20.14

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn sich nur die Wirtschaft freut, sollten wir skeptisch werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stög­müller.) Tatsächlich hat uns ja die Aushebelung der Umweltrechte genauso wie die Verschiebung und Aushebelung wichtiger, jahrzehntelang erkämpfter Kriterien im Um­weltbereich hier im Bundesrat schon öfter beschäftigt. Zum Glück sind die Grünen nicht die Einzigen, die da zu Recht aufschreien, weil es nämlich um wirklich weitreichende und gleichzeitig sehr kurzsichtige Beschlüsse geht, die Sie hier fassen. Eines vorweg: Sie können sicher sein, durch diese Rechtsunsicherheiten wird dem Wirtschaftsstand­ort Österreich erst recht geschadet werden.

Ein Überblick: Die NEOS sprachen von „NGO-Schikane“. Liste JETZT meinte, dass da Wirtschaftsinteressen vor Umweltinteressen gestellt werden. Die SPÖ meinte, das Standort-Entwicklungsgesetz „greift tief und unverhältnismäßig in die Rechte von An­rainern, Umweltorganisationen und Bundesländern ein.“ Dazu kommt, „dass das Ge­setz seinen Zweck“ – nämlich die Verfahrensbeschleunigung, die diesbezüglich immer wieder zitiert wird – „verfehlen wird, weil so die UVP-Verfahren weder einfacher noch schneller werden, sondern komplizierter, langwieriger“.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenso Sorge angemeldet, ich zitiere: „Das Bun­desverwaltungsgericht verfügt jedoch über keinen eigenen Sachverständigenapparat, und die Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger stellt schon jetzt“ – ich wiederhole für Sie extra: schon jetzt – „eines der Hauptprobleme bei der Durchführung zügiger Be­schwerdeverfahren dar. Aus diesem Grund könnte es zu weiteren Verfahrensverzöge­rungen kommen.“

Greenpeace ortet Rechtsunsicherheit: Voraussichtlich werden etwa zwei Drittel der an­erkannten Umweltorganisationen in Österreich künftig von Umweltverfahren ausge­schlossen, sagen sie. Weiters schafft das Standortgesetz de facto Umweltverfahren für Großprojekte wie Schnellstraßen, Mülldeponien oder Industrieanlagen ab und ist des­halb auch demokratiepolitisch ein Rückschritt, höchst intransparent und eindeutig von der Industrie diktiert. – Zitatende.

WWF fürchtet mehr „Umweltzerstörung“ in Österreich, und der Verein Virus, der Ihnen bekannt sein wird, meint: „Gemeinsam mit den Rechtwidrigkeiten und Rechtsunsicher­heiten die sicher zum Einsatz von Rechtsmitteln und langfristigem Herausbilden neuer Judikatur führen wird, ist nicht von einer Verfahrensbeschleunigung sondern einer Ver­fahrensverzögerung auszugehen!“ – Das Gesetz enthält laut Virus weiters auch schi­kanöse Regelungen gegenüber den Verfahrensparteien.

Ich habe das alles deshalb zitiert, weil es wichtig ist, jenen eine Stimme zu geben, de­nen Sie diese kritische Stimme nehmen möchten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

Jetzt ganz kurz zum Abänderungsantrag, nämlich zur Änderung des Wirtschaftskam­mergesetzes, mit der die Umweltanwaltschaften de facto ad acta gelegt werden, wäh­rend an den Landeswirtschaftskammern Standortanwälte eingerichtet werden. Ich den­ke auch, dass sich die gewerbetreibenden Mitglieder darüber freuen werden, dass sie das in Zukunft mitfinanzieren dürfen. Pikant ist dabei, dass diese Standortanwälte Ih­nen, Frau Ministerin, weisungsgebunden sind.

Ob das verfassungsrechtlich überhaupt haltbar ist, wird sich noch weisen. Tatsache ist nämlich, dass die Weisungsbefugnis keine Kompetenzgrundlage hat. Sie zeugt auch davon, dass Sie den Landesregierungen in diesem Fall misstrauen. Hier hätte eigent­lich der Verfassungsdienst – und das ist Ihr Versäumnis – prüfen müssen, wie das aus Sicht der Länder ausschaut, weil die Vollziehung des UVP-Gesetzes nämlich in der au­tonomen Landesvollziehung liegt.

Zurück zum Standort-Entwicklungsgesetz: Abseits davon, dass damit, wie ich gesagt habe, rein gar nichts beschleunigt wird, sondern auf Biegen und Brechen die Gerichte unter Zeitdruckdruck dazu gezwungen werden, könnte man schon meinen (Bundesrat Seeber: Stimmt nicht! Das heißt Wirtschaftsdenken, ganz einfach!) – nein, nein! –, und wirklich wichtige Nachbesserungen bei Großprojekten außer Acht gelassen werden, gibt es noch – da widerspreche ich Ihnen – einen Widerspruch zum EU-Recht. Es ent­spricht nämlich nicht der EU-UVP-Richtlinie. Das ist so, und es gibt dazu auch eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Auch das können Sie sich ja noch­mals im Detail anschauen. Dass in Zukunft zusätzlich ein weisungsgebundener, in­transparenter Standortbeirat Verfahren forcieren soll, widerspricht zudem der Aarhus­konvention, in der verankert ist, dass es ein Recht auf Umweltinformation gibt.

Es wird verbreitet, dass wir den Wirtschaftsstandort Österreich schwächen würden, wenn wir das so nicht umsetzen. (Bundesrat Seeber: Westring, 40 Jahre! Das sind Fakten!) – Fakten! Die Fakten, bitte, Herr Kollege, sind nämlich folgende: Nur bei etwa 2 bis 3 Prozent der UVP-Verfahren werden Genehmigungen nicht erteilt, sprich: nicht gleich erteilt. (Bundesrat Samt: Aber die Zeit spielt keine Rolle?!)

Die durchschnittliche Verfahrensdauer ab Vollständigkeit der Unterlagen liegt bei sie­ben Monaten – und genau da liegt der Hund begraben. Die Gerichte müssen nämlich teilweise den Projektleitern nachlaufen, um diese Unterlagen zu bekommen. Haben sie alle Unterlagen beisammen, dauert es überhaupt nicht mehr so lange, im Gegenteil, es wird, wie gesagt, in Zukunft noch länger dauern. Alles andere sind Ausreißer, das wis­sen wir, oder besonders kontroverse Verfahren, wobei ich finde, dass diese Prüfungen bei denen bisher sehr wohl Sinn gemacht haben.

Ich komme zum Schluss: Fast schon beeindruckend ist noch, wie fehlerhaft die Kons­truktion dieses Gesetzes war und nach wie vor ist. Man kann es nicht oft genug wie­derholen: Es verstößt gegen einfache Gesetze, wie Schutznormen aus Gewerbeord­nung, Wasserrecht. Es verstößt gegen Verfassungsgesetze und Grundprinzipien der Bundesverfassung allein durch diesen erzwungenen Automatismus. Grundrechte be­trifft es insofern, als das Recht auf ein faires Verfahren in Zukunft nicht mehr gewähr­leistet sein wird. Es betrifft auch Europarecht und Völkerrecht; das habe ich vorher schon anhand der Aarhuskonvention ausgeführt.

Alles in allem, liebe ÖVP- und liebe FPÖ-Kollegen und -Kolleginnen, haben Sie jeden­falls der Industrie eine schöne Bescherung gemacht, aber auf Kosten der Gesundheit, auf Kosten unserer Lebensgrundlagen und auf Kosten der Fairness, die wir in diesem Land hart erkämpft haben. (Bundesrat Pisec: Verbau der Steinhofgründe! Heumarkt! – Bundesrätin Mühlwerth: Karlsplatz! – Bundesrat Seeber: Es gibt auch eine Wirt­schaft!) Sie müssen sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, dass es nicht ausgegli­chen ist, wenn Sie den Fokus lediglich und ausschließlich auf die Wirtschaftsinteressen legen, und dass Sie nicht im Sinne der Bevölkerung, sondern im Sinne der großen, gie­rigen Geldgeber arbeiten. (Bundesrat Seeber: Es gibt auch einen Wirtschaftsstandort Österreich!)

Angesichts dessen, wie Sie das Umweltbudget laut Bundesfinanzrahmen gekürzt ha­ben und in den nächsten Jahren kürzen werden, nämlich um 300 Millionen Euro – 300 Millionen Euro! –, können wir nicht mehr von Interessen im Sinne der Bevölkerung sprechen, sondern es wird noch einmal sichtbar, dass Ihre Interessen lediglich darin liegen, sich gewinnbringend gewisse Investoren zum Freund zu machen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

20.23

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile es ihm.