17.04

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich freue mich sehr, Herr Innenminister, dass Sie nach fast einem Dreivierteljahr wieder in den Bundesrat kom­men. Damals waren Sie ja aufgrund unserer Dringlichen Anfrage zur BVT-Affäre da und haben sich danach immer entschuldigt. Deshalb freue ich mich über diesen sel­tenen Gast, und ich muss schon zugeben: Ihre Stakkatorhetorik ist schon sehr beeindruckend, und ich kann mir vorstellen, dass sie auch sehr viele abholt. Gerade wenn es um komplexe Materien geht, zu denen eine Evaluierung überhaupt noch aus­steht und zu denen wir bis dato sozusagen keinerlei wirklich verifizierbare Infor­ma­tionen vorliegen haben, ist das natürlich etwas, was aufgrund Ihrer Funktion als Innenminister unterstützt durch diese Rhetorik durchaus glaubwürdig rüberkommt.

Ich würde mir das aber gerne im Detail ansehen und mich mit Ihnen nochmals in die Debatte werfen, weil einige Dinge doch ausgelassen worden sind. Also abseits davon, dass ich finde, dass Sie bisher der Einzige waren, der hier Panik verbreitet hat, ist schon ein Bedrohungsszenario konstruiert worden, als hätte es in Österreich noch nie ein Fußballmatch gegeben.

Da unterscheide ich mich von meinen Vorrednern: Das werden Sie vielleicht nicht wissen oder annehmen, aber ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit Fußball, war, glaube ich, in England in jedem Stadion, bin weder Rapid- noch Austria-Fan, gehe aber sehr gerne zum Wiener Sport-Club. Ich beschäftige mich, weil es mein Freundeskreis auch tut, mit der Fankultur dahinter, und natürlich auch mit der Verantwortung der Politik, der Polizei, aber natürlich auch der Vereine.

Gleich vorweg: Ja, ich finde, in dem Fall haben Sie recht. Der Verein sollte sich nicht nur von gewalttägigen Randalierern klar distanzieren, sondern muss sich auch überle­gen, wie man die fernhält, denn tatsächlich war es jetzt so, dass 1 338 Personen dafür büßen mussten, weil es, wie Frau Mühlwerth schon gesagt hat, anscheinend wirklich nicht möglich ist, diese paar Personen vorher schon zu isolieren, vorher schon auszu­machen, damit es überhaupt nicht zu dieser Situation kommt. Das ist mir unerklärlich. Vielleicht können Sie noch kurz darauf eingehen, wieso das bitte nicht möglich ist. – So, das ist das eine.

Verhältnismäßigkeit wurde angesprochen. Ja, tatsächlich, auch für mich stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn wir jetzt wissen, dass es eine Anzeige und eine verwaltungsrechtliche Festnahme gab. Sie sprechen von zehn Gegenständen, die aber erst geworfen worden sind, nachdem dieser Fanzug aufgehalten worden ist. (Bundes­minister Kickl: Vorher!)

Ich habe mir diese Videos wirklich genau angeschaut, denn ich möchte keiner Seite etwas unterstellen. Ich bin wie gesagt auch sehr gespannt auf die Evaluierung. Ich habe ein Video mit Pyrotechnik gesehen; das war aber weiter entfernt und nicht im Zug. Aber nochmals: Ich will und kann das nicht vorwegnehmen. Ich bin sehr gespannt auf die Evaluierung.

Trotzdem: Was wir wissen und was Fakt ist, ist, dass es dort eine Engstelle gibt. Das wurde schon erwähnt, das ist diese Brücke, das ist dieser enge Zugang, es ist dort schlammig. Sie widersprechen, aber die Rechtshilfe von Rapid ist der Meinung, dass die Menschen dort nicht rauskonnten, nicht auf die Toilette konnten. Wir haben schon gehört, dass Minusgrade herrschten. Wie gesagt wird seit 14 Jahren – das geht von den Behörden aus – genau dieser Durchgang definiert.

Sie behaupten, man hätte sich da irgendwie entfernen können. Sie werden doch alle wissen, außer Sie waren wirklich noch nie bei einem Match oder bei einem Konzert, wie es ist, wenn ich da irgendwo drinnen in der Schlange bin. (Bundesrätin Mühlwerth: Du warst noch nie bei einem Rapid-Match!) Wie soll ich da raus? Wie soll ich auf diesem kurzen Weg von der U-Bahn einen anderen Weg gehen als mit den anderen Fans den, auf dem es direkt zum Stadion geht, bitte schön? Nein wirklich, das können Sie mir gerne nochmals erklären! Genauso interessiert mich die Antwort, wieso die Behörde genau diesen Weg ausgewählt hat oder immer wieder aufs Neue wählt.

Gewalt – muss ich das wirklich wiederholen? –, genauso wie die Gegenstände, die Schneebälle oder was auch immer es war, ist natürlich ein No-Go. Das steht ja außer Frage! Ich glaube, das war ja auch nicht der Anlass, wieso die SPÖ diese Dringliche Anfrage an Sie gestellt hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Das wissen wir sowieso nicht, wozu diese Anfrage ist!)

Damit komme ich auch schon zur Polizei: Nein, das ist wirklich nicht in Ordnung, dass immer die gesamte Polizei herbeizitiert und so getan wird, als würden wir, nur weil wir uns genauer anschauen, was da passiert ist, der Polizei insgesamt irgendetwas unterstellen wollen. – Nein, im Gegenteil! Ich glaube, die Polizei agiert rechtmäßig, erfüllt ihre Pflicht, hängt aber natürlich auch an entsprechenden Weisungen. Herr Pürstl wurde schon erwähnt. Auf ihn, besonders auf seine Rolle komme ich aber später noch zu sprechen.

Hier geht es aber schon darum – und das ist auch in der Dringlichen Anfrage fest­gehalten –: Die Kritik richtet sich nicht an jene, die Befehle hatten und sie korrekt befol­gten, sondern an jene, die allem Anschein nach die Übersicht verloren haben. Das ist genau der Punkt, glaube ich, über den wir reden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich glaube, eher die SPÖ hat die Übersicht verloren!)

So, was ist noch ungeklärt gewesen? – Ich habe vorhin gemeint, es steht hier Aussage gegen Aussage. Die Rechtshilfe von Rapid behauptet nämlich zum Teil gänzlich andere Dinge als Sie hier, Herr Innenminister.

So heißt es da zum Beispiel nicht nur, dass die Leute nicht vorgehen konnten – wie ich vorhin schon erklärt habe, in dieser Dichte ist das auch gar nicht möglich –, sondern dass die Information seitens der Polizei sehr lang gefehlt hat, was da überhaupt los ist. Sie werden sich vorstellen können, das führt natürlich zwangsläufig zu einer Situation, wo nicht nur die Wut steigt – ich habe ein Ticket für ein Fußballmatch –, sondern dann weiß ich auch noch nicht: Komme ich rein oder nicht?

In dem Fall war es ja so, dass diese Leute, die da festgehalten wurden, nicht an dem Match teilnehmen konnten – zusätzlich –, sondern erst nach einer Stunde, sagt die Rechtshilfe von Rapid, begann die Polizei mit der eigentlichen Amtshandlung. Die Fans mussten sich alle der Reihe nach ausweisen, durchsuchen lassen, fotografieren lassen und durften eben erst dann gehen (Bundesrat Rösch: Und?) – wohlgemerkt: wieder zurück zur U-Bahn oder sonst wohin, aber jedenfalls nicht zum Fußballmatch. (Bun­des­rat Schuster: ... ist ja noch keine Freiheitseinschränkung!)

Pyrotechnische Gegenstände – das ist nämlich ein sehr spannender Aspekt, der heute noch überhaupt nicht Thema war –: Die Polizei hat ja anfangs verlautbart, dass die Rapid-Fans – und Sie haben das jetzt bestätigt – pyrotechnische Gegenstände mit­hatten. Später gab es eine Aussendung, wo wieder ein bisschen relativiert worden ist und von einer Wahrnehmung von Bewurf des Fahrzeugverkehrs die Rede gewesen ist. (Bundesrat Schuster: Wollen Sie das jetzt relativieren?) Ich habe schon die Videos erwähnt, wo das unterschiedlich sichtbar ist. (Bundesrat Schuster: Sie relativieren das jetzt? Unglaublich!)

Tatsache ist aber in Bezug auf Pyrotechnik, dass hier schon einige annehmen, dass es eine bewusste Eskalationsstrategie gewesen ist, aber von Ihnen als Innenminister über die Weisung an die Polizei! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wieso wir uns das zu­min­dest genauer anschauen sollten, sage ich Ihnen jetzt nämlich gleich. (Bundesrat Schuster: ... keinen Unsinn erzählen! – Bundesrätin Mühlwerth: Überhaupt keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – O ja!

Das Thema Pyrotechnik ist so lang umstritten, wie es Fußball gibt. Da werden wir uns einig sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, gar nicht!) Es gab auch eine Einigung von allen Beteiligten, und zwar, dass die Fackeln nur in behördlich genehmigten Zonen mit Sicherheitsvorkehrungen gezündet werden dürfen. Das war damals die Einigung. Obwohl es in der Zwischenzeit keine Zwischenfälle gab, haben Sie diese Regelung aufgehoben. Ich weiß nicht, ob Sie das gewusst haben: Sie haben diese Regelung, diese wirklich schwer errungene Einigung zwischen allen Beteiligten, dann aufge­ho­ben.

Dann gab es auch einen Vorfall, nämlich: Als Reaktion darauf hat jemand im Block ein Anti-Kickl-Banner gezeigt. Und wissen Sie was? – Noch am selben Tag hat sich bei ihm zu Hause der Verfassungsschutz gemeldet. Also hier funktioniert das anscheinend sehr schnell, sehr rasch und sozusagen ohne alle möglichen Leute zu involvieren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Weil jetzt schon ein paar Mal ins Treffen geführt worden ist: Was ist das für eine Strategie? Was hat sie zum Ziel? Wohin führt das? – Wir haben hier gestern im Bun­desrat das Verbot von bestimmten Symbolen diskutiert. Sie werden sich noch erinnern, das ist nicht so lang her. Ich habe schon auch die Warnung ausgesprochen, dass man bei einer willkürlichen Auslegung diese Verbote natürlich auch willkürlich ausweiten kann.

Ich verstehe schon, dass sich gewisse Gruppen – das ist bei Fans wirklich so einfach: natürlich, die grölen, die bieten eine hervorragende Angriffsfläche, die sind schroff und unbequem, und dann gehen sie wahrscheinlich noch, nachdem sie Bier getrunken ha­ben, in ein Stadion – hervorragend als Versuchsballon eignen; auch hier muss ich wieder das Wort Versuchsballon benutzen.

(In Richtung Bundesminister Kickl:) Ja, Sie können natürlich den Kopf schütteln, das ist Ihnen unbenommen. Ich will und muss davor warnen, damit wir genau hinschauen, gegen welche Gruppen Sie wie vorgehen, nämlich aufgrund welcher Vorwürfe, die nicht einmal verifiziert sind. Das ist nämlich der Punkt, und das ist für mich auch die Legitimation für diese Anfrage der SPÖ. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wir haben schon gehört, Verhältnismäßigkeit ist das eine. Der Polizeisprecher in Wien hat gemeint, die Verhältnismäßigkeit war aufgrund der Gefährdungslage gegeben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auf der anderen Seite haben Sie das selber ein bisschen relativiert, weil Sie gemeint haben, diese Gefährdungslage entstand ja erst vor Ort, nachdem die Menschen dort festgehalten worden sind; das muss ich nochmals wiederholen.

Das ist für mich auch einer der größten Widersprüche, nämlich: Die Polizei geht von Gefährdern aus und sperrt diese dann bis zu sieben Stunden mit allen anderen, die womöglich durch die Gefährder gefährdet sind, in diesen Block und lässt sie nicht raus, sondern fotografiert alle der Reihe nach ab. (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt ja alles nicht!) Also irgendwie geht sich das in der Argumentation nicht aus.

Es ist so, und es ist schon bemerkenswert, dass die Polizei nicht nur gut vorbereitet war – das ist toll, dass sie gut vorbereitet war –, sondern ganz zufällig schon 1 400 Zettel mit Abmahnungen bereitgestellt hatte. Also das muss mir einmal jemand erklären, dass man schon im Vorhinein, sozusagen präventiv annimmt, dass man die gebrauchen könnte. (Rufe bei der FPÖ: Das ist schon beantwortet worden!)

Wenn eine Gefährdung des Verkehrs vorliegt – darauf ist der Innenminister jetzt kurz eingegangen –, dann fragt man sich auch, wieso der Verkehr nur 15 Minuten lang von den Gefährdern gefährdet war und nicht über die ganze Zeit hinweg. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist wirklich hanebüchen, was du hier erzählst!) Wenn man wirklich angenommen hat, dass sich da so ein Bedrohungsszenario abzeichnet, dann hätte man den Verkehr nämlich auch rechtzeitig aufhalten können. Also auch diese Argu­men­tation ist schon ein bisschen widersprüchlich. (Beifall bei der SPÖ und des Bun­des­rates Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Dziedzics Märchenstunde! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Eines habe ich noch für Sie, dann dürfen Sie sich wieder empören, und zwar: Herr Pürstl war heute schon kurz Thema. Die Verantwortung – noch einmal – liegt ja nicht bei den einzelnen Polizeibeamten und -beamtinnen, sondern bei jenen, die die Wei­sungen überhaupt erteilen oder in der Verantwortung sind oder die Verantwortung tragen müssen. Sie werden vielleicht wissen, dass Herr Pürstl früher einmal – er hat es später auch relativiert – in derselben Burschenschaft wie Minister Hofer gewesen ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie werden sich jetzt wundern. Hören Sie mir genau zu, dann erschließt sich auch Ihnen der Zusammenhang! (Bundesrätin Mühlwerth: Das lohnt sich nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Nämlich Folgendes: In dieser Burschenschaft waren nicht nur Minister Hofer und früher einmal Herr Pürstl, sondern auch – Sie werden sich erinnern – dieser eine rechte Parlamentssecurity, der zufällig nicht nur mit Küssel etwas zu tun hat, sondern auch noch der rechten Hooliganszene zugerechnet wird.  – Also auch so ein Zufall, den ich mir wirklich gerne näher anschauen würde! (Bundesrat Steiner: ... die Frau, die Pflastersteine vorlegt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Da gibt es nämlich eine Fangruppe, die mir bei Weitem gefährlicher scheint als diese paar Randalierer, die sich Unsterblich nennt. Das ist der wirklich rechtsrechte Teil der Fanszene der Austria (Bundesrätin Mühlwerth: Die Randalierer, die alles kurz und klein schlagen ...!), und irgendwie sind da alle recht gut vernetzt.

Im Übrigen: Herr Götschober wird Ihnen auch etwas sagen. Er ist nämlich auch im Kabinett von Minister Hofer und war, soweit mir bekannt ist, sogar bis Ende Dezem­ber 2017 noch Obmann von eben dieser Burschenschaft Franko-Cherusker, wo all die erwähnten Herren (Zwischenrufe bei der FPÖ) einmal ihre Verbindungen aufgebaut haben. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Es ist schon wichtig, darauf hinzuweisen (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, nein!), denn über die Fanszenen für sich könnte man nicht nur eine Dissertation schreiben – wie es sicher nicht nur eine gibt –, sondern es zahlt sich aus, hier genauer hinzuschauen, weil nämlich erst dann im Detail sichtbar wird (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), worum es eigentlich im Hintergrund geht: wer da wen bekämpft, wer welche Weisun­gen aufgrund von welchen Kriterien vergibt. Das ist hier genau der Punkt, über den wir diskutieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn man der Frau Minister einen Pflasterstein gibt, ist alles in Ordnung? Das sollte man sich genauer anschauen!)

Ich würde mich freuen, wenn Sie auf genau diese Vernetzungen, auf genau diese Verbindungen eingehen und uns erklären können, wieso das bei einem anderen Match (Bundesrätin Mühlwerth: Du weißt, das war ein Bedrohungsszenario!) – nein – nicht so ein Bedrohungsszenario ist, aber hier bei den Rapid-Fans schon ein Szenario ent­standen ist.

Ich kann es nur wiederholen: Die Politik und der Verein sind in der Verantwortung. Jede Gewalt ist zweifelsohne abzulehnen. Ich warte auf die Evaluierung, aber ich will trotzdem wissen, wie es dazu kommen kann, dass Sie hier als Innenminister so tun, als wäre das das erste Match in Österreich überhaupt und als würden wir nicht wissen, dass es diese paar Randalierer gibt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des Bun­desrates Stögmüller.)

17.20

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als vorläufig letzter Redner hierzu zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Frau Kollegin ist nicht mehr zu helfen! Die ändert sich auch nicht mehr!)