19.52.16

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Zuerst einmal, bevor ich auf das Thema eingehe, weil es auch meine letzte Rede vor der Sommerpause ist - - (Heiterkeit.) – Kei­ne Vorfreude! Keine Vorfreude, nein, nein! Ich wollte die Spannung ein bisschen anhe­ben.

Lieber Edgar, auch von meiner Seite: Vielen Dank für die Zusammenarbeit! Ich war ja der Grund dafür, dass du einen Ordnungsruf bekommen hast, es tut mir nach wie vor leid. Es steht mir aber ab und zu zu, dass du mich auch ein bisschen als die Rotzpipn siehst – ich beleidige mich selber, Herr Präsident! Vielleicht bin ich es ab und zu, das gebe ich auch zu; aber das soll uns als Opposition meiner Meinung nach auch ein biss­chen zustehen.

Trotzdem, lieber Edgar, wünsche ich dir wirklich eine schöne wohlverdiente Pension. Ich kann mich noch – ich habe zuerst die Fotos durchgeschaut – sehr gut an die Über­gabe in einer großen Feier mit dem Sepp erinnern, auch der Ferdl war dabei und so weiter. Da haben wir das erste Mal so richtig gefeiert und Spaß gehabt. (Bundesrat Mayer: Keine Details!) – Keine Details, ich erzähle auch nichts über die Weihnachts­feiern. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Nichtsdestotrotz wirklich vielen Dank für die Zusammenarbeit! Das war immer sehr kol­legial, auch wenn wir uns hart ausgetauscht haben. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Ja, danke. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic sowie bei ÖVP und SPÖ.) Du warst immer sehr korrekt, auch wenn es hart zur Sache ging.

Jetzt aber zurück zum Gesetz, zu dem, was mich an diesem Gesetz massiv ärgert: Es ist schon wieder verfassungswidrig! Diese Regierung ignoriert das Parlament und igno­riert die österreichische Verfassung, und das schon wieder – das ist eigentlich das Un­glaubliche. Ich habe meine Unterlage, in der das steht, jetzt leider vergessen und dort auf dem Tisch liegen, aber: Von der JKU Linz gibt es einen Beitrag, in dem Öhlinger, der Verfassungsrechtler, ganz klar sagt, dass es ein Verfassungsgesetz ist, das geän­dert wird, und dass das verfassungsrechtlich relevant ist. – Das wird ignoriert!

Das Gesetz, das wir heute beschließen, ist nicht einmal durch den Ausschuss gegan­gen – keine Begutachtung! –, sondern wurde als Abänderungsantrag an das prinzipiell gute Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz angehängt. Das ist nämlich der Wahn­sinn an der ganzen Sache. Man hat das ganz bewusst gemacht, damit ja nicht die So­zialversicherungsträger, damit ja nicht die Opposition, damit ja nicht die Zivilgesell­schaft sich irgendwie kritisch zu Wort melden kann.

Das ist das ganz große Problem. Das ist eine Vorgehensweise, die eigentlich unglaub­lich ist. Das ist in einer Demokratie, einer Republik wie Österreich eigentlich unpassend und ihrer nicht würdig. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic und bei der SPÖ.) Aber es ist nichts Ungewöhnliches. Wir wissen es ja noch von anderen Gesetzen, die heute schon beschlossen worden sind.

Frau Ministerin! Liebe Regierung! Stehen Sie doch zu Ihren Entscheidungen, auch wenn es noch so grauenhaft ist! Das kann es doch nicht sein, dass man Kritik einfach totschweigen und ignorieren will. Das ist doch keine demokratische Vorgehensweise. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Dieser Abänderungsantrag hat massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der Menschen, und das muss ja diskutiert werden.

Ich habe das vor zwei Wochen hier im Hohen Haus schon einmal gesagt: Ich und wir sind gerne bereit, Änderungen im Gesundheitsbereich durchzuführen. Ich glaube, das ist auch notwendig. Das müssen wir angehen, das muss endlich einmal in Angriff ge­nommen werden, das ist sogar ganz wichtig, aber so ein unkoordiniertes und unprofes­sionelles Vorgehen, wie es diese Bundesregierung zur Schau stellt, ist eigentlich un­glaublich und wirklich der Gesetzgebung nicht würdig.

Wenn man sich diesen Gesetzentwurf hinsichtlich der Praxis durchdenkt, dann kann man nur noch den Kopf schütteln. Dieser Abänderungsantrag der Regierungsparteien ist so wenig durchdacht, wie etwas nur wenig durchdacht sein kann. Es gibt einen massiven Eingriff in die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger. Damit sind die Sozialversicherungen im Rahmen der Landeszielsteuerung nicht mehr handlungs- und vereinbarungsfähig. Das heißt dann, man sitzt mit der Gesundheitslandesrätin oder mit dem Gesundheitslandesrat in den Bundesländern am Tisch und kann de facto nicht steuern.

Gemeinsame Projekte und Initiativen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens, wie zum Beispiel die Primärversorgung, der hausärztliche Notdienst und so weiter und so weiter, sind in Zukunft infrage gestellt. Schauen wir, ob es diese Projekte in Zukunft noch in irgendeiner Form oder überhaupt noch geben wird! Diese Projekte, gerade der hausärztliche Notdienst, sind Leuchtturmprojekte. Bei uns im Oberösterreichischen Landtag wird er immer als das Leuchtturmprojekt überhaupt beschworen. Ab heute steht aber ein großes Fragezeichen über der Zukunft dieses Projekts.

Sozialversicherungen dürfen bis Ende 2019 keine Beschlüsse in Bau- und Liegen­schaftsangelegenheiten mehr treffen. Ganz besonders für meine oberösterreichischen Kolleginnen und Kollegen habe ich mir ein paar Beispiele herausgesucht, denn es wer­den heute auch einige von ihnen zustimmen.

Freistadt: In Freistadt wurde ein Grundstück von der Oberösterreichischen Gebiets­krankenkasse gekauft. Das wird jetzt wohl nicht bebaut werden können, das liegt jetzt brach.

Das Zahngesundheitszentrum in Linz, das rund ein Fünftel – ein Fünftel! – der gesam­ten Zahnversorgung im Großraum Linz trägt, müsste eigentlich neu gebaut werden, weil das alte Gebäude schon am Ende seines Lebenszyklus angekommen ist. Das wird jetzt gestoppt werden müssen, mit massiven Folgen für die Zahnversorgung in Linz. Ein Fünftel der gesamten Versorgung!

In Eferding würde eine Kundenservicestelle neu gebaut werden müssen, da die in der Stadtgemeinde bestehende geräumt werden muss.

Auch viele weitere Projekte in Schärding, Steyr, Rohrbach und so weiter werden stor­niert oder, wenn es gut geht, weiter nach hinten verschoben werden.

Das waren nur einige Projekte allein aus Oberösterreich. Viele mehr sind es in öster­reichweit, und das ist das Problem. Das alles geschieht aufgrund Ihrer Entscheidung und Ihrer Zustimmung heute! Das muss jedem auch bewusst sein.

Dieser Abänderungsantrag hat auch massiven Einfluss auf die Attraktivierung des Ver­tragsarztberufes. Insbesondere der Bereich der Allgemeinmedizin wird ebenso unter­bunden wie die Verlagerung aus dem Spitals- in den Ambulanzbereich. Auch im Perso­nalbereich gibt es massive Eingriffe in die Selbstverwaltung der Gebietskrankenkas­sen, denn die Personalhoheit wird deutlich eingeschränkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie stimmen heute diesem Abänderungsantrag und diesem Gesetz zu und verschlechtern damit ganz bewusst die Servicequalität und Be­handlungsqualität der Gebietskrankenkassen – zulasten der Versicherten und der Pa­tientInnen und ohne irgendeine Begutachtung durch das Parlament, durch die Aus­schüsse, durch irgendjemanden. Das ist die ganz große Kritik.

Ganz ehrlich: Das ist ein ganz unkoordinierter Angriff auf die Gesundheit der Bevölke­rung, der auch noch verfassungswidrig durch das Parlament geboxt wird. Es ist un­glaublich, wie Sie mit der Demokratie in Österreich, in dieser Republik umgehen und wie Sie mit der Gesundheitsversorgung der Menschen umgehen.

Nach Ceta wissen Sie es ja ganz genau; das war auch wieder super, die Kollegen ha­ben es gestern schon erwähnt. Das ist nach Ceta wieder ein Gesetz, von dem die Ex­perten sagen, dass es verfassungswidrig ist. Ceta wurde jetzt von Van der Bellen, vom Bundespräsidenten, gestoppt. Hierzu bereiten wir – hoffentlich auch die SPÖ – eine Verfassungsklage, eine Verfassungsüberprüfung vor, das muss sein. Ich kann das nur unterstützen, denn es ist von Expertinnen und Experten ganz klar bestätigt worden, dass es sich da um eine Verfassungswidrigkeit handelt. (Bundesrat Längle: Parteiex­perten!) – Nicht meine Experten! Fragen Sie den Kollegen, der ist an der JKU, der kennt die Kolleginnen und Kollegen sehr wohl! (Bundesrat Raml: Öhlinger ist jedenfalls nicht von uns!) Und deswegen hier keine Zustimmung zu diesem Gesetz. – Danke schön. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

20.00

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.