11.14

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundes­rates! Sie schreiben heute Geschichte: Wir machen die größte Reform der Zweiten Republik! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenruf bei der SPÖ.)

Gestatten Sie mir, mich gleich zu Beginn bei all jenen zu bedanken, die zu diesem Werk, diesem wirklich maßgeblichen Werk beigetragen haben: erstens beim Koaliti­ons­partner und natürlich auch bei meinen Mitarbeitern und bei meinen Sektionen. Es waren alle Sozialrechtsexperten, Sozialversicherungsexperten eingeladen, die es in Österreich gibt, um dieses Gesetz auf Schiene zu bringen. Dafür möchte ich recht herzlich Danke sagen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie wissen, es hat viele Studien gegeben, die seit Jahrzehnten gefordert haben, dass das Sozialversicherungssystem reformiert wird, dass es reformiert werden muss. Die letzte Studie von der London School of Economics, die, sage ich einmal, vom ehe­maligen sozialdemokratischen Sozialminister Stöger beauftragt wurde – die hat übri­gens 630 000 Euro gekostet –, beinhaltet vieles, was wir jetzt umsetzten. Sie be­inhaltet, dass es vor allem bei den österreichischen Gebietskrankenkassen eine Unge­rechtigkeit und Ungleichbehandlung gibt. Es wurde vieles schon gesagt, dass vom Neusiedler See bis zum Bodensee alle die gleichen Beiträge zahlen (Ruf bei der SPÖ: Haben Sie die Studie auch gelesen?), es aber unterschiedliche Leistungen gibt. – Ich habe Sie gelesen, ja, Herr Kollege! Sie wissen, ich war sechs Jahre lang in der Sozialversicherung, also glauben Sie mir, ich bin Sozialversicherungsexperte! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie wissen ganz genau, dass es eine Strukturreform ist. Ich möchte nur ein Beispiel sagen: 54 Entscheidungen waren notwendig, um für die gesamte Sozialversicherung eine Maßnahme umzusetzen; 54 Entscheidungen, die ein halbes Jahr in Anspruch genommen haben. Jeder Unternehmer wird Ihnen sagen: Das ist ineffizient bis zum Gehtnichtmehr! Diese Ineffizienz wollen wir beheben. Wir wollen ein effizientes Sozialversicherungssystem für die Versicherten, um wirklich für den Versicherten und nicht für die Funktionäre das Optimum herauszuholen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie reden davon, dass wir ein Dreiklassensystem schaffen. – Nein! Sie haben bei den §-2-Kassen – also den 7 Millionen Versicherten in Österreich – ein Neunklassensystem geschaffen, da es eben Unterschiede in den Leistungen gibt, obwohl gleiche Beiträge gezahlt werden. Also da, bitte, faktenbasiert bleiben!

Auch das Thema Selbstbehalte bei der Österreichischen Gesundheitskasse ist für mich kein Thema, und das garantiere ich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wenn wir jetzt also sagen, die Strukturreform ist die Basis für eine Gesund­heits­reform – diese Gesundheitsreform ist auch dringend notwendig, denn: Was haben Sie uns da überlassen? Was haben mir die ehemaligen sozialdemokratischen Gesund­heits­ministerInnen überlassen? – Ein Gesundheitssystem – und das sind internationale Kennzahlen, ein so genannter Health Index, der angibt, wie die Wartezeiten in den einzelnen EU-Staaten, wie die Öffnungszeiten sind, ob Leistungen gleich sind, wie viele Ärzte, wie viele Kassenärzte es gibt –, das uns im Ranking in den letzten Jahren von Platz 4 auf Platz 11 zurückgereiht hat, und da frage ich mich: So etwas soll man nicht reformieren? – So etwas muss reformiert werden! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mein Ziel ist es, mehr Kassenarztstellen zu schaffen, mehr Kassenarztstellen für die ländlichen Regionen zu schaffen, wo es natürlich notwendig ist, die medizinische Versorgung zu garantieren und sicherzustellen. Mehr Kassenärzte, das ist unser Ziel. (Ruf bei der SPÖ: ... keine Antwort zu den Milliarden!) Was habt ihr gemacht? – Ihr habt verursacht, dass die Wartezeiten länger wurden, dass es ein Weniger an Öffnungszeiten gibt, ihr habt die Menschen in die Ambulanzen und zu den Wahlärzten getrieben. Also ich frage mich wirklich, was dabei gerecht und effizient sein soll. Man sieht es an den Kennzahlen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zur Frage der Belastung der Länder: Ich finde es schon komisch, dass ein sozial­demokratisch regiertes Land, nämlich das Burgenland, erst jetzt den Konsultations­mechanismus zurückgezogen hat. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Stögmüller.) – So viel zu ihrer Einheitlichkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Zweite, das mir auch sehr, sehr wichtig ist: Der Bundeskanzler hat gesagt, dass im Rahmen der Steuerreform natürlich auch die Sozialversicherungsbeiträge bei den Geringverdienern – die ja kaum Steuer, aber noch sehr viel Sozialversicherungs­beiträge zahlen – gesenkt werden sollen. Sie regen sich darüber auf? Eine Sozial­demokratie regt sich darüber auf, dass die Beiträge für die Niedrigeinkommen gesenkt werden? – Also sorry, aber da verstehe ich die Welt nicht mehr. Oder wie sehen Sie das? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Einnahmen, und das garantiere ich natürlich auch, werden trotzdem gleich bleiben. (Bundesrätin Grimling: Nicht!) Die Einnahmen für die Sozialversicherung bleiben trotzdem gleich, damit die Leistungen der Versicherten gesichert sind. Das heißt, wir werden dafür sorgen, dass die Sozialversicherung entsprechend mit Einnahmen ver­sorgt ist. (Bundesrätin Grimling: Auf Kosten der Patienten, das wissen wir eh!)

Nun zu den Einsparungen, weil das immer ein Diskussionspunkt war: Wir können in dem System durch diese Reform 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Das hat die LSE-Studie gesagt, das hat Professor Hoffmann im Hearing auch bestätigt, das ist leicht möglich. Jeder Cent, der in dem System eingespart wird, kommt den Versicherten zugute. (Bundesrat Weber: Wer’s glaubt, wird selig!) Die Gewinner sind die Versicherten und sonst niemand! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Bundesrat Weber: Was sagt die Frau Kraker dazu?)

Noch eine Bemerkung zur Kollegin von den Grünen: Schlaflose Nächte habe ich sicher nicht, weder durch Sie noch durch die Reformen, die ich angehen werde; davon bin ich überzeugt. Ich habe aber auch ein Geschenk für Sie: Die Opposition hat das gute Recht, anderer Meinung zu sein, aber es geht immer um den Respekt und die Wertschätzung – ich schenke Ihnen einen Wertekurs! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Bravoruf bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.21