9.29

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Außenministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Kollege Köck hat es gesagt: Die UN-Generalversammlung ist eines der wichtigsten Weltinstrumente – gemeinsam mit dem Weltsicherheitsrat, der Unicef, dem UN-Men­schenrechtsbeirat –, die wir in der Welt haben. Umso mehr ist es wichtig, dass Präsi­denten, Regierungschefs, Außenminister innerhalb dieser Weltgemeinschaft auch Er­klärungen abgeben, die das haben, was man Handschlagqualität nennt.

Kollege Köck hat gesagt, der Auftritt bei der letzten UN-Generalversammlung hätte große Beachtung gefunden. Ich würde sagen, die ist in den letzten Wochen restlos auf­gebraucht worden. Gegenüber der UN bedarf es nämlich Handschlagqualität und einer klaren Linie. Frau Außenministerin, Ihr Vorgänger – der heutige Bundeskanzler – hat eine solche Erklärung in der UN-Generalversammlung abgegeben, nämlich zum UN-Migrationspakt (Bundesrätin Mühlwerth: Jaja!):

„I welcome that the United Nations is developing a Global Compact on Migration as well as a Compact on Refugees.

They should ensure a more coordinated international approach to deal with these chal­lenges. (Bundesrat Steiner: Ein Englisch-Professor, schau!)

Das war die Stellungnahme Österreichs des damaligen Außenministers Kurz. Seither haben das Außenministerium und seine Beamten an diesem UN-Migrationspakt mitge­wirkt und keine Einsprüche gemacht. (Bundesrat Raml: Weil er auch überall dabei war! Weil er ja immer überall dabei ist!) Was ist jetzt passiert? – Das wird wahrscheinlich in die Geschichte eingehen als Beispiel dafür, wie Fake News eine Regierung zu einem falschen Handeln gebracht haben. Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt: „Wie eine Kampagne rechter Propagandisten Österreichs Ausstieg aus dem Migrationspakt be­einflusste“.

Es ist keine Unterzeichnung vorgesehen; das ist eine Lüge. Solche Pakte werden per Akklamation angenommen. Migration ist kein Menschenrecht – das steht so nicht drin­nen. Es gibt keinerlei Souveränitätsverlust. Alles, was hier dargestellt wird, ist falsch. (Zwischenruf des Bundesrates Schuster. – Bundesrat Todt: Es spricht der Kollege Schennach, nicht du! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber schwer am Thema vorbei! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die zuständige CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz meinte: Entweder hat Wien keine Fachleute oder man lässt sich von Stimmungen leiten. (Bundesrätin Mühlwerth: Was hat das mit dem Thema zu tun?) – Wir sind genau beim Thema, lesen Sie die Tages­ordnung: „UN-Generalversammlung“ sind die ersten Worte des Titels dieser Aktuellen Stunde.

Wir haben diese Fachleute, Frau Bundesministerin, Sie wissen das ganz genau. Ich glaube, die Völkerrechtsabteilung im Außenministerium rauft sich seit Wochen die Haare.

Worum geht es eigentlich dabei? (Abg. Mühlwerth: Das frage ich mich auch: Worum geht es bei dir? – Bundesrat Krusche: Themenverfehlung!) Was möchte die UNO, und warum hat es der damalige Außenminister eigentlich begrüßt? – Es geht um eine ge­meinsame Erhebung von Daten zur Migration, um die Zusammenarbeit bei der Grenz­sicherung, es geht darum, Push-Faktoren einzudämmen, das heißt, die Lebenssitua­tion – das ist genau das, was Herr Köck vorhin auch angesprochen hat – in besonders krisengebeutelten Herkunftsländern zu verbessern, und um Rückführungsabkommen. Dazu sagen wir Nein. Manche Dinge tut ein Vorsitzland des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission nicht. (Bundesrat Krusche: Was man tut, wirst du uns nicht sagen!)

Nun kommen wir zum Jemen. (Bundesrätin Mühlwerth: Na endlich!) – Nein, nicht „na endlich“! – Ich glaube, kein Land, das ich je bereist habe, hat mich in meinem Leben mehr beeindruckt als der Jemen. Ich habe mir heute in der Früh gedacht: Lebt das elf­jährige Mädchen noch, das es geschafft hat, im Jemen bei einer Verheiratung mit ei­nem über 40-jährigen Mann recht zu bekommen, sodass es nicht verheiratet wurde? Das ist eine Heldin gewesen und ich hoffe, sie lebt noch.

Die UNO-Menschenrechtsexperten haben jetzt im November 2018 festgehalten, dass im Jemen Verbrechen gegen das internationale Völkerrecht stattfinden: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Von den Menschen­rechtsexperten angeklagt ist vor allem die militärische Allianz rund um Saudi-Arabien. Wir hatten Vertreter hier und wir hatten ein parlamentarisches Gespräch, und ich muss sagen: Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass zivile Opfer in irgendeiner Weise ver­schont werden. Die UN-Menschenrechtsexperten verlangen, dass – so wie nach dem Bosnien-Krieg – die Verantwortlichen nachher zur Verantwortung gezogen werden. Wahr­scheinlich muss man ein Tribunal dazu einrichten.

Wenn man sich die Luftschläge anschaut, sieht man Luftschläge gegen Hochzeiten, Luftschläge gegen Trauergemeinschaften – so wie auch in Bosnien –, Luftschläge ge­gen Märkte, Luftschläge gegen Spitäler, gegen Schiffe mit Flüchtlingen. Dazu kommt, dass im ganzen Land Menschen willkürlich verhaftet und gefoltert werden, dass dafür rund um den früheren Chef von Blackwater sogar Söldner im Land sind, die diese grausamen Dinge verrichten.

Gestern wurde hier in diesem Haus viel über Kinder und Jugend gesprochen. Tatsache ist, dass wahrscheinlich beide Kriegsparteien achtjährige Kinder unter Waffen setzen. Achtjährige Kinder zu missbrauchen ist eine Katastrophe! Das Vereinigte Königreich – und die sehen im Augenblick eine Chance – fordert nun den UN-Sicherheitsrat zum sofortigen Handeln auf. Das heißt, es gibt keine militärische Lösung in diesem Konflikt. Es gibt zu viele verschiedene Mächte, die da von außen intervenieren. Leider ist die Administration Trump nicht dem gefolgt, was Obama gemacht hat. Obama hat ver­sucht, zu deeskalieren. Allerdings ist seit Trumps Amtsantritt hier noch eine Ver­schärfung eingetreten. Mittlerweile bezeichnet die UNO es – und das gilt mittlerweile, glaube ich, als gesichert – als die größte humanitäre Katastrophe dieses Jahrhunderts. 1,8 Millionen Kinder sind extrem unterernährt. Das ist die jüngste Information, die Unicef herausgegeben hat. Ärzte ohne Grenzen, die beeindruckende Hilfe im Jemen leisten, soweit das überhaupt möglich ist, unterstreichen das. Wir sprechen mittlerweile von einer Opferzahl von 28 Millionen, die von diesen kriegerischen Auseinanderset­zungen berührt sind.

Nehmen wir die Hafenstadt Hudaida her, das ist der wichtigste Knotenpunkt, um über­haupt noch Nahrung ins Land zu bringen. Hudaida steht unter Dauerbeschuss von Schiffen, von Kampfhubschraubern, von Drohnen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate spielen hier ihr eigenes Spiel. Deshalb wäre Folgendes wichtig:

erstens: innerhalb der EU ein Waffenembargo gegenüber Saudi-Arabien und den Ver­einigten Arabischen Emiraten lückenlos durchzusetzen.

zweitens: dass die Weltgemeinschaft nachher ein Tribunal zu Kriegsverbrechen in die­sem Krieg errichtet,

drittens: dass wir – da spreche ich jetzt die Europäische Union und die Völkergemein­schaft an – aus Hudaida das machen, was man auch einmal aus Tanger in Marokko gemacht hat, nämlich eine internationale Stadt unter internationalem Schutz.

Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zum Kollegen Längle sagen, der ja sehr aus­führlich über Palmyra gesprochen hat, mit einer gleichzeitigen Bitte an die Frau Außen­ministerin. Es liegt eine Konvention vor, eine Konvention gegen illegalen Kulturgüter­handel zur Terrorismusfinanzierung. Diese liegt in Ihrem Ministerium, Frau Bundesmi­nisterin. Geben Sie sie weiter an das Parlament. Erstens soll sie signiert und zweitens später ratifiziert werden. Ich habe an dieser Konvention sehr stark mitgearbeitet, Ös­terreich übrigens auch – in Form des Justizministeriums. Was Palmyra betrifft: Nicht al­les dort wurde zerstört. Wenn Sie nach Florenz in die Uffizien fahren, sehen Sie, was die italienischen Carabinieri sichergestellt haben. Diese Statuen wurden nämlich alle dekonstruiert und verkauft. Es gibt also Käufer dafür. So wird Terrorismus finanziert, leider Gottes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

9.40

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Für eine erste Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte.