12.50.24

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher, Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, Herr Kollege Krusche, ich glaube, Sie und Ihre Fraktion sollten aus der Geschichte mehr Lehren ziehen als die, dass Han­delsabkommen wie Ceta jetzt plötzlich so super sind. (Bundesrat Krusche: Nicht plötzlich, immer schon!) Lesen Sie bitte die Protokolle von Reden Ihrer FPÖ-Kollegen aus der vergangenen Legislaturperiode durch, da haben Sie ganz anders gesprochen. Sie sind anscheinend leicht zu überzeugen. Sie waren aber – und das muss man Ihnen schon zugutehalten – in Ihrer Rede im Vergleich zu vielen anderen Ihrer Fraktion sehr ehrlich und haben durchaus eingeräumt, dass Sie für ein paar Regierungsämter bereit waren, Ihre bisherige Position über Bord zu werfen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Da haben Sie etwas falsch verstanden!) Da räume ich Ihnen durchaus positiv einen Zug zur Ehrlichkeit ein. (Bundesrat Spanring: Zum Schutz für Österreich vor der Sozialdemokratie!)

Ich möchte aber schon auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Erinnerung rufen, gerade heute, an diesem Tag, dass der Bundesrat eine besondere Kompetenz bei diesem Handelsabkommen Ceta hat, aber gleichzeitig auch eine besondere Ver­antwortung, weil es sich verfassungsrechtlich um eine zustimmungspflichtige Materie handelt. Der Bundesrat hat hier also nicht nur ein bloßes Einspruchsrecht, sondern er muss dieser Materie auch aktiv zustimmen. Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren, heute ist die letzte Chance – und da schaue ich speziell in Ihre Richtung, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ –, die Notbremse zu ziehen (Bundesrat Steiner: Der Herr Kern hat es unterschrieben! Ihr habt es unterschrieben!) und dieses Ab­kommen, dem die Giftzähne – entgegen dem, was Sie beteuert haben – noch nicht gezogen sind, letztendlich nicht wirksam werden zu lassen. (Bundesrat Steiner: Wer hat es unterschrieben? Wir haben es nicht unterschrieben!)

Ich möchte aber auch dazusagen, dass Handelsabkommen, um jetzt auf Ihren Zwi­schenruf einzugehen, an sich für die österreichische Volkswirtschaft etwas Wichtiges sind, denn wir sind ein Exportland, wir brauchen die Absatzmärkte außerhalb Europas. Das zu betonen ist ganz, ganz wichtig. Ich möchte aber auch vorausschicken, dass es ein Grundsatz sein muss, dass solche Handelsabkommen so gestaltet sind, dass sichergestellt ist, dass auf europäischen Märkten nur Produkte gehandelt werden, die unter Wahrung sozialer und ökologischer Produktionsbedingungen produziert werden.

Kollege Buchmann hat heute – erstmals übrigens – von einer neuen Generation von Handelsverträgen gesprochen. Ja, richtig, wir brauchen so eine neue Generation von Handelsverträgen, sonst schaden wir der eigenen Wirtschaft, weil wir bei diesem Kreislauf nach unten nicht mithalten können. Österreich ist kein Billiglohnland, und das wollen wir auch nicht werden. Arbeit muss einen Wert haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das gilt es zu betonen. (Beifall bei der SPÖ.) Das scheinen die Damen und Herren von ÖVP und FPÖ nicht so zu sehen, dass Arbeit einen Wert haben muss.

Nun ist Kanada eine hoch entwickelte Volkswirtschaft mit einem hoch entwickelten Rechtssystem, und da muss ich Sie schon fragen: Warum dann dieser Giftzahn des Konzernklagerechts? Wer misstraut hier wem? Oder geht es da nicht vielmehr darum, dass Konzerne wechselseitig die Möglichkeit haben sollen, demokratische Gesetz­gebung in Richtung Konsumentinnen und Konsumenten, in Richtung Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer, in Richtung Umweltschutz, in Richtung Gesundheitsschutz auszuhebeln und die Gesetzgebung zu korrigieren und in Schach zu halten? Geht es nicht darum?

Ich möchte Ihnen schon bildlich vor Augen führen, wie das Match in Wahrheit lautet, nämlich nicht Europa gegen Kanada, nein, das Match lautet: Konzerne beider Volks­wirtschaften auf der einen Seite gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Konsu­mentinnen und Konsumenten, gegen Kleingewerbetreibende, gegen Bauern und Bäue­rinnen mit kleinen Landwirtschaften oder ganz allgemein gegen Bürgerinnen und Bürger in beiden Volkswirtschaften auf der anderen Seite. So lautet in Wahrheit das Match. Das Machtungleichgewicht soll weiter in Richtung Großkonzerne verschoben werden, nämlich in beiden Volkswirtschaften. (Bundesrätin Mühlwerth: Das habt ihr alles 2017 auf den Weg gebracht! 2017 hat das Kern unterschrieben!)

Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, gut, dass Sie sich da jetzt ein bisschen exponieren, denn Sie alle haben vorhin beschämt in Ihre Laptops hineingeschaut, als Kollege Novak gesprochen hat. (Bundesrat Steiner: Weil es so uninteressant war, was er gesagt hat!) Jetzt haben Sie sich hier exponiert. Da möchte ich aber schon auch in Erinnerung rufen, dass selbst der von der FPÖ nominierte Experte im Hearing des Nationalrates von einer Paralleljustiz gesprochen hat. Sie scheinen das zu ignorieren, nämlich die Tatsache, dass einfache Bürgerinnen und Bürger den normalen Rechtsweg beschrei­ten müssen, aber Konzerne Schiedsgerichte befassen können, deren Zusammen­set­zung nach wie vor mehr als fraglich ist, was auch im Hearing im Nationalrat heraus­gekommen ist – übrigens entgegen den Beteuerungen von Ihnen, Frau Ministerin. Sie haben zwar, wie Kollege Buchmann gemeint hat, sehr sympathisch geantwortet, aber unvollständig und teilweise unrichtig, weil die Zusammensetzung der Schiedsgerichte alles andere als geklärt ist, ebenso der Verhaltenskodex. Wir wissen nicht, welche Voraus­setzungen die Leute tatsächlich mitbringen müssen, es ist sehr vieles noch absolut unklar.

Dieser Passus wie auch der weitere Giftzahn, nämlich diese immanente Vertragsände­rungsklausel, wurden im Expertinnen- und Expertenhearing als brandgefährlich einge­stuft. Ursprünglich war noch von einer Volksabstimmung bei derartigen Verträgen die Rede. Wir haben den O-Ton von Strache, Hofer und anderen noch im Ohr, auch von Ihnen, werte Bundesrätinnen und Bundesräte von der FPÖ: Eine Volksabstimmung ist unabdingbar, ist eine Koalitionsbedingung! – Aber wo stimmen Sie jetzt zu? – Dass Erweiterungen des Vertrages, nämlich auch verfahrensrechtliche Erweiterungen, ein­fach vorgenommen werden können, dass Ursprungsbezeichnungen und vieles, vieles mehr in einem vereinfachten Verfahren durch eine Kommission, durch ein gemeinsam bestelltes Gremium, von dem man auch nicht weiß, wie es zusammengesetzt ist, einfach verändert werden können. So wird ein faktisch unauflösbarer völkerrechtlicher Vertrag geschlossen, ohne jemals Parlamente zu befassen. Und das wollen Sie heute hier durchwinken! Wie wollen Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern erklären? (Bun­desrätin Mühlwerth: Das überlassen Sie uns! Machen Sie sich nicht so viele Sorgen um uns!)

Ja, da haben Sie viel zu tun, Frau Kollegin Mühlwerth, da haben Sie wirklich viel zu tun. Sie kaufen die Katze im Sack und nehmen in Kauf, dass sich diese Katze unter Umständen zu einem Raubtier entwickeln kann und dann den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Konsumentinnen und Konsumenten die Giftzähne zeigen wird. (Bundesrat Pisec: Zu viel in Schönbrunn gewesen?) Das nehmen Sie widerspruchslos in Kauf, nur um ein paar Regierungsämter und Posten zu bekommen. Das müssen Sie erst einmal Ihren Wählerinnen und Wählern erklären. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist schon schwer in der Opposition, oder?) Jetzt hätten Sie die Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen, anstatt mit Vollgas die Bürgerinnen und Bürger zu überfahren. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

12.59

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile dieses.