BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 76

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gen. – Dies ist ein wichtiger Fortschritt für die Personalisierung wie auch für die Politi­sierung der Europapolitik und die Verwirklichung der europäischen Demokratie.

Der Vertrag von Lissabon verankert den Grundsatz der partizipativen Demokratie auf EU-Ebene. Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie mög­lich getroffen.

Zu den Gesetzesvorschlägen und sonstigen Initiativen müssen Anhörungen mit den Betroffenen und ihren Verbänden durchgeführt werden. Zivilgesellschaftliche Organi­sationen, die die Interessen von vielen Tausend Bürgern repräsentieren, werden zu einem offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog eingeladen. In Zukunft werden die Positionen von Organisationen wie zum Beispiel amnesty international oder Green­peace bei europäischen Gesetzesvorhaben stärker berücksichtigt.

Mit dem Vertrag von Lissabon wird die Rolle von Kommunen und Regionen in Europa gestärkt. Erstmals wird das Recht der kommunalen Selbstverwaltung durch den Euro­pa-Vertrag garantiert. Die Wahrung der kulturellen Identität der Regionen in der EU gehört ebenfalls zu den Zielen des Lissabon-Vertrages.

Das Prinzip des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes in der EU ist auch die Grundlage für den EU-Sozial- und den EU-Regionalfonds, durch die vor Ort viele Men­schen und Unternehmen profitieren.

Im neuen Europa-Vertrag wird stärker denn je eine klare Kompetenzabgrenzung zwi­schen der europäischen und der nationalen Ebene vorgenommen. Erstmals werden die ausschließlichen Kompetenzen, die geteilten Kompetenzen zwischen der EU und den Nationalstaaten und Politikbereiche, in denen die EU ergänzende Maßnahmen be­schließen kann, in den Verträgen aufgelistet.

Alle der EU nicht übertragenen Zuständigkeiten verbleiben weiter bei den Mitgliedstaa­ten. Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten und ihre jeweilige nationale Identität. Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung kann die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeit tätig werden, die ihr die Mitgliedstaaten in den Verträgen übertragen haben.

Neben einer klaren Kompetenzabgrenzung gewinnen die Mitgliedstaaten durch die Stärkung des Ministerrates und die Einrichtung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs als einer neuen Institution an Bedeutung. In Zukunft werden die Mitgliedstaaten durch zwei EU-Organe vertreten:

Zunächst ist das der Ministerrat, der in seinen jeweiligen Formationen die nationalen Fachminister zusammenbringt. Der Ministerrat wird gemeinsam mit dem Europäischen Parlament als Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus.

Als neue Institution kommt jetzt der Europäische Rat mit einem gewählten Präsidenten hinzu. Dieser Europäische Rat soll der Europäischen Union die erforderlichen Impulse für die Weiterentwicklung geben und soll die Prioritäten wie auch die politischen Ziel­vorstellungen für Europa festlegen.

Ein Gewinn für die Mitgliedstaaten ist auch der Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit in den meisten Politikbereichen. Blockaden eines einzelnen Mit­gliedstaates zulasten der 26 anderen Länder sind in diesem Fall nicht mehr möglich. Entscheidungen können schneller getroffen werden und bleiben nicht mehr auf einen Minimalkonsens beschränkt.

Der Vertrag von Lissabon ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur europäischen Ein­heit; dieser neue Europa-Vertrag stärkt die EU nach innen wie auch nach außen. Die


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