BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 65

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die Bezeichnung der Verfolgung von Demokraten und Demokratinnen als Unrecht ein Bekenntnis dazu, wer in den Jahren 1933 und 1934 die Demokratie und den Rechts­staat beseitigt hat.

Mit diesem Gesetz wird heute erstmals auch Abschied von jeglicher Behauptung genommen, es könne Situationen geben, in denen diktatorische Mittel legitim sein kön­nen. Eben darin liegt der besondere Wert dieses Gesetzes: Es wird ganz klar festgehalten, dass es Unrecht war, in Österreich 1933 eine Diktatur zu errichten, und dass es kein Argument geben kann, einen solchen Schritt zu rechtfertigen – keine Bedrohung von außen, nicht die Furcht vor dem eigenen Machtverlust im Inneren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht einfach, fast 80 Jahre nach dem Austro­faschismus dieses Geschichtskapitel hier im Parlament wieder aufzumachen, aber für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist es nie zu spät, auch wenn heute der Großteil der in dieser Zeit zu Unrecht Verurteilten nicht mehr lebt und diesen histori­schen Moment nicht miterleben kann. Die Auseinandersetzung mit der Vergan­genheit darf niemals als abgeschlossen betrachtet werden, sie muss immer weitergeführt und auch den nächsten Generationen mitgegeben werden.

So wie damals in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts birgt auch die Wirt­schaftskrise heute mit der Zunahme von Armut und sozialer Ungleichheit in Österreich wie auch allgemein in Europa demokratiegefährdende Tendenzen in sich. Wir sollten uns daher entschieden gegen alle Versuche verwahren, im Namen einer Wirtschafts­krise demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten einzuschränken. Wir sollten uns an den Frauen und Männern ein Beispiel nehmen, die im Februar 1934 das eigene Leben dafür eingesetzt haben, um ihre demokratischen Rechte und die sozialen Errungen­schaften zu schützen, und wir sollten deren Ausbau, nicht deren Abbau und nicht die Einschränkung des österreichischen Parlamentarismus zur Maxime unseres Handelns machen.

Geographisch nicht weit weg von uns tragen heute die Völker der Mittelmeerregion einen Kampf für Demokratie und Rechtsstaat aus, wobei bisher schon Abertausende Menschen ihr Leben lassen mussten. In unserem politischen Bewusstsein oder politischen Selbstverständnis verbinden wir aber leider manchmal diese Demokratie­bewegungen, die sich vor unserer Haustür abspielen, keineswegs mit unserer eigenen Vergangenheit. Vielleicht empfinden wir sogar, dass Demokratie schon immer Be­stand­teil unseres politischen Systems gewesen ist – als hätte unsere heutige demokra­tische Republik immer schon auf diesem Territorium bestanden. Demokratiefeindliche und autoritäre Diktaturen, faschistische Diktaturen liegen in Österreich aber nicht einmal 70 Jahre zurück. Was sind 70 Jahre in der Menschheitsgeschichte?

Das Bekenntnis zur Demokratie ist unsere ständige Pflicht, denn am Beispiel der dreißiger Jahre kann man nur allzu gut erkennen, dass die Abschaffung der Demo­kratie auch schrittweise und schleichend erfolgen kann, weshalb es wichtig ist, sich entschieden gegen jede Art des Demokratieabbaus zur Wehr zu setzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Rehabilitierungsgesetz ist daher heute ein historischer Meilenstein in der Auseinandersetzung Österreichs mit seiner Vergan­genheit. Es freut mich sehr, dass eine politische Einigung erzielt werden konnte und dass die Österreichische Volkspartei auch den politischen Willen aufgebracht hat, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dafür danke ich.

In der Vergangenheit wurden vonseiten Ihrer Fraktion oftmals Unverständnis und Ablehnung dem sozialdemokratischen Anliegen einer Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus entgegengebracht. Es ist aber den Sozialdemokraten und Sozial­demo­kratinnen stets um ein klares Bekenntnis zur Demokratie und zu objektiver


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