20.20.52

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist es ja dankbar, nach Kollegen Raml zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Raml: Bitte gerne!) Er und sein Kollege Schuster haben es wieder einmal geschafft, alle blauen Stehsätze und Plattitüden zu bringen. 100 Prozent beim FPÖ-Bingo – gratuliere! Aus meiner Sicht waren aber nicht sehr viele stichhaltige Argumente dabei. Wenn man aus jener Partei kommt, die zwischen 2000 und 2006 Hunderte Polizeiposten im ländlichen Raum geschlossen hat, Hunderte, Tausende Stellen bei der Polizei abgebaut hat (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Samt: Warum applaudieren die jetzt?), gerade dabei ist, das BVT de facto in die Luft zu sprengen, sollte man den Mund nicht so weit aufmachen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind jetzt die Plattitüden der SPÖ!)

Vielleicht übertüncht man damit aber auch ein Problem, das der Amtsvorgänger Wolfgang Sobotka in seinem Vorwort zum Sicherheitsbericht 2016 beschrieben hat. Er hat geschrieben: „Auch das Ansteigen rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Taten um 13,6 % gibt Anlass für erhöhte Aufmerksamkeit.“ (Bundesrat Samt: Das sind eure Plakatschmierer!) – Rechtsextrem! Aufpassen, rechtsextrem! (Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt nicht viele Sätze, bei denen ich Wolfgang Sobotka recht gebe, aber diese Feststellung unterstütze ich. Und ich glaube, er untertreibt da sogar. 2016 sprechen wir von 1 313 Tathandlungen mit rechtsextremen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Motiven. Das ist eben ein Anstieg um 13,6 Pro­zent. Aufgrund einer überdurchschnittlichen Aufklärungsquote von über 60 Pro­zent wissen wir sehr genau, wo diese rechten Netzwerke und TäterInnen sind; sie sind für uns auffindbar.

Den Stellenwert, den diese rechtsextremen Netzwerke in der Beobachtung verdient haben, den geben Sie ihnen im Sicherheitsbericht aber nicht. Eine knappe Seite wird dem Thema im Bericht gewidmet, und einer genaueren Analyse dieser rechtsextremen Netzwerke und neuen Gefahren von rechts geben Sie wenig Raum, sogar weniger Raum als dem Linksextremismus – und das, obwohl viermal mehr rechtsextreme Taten zu verzeichnen sind als linksextreme Aktionen (Bundesrätin Mühlwerth: 2016 schon! Wie soll denn das gehen?), und das, obwohl wir seit dem Jahr 2015 über 1 400 Beschuldigte nach dem Verbotsgesetz in Verfahren haben. Knapp hundert Verur­teilungen waren das im vorigen Jahr laut einer Anfragebeantwortung. Das sind doppelt so viele wie 2015, durchschnittlich ungefähr zwei Verurteilungen pro Woche. Das ist ein historisch hoher Wert, und damit müssen wir uns als Parlament dringend be­schä­ftigen und aktiv gegen rechtsextreme und demokratiefeindliche Ideologien auftre­ten.

Ich glaube deswegen, dass es schon lange an der Zeit ist, den Rechtsextremis­mus­bericht wieder einzuführen, den Sie, liebe FPÖ, in Ihrer Regierungszeit abgeschafft haben. Vielleicht ist ja auch ein Grund, dass der derzeitige Innenminister 2016 Stargast bei so einem rechten Treffen in Linz war. Die Teilnehmer dieses Kongresses, also auch der jetzige Innenminister, sind übrigens vom Verfassungsschutz dabei beobach­tet worden. (Bundesrat Raml: Und es ist nichts festgestellt worden!)

Wir müssen die Gefahren, die von der extremen Rechten und von Neonazis in Öster­reich ausgehen, explizit adressieren, und das gerade im Erinnerungsjahr 2018. Es braucht dringend einen Ausbau von historischer und politischer Bildungsarbeit, mehr Unterstützung für Erinnerungsarbeit, und da erwarte ich mir von der Bundesregierung eine klare Strategie. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Eine solche Strategie ist aber offensichtlich nicht so einfach, wenn man als Regie­rungspartei, die noch dazu den Innenminister stellt, wöchentlich durch Einzelfälle auf­fällt oder, wie es unser Klubvorsitzender im Nationalrat, Christian Kern, in einem Inter­view gesagt hat, sich – unter Anführungszeichen – „den Hooligansektor in die Kabi­nette“ holt.

Frau Staatssekretärin, auch wenn es nicht direkt zum Thema gehört, aber wenn wir diesen Bericht von 2016 so spät im Parlament diskutieren, bin ich schon sehr dafür, dass wir beim Überwachungspaket, Sicherheitspaket genau bleiben. Im Bericht 2016 selbst sehen wir, dass Cybercrime – und Sie haben es selbst angesprochen – stark ansteigt und dass die globale Vernetzung und die Sozialen Medien natürlich auch ganz entscheidend kriminelle Strukturen unterstützen. Dass man da reagieren muss, ist grundsätzlich klar. Die Frage ist dabei immer nur, wie und wie viel Freiheit man für Sicherheit riskiert. Ich bin der Meinung, und ich glaube, auch unsere Fraktion, dass wir mit dem vorliegenden Sicherheitspaket einige Schritte zu weit gehen. Ich bin froh, dass wir von der SPÖ dieses sensible Paket im vergangenen Herbst nicht mehr unterstützt haben, denn es braucht eine sehr sensible Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit und man muss da sehr sensibel vorgehen. Mein Eindruck ist: Sie sind da nicht sensibel, sondern Sie agieren mit dem Vorschlaghammer. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Expertinnen und Experten sprechen von den wahrscheinlich massivsten Verschärfun­gen von Überwachungsbefugnissen in der Zweiten Republik. Kollegin Dziedzic hat den ehemaligen ÖVP-Sicherheitssprecher Michael Ikrath zitiert, der gesagt hat: „Gravierende Entschärfungen wären nötig, andernfalls mache Österreich damit einen dramatischen Schritt [...] zu einem polizeilichen Überwachungsstaat“. Kollege Ikrath ist nicht gerade ein Sozialdemokrat, glaube ich. (Bundesrat Mayer: Er ist seit zehn Jahren nicht mehr im Parlament!) Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass im Begut­achtungsverfahren über 9 000 Stellungnahmen eingegangen sind. Das ist genau der Grund für uns gewesen, zu sagen, deswegen brauchen wir ein öffentliches Hearing. Wenn es um die Freiheit und um die Sicherheit aller Österreicherinnen und Öster­reicher geht, dann haben wir es uns verdient, dass ein ordentliches öffentliches Hearing durchgeführt wird. (Bundesrat Schuster: Ihr wolltet nie ein öffentliches Hearing! – Bundesrat Samt: Das ist jetzt aber populistisch!)

Vielleicht wollen Sie aber dieses öffentliche Hearing nicht, weil Sie sich dann Sätze wie den des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages anhören müs­sen, der gesagt hat: Mit diesem Vorschlag „reihen wir uns in die Reihe jener Länder ein, die – wie Ungarn oder Polen – Angst vor ihren eigenen Bürgern haben“. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen ganz genau, und da bleiben wir bitte sehr genau, dass die Videoüber­wachung ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit ist, wenn Unternehmungen mit öffentlichem Versorgungsauftrag – Wiener Linien, ÖBB, Asfinag – in Zukunft den Sicherheitsbehörden ihre Videoaufzeichnungen vorlegen müssen und diese auch nicht mehr löschen dürfen, wenn das eine Risikoanalyse bestätigt. Es kann daher davon aus­gegangen werden, dass in Zukunft die Daten von Kameras an allen neuralgischen Punkten – Bahnhöfen, Verkehrsknotenpunkten –, von Verkehrskameras vier Wochen gespeichert bleiben. Dadurch wird es auch möglich, dass man von privaten Personen Bewegungsprofile erstellt, und da können wir nicht mit.

Betreffend Bundestrojaner ist schon angesprochen worden, und eigentlich geben Sie das auch in Ihren eigenen Unterlagen zu, dass das noch nicht eine ganz ausgereifte Technologie ist, denn Sie erwähnen, dass diese Ermittlungsmaßnahmen nach dem derzeitigen Stand der Technik quantitativ und qualitativ total ressourcenintensiv sind. Das beweisen Sie auch damit, dass das de facto erst 2020 in Kraft treten soll, befristet auf fünf Jahre. Es werden damit nicht nur WhatsApp und Skype überwacht, sondern sämtliche Daten, die auf dem Datenträger sind und die mit dem Datenträger in Kontakt stehen. Technisch ist es sogar möglich, mit solchen Tools fremde Daten auf einen Com­puter zu spielen, dadurch theoretisch auch anderen Personen etwas unterzu­schieben, mit allen strafrechtlichen Konsequenzen. Das ist staatliches Hacken, und es wird abenteuerlich werden, mit welchen Vertragspartnern Sie da zusammenarbeiten werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das gibt es ja jetzt alles schon!)

Es ist deshalb gut und richtig gewesen, dass dieses Paket im Herbst am Widerstand der SPÖ gescheitert ist, nämlich zu Recht gescheitert ist. (Bundesrat Rösch: Das habt ihr selbst vorbereitet!) Und es ist ebenso bezeichnend, dass die FPÖ, die voriges Jahr noch DDR-Vergleiche angestellt hat, jetzt alles positiv sieht. Das spricht für sich!

Ich möchte nur noch mit einem Zitat von Benjamin Franklin schließen, der gesagt hat: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlie­ren.“ – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

20.29