10.05

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn man Ihnen hier zuhört, hat man das Gefühl, dass es eine sehr hohe Sensibilisierung dem Thema gegenüber gibt – ich sage gleich vorweg, Frau Staatssekretärin, ich schätze auch Ihr Engagement in diesem Bereich sehr –, jedoch sind die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mäd­chen zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember – das ist der Tag der Men­schenrechte, wie Sie gesagt haben – sehr oft Anlass für uns alle, uns überhaupt mit dem Thema Gewalt zu beschäftigen. Ich freue mich natürlich sehr, dass das auch im Bundesrat wieder Thema ist. Zumindest einmal im Jahr gibt es ein Foto und eine ent­sprechende Debatte.

Nur: Was ist das Problem dahinter? – Wir haben zum einen die Zahlen gehört. Ich möchte sie wiederholen, denn man kann sie nicht oft genug erwähnen, so erschre­ckend sind sie: In Österreich ist jede fünfte Frau über 15 Jahren von körperlicher Gewalt betroffen, jede dritte von sexueller Gewalt und fast drei Viertel der Frauen von sexueller Belästigung. Täglich gibt es 12 bis 16 Anzeigen, nur jede fünfte Vergewalti­gung wird aufgeklärt und im Schnitt münden nur 15 Prozent aller Anzeigen überhaupt in einem Urteil. Zwei Drittel aller Anzeigen wegen Tötung, Körperverletzung oder se­xueller Übergriffe stehen im Zusammenhang mit einer Beziehungstat. Wir haben auch gehört, dass 32 Frauen seit Anfang 2018 ermordet wurden – letztes Jahr gab es Mord oder Mordversuch an 77 Frauen.

Das heißt, es ist nicht nur erschreckend, sondern eigentlich unfassbar, worüber wir in einem sicheren Land wie Österreich in Europa im Jahr 2018 reden. Wir bleiben ei­gentlich recht ratlos zurück, wenn wir hören, es gab eine Tagung gegen Hass im Netz, bei der am Ende herauskommt: Na ja, Klarnamen könnten wir fordern. – Wir wissen, dass das wirklich nicht das vordergründigste Problem ist. Dann kommen Sie mit Zahlen und sagen, es wurde eh nicht gekürzt, aber gleichzeitig sagen Sie auch, dass die Gewalt im Ansteigen ist. Das heißt, man müsste eigentlich mehr investieren.

Dann gibt es lauter Listen, wie zum Beispiel auf kontrast.at, auf denen nach Daten an­geführt ganz genau nachzulesen ist (ein Schriftstück in die Höhe haltend): „09.07.2018 Kürzung bei Verein Frauensolidarität“, „Kein Geld mehr für Verein, der Öffentlichkeits­arbeit für Gewaltschutz leistet“, dann wird dem „Frauenring [...] Geld gekürzt“, es gibt „Weniger Unterstützung für Diskriminierungsopfer“, „Seminar über häusliche Gewalt aus Polizei-Ausbildung gestrichen“, „Weniger Krisenberatung für Familien“ (Bundesrat Steiner: Wir nehmen aber die Kontrast nicht als Referenzmittel!), Innenminister „Kickl beendet Gewaltschutz-Projekt“. – Das sind die Fakten. (Bundesrat Steiner: Linksradi­kale Zeitung!)

Bilanz hat sie gezogen, die türkis-blaue Regierung, nach einem Jahr. Mittlerweile ist von der Opposition recht gut dokumentiert, welche Mittel den Vereinen gestrichen wor­den sind, die sich gerade im Bereich Gewaltprävention, Schutzmaßnahmen, Aufklä­rung, Beratung und Täterarbeit mit dem Thema beschäftigen. Einer davon ist One Bil­lion Rising – vielleicht haben Sie etwas davon gehört, das ist keine rein österreichische Kampagne. (Die Rednerin zeigt einen Veranstaltungsflyer.)

One Billion – eine Milliarde – Frauen und Mädchen weltweit sind von Gewalt betroffen, hat man errechnet. Dieses Projekt haben wir mit unterschiedlichen Frauenorganisa­tionen – ursprünglich auch parteiübergreifend – in Österreich als eine Tanzveranstal­tung initiiert, und zwar deshalb als Tanzveranstaltung, weil es sehr starke Koopera­tionen mit Schulen gegeben hat. Wir haben versucht, nicht nur Mädchen dazu zu ani­mieren, sich dem Thema zu stellen und auch offen darüber zu reden, sondern auch Burschen zu mobilisieren, da mitzumachen, ihre Schulkolleginnen bei diesem Thema zu unterstützen, um das Thema sichtbar zu machen.

Jedes Jahr am 14. Februar, am Valentinstag, an dem normalerweise Blumen verteilt werden, gab es oder gibt es diese getanzte Veranstaltung vor dem Parlament oder an einem anderen Ort in Wien, die sichtbar macht, wie gravierend dieses Problem ist.

Was ist passiert? – Auch diesem Projekt sind Gelder gestrichen worden. Ich weiß, ich könnte Ihnen hier noch zig solche Beispiele nennen. Ich glaube Ihnen, dass Ihnen das Thema wichtig ist, aber ich möchte mit einem Appell an Sie schließen, Frau Staatsse­kretärin, nämlich dass Sie dranbleiben, und dem Appell an die beiden Regierungspar­teien, dass Sie nicht unterscheiden, woher die Täter kommen.

Wir haben ein riesengroßes Problem mit Gewalt an Frauen und Mädchen in Öster­reich. Wir dürfen das nicht nur ein Mal im Jahr zum Thema machen, sondern müssen das permanent zum Thema machen. Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan.

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eva, bitte zum Schluss kommen!

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Wir brauchen nicht nur eine Ta­gung, sondern wir brauchen ein Maßnahmenbündel. Die Zeit reicht leider nicht aus, um alles aufzuzählen, was in dieser Hinsicht wichtig wäre. Ich teile alles von dem, was hier referiert worden ist. Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren – das Thema ist zu wichtig, um parteipolitischen Hickhack zu betreiben –: Bitte nehmen Sie das ernst! Bitte bleiben Sie dran!

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eva!

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Bitte sprechen wir nicht nur im De­zember darüber, sondern jeden Monat! Machen wir das zum Thema und stoppen wir dieses Desaster! – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

10.11

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste hat sich Frau Staatssekretärin Caroline Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte.