15.23.18

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Werte Frau Bundes­ministerin! Werte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute hier über einen Beschluss des Nationalrates, nämlich das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz abzuändern, debattieren, das ist im Grunde genommen ein Kuriosum. Es ist nämlich wirklich einzigartig, dass sich ein Parlament mit Mehrheit – und leider wohl auch wider besseres Wissen – für einen Rückschritt in Sachen Nichtraucherschutz entscheidet.

Ich weiß noch, wie wir – nicht hier, sondern im Parlamentsgebäude – darüber im Jahr 2015 im Bundesrat abgestimmt haben, auch mit der ÖVP, dass wir den Nicht­raucherschutz einführen, der jetzt hätte umgesetzt werden sollen. Damals haben wir gemeinsam dafür gestimmt, dass das so sein soll. Da haben im Nationalrat 28 ÖVP-Abgeordnete dafür gestimmt, und jetzt ist dieses Gesetz gestürzt worden.

Ich habe mir im Vorfeld ein bisschen die Zeitungen durchgelesen, gelesen, was damals alles gesagt wurde, und möchte einzelne Personen nennen und ein bisschen vor den Vorhang holen. Das ist zum einen bei der ÖVP der Arzt und Ex-Rektor der Medi­zinischen Universität Graz Josef Smolle, der damals gesagt hat, er werde im Natio­nalrat für das Rauchverbot kämpfen, bis er umfalle. Ja, er ist umgefallen. Er hat keiner Zeitung ein Interview gegeben und er hat – und das muss man ihm zur Rettung seiner Ehre zugestehen – nicht mitgestimmt, er hat den Saal verlassen.

Schauen wir, was im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Kärnten passiert ist, vor allem zum Schluss, als man gesehen hat, dass es bei der SPÖ relativ gut läuft und bei den Freiheitlichen – man kann nicht sagen, dass es schlecht gelaufen ist  nicht so, wie man sich das vorgestellt hat: Mag. Darmann hat als Landesrat gesagt, eigentlich sei er für eine Volksabstimmung, die solle man machen. Er hat gedacht, damit bekomme er, ohne den Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens zu unterschreiben, doch noch ein bisschen Rückenwind.

Das ist aber nicht alles. Mein Kollege Angerer, Bürgermeisterkollege im Mölltal, der den Wahlkampf geleitet hat, fährt dann über die Pack nach Wien und macht dort genau das Gegenteil: Er hat dafür gestimmt. So viel zur Ehrlichkeit der Politik insgesamt.

Wenn ich meinen Kollegen Gödl da oben auf der Galerie sehe – es ist ein Zufall, dass du gerade jetzt hier bist! –, muss ich sagen: Du warst auch einer jener, die das mit uns gemeinsam so beschlossen haben, und im Nationalrat hast du jetzt anders gestimmt. (Ruf bei der SPÖ: Du hast auch mit aufgezeigt!)

Ich möchte aber auch zu den Freiheitlichen noch etwas feststellen, da es ja immer um direkte Demokratie gegangen ist. Ich habe auch dazu etwas gefunden, es ist von Frau Nationalrätin Dagmar Belakowitsch, der Gesundheitssprecherin, ich glaube, sie hat 2010 noch Jenewein geheißen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.Belakowitsch-Jenewein, Doppelnamen, ja, 2010. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. Bundesrätin Posch-Gruska: Oje, hör nicht hin!) Okay, passt. Frau Dagmar Belakowitsch hat 2010 festgestellt: Wir machen eine Volksabstimmung! Jetzt ist sie umgefallen.

Wie auch immer, ich glaube, die Bevölkerung versteht sehr gut, was da passiert ist. Last but not least noch eine letzte Meldung aus der Zeitung, bei der ich auch den Kopf schütteln musste:  „Den Konflikt vieler ÖVP-Abgeordneter sprach Carmen Jeitler-Cincelli an. ,Loyalität ist die Basis einer soliden Partnerschaft‘, sagte sie mit Blick auf die Koalition mit der FPÖ. Als Mutter dreier Kinder“ – das muss man sich vorstellen! – (Bundesrätin Mühlwerth: Na und? – Bundesrat Längle: Ja und?) – „habe sie keine Freude mit dem Gesetz, manchmal aber sei mehr Mut erforderlich, einen Kompromiss einzugehen.“Das sagt eine Mutter von drei Kindern!

Wie auch immer: Es ist so, wie es ist. Noch kurioser ist, mit welchen zum Teil heftigen Wortgefechten und mit welcher Leidenschaft im Parlament über eine Angelegenheit, die sachlich und wissenschaftlich betrachtet relativ klar ist, gesprochen wurde. Aus wissenschaftlicher, medizinischer Sicht kann es überhaupt keine Zweifel geben, es wird auch den Regierungsparteien nicht möglich sein, zu widerlegen, dass Rauchen nun einmal die Hauptursache für Lungenkrebs ist. Alles, was das Rauchen, vor allem auch das unfreiwillige Passivrauchen fördert, ist gesundheitspolitisch und, wenn Sie so wollen, moralisch ein Schritt in die falsche Richtung.

Denken wir nur daran – und das ist belegt –, dass im Jahr zwischen 13 000 und 14 000 Personen durch Tabakkonsum sterben. Noch viel schlimmer ist es, dass tausend Personen aufgrund von Passivrauchen sterben. Das heißt, das sind mehr Personen, als in Österreich auf den Straßen umkommen. In Österreich kommen nicht tausend Personen pro Jahr auf den Straßen um, aber es sind tausend Personen, die durch Passivrauchen sterben.

Der Absurdität noch nicht genug, ist es ausgerechnet unsere Gesundheitsministerin, die dieses Vorgehen als traditionelle Gastfreundschaft, persönliche Freiheit, nicht maß­regeln zu wollen, kleine Schwächen von Besuchern bezeichnet oder mit der Vermei­dung von Ausgrenzung von Minderheiten und Suchtkranken rechtfertigt.

Frau Gesundheitsministerin! Für mich ist es unvorstellbar, dass Sie solche Meinungen vertreten. Rauchen ist eine höchstpersönliche Entscheidung, keine Frage. Wenn jemand freiwillig in eine Gaststätte geht, in der geraucht wird, so muss er das für sich selbst entscheiden, dann muss er es auch verantworten.

Dem Staat und uns als Abgeordneten obliegt es aber (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), vor den persönlichen Konsequen­zen – ich habe selbst geraucht (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP) –, die bis zum Tod führen können, zu warnen, aber auch den Menschen zu sagen, dass es gesundheits­politische Folgen für die gesamte Bevölkerung gibt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Noch mehr sind wir verpflichtet, jene zu schützen, die sich nicht freiwillig dem Rauchen aussetzen, zum Beispiel Kellnerinnen und Kellner, die aus beruflichen Gründen als Passivraucher gezwungenermaßen acht Stunden am Tag das alles aushalten müssen. Wer kümmert sich um ihre persönliche Freiheit? (Ruf bei der ÖVP: 95 Prozent der Kellner rauchen in Österreich!)

Passivrauchen – und das muss man sich vergegenwärtigen – ist für Kinder und Kleinst­kinder besonders gefährlich, denn bei einem Körper in der Entwicklung ist die Atemfrequenz so hoch, dass die Aufnahme von Schadstoffen um ein x-Faches höher ist. Die medizinischen Fakten liegen also auf dem Tisch, die Meinung aller relevanten Experten ist eindeutig.

Was kann es nur sein, das das Kippen dieses Nichtraucherschutzgesetzes recht­fertigen könnte? Sind das wirtschaftliche Gründe, die mehr wiegen als die Gesundheit? Ich weiß es nicht. Ist es tatsächlich das befürchtete Wirtesterben? In Bayern war es zum Beispiel nicht so. Das IHS hat in einer Studie, für die Wissen aus 16 Ländern zusammengetragen wurde, gezeigt, dass es keine Rückgänge gibt, abgesehen von Kleinstbereichen in Lokalen.

Ich glaube, man könnte der Gastronomie mehr helfen, wenn man sich mit Problemen wie Nachfolger, Bürokratie, Personalmangel befassen würde, eine Unterstützung zur Lösung des Problems, dass es zum Beispiel in Salzburg und in Tirol nicht ausreichend viele Köche gibt, anbieten könnte (Bundesrätin Mühlwerth: Ist aber nicht wegen Rauchen, oder?), wenn man das in die Hand nähme, anstatt dieses Thema anzu­schneiden.

Es stellt sich wirklich die Frage, ob es dabei um ganz persönliche Vorlieben einzelner rauchender Politiker geht. Zumindest können wir die Beweggründe der ÖVP, die vor nicht allzu langer Zeit für das Nichtraucherschutzgesetz noch mitverantwortlich war, nicht verstehen. Dort ist es schlichtweg Parteipolitik und willfähriges Verhalten gegen­über dem Koalitionspartner, denn ich möchte nicht annehmen, dass man so schnell und vor allem so konsequent die Überzeugung geändert hat. Das ist Parteipolitik auf Kosten der Gesundheit.

Etwas Positives hat diese unsägliche Debatte aber doch: Es hat sich gezeigt, dass sich das Volk mit diesen Dingen nicht abfinden kann. So ist das Einleitungsverfahren jetzt mit 591 000 Stimmen, glaube ich, zu Ende gegangen. Ich glaube, dass Sie da komplett auf dem falschen Weg sind. Dieses Don’t-smoke-Volksbegehren, glaube ich, werden wir noch irgendwo im Hinterkopf haben, auch wenn der Vizekanzler für sich selbst festlegt, dass es 900 000 Stimmen sein müssen, damit es eine Volksabstimmung gibt. Ich glaube, wenn wir 900 000 haben, werden es eine Million oder 1,2 Millionen sein. Schauen wir uns das einmal an!

Frau Bundesministerin Hartinger-Klein! Ich muss Ihnen ehrlich sagen, Sie sind für mich keine Gesundheitsministerin. (Ruf bei der FPÖ: Na geh,  ... !) – Nein, Sie sind für mich keine Gesundheitsministerin (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist unglaublich!), senn in diesem Fall sind Sie eher eine Unterstützung für die Tabakindustrie. Ich muss ehrlich sagen: Schämen Sie sich als Gesundheitsministerin! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Samt: Na geh, jetzt brems dich ein! Schön langsam wird’s kritisch!)

Ich möchte gerne folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nicht­raucherschutzgesetz – TNRSG geändert wird

„Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz­gesetz – TNRSG geändert wird (107/A und 33 d.B. sowie 9943/BR d.B.),

einen Einspruch zu erheben.“

*****

Ich darf hinsichtlich der Begründung den gegenständlichen Antrag in seinen Kern­punkten wie folgt kurz erläutern. Zum einen geht es um gesundheitliche Aspekte, die ich schon angeführt habe, um Passivrauchen und jene Menschen, die leider Gottes dadurch zu Tode kommen. Zum Zweiten gibt es sehr viele Aussagen von Ärzten und vor allem von Landeshauptleuten (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), die ich gar nicht vorlesen möchte. Ich nehme nur einige heraus: Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner, Herr Landeshauptmann Thomas Stelzer, Herr Landeshauptmann Wilfried Haslauer, unser Landeshauptmann in Kärnten, Peter Kaiser, Herr Landeshauptmann Günther Platter, alle diese Menschen sind dafür, dass das nicht so zustande kommt, wie es jetzt abläuft. (Bundesrat Stögmüller: Haberlander in Oberösterreich!)

Last but not least, einen letzten Absatz noch, denn wenn ich das jetzt alles vorlese, sind wir in einer halben Stunde noch da: 

„Im Bundesrat sind gemäß Art. 34 Abs. 1 B-VG die Länder im Verhältnis zur Bürger­zahl im Land vertreten. Der Bundesrat nimmt die Interessen der Länder im Bereich der Bundesgesetzgebung wahr.

Der gegensätzliche Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist wohl einer der um­strittensten der letzten Jahrzehnte. Er hat wie kein anderer Gesetzesbeschluss die Bürgerinnen und Bürger bewegt und betroffen gemacht. Folge war unter anderem der Start eines Volksbegehren gegen dieses Gesetzesvorhaben der Schwarz/Blauen-Bun­desregierung, welches historisch gesehen die meisten Unterschriften in der Einlei­tungs­phase aufweist. 591.146 Bürgerinnen und Bürger haben das Begehren unter­stützt und stemmen sich mit ihrer Stimme gegen diesen Gesetzesbeschluss des Nationalrates.

Das Ansehen Österreichs in Europa wird massiv und dauerhaft beschädigt, was in Anbetracht der österreichischen EU-Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2018 als politisches Harakiri zu bezeichnen ist.“

Ich bitte, über diesen Antrag abzustimmen. – Danke schön.

15.36

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der eben gehörten Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung. Dieser Antrag wurde im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten gerade vom Kollegen Novak mündlich erläu­tert.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.