9.52

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Europa schützt – und Europa schützt seine Bürger und Bürgerinnen auch dadurch, dass es einen gemeinsamen Rechtsraum von geschützten Freiheiten und geschützten Verpflichtungen gibt. Die Grundlage ist damals in Tampere geschaffen worden, und die Weiterentwicklung erfolgte dann durch den Vertrag von Lissabon, des­sen Wichtigkeit ich an diesem Rednerpult – vor allem in unserem alten Haus – dut­zendfach verteidigt habe.

Gerade im EU-Ausschuss haben wir über eine Periode von über zehn Jahren die Kom­petenzverlagerungen vom nationalen Bereich in den europäischen Bereich im Rahmen der Prüfungen von Subsidiarität und Proportionalität sehr intensiv durchgeführt und sind da im weitesten Sinne sehr einheitlich vorgegangen. Es gab immer ein klares Ja des EU-Ausschusses des Bundesrates zu einer Europäischen Staatsanwaltschaft. Wir haben alle Bereiche unterstützt, in denen es darum geht, Erleichterungen zu schaffen, wie zum Beispiel Zeugeneinvernahmen außerhalb des Heimatlandes zu ermöglichen oder die Anwendung der eigenen Sprache zu ermöglichen. Da gibt es zwei Ebenen, und das Tolle ist eben, dass wir das auf zwei Ebenen geschafft haben: Die eine ist die strafrechtliche, über die hier heute schon viel gesprochen wurde, die andere ist die zivilrechtliche. In einem gemeinsamen Europa gibt es zum Beispiel österreichische Erblasser, die sich in Dänemark niedergelassen hatten, und auch das gilt es leichter abzuwickeln und so weiter.

Es wurde die Institution Eurojust geschaffen, und diese Institution – ich glaube, im Au­genblick sind 2 300 Fälle anhängig – ist genau der richtige Rahmen für die Koordina­tion zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten im Bereich der Bekämpfung von Terroris­mus, Drogenhandel, Menschenhandel, Betrug, Korruption, Computerkriminalität und so weiter. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Olaf, Frontex, aber auch Cepol ist wichtig.

Europa schützt seine Bürger. Was heißt das im Zivilbereich? – Wenn eine österreichi­sche Firma zum Beispiel einen Exekutionsbefehl gegen eine spanische Firma hat, dann wird dieser auch auf europäischer Ebene vollzogen. Da Europa auch ein gemein­samer Raum von Konsumenten und Konsumentinnen ist, ist es sehr wichtig, dass die­se Rechte auch europäisch gestützt werden. Wichtig ist vor allem – schon angespro­chen worden ist zum Beispiel der Westbalkan –, dass das auch in allen Beitrittskandi­datenverfahren angewendet wird.

Europa schützt die Bürger aber auch noch in einer anderen Weise: nämlich gegen Rechtswillkür populistischer Regierungen. Da gibt es zum Beispiel das Artikel-7-Ver­fahren gegen Polen, das die unabhängige Justiz im Grunde eliminieren wollte, und das Artikel-7-Verfahren gegen ein Land wie Ungarn, das in menschenrechtlichen Fragen, aber auch in Fragen der bürgerlichen Freiheit eine extreme Entwicklung genommen hat. Ein Grundprinzip der Europäischen Union ist, die Grundrechte zu verteidigen, die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, die sogenannten Fundamental Rights zu verteidi­gen. Man kann daher gar nicht genug unterstreichen, wie wichtig dieser Schutz zum Beispiel für die Menschen in Polen und in Ungarn ist, dass die Regierung nicht einfach Richterinnen und Richter, Höchstrichterinnen und Höchstrichter absetzen kann – das ist ein prinzipieller Eingriff in die Gewaltenteilung! Die justizielle Zusammenarbeit hat sich zur dritten Säule in der EU entwickelt, deshalb sei auch jede nationale Regierung davor gewarnt, in die Rechtsstaatlichkeit einzugreifen.

In diesem Sinne, Herr Bundesminister: Nehmen Sie doch bitte die Kompetenz der Ge­setzesentwicklung wieder in das Justizministerium zurück, denn es kann nicht sein, dass ein Innenministerium Gesetzentwürfe vorlegt, die nicht aus der Hand des eigent­lich zuständigen Ministeriums kommen, nämlich des Justizministeriums! Dieses ist für Gesetzesbereinigungen, für Klärungen zuständig und hat die Kompetenz.

Eines kann ich in diesem Sinne auch mit Sicherheit sagen: Einer Sicherungshaft wer­den wir nie zustimmen, denn diese verstößt gegen die Konvention und gegen die Grundrechte in Europa. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. – Bun­desrätin Mühlwerth: Das sieht der Doskozil aber ein bissl anders!)

9.57

Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.