11.55.50

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bun­desrat! Ich möchte eine Lanze für unser Heimatland Österreich brechen. Da vorhin über lange Verfahrensdauern gesprochen worden ist, darf ich Ihnen nur in aller Kürze von einem Fall, den ich kenne, berichten, der gemäß dem Codice Civile vor dem Tribunale di Venezia verhandelt wird. Dabei ist um vier Jahre vertagt worden. (Heiter­keit der BundesrätInnen Mayer und Mühlwerth.)

Zweiter Punkt: Wir haben allen Grund, was das Verfassungsrecht anlangt, auf Öster­reich stolz zu sein. Ich behaupte, dass die Solennität dieser Einrichtung Volksanwalt­schaft, die ein Dienstleister für das Parlament ist – das ist nicht Selbstzweck, sondern für das Parlament –, ein Alleinstellungsmerkmal in Europa ist, weil diese umfangreiche verfassungsrechtliche Kompetenz meinem gesicherten Wissen nach sonst in Europa nicht existiert. Jetzt spreche ich nicht von Korea. In Korea zum Beispiel gibt es 32 Volks­anwälte, hat mir letztens ein Kollege erzählt. (Bundesrat Mayer: Nord? – Zwi­schenbemerkung von Volksanwältin Brinek.) – Süd! Auf Nordkorea komme ich gleich zu sprechen.

In Südkorea hat jeder Minister ein Pendant als Volksanwalt. Da ist das ein bisschen parlamentarisch ausgelagert. Da ist jeder Minister verpflichtet, dem für ihn zuständigen Volksanwalt Rede und Antwort zu stehen.

Nordkorea? – Von dem wollen wir außer der Kenntnisnahme in der Geografie nichts wissen. Es ist natürlich charmant, Niederösterreich mit Nordkorea zu vergleichen, aber immerhin hat Niederösterreich keine Atomwaffen, bitte sehr. (Bundesrat Stögmüller: Ja, ja, das kommt schon hin! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Immerhin!

Die Ernsthaftigkeit des Themas ist äußerst respektabel, weil wir selbstverständlich – noch einmal – die unterstreichenswerte Funktion haben, der linke Ärmel zu sein: Der rechte Ärmel ist der Rechnungshof, der linke Ärmel des Parlaments ist die Volks­anwaltschaft, also die Kontrolle der Vollziehung.

Natürlich ist es so, dass die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht, durch die Bekanntgabe der bei der Volksanwaltschaft sozusagen aufschlagenden Phänomene, ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt – na selbstverständlich! Es fängt dort an, wo es den Men­schen am meisten bedrückt, bis zu minoren Verhältnissen, und es ist kein Wunder, dass dort, wo die Verwaltung die maximale Ausübung des Imperiums darstellt, - -  Wenn Sie mir verzeihen, möchte ich kurz einen Ausflug ins Verfassungsrecht machen: Das Wesen der Verwaltung ist unter anderem die Ausübung des Imperiums, das heißt Befehls- und Zwangsgewalt. Das fängt beim Steuerbescheid an, geht bei der Ge­meinde über den Bescheid im Zusammenhang mit der Abgabe von Wasser – ihr wisst das viel besser als ich –, plus, plus, plus. (Bundesrat Mayer: Hundesteuer!)

Jetzt kommt das Phänomen dazu, dass die Volksanwaltschaft dazu berufen ist, die Kontrolle über die Ausübung des Imperiums durchzuführen. Der Begriff Imperium steht nirgendwo, aber „der Vollziehung“. Wir würden, wenn wir doppelt so viele Beamte kriegen, eine Abteilung für Lob der Vollziehung einrichten. Da ist gar nichts dabei, das geht selbstverständlich (Bundesrätin Mühlwerth: Da braucht man gleich eine ganze Abteilung? – Bundesrat Stögmüller – erheitert –: Auch so - -?), aber wir sind für die Kontrolle da.

Kontrolle ist zwangsläufig, unausweichlich mit kritischen Aspekten verbunden. Kon­trolle heißt Kritik. Das ist semantisch und verfassungsrechtlich gegeben. Dagegen gibt es überhaupt nichts zu sagen. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der Bun­desräte Mayer und Stögmüller.)

Die Tätigkeit des Parlaments – wenn ich diesen Bogen noch einmal schließen darf – funktioniert aufgrund der Gewaltentrennung des Staates, Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung, als Unterteil der Vollziehung, sehr gut. Aber auf diesen drei Elementen fundiert unser Verfassungsstaat unausweichlich und eigentlich ohne substanzielle Kritik; Kritik kann man natürlich auch üben.

Ein wichtiger Punkt ist, den kleinen Bogen in die Jetztzeit zu schließen. Sie haben die Berichte vor sich liegen; es ist schon dankenswerterweise darauf verwiesen worden, dass wir die magische Marke von 20.000 Individualbeschwerden im Jahr 2017 über­schritten haben. Das ist in der Natur der Sache liegend: Der größte Teil bezieht sich auf die Tätigkeit, die im Rahmen des Innenministeriums zu vollziehen ist, aber dass es eine Beschwerde gibt, heißt ja noch nicht, dass die Beschwerde gerechtfertigt ist. – Das ist der zweite Punkt der Sache.

Die Volksanwaltschaft – noch einmal – beschäftigt sich mit der Kontrolle aller hoheit­lichen Akte, die dem Bund zuzurechnen sind, ebenso den Ländern mit einer gewissen Abstufung, und auch insofern dem Bund als Träger privatrechtlicher Rechte ein Kon­trollmaß zuzuschreiben ist. 7 155 Prüfungen sind im Jahr 2017 bezüglich dem Bund zuzurechnender Vorgänge eröffnet worden.

Wir sind das kleinste oberste Organ; dankenswerterweise ist auch das erwähnt worden. Es gibt in Summe 95 Beamte, wir haben drei Geschäftsbereiche, in denen die Beschwerden abgearbeitet werden. In diesen Geschäftsbereichen arbeiten rund zwölf Beamte, dort sind immer auch Ausbildungspraktikanten beschäftigt. Wir erledigen in ungefähr 45 bis 50 Tagen jede Individualbeschwerde. Manche Akten kommen natürlich immer wieder. Ich bin auch für Forst-, Wasser- und Umweltbelange zuständig, da sind die Akten einen halben Meter hoch, weil das nie aufhört. Das ist eben so. Manche Akten bestehen nur aus drei bis vier Blättern. Das ist individuell unterschiedlich.

Es ist mir wichtig – dankenswerterweise ist darauf verwiesen worden –, Sie noch ein­mal und immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass wir eine Prüflücke haben. Der Rechnungshof ist für ausgegliederte Rechtsträger zuständig. Es gibt circa 150 aus­gegliederte Rechtsträger – das war halt die Modeerscheinung in den Achtziger- und Neunzigerjahren –, an denen die öffentliche Hand zu 50 Prozent beteiligt ist. Die Volks­anwaltschaft kann da nicht prüfen, das gehört baldigst repariert.

Ich spreche stichwortmäßig immer wieder von den ÖBB, der Asfinag und so weiter und so fort, wobei hinzuzufügen ist: Da gibt es Beschwerden und wir schreiben ihnen trotz­dem den Vorhalt. Wir bekommen auch eine Antwort. Der Klassiker in meinem Ge­schäfts­bereich ist zum Beispiel die mangelnde Errichtung von Lärmschutzwänden entlang von Autobahnen. Das gibt es eben, dass die Autobahn einfach durch ein Wohngebiet führt. Da gibt es dann schon Stellungnahmen, die bemüht sind, aber es macht halt doch den hauchfeinen Unterschied, ob sie mir schreiben müssen, so wie jeder andere, oder ob sie es aus Courtoisie tun.

Das hauptsächlich wichtige Thema, das Sie, mich, uns alle noch generationenlang verfolgen wird, ist das, was ich Ihnen hier mit der Einladung biete, jeder möge sich eine Broschüre – die Hälfte von euch hat es ohnehin schon getan – mit dem Titel „Das chronisch kranke Kind im Schulsystem“ nehmen.

Ich wiederhole die Perspektiven, die aus der Sicht des Forderungserhebens ent­stehen – ich fühle mich da im Einklang mit allen Bundesräten –, dass chronisch kranken Kindern in der Schule geholfen werden muss. Es wurde schon erwähnt, es gibt in Summe circa 190 000 solcher Kinder mit allen Krankheitsbildern. Wenn Sie sich das durchlesen (die genannte Broschüre in die Höhe haltend), wird Ihnen ohnehin schlecht, was es alles gibt. Gott sei Dank sind manche Krankheitsbilder sehr selten. Der häufigste Krankheitstypus ist Epilepsie, leider gar nicht so selten, aber auch Diabetes. Von Diabetes bin ich auch familiär betroffen, ich weiß, wovon ich rede. Das ist ein anstrengendes Phänomen – kein Mensch weiß, warum und weshalb –, aber es ist ein Phänomen.

Ich fordere, dass jedes Kind uneingeschränkt Teilhabe an der Ausbildung in der Schule haben muss. Da darf es folgende Aussagen nicht geben: Du bist krank, geh raus und warte, bis der Unterricht aus ist! – Das ist unmöglich.

Zweiter Punkt: Es muss im Rahmen der sowieso schon sehr lang gewordenen Lehrerausbildung Zeit und Muße geben, medizinische Grundkenntnisse zu vermitteln. Es ist einfach inakzeptabel, dass ein Lehrer sagen kann, das geht mich nichts an. Warum und weshalb, wie das Phänomen auftaucht, wenn einer einen Hypo kriegt, das geht mich nichts an. – Das geht nicht!

Im Rahmen des gesamten budgetären Aufwandes für Schulen, der in Österreich hoch ist, wenn wir das mit anderen Ländern in der Welt vergleichen, dann stehen wir, was Budgetmittel für Schulen betrifft, sehr, sehr gut da. Da muss es für medizinische Vorkehrungen Geld geben: muss sage ich, muss! Man sollte nicht glauben, dass Groß­britannien in medizinischen Dingen ein Vorbild sein kann, aber bitte, alles gibt es in der Welt. Die haben dort das School-Nurse-System. Das muss das Endergebnis, das Traumziel sein, das muss in Österreich auch möglich sein.

Das ist das berühmte Bohren harter Bretter, das betrifft sowohl die Ausdehnung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft, aber das betrifft auch die Versorgung chronisch kranker Kinder in den Schulen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

12.06

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Volksanwalt, für Ihre Ausführungen und Anregungen zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir haben ja noch einen weiteren gemeinsamen Tagesordnungspunkt.

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Zur Geschäftsbehandlung: Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.