13.52.10

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich, heute hier sein zu können, um mit Ihnen zu diskutieren und die unterschiedlichen Inputs und auch die unterschiedlichen Positionen zu hören.

Klar ist, dass Europa seine Außenwirtschaft selbst gestalten muss. Das ist ein wich­ti­ger Punkt. Wir haben vor allem in den letzten Monaten, Wochen und Tagen gesehen, dass wir andere Player am internationalen Markt haben. Wir können uns nicht mehr auf bisherige Partner in der Form verlassen, wie wir es gewohnt waren. Wir können nicht zusehen und einfach untätig sein.

Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft zu unterstützen, den Export zu fördern und damit in den Unternehmen – und darum geht es uns – Arbeitsplätze zu schaffen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, damit die Österreicherinnen und Österreicher diese Jobs ausfüllen können, entsprechende Einkommen erzielen können und der Wohlstand gesichert ist.

Kanada ist ein Industriestaat westlicher Prägung. Es ist für uns das achtwichtigste Exportland außerhalb Europas. Es ist also schon ein wichtiger Handelspartner Öster­reichs; das gilt es als ersten Punkt zu berücksichtigen.

Als zweiten Punkt wollen wir einmal auf Folgendes schauen: Müssen wir uns vor kanadischen Unternehmen fürchten? Und: Welche gibt es denn da so in Österreich? – Die kanadischen Firmen, die hier sind, sind unter anderen die Firma Bombardier, die Firma Magna – die viele kennen, es pendeln auch viele aus Kärnten in die Steiermark zu dieser kanadischen Firma Magna ein, um dort zu arbeiten – und BRP-Rotax. Insgesamt beschäftigen allein diese drei Unternehmen 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und wir wollen wohl diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht erzäh­len, dass sie für ein gefährliches Industrieland Kanada arbeiten, vor dem man sich ordentlich fürchten muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die angesprochenen Unternehmen gehören zu den sehr innovativen Unternehmen in Österreich, die in Österreich Forschung und Entwicklung betreiben, die hier neue Tech­nologien entwickeln, die in die ganze Welt hinausgehen, und die laufend investieren. Ich glaube, es ist auch wichtig, das zu sehen, was diese Unternehmen bereits geleistet haben.

Dann schauen wir einmal auf die andere Seite, auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jener Unternehmen, die mit Kanada Handel treiben und die in Kanada Niederlassun­gen haben: Derzeit sind 125 österreichische Unternehmen in Kanada tätig. 14 Produk­tionsstätten gibt es, dort sind Unternehmen aus unterschiedlichsten Bundesländern und in unterschiedlichsten Bereichen tätig. Es sind also Arbeitsplätze in jedem Bundes­land davon abhängig, dass mit Kanada guter und qualitativ hochwertiger Handel getrieben werden kann.

Wichtig ist, dass unsere Standards hochgehalten werden. Die Vorschriften sowohl im Lebensmittelbereich, in der Lebensmittelsicherheit, in der Produktionssicherheit, im Verbraucherschutz, im Gesundheits- und im Umweltschutz als auch im Arbeitsschutz werden von Ceta nicht eingeschränkt. Auch wenn das immer wieder behauptet wird, ist dem nicht so.

Das ist ein völlig neues Abkommen. Ja, es wurde viele Jahre verhandelt. Es ist aber auch wichtig, es nicht mit TTIP zu verwechseln und in einen Topf zu werfen. Wir reden nicht von TTIP, wir reden von dem Handelsabkommen Ceta mit Kanada, einer hoch­ent­wickelten Industrienation, die Standards hat – hohe, qualitätsvolle Standards. Wir sollten nicht davor zurückschrecken, mit dieser Industrienation gemeinsam neue Märkte zu erschließen.

Dieses neue Abkommen schützt also die Standards, es bietet Rechtsicherheit, und es sichert auch Jobs. Was passiert bei diesem Abkommen? – Es fallen Zölle weg, und davon profitieren in erster Linie die Konsumenten. Also wenn wir jetzt schauen, profitie­ren sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kanadischen Unternehmen, es profitieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jener Unternehmen, die nach Kanada exportieren – ich werde Ihnen dann einige Beispiele dazu geben –, und es profitieren auch die Konsumenten. Wenn die Tarife sinken, gibt es geringere Preise auf beiden Seiten, also auch dem Konsumentenschutz und dem Vorteil der Konsumenten ist Genüge getan.

Österreichs Unternehmen erhalten einen Marktzugang. Es wird immer von den Groß­konzernen gesprochen; uns geht es primär um die mittelständischen Unternehmen. Diese mittelständischen Unternehmen gilt es, abzusichern, und diese mittelständischen Unternehmen werden bei ihren Investitionen in Kanada geschützt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie können ihre Produkte und ihre Dienstleistung stärker in Kanada positionieren. Ich möchte Ihnen dazu nur zwei Beispiele geben. Ein Beispiel aus der Steiermark ist das Unternehmen Haindl Alois. Vielleicht haben auch Sie schon das Kernöl von Haindl Alois genossen. Sieben Mitarbeiter hat das Unternehmen. Die letzten Lieferungen sind ohne Zölle und ohne Tarife nach Kanada gegangen. 

Auch in Oberösterreich gibt es ein Beispiel: Praher Plastics. Dieses Unternehmen er­zeugt Plastikarmaturen und -rohre. Es hat 200 Mitarbeiter und ist eines der Unterneh­men, die eine Produktionsstätte in Kanada haben, und zwar mit 50 Mitarbeitern. Auch sie profitieren von dem Abbau der Zölle und erwarten die Möglichkeiten und auch den Investitionsschutz, den sie genießen.

Es geht also nicht um die großen Unternehmen, sondern es geht insbesondere darum, die mittelständischen Unternehmen zu fördern. Fast 1 400 österreichische Unter­nehmen exportieren nach Kanada. Wenn man sich jetzt ansieht, welche zusätzlichen Arbeitsplätze man schaffen kann: Durch die Steigerung des Exports nach Kanada können bis zu 15 000 neue Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden, und uns geht es wirklich um jeden einzelnen dieser Arbeitsplätze!

Nun könnte man sagen: Stimmt ja alles nicht, der Export steigt ja nicht. – Darum habe ich mir das angesehen: Was ist in diesem halben Jahr, seitdem Ceta eigentlich mit den Tarifsenkungen schon in Kraft ist, passiert? – Faktum ist, es wurden weder Schwem­men von Ahornsirup in Österreich gesichtet noch das vielzitierte Chlorhuhn, das irgend­wo in den Supermärkten herumfliegt, sondern im Gegenteil: Wir haben viel mehr profitiert als die Kanadier in die andere Richtung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wie zeigt sich das in Zahlen? – Seit dem Inkrafttreten, das war im Oktober vergan­genen Jahres, sind die österreichischen Exporte nach Kanada um 24,4 Prozent ge­stiegen. Jetzt könnte man immer die Landwirtschaft heranziehen: Die Landwirtschaft zieht einen Nachteil daraus. Die Lebensmittelexporte – und da reden wir auch von Konserven und verarbeiteten Lebensmitteln – nach Kanada sind seit Oktober letzten Jahres tatsächlich um 41,9 Prozent gestiegen, also die Zahlen sprechen für sich.

Es ist ein wichtiger Punkt, dass wir hier ein qualitativ sehr hochwertiges Abkommen haben. Wichtig ist auch, dass es die Nachhaltigkeit im Bereich Umwelt- und Sozial­standards absichert. Ich habe mir das auch persönlich angeschaut: Es geht sogar so weit, dass die Skilehrer geschützt sind, dass die Bergsteiger, die Bergführer geschützt sind, also da ist sehr, sehr gut achtgegeben worden.

Auch das Thema right to regulate möchte ich noch gerne ansprechen, weil Bundesrat Novak es erwähnt hat. Das Wasser ist geschützt; es stimmt nicht, dass es da eine Gefährdung, einen Ausverkauf geben kann. Wir nennen das right to regulate oder eben Daseinsvorsorge; jeder Staat hat die Möglichkeit, entsprechende Sicherstellungen vorzunehmen.

Es geht uns um eine faire Partnerschaft mit Kanada. Wenn wir nicht einmal mehr mit Kanada Handel treiben können, dann können wir überhaupt die Rollläden herunter­lassen. Und wenn Sie das Wort Freihandel durch die Wörter Export und Import ersetzen und dann die Österreicherinnen und Österreicher dazu befragen, dann sind sicherlich alle dafür, denn jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt vom Export ab, und diese Arbeitsplätze werden wir verteidigen. Dafür treten wir ein, und daher auch unser klares Ja zu Ceta. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nunmehr möchte ich Ihre Fragen beantworten – es gab ja einige Fragen in Ihrer Dring­lichen Anfrage –:

Zu den Fragen 1, 2, 7 und 13:

Da möchte ich Ihnen eine entsprechende Antwort geben: Vor der Unterzeichnung von Ceta erfolgte am 30. Oktober 2016 der Beschluss der österreichischen Bundes­regierung unter Bundeskanzler Kern zur Unterzeichnung von Ceta im Ministerrat. Daraus resultiert eine Verpflichtung zur Einleitung des für die Genehmigung von Ceta gemäß Bundesverfassung erforderlichen Ratifikationsverfahrens durch Österreich. Sollte die Ratifikation von Ceta von Österreich oder einem anderen Parlament eines EU-Mitgliedstaates abgelehnt werden, wäre eine Notifikation an die Europäische Kommission zwecks Prüfung und Einleitung allfälliger weiterer Schritte abzugeben. Darüber wäre sodann auf Ratsebene zu beraten.

Zur Frage 3:

Diese möchte ich mit Nein beantworten.

Zu den Fragen 4 und 5:

Diese Fragen sind nicht Gegenstand des Interpellationsrechts.

Zur Frage 6:

Da ist festzuhalten, dass Ceta bereits von elf Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, also wir sind da durchaus nicht das erste Land. Ich möchte diese aufzählen: Tschechien, Dänemark, Estland, Spanien, Kroatien, Lettland, Malta, Portugal, Litauen, Schweden und auch Finnland, genau am Tage unseres Ministerratsbeschlusses. Österreich liegt daher bei der Einleitung des Ratifizierungsverfahrens durchaus im Mittelfeld.

Zu Ihren Fragen 8 und 16:

Nein, die Bestimmungen zum Investitionsschutz und zur Investor-Staat-Streitbeilegung sind erst nach Abschluss des Ratifikationsverfahrens in allen Mitgliedstaaten anwend­bar.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch Folgendes ergänzen: Es gibt keine Schieds­gerichte in diesem Ceta-Abkommen, auch wenn immer wieder darauf Bezug genom­men wurde. Schiedsgerichte sind in Ceta in dieser neuen Vertragsform nicht vorge­sehen. Es sind Investitionsgerichte mit bestellten Richtern geplant. Die Richter werden von der EU vorgeschlagen – von Österreich, von Kanada und dann eben von der EU, von unabhängiger Stelle.

Zur Frage 9:

Die genauen Voraussetzungen müssen im Einzelfall geprüft werden.

Zur Frage 10:

Wird dieses Abkommen beendet, so behalten die Bestimmungen des Kapitels 8 über den Tag der Beendigung des Abkommens hinaus noch 20 Jahre Gültigkeit für Inves­titionen, die vor diesem Tag getätigt wurden.

Zur Frage 11:

Nach einhelliger Auffassung des Rechtsdienstes der Europäischen Kommission, des Rechtsdienstes des Rates, des Rechtsdienstes von Deutschland, Frankreich, den Nie­derlanden, der Slowakei und Spaniens ist Ceta mit dem Unionsrecht kompatibel.

Zur Frage 12:

Wann das Urteil vorliegen wird, ist mir derzeit nicht bekannt.

Zur Frage 14:

Österreich beteiligt sich konstruktiv an der Umsetzung dieses Urteils und ist gewillt, einen unionsrechtskonformen Zustand durch eine EU-weite Einigung herbeizuführen.

Zur Frage 15:

Nach Beantwortung der begründeten Stellungnahme der Kommission im Herbst 2016 wurden keine weiteren Schritte gesetzt.

Zur Frage 17:

Die Zuständigkeiten der Länder sind durch Ceta in einigen Teilbereichen berührt, zum Beispiel der Grundverkehr, Skischulen und Bergführer, was ich bereits erwähnt habe, das Kindergartenwesen, das Elektrizitäts- und Spitalswesen. In all diesen Bereichen wurden umfassende Ausnahmen verankert.

Zur Frage 18:

Die Bundesländer bekommen alle eingeschränkt zugänglichen Dokumente via Verbin­dungsstelle der Bundesländer zugesendet und können sich jederzeit dazu äußern.

Zur Frage 19:

Die Rechtsgrundlage für sogenannte einheitliche Länderstellungnahmen ist Art. 23d Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes. Zunächst verlangt Art. 23d Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ein konkretes Vorhaben. Die Stellungnahme bezieht sich jedoch auf die Ablehnung von privaten Schiedsgerichten oder internationalen Investitions­ge­richten bei Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochent­wickelten Rechtssystemen und somit auf die gemeinsame Handelspolitik der EU.

Weiters ist infrage zu stellen, ob das Thema Schiedsgerichtsbarkeit beziehungsweise internationale Gerichtsbarkeit auf Basis von völkerrechtlichen Verträgen in der Gesetz­gebung Länderkompetenz ist. Selbst wenn man von einer Bindungswirkung der Stellungnahme ausginge, bestünde schlussendlich die Möglichkeit, aus integrations­politischen Gründen von ihr abzuweichen.

Zur Frage 20:

Es handelt sich um kein Konzerntribunal! Ich möchte wiederholen: Es handelt sich um kein Konzerntribunal, sondern um ein internationales Gericht für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten. Auch Einzelunternehmen und KMUs fallen unter den Investorbegriff, und das ist ganz wichtig; das ist also nicht abhängig von der Größe eines Unternehmens. Die Grundvergütung wird nach Inkrafttreten des Abkommens vom gemischten Ceta-Ausschuss beschlossen.

Zur Frage 21:

Dies lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Zur Frage 22:

Meine Ressortzuständigkeit erstreckt sich nicht auf die Beantwortung dieser Frage.

Zur Frage 23:

Der Bestand der kanadischen Direktinvestitionen in Österreich überstieg jene von Österreich in Kanada um 2,712 Milliarden Euro. Das heißt, die österreichischen Inves­titionen in Kanada betrugen 690 Millionen Euro, die kanadischen Investitionen in Öster­reich 3,402 Milliarden Euro.

Zur Frage 24:

Die größten kanadischen Firmenniederlassungen in Österreich sind Magna Steyr mit fast 18 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, BRP-Powertrain mit 1 200 Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern und Bombardier mit 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Husky mit 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Eine konkrete Klageberechtigung dieser Unternehmen müsste im Einzelfall geprüft und kann nicht pauschal bejaht werden.

Zur Frage 25:

Es handelt sich nicht um Nachverhandlungen, sondern um die Ausarbeitung von Detailfragen, die vom gemischten Ceta-Ausschuss, der sich aus Vertretern der EU auf der einen Seite und Kanadas auf der anderen Seite zusammensetzt, beschlossen wer­den sollen, und somit eben nicht um Nachverhandlungen, sondern um die Ausarbei­tung von Detailfragen.

Ich freue mich, Ihre Fragen beantwortet zu haben. Ich möchte noch einmal betonen, dass Ceta, das Abkommen mit Kanada, ein wichtiges Abkommen ist und dass es wichtig für Europa, für Österreich ist, neue Handelspartner zu bekommen, gerade in einer Zeit, in der jemand wie Trump alte, langjährige Partnerschaften behindert oder sogar gefährdet. Es ist einfach wichtig, auf die Wirtschaft zu schauen, auf den Stand­ort, auf die Arbeitsplätze und auf das Wohl der Österreicherinnen und Österreicher. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.09

Präsident Reinhard Todt: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.