibt für einen wie mich, der zwar nicht auf Pflegehilfen ange­wiesen ist, der aber eine Schwester hat, die mit nunmehr 57 Jahren zeit ihres Lebens als Behinderte in unserer Familie lebt und Gott sei Dank nicht angewiesen ist auf das Gesetz, das wir heute beschließen, beziehungsweise das der Nationalrat beschlossen hat (Bundesrat Gruber: Wir beschließen nichts!) und das wir heute absegnen sollen.

Wir tun uns hier etwas leichter als die Österreichische Volkspartei, auch mit Anträgen zu arbeiten, weil wir insgesamt, auch im Nationalrat, zwar die 15a-Bestimmung und die Vereinbarung selbstverständlich mittragen – auch der Landeshauptmann von Kärnten hat dem zugestimmt, und ohne die Mithilfe der Länder wäre dieses Gesetz nicht zustande gekommen –, aber wir vermissen in diesem Gesetz andere Dinge und haben deshalb auch in der Sitzung des Nationalrates am 4. Dezember Abänderungs- bezie­hungsweise Entschließungsanträge eingebracht, auch solche Anträge, die Frau Kolle­gin Roth-Halvax heute am Rednerpult erwähnt hat.

Allerdings habe ich es vermisst, dass die ÖVP-Fraktion im Parlament diesen Ent­schließungsanträgen die Zustimmung erteilt hätte, als es darum gegangen ist, die Vermögensgrenze abzuschaffen – Entschließungsantrag der BZÖ-Fraktion – oder die Förderung für selbstständige Betreuungskräfte auf zumindest 500 € monatlich zu erhöhen – vorgesehen sind hier nur 225 € –, da ja unselbstständige Betreuungskräfte mit 800 € gefördert werden. Zu diesem Punkt hat es allerdings keine Zustimmung der ÖVP-Fraktion gegeben.

Trotzdem kam es zu diesem Mehrheitsbeschluss der Regierungsparteien. Deshalb tun wir uns heute leichter, hier auch kritisch etwas dazu anzumerken.

Die Medienberichte zeigen es: Die Unsicherheit in Österreich vor allem im Pflege­bereich ist natürlich eklatant und gibt uns zu denken. In Kärnten – zwei Kollegen sind ja auch in der SPÖ-Fraktion im Bundesrat vertreten – gibt es die Ängste allerdings nicht – und ich weiß schon, jetzt kommt wieder der Zwischenruf, wenn ich das sage –, dank des Landeshauptmannes, der das sichergestellt hat, allerdings auch unter dem Aspekt (Zwischenrufe bei der ÖVP), dass es in Kärnten nur wenige Fälle gibt, die zurzeit illegal beschäftigt sind, und dadurch auch nur wenige in den legalen Bereich überzuführen sein werden: Da hat der Landeshauptmann zugesichert, um Rechtssicherheit herzu­stellen, dass er das Kontingent der Schlüsselarbeitskräfte voll für den Pflegebereich hernehmen wird. Das ist allerdings nur eine Sicherstellung für das kleine Land Kärnten, wo verhältnismäßig wenige illegal beschäftigte Pflegerinnen und Pfleger tätig sind.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 34

Wir könnten jetzt im Bundesrat sagen, wir lehnen uns zurück, Siegi Kampl und ich, für Kärnten ist alles geregelt, wir brauchen also nicht weiterzuschauen, denn das wäre ja in einer Ländervertretung normal. Nein! Wir sollten uns natürlich auch Gedanken machen, wie das Ganze weitergeht und wie es letztlich auch übergangsmäßig funk­tionie­ren kann, damit es nicht am 1. Jänner passiert, dass da und dort Pflegekräfte nicht mehr bei ihren zu Pflegenden erscheinen.

Deshalb gibt es Entschließungsanträge unterschiedlichster Art und unterschiedlichster Qualität: von der Volkspartei eingebracht, von der FPÖ eingebracht; von den Grünen sind zwei eingebracht, und auch wir werden einen einbringen, den wir auch gestern schon im Rahmen einer Diskussion zu einem anderen Tagesordnungspunkt einge­bracht haben. Es ist tatsächlich so, dass in einigen Anträgen Formulierungen enthalten sind, die eigentlich die Regierung zum Gesetzesbruch auffordern, das ist unbestritten. Deshalb werden wir uns auch sehr schwer damit tun, bei den anderen Anträgen, die eingebracht worden sind, ja zu sagen. Wir werden uns das ganz genau überlegen und darüber noch beraten.

Wir haben allerdings selbst einen Entschließungsantrag eingebracht, der genau das fordert, dass nämlich die Regierung ein Gesetz macht, das diese Pflegegeschichte in Zukunft regelt. Deshalb darf ich dann dem Präsidenten noch einmal den Antrag über­reichen, der auch ausreichend unterstützt ist; gestern habe ich ihn auch schon eingebracht, da wurde er abgelehnt. Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis zum 29. Jänner 2008 dem Nationalrat Gesetzesentwürfe vorzulegen, die gewährleisten, dass es für eine Übergangsfrist bis Ende Juni 2008 für Pflege im privaten Bereich, vor allem die 24-Stunden-Betreuung, weder zu Strafen noch zu Nachforderungen (sowohl im Arbeitsrecht als auch durch die Sozialversicherung) zu Lasten der Betroffenen beziehungsweise ihrer Verwandten kommt.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat bis Ende Mai 2008 Gesetzesentwürfe für eine dauerhafte Gesamtregelung der Pflegeproblematik im privaten Bereich, vor allem der 24-Stunden-Betreuung, vorzulegen, die eine finanziell, organisatorisch und menschlich zumutbare private Pflege ermöglichen.

*****

Wenn dieser Antrag die Zustimmung finden würde, wären wir natürlich sehr stolz darauf, weil ich glaube, dass wir auch jene Fraktion sind, die heute hier im Plenum einen sachlichen Beitrag zur gesamten Diskussion geleistet hat. (Beifall des Bun­desrates Ing. Kampl.)

20.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte und verlesene Ent­schließungs­antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


20.47.39

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs festhalten: Vorarlberg steht nicht im Wahlkampf. Wir haben deshalb dieses Modell kreiert, ohne


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 35

entsprechend – wie ja von Ihnen heute bereits mehrfach ausgeführt – nur Wahlkampf zu betreiben und hier polemisch tätig zu sein, was ich natürlich auf das Energischste zurückweisen muss!

Kollege Kalina ist jetzt nicht hier, ich möchte aber noch auf sein unwürdiges Schau­spiel – Herr Professor, das sage ich auch Ihnen als Fraktionsvorsitzendem –, das er hier geboten hat, zurückkommen. Diese Parteipolemik, die er hier eingebracht hat, ist im Bundesrat an und für sich in dieser Form nicht erwünscht. Das darf ich in aller Form sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Zuerst Zustimmung ...!)

Herr Professor, ich habe ihm nach seiner ersten Rede Sachlichkeit und Korrektheit attestiert und dazugesagt, wir werden mit dem Kollegen Kalina in dieser Art und Weise noch sehr viel Freude haben. Aber er betätigt sich als politischer Brunnenvergifter und reißt Gräben auf, und das ist der Sache des Bundesrates nicht dienlich. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Roth-Halvax: Für die SPÖ-Zentrale!)

Herr Minister, ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, wenn es jetzt um die Pflege­situation geht: Sie haben wirklich monatelang Zeit gehabt, um die pflegebedürftigen Menschen zu informieren. Jetzt, sozusagen ein paar Tage vor Auslaufen der Pflege­amnestie, mit dieser Kampagne zu beginnen, ist einfach zu spät! Sie haben auch selbst zugegeben, dass die Menschen massiv verunsichert sind.

Der Herr Professor hat uns angedroht, wenn jemand das Wort „Verunsicherung“ in den Mund nimmt, dann gehört er selbst zu denen, die weitere Verunsicherung betreiben. (Bundesrat Konecny: Nein! Wenn nicht sachlich ...!) Das stimmt nicht, Herr Professor! Das stimmt in diesem Fall einfach nicht, weil die Menschen draußen sich nicht aus­kennen. Das ist die große Problematik!

Wir hätten den Menschen das Gefühl geben müssen, dass wir auf sie schauen, dass der Staat auf sie schaut, dass sie betreut sind. Schon aus diesem Grund, Herr Kollege Minister, haben wir gefordert, dass wir diese Pflegeamnestie verlängern, um zu informieren, um die Menschen draußen über geänderte Verhältnisse rechtzeitig, im richtigen Umfang und in der richtigen Art und Weise, aber nicht ein paar Tage vor Weihnachten zu informieren. Das ist der entscheidende Punkt! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Minister, Sie wissen genau, dass ein großer Prozentsatz der Bevölkerung – ich habe das heute schon einmal gehört – zu Hause gepflegt werden möchte. In Vorarl­berg sind es 90 Prozent, und für 80 Prozent machen wir das auch möglich.

Mit diesem neuen Förderungsmodell, das einfach die Problematik des Nicht-Bekannt-Seins hat, macht man die Pflege intensiv teurer, und mit den 225 € ist diese zusätz­liche sozialversicherungsrechtliche Absicherung nicht möglich, weil dieses Geld für zwei Betreuerinnen einfach nicht ausreicht. Deshalb hat das Land Vorarlberg so wie das Land Niederösterreich einen eigenen Weg gewählt, weil wir die Ärmsten der Armen einfach nicht im Regen stehen lassen wollen und nicht ohne leistbare Pflege allein lassen wollen. Das ist der entscheidende Punkt des Vorarlberger Modells!

Übrigens hat Ihr Generalsekretär Bundesrat Kalina, der hier durch Abwesenheit glänzt, nachdem er sich entsprechend eingebracht und uns jetzt verlassen hat, in einer sehr intelligenten Aussendung – das muss ich ja betonen – das niederösterreichische und das Vorarlberger Modell gutgeheißen und der SPÖ eine Umsetzung empfohlen! Auch der burgenländische Landeshauptmann Niessl hat sich in diese Richtung geäußert. Hier gibt es also doch sehr, sehr vernünftige Unterstützungserklärungen, die wir alle natürlich ernst nehmen sollten, Herr Minister.

Unser Modell für die 24-Stunden-Betreuung auf Basis und im Rahmen dieser 15a-Vereinbarung – das ist ganz klar – kann ich Ihnen empfehlen, und das sollte auch


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 36

bundesweit übernommen werden. Dazu habe ich dann für Sie noch eine spezielle Information. Wir erwarten nämlich durch unser Vorarlberger Modell eine gewisse Be­ruhi­gung der Diskussion und wollen den Menschen den Zugang erleichtern, Hemm­schwellen abbauen und vor allem auch die Verunsicherung nehmen.

Die Vorarlberger haben im Jahre 1991 das Pflegegeld erfunden; wir, die Vorarlberger, haben das Pflegegeld erfunden! Wir haben damals schon erkannt, dass es für die Pflege zusätzliche Anreize braucht, um Menschen in ihrer Umgebung zu belassen, um sie zu Hause pflegen zu können. So viel stationär wie nötig, und so viel ambulant wie möglich – das ist auch der Leitspruch des Altenhilfekonzeptes meiner Stadt Feldkirch, das dann Gültigkeit für das ganze Land bekommen hat: So viel stationär wie nötig, so viel ambulant wie möglich!

1993 wurde dann das Pflegegeld, basierend auf dem Vorarlberger Modell, bundesweit, in ganz Österreich übernommen – das war ein Quantensprung –, und zwar ohne Ein­kom­mensgrenzen und ohne Vermögenszugriff, sozial hervorragend gestaffelt. Da, Herr Minister, hätten Sie sich jetzt einklinken können! Denn heute, nach 15 Jahren, ist die Situation aus den Fugen geraten, die Verteiloption stimmt in diesem Bereich nicht mehr.

Wir fordern deshalb eine massive Anpassung beziehungsweise Erhöhung des Pflege­geldes, weil wir die Herausforderung Pflege einfach annehmen müssen, Herr Minister! Unsere Großväter und Großmütter, unsere Mütter und Väter haben eine soziale Absicherung ihres Lebensstandards verdient. Und da, lieber Herr Kollege Konecny, sind mir die Krokodilstränen, die Sie uns vorgeworfen haben, zu weit weg, weil es bei der Pflege und Betreuung wirklich um die Menschen geht. Da appelliere ich einfach an Ihre soziale Einstellung, Herr Professor, in aller Form! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir fordern deshalb auch, dass es keine Kriminalisierung der Menschen geben soll. Ich darf Sie wirklich inständig bitten, die Polizei, die KIAB und die Sozialversicherungen fern von den Wohnungen der Menschen zu halten! Das wäre nämlich ein Höhepunkt in dieser Causa. Das trifft in erster Linie Menschen mit Behinderung und alte Menschen, und wenn wir diese nach dem Buchstaben des Gesetzes verfolgen, dann kenne ich mich wirklich nicht mehr aus, Herr Minister!

Es gibt diesbezüglich auch divergierende Aussagen zwischen Ihnen und dem Herrn Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat bei uns in den „Vorarlberger Nachrichten“ ein Statement abgegeben: Null Toleranz bei Pflege; 24-Stunden-Betreuung: Behörden müssen allen Anzeigen nachgehen, warnt Kanzler.

Sie hingegen haben in einigen Aussagen gesagt – und ich freue mich darüber, weil da offensichtlich Ihre soziale Einstellung weiter reicht oder viel weiter reicht –: Keine Strafe für illegale Pflege! – Ich hätte von Ihnen jetzt wirklich noch gerne die Aussage, wie Sie das interpretieren, Herr Minister.

Außerdem möchte ich hier anfügen, dass Sie in „Österreich“ sehr gelungen als Sani­täter abgebildet wurden. Ich möchte Sie auch bitten, dass Sie hier weiter als Sanitäter tätig werden. (Bundesrätin Roth-Halvax: Da kann er nichts dafür!) Sie haben das Foto sicher gesehen, sehr verehrte Damen und Herren, das Häubchen steht ihm wirklich gut. (Der Redner hält eine Zeitungsseite in die Höhe. – Bundesrat Gruber: Musst ja nicht neidig sein, Kollege!) Nein, ich bin nicht neidig. Es steht ihm gut, das kann ich hier allen Ernstes anfügen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie gehören auch dazu ...!)

Eine Bemerkung sei mir noch erlaubt. Ihr habt uns im Wahlkampf – daran kann ich mich wirklich sehr gut erinnern – soziale Kälte und Pflegenotstand vorgeworfen. (Bun­desrat Gruber: Und ihr habt gesagt, es gibt keinen!) Wenn ihr jetzt das Gesetz wirklich in dieser Härte vollziehen wollt (Bundesrat Gruber: Ihr habt gesagt, es gibt keinen! –


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 37

Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax), dann haben wir nämlich einen Pflege­notstand. Denn irgendjemand muss dann auch noch die kranken Menschen betreuen und pflegen, und wenn keine Betreuungen mehr da sind – na, das schaue ich mir dann an! Hoffentlich, Herr Minister, werden dann diese Personen, die nicht mehr gepflegt werden können, nicht vor das Sozialministerium hingestellt, damit Sie an dieser Prob­lematik nicht vorbeischauen können. Das wünschen in diesem Fall wirklich wir alle uns nicht.

Uns Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern sind die Menschen, insbesondere die alten Menschen, die unser Land aufgebaut haben, etwas wert. (Bundesrat Gruber: Uns auch, Herr Kollege!) Wir stehen zum Generationenvertrag, wir lassen in diesem Fall die Menschen nicht im Stich, und wir brauchen auch keine Wahlkampfpolemik (Bundesrat Gruber: Wir auch nicht!), überhaupt keine Wahlkampfpolemik!

Wir Vorarlberger werden dieser Artikel-15a-Vereinbarung, weil es um die Finanzierung der Pflege geht – das ist der entscheidende Punkt (Bundesrat Gruber: Ja, darum geht es!) –, zustimmen (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax), weil es einfach einer Finanzierung dieser Pflege bedarf, in deren Rahmen die Länder Gestaltungs­möglich­keiten haben. Deshalb darf ich Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, noch einmal das Vorarlberger Modell auf das Wärmste empfehlen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Endlich einer, der etwas sagt ...!)

20.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


20.57.36

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich weiß nicht, ob Ihnen das wechselseitig auffällt: Ich finde es ganz interessant, wenn ich so zuhöre, dass Sie sich gegenseitig fast wortgleich Partei­polemik vorwerfen, dass Sie sich gegenseitig vorwerfen, sich im Wahlkampf zu befin­den. Ich weiß nicht, vielleicht bekommen Sie alle zu Weihnachten von mir ein kleines Glashaus: Im Glashaus soll man nicht mit Steinen werfen. Ich glaube, Sie sind da jeweils in derselben Situation. Und ich finde es tatsächlich faszinierend, zu beobach­ten, wie man mit solcher Überzeugung der anderen Seite das vorwerfen kann, was man selbst im guten Glauben, dass es ohnehin richtig ist, auch macht. – Das einmal nur so aus der Beobachtung der bisherigen Diskussion.

Gehen wir ein bisschen zurück zu dem, was wir bisher zum Thema Pflege schon diskutiert haben. Vor ungefähr einem Jahr haben wir einen Sozialausschuss gehabt, in dem wir uns mit dem Thema Pflege befasst haben, und da war der Sozialminister anwesend. Ich habe dann im Plenum gesagt: Ich fand es zwar sehr schön, dass der Sozialminister zu einer Ausschusssitzung kommt, man kann das durchaus als Zeichen der Hochachtung gegenüber dem Bundesrat deuten; man kann das aber – und dieses Gefühl hat sich bei mir im Laufe der damaligen Sitzung verstärkt – auch so deuten, dass der Sozialminister deshalb hier ist, um quasi moralischen Beistand zu leisten, dass die Einigungen dann durchaus auch so halten, wie sie im Vorfeld getroffen wurden.

Ich habe damals im Plenum gesagt, mir kommt die Stimmung im Saal – denn da waren auch recht viele Sticheleien, aber durchaus nicht in dem Ausmaß wie heute, zu hören –ein bisschen so vor wie bei einer Familienweihnachtsfeier, bei der sich alle irrsinnig bemühen, sehr nett zueinander zu sein, aber zu späterer Stunde schafft man es nervlich nicht mehr, und dann brechen die Streitereien heraus. Es hat ein Jahr gedauert: Die Streiterei ist hier. Sie haben wirklich langen Atem bewiesen – gratuliere dazu! (Beifall bei den Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 38

Klubobmann Konecny spricht heute ein bisschen anders als sonst. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny.) Ich kann mir nicht helfen, er misst mit zweierlei Maß. Er ist – und ich weiß, dass er das immer aus vollster Überzeugung sagt – ein überzeugter Parlamentarier, absolut glaubwürdig in der Rolle des Parlamentariers, dem es wichtig ist, dass zum Beispiel auch der Bundesrat seine Möglichkeiten nützt, dass man hier einfach den Parlamentarismus hochleben lässt. (Präsident Mag. Erlitz übernimmt wieder den Vorsitz.)

Heute stellen Sie sich hierher und sagen im Brustton der Überzeugung, dass es eine Verunsicherung der Bevölkerung sei, wenn Anträge eingebracht werden. Das würde ich eventuell noch von einem Regierungsmitglied verstehen, das das sagt. Von einem Parlamentarier, der so von dem überzeugt ist, was er macht, wundert es mich doch sehr, so etwas zu hören. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Mayer: Ja, genau! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Präsident Mag. Erlitz gibt das Glockenzeichen.)

Wenn wir schon beim Thema Verunsicherung sind: Verunsicherung gibt es – ja, absolut. Das habe ich auch im Ausschuss gestern Abend gesagt. Die Verunsicherung der Bevölkerung gibt es, aber nicht erst seit gestern. Die Verunsicherung der Bevöl­kerung kommt schlicht und ergreifend daher, dass die Mitglieder dieser Bundes­regie­rung seit dem Sommer und auch schon davor jede Gelegenheit genützt haben, um sich öffentlich gegenseitig zu diesem Thema zu bekriegen. Das ist wirklich ein Thema, das dafür ungeeignet ist. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es gäbe viele andere Themen. Wir haben heute zu vielen anderen Themen Beschlüs­se gefasst, bei denen niemand aufgemuckt hat – hoffentlich nicht wider besseres Wis­sen und Gewissen –, wo sich also niemand groß beschwert hat. Genau dieses Thema, bei dem Verunsicherung wirklich ein Problem für die Bevölkerung darstellt, hat man jedoch gewählt, um damit im ganzen letzten Jahr groß Parteipolitik zu machen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt im Bundesrat jenen, die Anträge einbringen, vorzuwerfen, dass das die Verun­sicherung bewirke? – Ich glaube nicht, dass jemand, der morgen die Zeitung liest, aufgrund der Anträge im Bundesrat jetzt mehr oder weniger verunsichert sein wird, als es bereits davor der Fall war. Die Verunsicherung ist gegeben, aber die kommt wirklich woanders her. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin gespannt, wie es heute ausgeht, wie sich die Familienweihnachtsfeier heute ihrem Ende zuneigen wird. Ich stehe hier als Contra-Rednerin. Die Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP sind Pro-Redner und bekriegen sich seit geraumer Zeit auf das Trefflichste. Wir kennen alle die Vorgeschichte der letzten beiden Tage. Ich bin wirklich gespannt, wie jetzt am Ende dieser Sitzung das Abstimmungsverhalten sein wird.

Ein anderer Punkt, den Sie gegenseitig ins Treffen geführt haben, war das freie Man­dat. Das war ein richtiger Wettstreit: Wer hat das freiere Mandat? Es gab Zwischenrufe von beiden Seiten, man hat es kaum mehr mitverfolgen können. Einige Vertreter und Vertreterinnen der SPÖ haben in der inzwischen letzten Sitzung bewiesen, dass sie ein freies Mandat haben und haben sich in dem einen oder anderen Punkt anders verhalten als der Rest ihres Klubs. Gut, das waren Ausreißer, wahrscheinlich nicht repräsentativ, auch in der Anzahl nicht, aber es hat sie gegeben.

Jetzt gibt es wieder eine Möglichkeit. Es liegen unsere Anträge vor. Und dann ist die Frage, ob diese Artikel-15a-Vereinbarung hier eine Mehrheit findet oder nicht. Es gibt immer noch die Möglichkeit, dagegen zu stimmen. (Bundesrat Gruber: Damit sabotiert man die Finanzierung!) Ich wende mich an die ÖVP: Sie haben ja im Ausschuss durchaus einen gewissen Unmut gegen diese Regelung zum Ausdruck gebracht. Sie können hier auch ganz einfach dagegen stimmen und das offiziell machen. (Bundesrat


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 39

Gruber: Wahnsinn! Damit fällt das Ganze!) Es gibt, wie gesagt, auch unsere Anträge, denen jeder hier im Raum natürlich jederzeit gerne zustimmen kann.

Ein Wort noch zum Abschluss: Offensichtlich braucht der Bundesrat – ich habe nach­gerechnet – gute 20 Stunden, um richtig auf Betriebstemperatur zu kommen. Die Sitzung hat bis jetzt 20 Stunden gedauert, inklusive gestern. Und jetzt haben wir hier eine Auseinandersetzung, die einmal ein bisschen abseits vom Koalitionszwang ist, was ja durchaus auch einmal interessant ist. So stelle ich mir das ja im Prinzip vor. Es hätte viele andere Punkte in der letzten Sitzung gegeben, wo ich mir das schon auch gewünscht hätte. Es gibt Anträge; es gibt Diskussionen, die nicht vom Blatt gelesen werden, weil sie ohnehin schon vorher fünfmal geführt wurden. Vielleicht sollten wir in Zukunft auch lange Sitzungen halten, aber dann trotzdem mit einer etwas kürzeren Tagesordnung, denn ich denke, es gibt viele Themen, die wir intensiver diskutieren sollten und auch mit ein bisschen mehr Enthusiasmus. (Beifall bei den Grünen.)

21.03


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


21.04.06

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Geburtsvorgang zur Artikel-15a-Vereinbarung betreffend 24-Stunden-Betreuung zwischen Bund und Ländern ist, wie es den Anschein hat, bis dato sehr beschwerlich, und teilweise möchte man glauben, dass die Wehen noch voll im Gange sind. Ich möchte mich aber sehr herzlich bei meinem Vorarlberger Kollegen, Bundesrat Mayer, für die Unterstützung der 15a-Vereinbarung betreffend 24-Stunden-Betreuung bedanken und hoffe selbstverständlich auch im Bewusstsein des freien Mandats, dass sich noch sehr viele ÖVP-Kollegen ebenfalls dieser Unterstützung bewusst werden.

Ich möchte im Folgenden die Diskussion wieder auf eine sachliche Ebene bringen. Mit dem Hausbetreuungsgesetz, den Novellen zur Gewerbeordnung und zum Bundes­pflegegeldgesetz wurden die Rechtsgrundlagen zur 24-Stunden-Betreuung zu Hause geschaffen. Mit dieser 15a-Vereinbarung sollen einheitliche Zielsetzungen und Grund­sätze zur Förderung der 24-Stunden-Betreuung geschaffen werden. Der Bund ver­pflich­tet sich, wie wir heute schon gehört haben, die Ausgaben zu 60 Prozent zu fördern, Länder und Gemeinden zu 40 Prozent. Im FAG wurden die jährlichen Gesamtkosten mit 40 Millionen € gedeckelt. Auf Länder und Gemeinden entfallen damit 16 Millionen €.

Was will man mit der gegenständlichen 15a-Vereinbarung eigentlich erreichen? – Der wichtigste Punkt: Die Pflege wird legalisiert. Es soll eine leistbare Betreuung geschaffen werden. Einheitliche Grundsätze sollen festgelegt werden, die Bund und Länder bei der Förderung zu berücksichtigen haben.

Kolleginnen und Kollegen! Pflege und Betreuung sind, wie wir wissen, sensible Be­reiche. Viele Menschen, Pflegebedürftige, aber auch pflegende Angehörige sind davon betroffen. Zirka 80 Prozent – und dieser Prozentsatz wurde heute auch bereits ange­sprochen – der Menschen mit Pflegebedarf werden zu Hause betreut. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung nimmt die Zahl derer, die einer Pflege bedürfen, stetig und permanent zu. Zukünftig ist daher wesentlich, dass genügend Pflege- und Betreuungs­kräfte zur Verfügung stehen, dass aber auch damit einhergehend die Qualität der Pflege gesichert bleibt.

Pflege ist, wie wir wissen, aber auch Landessache. Das heißt, dass die Länder in die Verhandlungen miteingebunden sind. Erste Anlaufstelle betreffend Informationen über


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 40

die 24-Stunden-Betreuung sind aber auch die Gemeinden. So wurden zum Beispiel erst vor Kurzem in allen Bezirken des Burgenlandes Bürgermeister- und Amtmänner-Tagungen zum Thema abgehalten. Informationsmaterialien zur Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung, zum Fördermodell liegen in allen Gemeindeämtern auf und nicht nur dort, sondern auch in den Gebietskrankenkassen und Wirtschaftskammern.

Einige Anmerkungen dazu: Zum Teil sollten sie etwas übersichtlicher gestaltet werden. Alles Neue ist naturgemäß für ältere Menschen schwer zu verstehen. Ich bin aber optimistisch und zuversichtlich, dass auf diesem Gebiet in den nächsten Tagen vom zuständigen Ministerium noch alles getan wird, um entsprechend ziel- und treffsicher die betroffenen Personen und deren Angehörige zu informieren.

Gerade die Gemeinden leisten in der Betreuung und Pflege ihrer älteren Mitbürger sehr viel und sind immer wieder bereit, dafür auch in die finanzielle Tasche zu greifen. Herr Minister! Sie haben mit dem vorliegenden Modell, mit der 15a-Vereinbarung betreffend 24-Stunden-Betreuung meiner Meinung nach ein Kompromissmodell vorgelegt. Es würde, so glaube ich, noch effizienter und besser werden, wenn unser Herr Finanz­minister Molterer den Ländern und auch den Gemeinden mehr Geld zur Verfügung stellte.

Der burgenländische Landtag beschloss in seiner letzten Sitzung vorige Woche, am 13. Dezember eine Entschließung. Ich zitiere nur einen kleinen Auszug:

Das Pflegegeld soll bereits ab 1. Jänner 2008 valorisiert werden. Die Einbeziehung weite­rer Pflegestufen zum Beispiel für demenzkranke Menschen ist im Rahmen der Evaluierung zu prüfen.

Weiters: Eine Pflegefachkraft soll bei der Pflegegeldeinstufung auch zusätzlich beigestellt werden. Die Installierung eines Bundespflegefonds im Ausmaß von 150 bis 200 Millionen € zur nachhaltigen Absicherung einer sozial ausgewogenen Regelung ist wünschenswert, genauso wie eine soziale Staffelung der Förderhöhe, um eine sozial faire und gerechte Mittelverteilung zu ermöglichen. – Zitatende.

Kolleginnen und Kollegen! Im laufenden Jahr konnten von Bund und Ländern viele wichtige Schritte zur Sicherung der Pflege und Betreuung der Menschen gesetzt werden. Der Bedarf an Betreuung und Pflege ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erheblich gestiegen. Die Anforderungen der zu betreuenden und pflegen­den Menschen haben sich erheblich verändert, haben sich intensiviert. Die betreuungs­bedürftigen Personen verlangen meiner Meinung nach auch mehr als eine pflegerische und medizinische Versorgung, sie benötigen auch eine umfassende soziale Betreuung und Beratung.

In die Betreuung und Pflege hilfsbedürftiger Menschen sind verschiedene Berufsgrup­pen eingebunden. Das Land Burgenland hat im Sozialbetreuungspaket die Rechte und Pflichten der einzelnen Berufsgruppen – Heimhelfer, Fach- und Diplomsozialbetreuer – entsprechend festgeschrieben. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Sicherheit der Menschen, die Hilfe benötigen.

Die Generation, die heute hauptsächlich einer Betreuung und Pflege bedarf, die meist über 70- und 80-Jährigen, hat, wie wir wissen, auch maßgeblich am Aufbau unseres Landes mitgewirkt und den Grundstein zu unserem jetzigen Wohlstand gelegt, oft auch verbunden mit persönlichen Entbehrungen.

Wir, die nachfolgenden Generationen, haben daher die Verpflichtung, ihnen die best­mög­liche Betreuung und Pflege angedeihen zu lassen. Eine Gesellschaft wird auch daran gemessen, wie sie mit ihren älteren, pflegebedürftigen und – das wurde heute kurz angesprochen – auch behinderten Mitmenschen umgeht. Trachten wir daher da-


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 41

nach, dass wir in diesem Ranking zukünftig in den vorderen Plätzen der Staaten­gemeinschaft aufscheinen.

Die vorliegende 15a-Vereinbarung des Bundes mit den Ländern betreffend 24-Stun­den-Betreuung, wie sie unlängst im Nationalrat beschlossen wurde, ist daher ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, hin zu mehr Solidarität und sozialer Wärme in unserem Land. Wohl wissend, dass die begleitende Evaluierung und Qualitätssiche­rung bis hin zu einem notwendigen bundeseinheitlichen Pflegebericht natürlich noch aussteht und entsprechende Ergebnisse liefern wird, stimme ich der vorliegenden 15a-Vereinbarung betreffend 24-Stunden-Betreuung daher zu.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.11


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

 


21.12.13

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unwahrheiten werden nicht wahr, auch wenn man sie immer wieder wiederholt. Ich möchte daher zu Beginn meiner Ausführungen mit der Mär aufräumen, dass die ÖVP-Fraktion jemals ange­dacht hat, gegen die Artikel-15a-Vereinbarung zu stimmen. Es war auch für uns in der Bundesratsfraktion immer eine Selbstverständlichkeit, dass wir zu dieser 15a-Ver­einbarung stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte weiters mit der Mär aufräumen, dass wir gegen eine vernünftige und sinnvolle 24-Stunden-Betreuungslösung sind. Auch das ist eine Mär, wenn jetzt unterstellt wird, wir würden das nicht akzeptieren. Was wir auch hier noch einmal wiederholt haben, ist nichts Neues, denn es wurde auch im Vorfeld der Debatte im Nationalrat schon angesprochen: sowohl im Sozialausschuss als auch dann im Plenum des Nationalrates sind manche zur Überzeugung gekommen, dass es nicht damit getan ist, zu empfehlen, in die Homepage zu schauen, sondern dass es noch ein paar Dinge gibt, die ein bisschen unrund laufen. Und daher, Herr Bundesminister und alle anderen, die sich bemüßigt gefühlt haben, uns da destruktives Verhalten zu unter­stellen, haben wir angedacht, denen, die sich der jetzigen Methode bedienen, eine längere Übergangszeit zu gewähren.

Damit haben wir uns durchaus in guter Gesellschaft befunden. Sieben von neun Landeshauptleuten sind der Meinung, dass hier noch etwas nicht so gut ist, wie es sein sollte. Vor wenigen Tagen hat auch Genosse Kalina noch gemeint, man müsse hier das niederösterreichische und das burgenländische Modell nehmen. (Bundesrat Kalina: Sie sind kein Genosse!) Dann hat der Herr Sozialminister gesagt, das nehmen wir nicht. Also wir waren damit ursprünglich in guter Gesellschaft.

Herr Kollege Kalina! Ich unterstelle Ihnen, ich frage jetzt ... (Bundesrat Konecny: Trittst du uns bei?) Nicht mein Genosse, sondern euer Genosse! Vielleicht kannst du ihm gleich behilflich sein, denn: Herr Kollege Kalina, was Sie getan haben, entspricht nicht dem Stil dieses Hauses. Ich habe bei Ihrer ersten Rede in meiner Fraktion darauf hingewiesen, dass es Ihre erste Rede ist und wir uns mit Zwischenrufen zurückhalten sollen, weil auch Frau Präsidentin Haselbach gesagt hat, dass dieses Haus ein gewis­ses Niveau hat. Daher frage ich mich auch, ob Sie nicht des Lesens kundig sind oder andere Absichten haben, wenn Sie hier ein Inserat in die Höhe halten und ganz bewusst falsche Personen zitieren. (Bundesrat Kalina: Ich habe gesagt, dass er das nur so gemeint haben kann!)


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Oder Sie kennen die Minister nicht auseinander. Das würde aber auch nicht rechtfer­tigen, dass Sie hier in dieser Kammer sitzen, wenn Sie den Unterschied zwischen dem Finanzminister und dem Sozialminister nicht kennen. Also egal, wie es auch gewesen sein mag ... (Bundesrat Kalina: Er kann aber nur das meinen!) Nein, da steht nicht der Finanzminister drunter, da steht nicht der Finanzminister! Was andere meinen ... (Bundesrat Ing. Einwallner: Minister Buchinger kann es nicht gewesen sein! – Bundesrat Winterauer: Es ist Minister Pröll! Ganz unten steht das! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Kalina, Sie mögen ja manche Qualitäten haben, aber dass Sie wissen, wer was meint, das traue ich Ihnen nicht zu. Sie haben ja schon einmal den Beweis geliefert, beim Altbundeskanzler Klima, dass Ihre Qualitäten auch beschränkt sind und Sie auf den gelben Gummistiefeln sitzen geblieben sind. (Bundesrat Kalina: Besser Gummistiefel als Stahlhelm!)

Daher nur so viel: Ich verstehe, Herr Kollege Kalina, dass Sie eine gewisse Angst haben, wenn Landeshauptleute Pressekonferenzen ansetzen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie verwechseln aber die Bühne. Sie müssen nicht befürchten, dass sie so wie der steirische Landeshauptmann gegen die Regierung losziehen. Vor wenigen Tagen war ja der Präsident dieses Hauses, zwar in einer anderen Funktion, aber eben doch Staffage bei einer Pressekonferenz, auf der Ihnen Herr Landeshauptmann Voves einiges ausgerichtet hat. Sie haben ja selbst gesagt, dass das Mandat hier für Sie kein Fulltime-Job ist. Spielen Sie also Ihren Job als Zentralsekretär im Zentralsekretariat, und spielen Sie den Job als Bundesrat hier seriös. (Bundesrat Konecny: Geh bitte! Und du bist nur Bundesrat?)

Was mich allerdings nachdenklich stimmt – und ich habe das heute schon einmal gesagt –: dass Sie kein soziales Herz haben und sagen, 4 000 € sind für Sie keine Bezahlung für einen Fulltime-Job. Die Kolleginnen und Kollegen, für die wir als Gewerkschafter für 1 000 € Mindestlohn kämpfen, die danken Ihnen Ihre Arroganz, was das Verhältnis zum Geld betrifft. (Bundesrat Gruber: Zum Thema!)

Ich komme jetzt wieder zum Thema zurück. Es geht darum, den Menschen Sicherheit zu geben. (Bundesrat Gruber: Ja!) Und das schafft man nicht, wenn Kollege Kalina Inserate falsch zitiert oder Kollegin Seitner entweder infolge von Uninformiertheit oder wider besseres Wissen hier Dinge behauptet, die ganz einfach nicht stimmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich würde daher Folgendes vorschlagen: Herr Bundesminister Buchinger! Werden Sie sich klar darüber, welche Kompetenzen Sie haben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) So kann es ja nicht gehen, dass Herr Bundesminister Buchinger – vielleicht hängt das auch mit dem Wahlkampf in Niederösterreich zusammen – durch Niederösterreich tourt und erklärt, er ist der good boy und für alles im Pflegebereich der Zuständige, und wenn man dann draufkommt, dass es eckt, dann sagt er, dass die bad boys oder die bad girls die anderen sind. (Bundesrätin Seitner: Die black boys!) Entweder Sie sagen, wo die Grenzen Ihrer Kompetenz liegen, oder Sie lassen sich als Held feiern, dann müssen Sie aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir hier Ihre Kompetenz einfordern.

Ich hoffe daher, dass wir heute zu einer Lösung kommen und mit jenen Untergriffen aufhören, dass wir die 15a-Vereinbarung in Frage gestellt hätten oder dass wir die Pflegeregelung insgesamt in Frage stellen würden. Was wir wollen, ist, den Menschen die Angst nehmen, dass es am 1. Jänner zu Strafen und zu Verunsicherungen kommt. (Bundesrat Stadler: Die Angst vor der ÖVP! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich merke, euch geht es anscheinend nicht darum, den Menschen die Angst zu neh­men (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sondern darum, auf dem Rücken der Betroffenen zu agitieren, was ich sehr bedauere. (Bundesrat Reisenberger, die rechte


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Hand über den Kopf zum linken Ohr führend: Meine Hand ist zu kurz!) Ich kratze mich nicht so, sondern wir haben eine klare Linie. Wir haben in Niederösterreich klar gesagt, was Sache ist, und dazu stehen wir auch. Und die Menschen in diesem Land akzep­tieren das auch und erkennen auch, wie andere reagieren.

Herr Landesrat Schabl hätte schon lange vor der Landtagswahl die Möglichkeit gehabt, den Antrag zu stellen, dass der Wegfall der Regressforderung kommt. Aber jetzt fällt es ihm ein! (Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, schau dir an, wann! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


21.21.10

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Gospa President! Gospod Minister! Ich möchte nichts wiederholen, sondern ich möchte nur zwei Sätze zum Kollegen Mitterer sagen.

Zum Ersten: Den Landeshauptmann von Kärnten als den großen Retter und den großen Mann hinzustellen ist für mich einfach unverständlich und absurd. (Bundesrat Mitterer: ... ist geregelt!) Es ist geregelt. Als großen Mann und als Retter haben Sie ihn hingestellt. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.) Ich habe es so verstanden!

Wir haben eine Sozialreferentin – das ist die Landesrätin Dr. Gaby Schaunig –, die für diese sozialen Dinge zuständig ist. Und die Förderung, die bis jetzt zu 100 Prozent der Bund übernahm, wird jetzt durch dieses Gesetz, durch diese Artikel-15a-Vereinbarung mittels Verteilungsschlüssel 40 : 60 auf Länder und Bund aufgeteilt. Da den Kärntner Landeshauptmann als den großen Retter darzustellen ist einfach absurd.

Zum Zweiten: Ich stehe noch heute zu dem, was ich im Sommer gesagt habe, nämlich: Ich bin dafür, dass der große Pflegekomplex so schnell wie möglich und zugunsten der Betroffenen angegangen werden soll. Diese Artikel-15a-Vereinbarung ist ein kleines Mosaikstück, wo es um Kostendeckelung geht, wo es um Kostenaufteilung geht. Und das werden wir befürworten.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ.)

21.23


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


21.23.12

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich im Jargon der Frau Kollegin Roth-Halvax bliebe, dann müsste ich sagen: Ich finde es unerträglich, welche Diskussion wir heute hier führen!

Und ich finde es noch viel schlimmer, dass uns die Frau Konrad von den Grünen – uns, den Regierungsparteien – den Spiegel vor das Gesicht hält. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Ich finde das sehr, sehr schlimm, vor allem in Anbetracht der Tatsache, Frau Kollegin Halvax, dass wir vor einem halben Jahr hier dieses Pflege­gesetz beschlossen haben. Der Herr Bundesminister hat es hier ganz klar ausgeführt.

Es gibt jede Menge Information über dieses Gesetz. Jede Menge! Es gibt dafür zahl­reiche Fallbeispiele. Ich stelle sie Ihnen dann gerne zur Verfügung, Sie können es


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 44

gerne nachrechnen. Es ist in Wirklichkeit alles gemacht worden, was im Zusam­menhang mit Pflege letzten Endes wichtig ist – auch die Öffentlichkeitsarbeit! (Bun­desrat Weiss: Seit wann denn?)

Ich bin kein Computerspezialist, aber sogar mir gelingt es, diese Sachen aus dem Com­puter, aus dem Laptop, den ich von diesem Haus zur Verfügung gestellt bekommen habe, herauszubekommen, Herr Kollege Weiss. (Bundesrat Weiss: Seit wann? – Bundesrat Dr. Kühnel: Seit wann? Seit wann?) Seit Wochen habe ich diese Unterlagen! Seit Wochen! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Jetzt frage ich mich, Frau Kollegin, warum wir hier die Rolle weiterspielen, die Men­schen in diesem Land zu verunsichern. Es geht ja wirklich nur um diese Artikel-15a-Vereinbarung, wo sich der Bund bereit erklärt, 60 Prozent der Kosten zu übernehmen. Und da werden doch wir als Ländervertreter, die wir wissen, dass Pflege Landessache ist, wohl nichts dagegen haben! Ich würde mich nicht mehr trauen nach Salzburg zu fahren, wenn ich meiner Landeshauptfrau sagen müsste, dass ich im Bundesrat dagegen war, dass der Bund zu der Pflege im Land Salzburg 60 Prozent dazuzahlt. Ich würde mich nicht mehr trauen heimzufahren. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Schöls, so geht es auch nicht – der Herr Minister hat es ja schon gesagt –: Im Ministerrat einstimmig angenommen, im Nationalrat beschlossen, hier im Bundesrat beschlossen, und auf einmal tut man so, als ob man nie dabeigewesen wäre! (Zwi­schenruf des Bundesrates Schöls.) So kann es nicht sein!

Heute geht es ja in Wirklichkeit nur mehr um die Finanzierung und darum, dass das Ganze Hand und Fuß hat. Ich verstehe das einfach nicht. Ich würde sagen – aber ich bin kein Lehrer und auch kein Oberlehrer –: Der Bundesrat hat heute eindeutig das Thema verfehlt!

Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, insbesondere jenen aus Niederösterreich, muss ich schon sagen, und ich habe mehrmals die Stellungnahmen des Herrn Landeshauptmannes Pröll zur Pflege gehört: Wenn in dieser Sache Ver­unsicherung verbreitet wird, dann geschieht es leider von Ihrer Seite. Und ich muss sagen: Das Wort „Verunsicherung“ ist gleichbedeutend mit ÖVP. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

21.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.

 


21.26.34

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren im Hohen Haus! Lassen Sie mich zu den aufgeworfenen Fragen Stellung beziehen, vielleicht kann ich das eine oder andere aufklären.

Es wurde wiederholt kritisiert, dass die Pflegeamnestie im Nationalrat nicht über den 31. Dezember 2007 hinaus verlängert wurde. Lassen Sie mich dazu ganz kurz die Vorgeschichte erzählen.

Die Pflegeamnestie wurde über gemeinsame Initiative der nunmehrigen Regierungs­partner Ende letzten Jahres beschlossen, um der neuen Bundesregierung die Chance zu geben, in einem halben Jahr – sie war befristet bis 30. Juni 2007 – eine gute inhaltliche Grundlage für die Betreuung zuhause zu schaffen, die es in den Vorjahren – das brauchen wir nicht zu wiederholen – nicht gegeben hat.

Die neue Bundesregierung hat auf Basis von Ministerratsvorträgen, von drei Gesetzen, die im Wesentlichen Minister Bartenstein und ich zu verantworten haben, in diesem


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 45

ersten Halbjahr tatsächlich ein gemeinsames Modell geschaffen. Nachdem das aber am Ende dieses Halbjahres war und die letzte Beschlussfassung hier im Bundesrat erst im Juli war, haben wir wiederum gemeinsam beschlossen, die Pflegeamnestie ein allerletztes Mal zu verlängern, und zwar um ein halbes Jahr, weil erst ein oder zwei Tage nach dem 30. Juni die inhaltlichen Regelungen im Nationalrat und im Bundesrat beschlossen worden sind.

Die Zeit seit Juni 2006 haben alle beteiligten Ministerien – die einen mehr, die anderen weniger; und ich sage Ihnen: ich im Sozialministerium nicht weniger, sondern mehr; ich belege es Ihnen gleich – dazu benützt, über die gesetzliche Regelung, die Anfang Juli 2007 getroffen worden ist, ganz breit zu kommunizieren. Es hat seit Juli 2007 bis jetzt zu dem Modell, das wir ab 1. Jänner 2008 gemeinsam mit den Ländern finanzieren, inhaltlich keine Änderungen gegeben – mit einer Ausnahme, nämlich dass die Vermögensgrenze von 5 000 € auf 7 000 € mit einer Richtlinie geändert worden ist. Sonst hat es keine inhaltliche Änderung bei dem Modell gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, all das, worüber wir seit Juni 2007 informiert haben, gilt mit dieser Einschränkung bis heute!

Was haben wir seither getan? – Ich könnte jetzt eine lange Liste anführen, aber ich erwähne nur die wichtigsten drei Sachen, auch mit Zahlen und Daten belegt.

Wir haben im Juni eine Hotline eingerichtet, die von ganz Österreich kostenfrei ange­rufen werden konnte und bis heute angerufen worden ist. Mit Stand letzter Woche wurde auf dieser Hotline deutlich mehr als 10 000 Mal individuell informiert und beraten. 10 000 Anrufe gab es auf dieser Hotline im Sozialministerium, wo man mit individueller Information und Beratung zur Hilfe stand. In vielerlei Hinsicht haben wir auch die Rückmeldung bekommen, das war eine profunde Information und eine gute Beratung.

Nun zur Homepage, die von Ihnen, sehr geschätzter Herr Bundesrat, angesprochen worden ist, wo Sie gemeint haben, Senioren und Seniorinnen könnten nicht auf diese Homepage zugreifen: Es ist Ihnen zu Recht bereits entgegengehalten worden, dass das überwiegend Angehörige machen, die die Betreuung organisieren.

Wissen Sie, wie viele Zugriffe es auf diese Homepage des Sozialministeriums seit Ende Juni, als wir sie eingerichtet haben, gegeben hat? – Über 40 000 Zugriffe gab es bereits auf diese Homepage. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Tausende Zugriffe gab es zum Beispiel auch aus der Slowakei, aus Ungarn und aus Tschechien, weil wir diese Homepage auch für Menschen, die diese drei Sprachen sprechen, zugänglich gemacht haben. Nennen Sie mir eine Homepage, wo das auch gemacht wurde! Wir haben das auch für die Menschen dieser Länder geöffnet, weil wir wissen, dass viele Betreuungs­personen aus diesen Ländern kommen. Das ist eine sehr, sehr hohe Inanspruchnahme bei geschätzten 5 000 bis 20 000 Haushalten, die sich der 24-Stunden-Betreuung bedienen.

Wir haben auch die Anträge für die Anmeldung zum Gewerbe im „HELP.gv.at“ in slo­waki­scher Sprache, in polnischer Sprache, in tschechischer Sprache und in rumäni­scher Sprache eingetragen, damit es auch von dort zugänglich ist und verstanden wird. Und wir haben bereits über 10 000 persönliche Schreiben an PflegegeldbezieherInnen ab der Pflegestufe 3 gesandt. Weitere 10 000 Schreiben kommen in den nächsten Tagen.

Das heißt, es hat ganz wenig – ich kenne keine! – Neueinführungen von Förderungen in Österreich gegeben mit einer derartig massiven Informations- und Kommunikations­kampagne. Begleitet wurde das durch eine Broschüre, die der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erstellt hat. Das ist eine gute Broschüre. Leider ist vom Finanz-


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 46

ministerium ein bisschen spät, aber noch im Dezember die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit klargestellt worden, die dann auch breit kommuniziert wurde. Auch das ist natürlich ein wichtiger Beitrag.

Das heißt, das bestehende Modell ist in seinen Grundzügen Anfang Juli beschlossen worden, daran wurde seither nichts mehr geändert. Darüber gab es eine breite Kom­munikation und Information, und daher braucht es jetzt einfach eine Verlängerung der Pflegeamnestie nicht mehr. Ja sie wäre sogar kontraproduktiv – auch darauf ist hingewiesen worden –, weil nicht zwei Modelle nebeneinander bestehen können. Zum einen ein legales mit gewissen formellen Anforderungen, niederschwelligst. Sie wissen das alle. Und wer etwas anderes behauptet, der sagt das wider besseres Wissen.

Wir haben auch in Bezug auf die Gewerbeordnung lange diskutiert, und das war ein Kompromiss. Ich war auch nicht immer besonders erfreut darüber, aber ich bekenne mich zu diesem Kompromiss. Wir haben die niederschwelligste Form der selbstän­digen Ausübung gewählt, nämlich das freie Gewerbe, wo es keine besonderen Form­vorschriften braucht, ja wo sogar mit der Anmeldung der Neugründung bei der Wirtschaftskammer – ich sage noch einmal danke für diese Unterstützung – die Anträge für die Gewerbeanmeldung in fast allen Bundesländern automatisch weiterge­geben werden. Also eine niederschwellige und gute Form, die wirklich zumutbar ist, haben wir gewählt, damit das auch sehr breit genützt wird.

Der geschätzte Abgeordnete Mayer kritisierte, dass die Pflege mit dem neuen Modell massiv verteuert worden sei. Sie sind kein Haxlbeißer, Herr Bundesrat, das weiß ich, daher nehme ich an – ich meine es nicht böse –, dass Sie da nicht optimal informiert sind. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Bitte fragen Sie die Frau Präsidentin Zwazl! Die Erhöhung im selbständigen Modell beschränkt sich, selbst unter Einbe­ziehung der Mitarbeitervorsorge ab 1. Jänner 2008 – selbst unter Einbeziehung der Mitarbeitervorsorge! – und der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, pro Betreuungsperson auf 29,22 € pro Monat. Wenn Sie das mal zwei rechnen, sind es nicht ganz 60 €. Das sind 2 € Mehrkosten am Tag, und dafür bekommen die Pflege­personen die volle Sozialversicherungsabsicherung: die Kranken-, Unfall- und Pen­sions­versicherung. Das ist eine Okkasion, das ist eine Mezzie! So günstig können Sie nie zu Anwartschaftszeiten im Bereich der Pension kommen! All die ausländischen Pflegekräfte werden, wenn sie halbwegs seriös informiert sind, das mit Handkuss nehmen, weil sie damit Pensionszeiten in Österreich in einer Weise erwerben, dass es billiger nicht geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzter Herr Bundesrat Mayer, ich weise noch einmal darauf hin: Wenn man bei diesen nicht ganz 60 € von massiver Verteuerung spricht, dann ist das kein Beitrag dazu, den Menschen Sicherheit zu geben, sondern eher ein Beitrag dazu, Menschen zu verunsichern in ihrer Entscheidung, ob sie sich das werden leisten können.

Ich sage Ihnen sine ira et studio: Ich schätze Sie, aber 60 € sind keine massive Ver­teuerung, zumal die steuerliche Absetzbarkeit dazu führen wird, und zwar ab einer Pension von 1 500 € brutto, dass sich die tatsächlichen Kosten billiger darstellen. Also es kommt zur Vergünstigung, nicht zur massiven Verteuerung, wie Sie das gesagt haben, es kommt zu einer günstigeren Finanzierung.

Sie sagen, Herr Bundesrat Mayer, Sie empfehlen dem Bund, er soll das Vorarlberger und das niederösterreichische Modell für ganz Österreich übernehmen. Ich habe auch hier wiederholt gesagt – und ich polemisiere nicht –: Die niederösterreichische Lösung und die Vorarlberger Lösung stellen zu 80 Prozent die Übernahme des bundesweiten Modells dar – mit drei Verbesserungen. Da nehme ich nichts weg: mit drei Verbes­serungen!

Erstens: dass die Pflegestufe 1 und 2 dabei sind bei einer Demenzerkrankung.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 47

Zweitens: dass die Vermögensgrenze wegfällt.

Drittens: dass die Förderbeträge erhöht worden sind.

Das sind die drei Verbesserungen! (Bundesrätin Roth-Halvax: Das müssen Sie dem Herrn Kalina erklären!) Nein, nein, ich erkläre es jetzt Ihnen! Ich erkläre es Ihnen beiden, die Sie Ländervertreter von Niederösterreich und Vorarlberg sind. Ich schaue Sie an und frage Sie: Was haben Ihre Länder in den entscheidenden Verhandlungen, beim Finanzausgleich, als es darum gegangen ist, ein bundeseinheitliches Modell zu schaffen, als die Förderhöhe noch offen war, als noch darum gerungen worden ist, getan, um bundeseinheitlich zu höheren Sätzen, zur Ausdehnung auf die Pflege­stufen 1 und 2 und zum Wegfall der Vermögensgrenze zu kommen? Da gab es keine Initiative von diesen beiden Bundesländern!

Diese beiden Bundesländer haben die bundesweiten Regelungen auch unterschrieben und haben dann kurzfristig, ohne es mit dem Bund und den anderen Ländern abge­stimmt zu haben, zwei Länder-Sonderlösungen getroffen, die für die betroffenen Per­sonen dort Verbesserungen bringen – mit dem großen Nachteil, dass Sie damit die bundeseinheitliche Lösung mit dem großen Vorteil, eine Richtlinie für ganz Österreich, einen Fördersatz für ganz Österreich, einen Zugang für ganz Österreich, ein Verfahren für ganz Österreich zu haben, nicht gefördert, sondern geschwächt haben.

Zum Zweiten ist dazu zu sagen: Wir Sozialdemokraten haben immer gesagt – auch ich! –, an uns würde die bessere finanzielle Abdeckung durch die Übernahme des Vorarlberger und des niederösterreichischen Modells für ganz Österreich nicht scheitern. Die Länder – auch Gemeindebund-Präsident Mödlhammer – und auch die Städte haben ausgerichtet, sie würden das mittragen, wenn der Bund die Gesamt­kosten übernähme. Der burgenländische Landeshauptmann Niessl war sogar noch ein bisschen kulanter, er hat gesagt, Burgenland würde sogar 60 Prozent der Mehrkosten übernehmen. Aber dazu bräuchten wir zusätzlich 60 bis 70 Millionen € an Bundes­mitteln, die im Finanzausgleich vom Finanzminister nicht bereitgestellt worden sind, aber auch von den Ländern nicht. Die Deckelung mit 40 Millionen € ist auch von Ihren beiden Ländern und vom Finanzminister unterschrieben worden.

Ich hoffe, dass wir nach der Evaluierung zur Jahresmitte 2008 diese Diskussion um eine Erhöhung der Fördersätze für die selbständige und unselbständige Betreuung wieder führen können, und hoffe, dass Ihre beiden Länder dann dazu beitragen wer­den, Lösungen österreichweit zu verbessern. Wir haben eine gute Lösung geschaffen. Niederösterreich und Vorarlberg haben für ihren Bereich – für nicht mehr! – eine bessere Lösung geschaffen. Und noch besser wäre es, wenn diese Lösung öster­reichweit umgesetzt werden könnte. Aber dazu brauchen wir alle Länder und auch den Finanzminister.

An mir als dem Sozialminister – das können Sie mir glauben! – und an der sozialdemo­kra­tischen Fraktion wird es nicht scheitern. (Beifall bei der SPÖ.) Genauso wird es an uns nicht scheitern, eine kräftige Erhöhung des Pflegegeldes vorzunehmen. (De­monstrativer Beifall des Bundesrates Mayer.) Und da werde ich Sie, Herr Bundesrat Mayer, dann beim Wort nehmen!

Diese Diskussion werden wir haben. Im Juni dieses Jahres, wenn die Kuchenstücke im Bundesfinanzgesetz verteilt werden, wenn der Finanzminister mir mitteilt, was ich für die Position der Erhöhung des Pflegegeldes an Mitteln zur Verfügung habe, wird dann die entscheidende Frage sein: Geht es nur darum, von der Galerie aus irgendetwas zu verkünden, oder geht es um Verantwortung und darum, wirklich Geld dafür in die Hand zu nehmen?, denn die Erhöhung des Pflegegeldes kostet Geld, da sind wir uns einig. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)


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Ja, wir werden sehen! Meine Unterstützung haben Sie, dass Sie sich beim Finanz­minister und bei der ÖVP für eine kräftige Erhöhung durchsetzen. Meine volle Unterstützung und auch die der sozialdemokratischen Fraktion, denke ich, haben Sie dafür. Schauen wir, ob wir es zusammenbringen. Das ist das erste Ziel! Und wenn wir es nicht zusammenbringen, dann schauen wir uns genau an, woran es gescheitert ist, geschätzter Herr Bundesrat Mayer!

Nun auch zum Kollegen Schöls ein Wort: Wir schätzen einander, und ich habe mich gefreut, dass Sie klar und deutlich gesagt haben, dass auch die ÖVP-Fraktion im Bundesrat zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung steht. Das ist ein gutes und klares Wort, eine wichtige Aussage. Vorher war es auch für mich ein wenig missverständlich. Aber wir haben schon gehört, die Botschaft interpretiert oft der Empfänger, daher sind klare Worte ganz wichtig. Und ich kann jetzt sagen: Ich freue mich darüber!

Aber ich bitte Sie, geschätzte Bundesräte von der ÖVP, ich bitte auch alle Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen: Helfen Sie nach der Beschlussfassung heute hier im Hohen Haus auch mit bei der Umsetzung dieser Artikel-15a-Ver­einba­rung! Helfen Sie mit, dass die Menschen über diese Regelungen informiert werden! Helfen Sie mit, dass Ihre Länder – ich bitte Sie darum – diese Artikel-15a-Vereinbarung rasch unterschreiben! Dieser Appell geht vor allem an Niederösterreich, wo es wider­sprüchliche Signale – oder ich verstehe es falsch – gibt!

Ich bitte, dass auch hier der Landeshauptmann rasch unterschreibt; einige Landes­haup­tleute haben schon unterschrieben. Dann können wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass dieses Modell von möglichst vielen Menschen angenommen wird. Dann werden wir es evaluieren. Wenn Verbesserungsnotwendigkeit besteht, werden wir das in der Regierungspartnerschaft gemeinsam durchsetzen. – Ich danke Ihnen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

21.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

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Bevor wir zur Abstimmung übergehen, möchte ich Ihnen noch mitteilen – das ist leider nicht zu Beginn der Sitzung gesagt worden –, dass das Mitglied des Bundesrates Dr. Gumplmaier krank ist. – Für den Fall, dass Sie zählen: Es liegt eine Krankmeldung vor.

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Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zu fünf Anträgen, die eingebracht wurden.

Wir beginnen mit dem Antrag der Bundesräte Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Beendigung der Verunsicherung rund um die


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 49

Legalisierung von Kräften für die 24-Stunden-Betreuung von pflege- beziehungsweise betreuungsbedürftigen Personen.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Min­derheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abge­lehnt.

Es liegt weiters vor ein Antrag der Bundesrätin Mühlwerth. Es haben sich ja einige dazu bereit erklärt, dass der Antrag zur Abstimmung kommt, also dass er genügend unterstützt wird. Dieser Antrag betrifft die Fassung einer Entschließung betreffend soziale und rechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum dritten uns vorliegenden Antrag, nämlich zum Antrag der Bun­desräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Verlängerung der Pflegeamnestie.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Vermeidung von Härtefällen für Betroffene der Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 224-BR/07.)

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl auf Fassung einer Entschließung betreffend zumutbare Regelung der Pflegeproblematik vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung ist erschöpft. Ich habe fast das Gefühl, einige von uns sind es auch. Es war jetzt ein zähes Ringen, aber als wirklich Letztes sage ich noch Folgendes: Bei allen Gegensätzlichkeiten haben wir, glaube ich, wieder bewiesen, dass wir doch in einer Art und Weise miteinander umgehen, dass wir zumindest jetzt, wenn wir alle nach Hause strömen, entspannt und gut gelaunt in die Feiertage gehen können. Ich glaube, dass auch nach der durchaus anstrengenden Sitzung, die wir jetzt abgehalten haben, hier im Haus nach wie vor eine gute Stimmung herrscht. Dazu gratuliere ich und wünsche Ihnen allen, dass es auch in Zukunft so bleibt.


BundesratStenographisches Protokoll752. Sitzung / Seite 50

Kommen Sie gut nach Hause, haben Sie schöne Feiertage, und rutschen Sie gut ins neue Jahr! (Allgemeiner Beifall.)

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Die Sitzung ist geschlossen.

 

21.46.35Schluss der Sitzung: 21.46 Uhr

 

 

 

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