10.05.14

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Keine Sorge, die SPÖ hat nicht jene Amnesie, die die FPÖ nach 2006 bekommen hat. Wir wissen, dass wir mitgearbeitet haben, es sind auch viele Dinge drinnen, die uns sehr wichtig sind, wie zum Beispiel die Westbalkan­strategie und der Kampf gegen die Steuerflucht, gegen Steuerhinterziehung – Paradise Papers, Madeira, Kanalinseln, Isle of Man, all diese Dinge.

Die Frage ist nur: Wo ist jetzt der Spin? Man hat ein ganz umfangreiches Programm, aber Sie selbst haben ja in der Pressekonferenz einen Spin hineingelegt, der mit Si­cherheit in Sachen Subsidiarität etwas vergisst: Wenn ich heute Subsidiarität einfor­dere, dann muss ich, vor allem angesichts der Probleme der Europäischen Union, ein­mal die Souveränität der Europäischen Union sicherstellen, dass in den Bereichen, in denen die Europäische Union Kompetenzen hat, diese nicht ständig durch zentrifugale Kräfte am Rande ausgehöhlt werden. Ein Teilkennzeichen der Krise der letzten Jahre ist, dass die Europäische Kommission nicht das durchsetzen konnte, wofür sie die volle Kompetenz hat. Das ist für mich untrennbar verbunden.

Ich kann nicht ein Programm fahren – jetzt sage ich es einmal salopp, Sie können das auch gerne kritisieren – zum Abschotten nach außen und zum Rückbau nach innen, und mir dann den Applaus von Orbán und Freunden abholen, die sagen, Österreich hat eine patriotische Regierung. – Das kann es ja nicht sein.

Natürlich haben wir in der Frage der Subsidiarität und im Bereich der Überbürokrati­sierung und im Bereich der delegierten Rechtsakte in den letzten Jahren einfach zu viel abgegeben, aber wichtig ist jetzt einmal, wenn zum Beispiel der EuGH ein Urteil durch­setzen will, dass nicht ein einziger Nationalstaat sagt, ich blockiere die Durchsetzung dieses Urteils. Diese Souveränität, die die Europäische Union braucht und für die ja die Europäische Kommission durch den Lissabonner Vertrag ganz klare Kompetenzen be­kommen hat, muss durchgesetzt werden.

Wenn ich bei meinem Kollegen Lindner anschließen darf: 20 Jahre hat es gebraucht, bis es wieder einen Sozialgipfel gegeben hat, 20 lange, dürre Jahre, bis man die Wich­tigkeit der sozialen Dimension erkannt hat. Ein Tisch mit drei Haxen kann nicht stehen (Bundesrat Mayer: Wenn es ein dreibeiniger Tisch ist, schon!), und wenn das Kapital, die Waren und die Dienstleistungen frei fließen können, brauchen wir einen klaren Auf­bau einer sozialen Dimension.

Ich darf den Ihrer politischen Gemeinschaft nicht allzu fern stehenden Kommissions­präsidenten zitieren, der vor wenigen Wochen gesagt hat: Die Wirtschaftskrise haben wir langsam überwunden, aber nicht die größte soziale Krise der Europäischen Union – die Jugendarbeitslosigkeit und die sich verändernde Arbeitswelt mit all ihren Ungleich­heiten und Deregulierungen. – Das ist es, was Kommissionspräsident Juncker ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringt, aber diesbezüglich sehe ich hier nichts.

Ich stimme Monika Mühlwerth zu, Europa ist nicht in Angst und Schrecken vor dieser Regierung, bei Weitem nicht, aber eine Ratspräsidentschaft versuchen wir ja alle ge­meinsam zu tragen, und deshalb ist es auch wichtig, dass wir hier einen Dialog zwi­schen Opposition und Regierung haben. Da brauchen wir ganz wichtige Dinge. Sie sa­gen, es ist die letzte volle Präsidentschaft. Wir stehen vor dem Abschluss der Energie­union, vor der Weiterentwicklung des ESM, vor dem Abschluss der Bankenunion und, wir werden sehen, vor dem Finale der Brexitverhandlungen, und da bedarf es auch eines innerösterreichischen Dialogs.

Ich nehme noch einmal die Liebe zum Binnenmarkt her. Ein großer Erfolg war das En­de des Geoblockings – schaut gut aus, aber wenn die nicht liefern müssen, dann macht das wenig Sinn. Es gibt keinen Lieferzwang. Das Geoblocking gibt es gar nicht, aber das Produkt, das ich bestelle, wird mir nicht geliefert. Also: Fahr nach Lyon, fahr nach Göteborg und hol dir dein Produkt selber ab, das du gekauft hast! – Das sind Din­ge, die nicht zusammenpassen.

 

Präsident Reinhard Todt: Herr Bundesrat, bitte kommen Sie zum Schluss!

 

Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Ich komme zum Schluss.

Subsidiarität ohne Souveränität kann es nicht geben, denn wir brauchen eine Stärkung der Europäischen Union und keine zentrifugale Weiterentwicklung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.10

Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Chris­toph Längle. Ich erteile ihm dieses.