11.24

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Werte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das vorliegende Gesetz eröffnet die Möglichkeit zur Telerehabilitation, das heißt eigentlich, zur Rehabilitation aus der Ferne, einzusetzen als ambulante medi­zinische Rehabilitation. Was nun genau darunter zu verstehen ist, wie sie umgesetzt wird, ist anhand dieses Gesetzentwurfs leider nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich wird die Entwicklung der medizinischen Technik zukünftig noch stärker von der Infor­mations- und Kommunikationstechnologie bestimmt werden. Das kann zweifelsohne zu Verbesserungen in der medizinischen Versorgung führen, sicher auch im Bereich der Rehabilitation, aber mit all ihren Herausforderungen.

Bei diesen Entwicklungen sind die Fragen des Datenschutzes ganz wesentlich. Im Zuge der Rehabilitation werden Gesundheitsdaten an Rehabilitationseinrichtungen weitergegeben. Dabei gilt es – das ist ganz wesentlich –, zu klären, wie die digitalen Kommunikationswege gestaltet und vor allen Dingen gesichert sind. Wird der Pa­tient/die Patientin mit einem PC ausgestattet oder muss man seinen eigenen zur Verfügung stellen? Dient das eigene Smartphone mit allen Datensicherheitsrisikos zur Datenübertragung?

Keinen Aufschluss gibt der Gesetzentwurf darüber, welche Rehabilitationsmaßnahmen damit unterstützt werden. Handelt es sich um eine Bildschirmkonferenz via PC zwischen Arzt/Ärztin oder Therapeuten/Therapeutin oder um eine telefonische Kontakt­nahme? Werden zum Beispiel sogar Blutdruckwerte zu einem gewissen Zeitpunkt oder in einem festgelegten Zeitrahmen übertragen? Die Menschen haben ein Recht auf genaue Information, wie mit ihren Gesundheitsdaten umgegangen wird.

Besonders heikel ist natürlich die Frage der Erhebung von Gesundheitsdaten im privaten Umfeld: Telerehabilitation in den eigenen vier Wänden. Diese eigene, private Umgebung ist besonders schützenswert, denn es besteht eine Mitwirkungspflicht, insbesondere beim Einsatz von Webcams, damit dringt man ganz massiv in den verfassungsrechtlich geschützten privaten und persönlichen Bereich der Betroffenen ein.

Es stellt sich auch die Frage, wie Persönlichkeitsrechte von im Wohnraum anwe­senden Familienmitgliedern geschützt werden. Da gilt die Einhaltung des § 8 der Men­schenrechtskonvention. Es geht um die Grundrechte, die durch eine Bild und Ton wiedergebende Dokumentation verletzt werden können. Ebenso problematisch ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Mitbewohnern in der eigenen Wohnung.

Grundsätzlich muss definiert werden, zu welchen Zwecken die Telerehabilitation ihre Anwendung findet. Dient sie zur Kontrolle der Rehabilitationspatientinnen und -patien­ten? Werden dadurch Trainingsprogramme weitergegeben, Therapien verordnet? Wird man zu physiotherapeutischen Maßnahmen angeleitet? All das findet in diesem Gesetzentwurf keine Klärung, die aber so wesentlich wäre.

Abgelehnt werden muss jedes Vorhaben, das zum Ziel hat, durch die Telerehabilitation Einsparungen zu erzielen, indem man personalintensive Rehabilitationsmaßnahmen durch Telerehabilitation zum Preis einer Verschlechterung des Rehabilitationserfolgs ersetzt. Der Einsatz von Telerehabilitation in der medizinischen Rehabilitation in der Krankenversicherung ist erstaunlicherweise jetzt nicht vorgesehen.

Der digitale Wandel ist auch im Bereich der medizinischen Versorgung bereits in vollem Gange und bringt viele positive Entwicklungen für die Patientinnen und Patien­ten. Gleichzeitig ist aber allen Krankenversicherungen klar, dass diese Entwicklung einen hohen Preis haben und zu hohen Kosten für das gesamte Gesundheitssystem führen wird; damit ist zu rechnen. Der digitale Wandel muss gestaltet und genau geregelt werden. Er darf nicht zum Einfallstor für Entrechtung von PatientInnen und Datenmissbrauch führen.

Besonders bedenklich ist aber der Beschluss des Abänderungsantrages, der in diesem Gesetzentwurf von ÖVP und FPÖ vorgenommen wurde.

Punkt eins, das Einkommen von Notärzten wurde aus dem Entgeltbegriff genommen, und zwar rückwirkend. Dadurch entgehen den Notärztinnen und Notärzten zum Beispiel Beitragszeiten in der Pensionsversicherung, der Sozialversicherung. Es gibt einen Anlassfall, in dem derzeit eine Schuldenforderung von 4 Millionen Euro für die Sozialversicherung vorliegt. Diese Forderung wird durch die Abänderung nicht mehr schlagend, und der Sozialversicherung entgehen dadurch 4 Millionen Euro.

Mit dem Beschluss wurde die Berufsgruppe der ZeitungszustellerInnen, Hauszustel­lerInnen und KolporteurInnen einfach zu Selbständigen gemacht – mit einem einfachen Gesetz. Egal, unter welchen Bedingungen sie bisher gearbeitet haben, sie werden zukünftig immer Selbständige sein.

Ich habe gestern gelernt, es gibt wirtschaftsgerechtes politisches Handeln, es gibt wirtschaftsfreundliches politisches Handeln, aber derzeit befinden wir uns in einer Phase des wirtschaftsoptimalen politischen Handelns, und das ist nicht klug. Es geht um den Ausgleich der Kräfte und es geht um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Mit einem Federstrich eine ganze Gruppe von Beschäftigten zu Selbständigen zu erklären, noch dazu eine Gruppe, die wirklich am untersten Rand der Jobgesellschaft ist, das macht einen wirklich mehr als betroffen.

Auch mit dieser bestürzenden Vorgangsweise zeigt sich wieder, wie diese Bundes­regierung mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgeht. Die Interessen der ArbeitnehmerInnen sind dieser schwarz-blauen Bundesregierung anscheinend völlig gleichgültig. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.30

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.