12.16

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident Koller! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich kann nahtlos an die Ausführungen der Frau Kollegin Neurauter anschließen, die die Berichte ja auch inhalt­lich detailliert dargestellt hat.

Ich möchte meinen Ausführungen den Dank an die Bediensteten des Verfassungsge­richtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes voranstellen. Ich möchte auch für diese großartige Arbeit Danke sagen, für die gewissenhafte Prüfung oft unter schwierigsten Rahmenbedingungen. Dass es nun gelungen ist, die Verfahrensdauer im Rahmen zu halten, ist wirklich sehr beachtlich, dem gebührt auch unser Respekt und unsere Aner­kennung.

Eine entsprechende Verfahrensdauer ist ein Wesenselement eines fairen Trials, also eines fairen Verfahrens, und damit eines Menschenrechtes nach Artikel 6 der Men­schenrechtskonvention. Die Grundvoraussetzung, damit das auch möglich ist, ist eben eine adäquate personelle Ausstattung der Gerichte über alle Instanzen hinweg gese­hen, von den Bezirksgerichten bis hin zu den Höchstgerichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ebenso eine rechtsstaatliche Verpflichtung. Wie wir alle wissen, steht und fällt die Qualität der Rechtsprechung mit dem Ausbildungsniveau des richterlichen wie auch des nicht richterlichen Personals, denn alle bei Gericht tätigen Personen tragen dazu bei. Es hat da zum Teil auch Verbesserungen gegeben und es wurden auch einige lo­bende Erwähnungen gemacht; so wurde das Ausbildungsniveau des wissenschaftli­chen Personals beispielsweise beim Verwaltungsgerichtshof lobend erwähnt. Es sind also durchaus positive Schritte in die richtige Richtung gesetzt worden. Wie gesagt muss das aber bei allen Instanzen gewährleistet sein.

Dann komme ich schon auf die Problemzonen zu sprechen, und zwar, um einen Be­reich herauszugreifen, der besonders sensibel ist, auf die Asylverfahren. Bei diesen ist schon noch Luft nach oben. Wir sind ja gerade in letzter Zeit auch mit teilweise atem­beraubenden Urteils- und Entscheidungsbegründungen konfrontiert worden. (Zwi­schenruf des Bundesrates Längle.) Es war ja wirklich, kann ich nur sagen, atemberau­bend, wenn nicht gar skandalös, was da teilweise in den Urteilsbegründungen stand.

Dementsprechend hoch sind auch die Beschwerdequote und die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges in diesem Bereich. Das Ausbildungsniveau schon bei den unteren Ent­scheidungsinstanzen zu heben, würde der Qualität der Rechtsprechung insgesamt na­türlich sehr, sehr gut tun und die Höchstgerichte entsprechend entlasten.

Keinesfalls darf aber der Zugang zu den Höchstgerichten eingeschränkt werden, wobei es schon ein bisschen befremdlich war, dass im Ausschuss von Mandataren der Re­gierungsfraktionen durchaus auch mit dieser Vorgangsweise – eben Einschränkung des Zugangs zu Höchstgerichten – geliebäugelt wurde. Dies wurde aber erfreulicher­weise auch von den Präsidentinnen, also von der Präsidentin des Verfassungsgerichts­hofes und auch von der Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofes, unverzüglich zurückgewiesen. Da ersuche ich, mit entsprechendem Bedacht vorzugehen. Der Zu­gang zum Rechtsweg bis in die höchsten Instanzen darf keinesfalls eingeschränkt werden, denn es wäre wirklich ein Bruch mit rechtsstaatlichen Verpflichtungen, und das werden wir keinesfalls zulassen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Gedankenaustausch im Verfassungsausschuss mit den Vertreterinnen von Verfas­sungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof war wirklich sehr, sehr aufschlussreich. Ich habe die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes im Ausschuss auch gefragt, wie sie sich die geringe Aufhebungsquote der insgesamt 320 Gesetzesprüfungsverfah­ren erklärt. Insbesondere die Parteianträge, 71 an der Zahl, waren nicht sehr erfolg­reich. Es sind ja nur zwei erfolgreich gewesen, indem sie zumindest teilweise aufgeho­ben wurden. Wir sprechen – das muss ich dazusagen – vom Berichtszeitraum 2017. Sie wissen, wer da politische Verantwortung großteils und auch im Vorfeld getragen hat. Dazu hat Präsidentin Bierlein gemeint, das liege an der hohen Qualität der Gesetz­gebung.

Wie gesagt, wir sprechen vom Berichtszeitraum 2017, für welchen den Verantwortli­chen in der Gesetzgebung ein sehr, sehr gutes Zeugnis ausgestellt wurde. Natürlich stellt man sich dann die Frage: Wie kann oder könnte diese hohe Qualität der Gesetz­gebung aufrechterhalten werden und wie könnte sie im Idealfall auch noch ausgebaut werden? – Dazu hat Präsidentin Bierlein den übrigens dringenden Wunsch geäußert, Gesetze in jedem Fall einer Begutachtung zu unterziehen und eine breite Expertise schon im Gesetzwerdungsprozess einfließen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber was, meine sehr geehrten Damen und Herren, erleben wir in der Gegenwart? – Einen Initiativantrag nach dem anderen! Es werden da Gesetzesvorhaben am Begut­achtungsverfahren vorbeigeschleust (Bundesrat Bader: Das hat die SPÖ nie gemacht, gell?!), und zwar immer dann, wenn man sich offensichtlich vor Kritik fürchtet. Es gibt unzählige Beispiele, das passiert in einer Fülle und Regelmäßigkeit (Bundesrat Bader: Das hat die SPÖ nie gemacht?!), in einer Fülle und Regelmäßigkeit, sage ich Ihnen, Herr Klubobmann, dass das schon System zu sein scheint oder zu werden scheint. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist rechtsstaatlich, das ist demokratiepolitisch in höchstem Maße bedenklich. Schauen wir uns die Beispiele an, vor allem im Sozialrecht, im Sozialversicherungs­recht: die Ausgabenbremse, die Zerschlagung des Sozialversicherungssystems – es sind viele Beispiele –; im Arbeitsrecht, im Arbeitszeitgesetz: 12-Stunden-Tag, 60-Stun­den-Woche; im Ökostromgesetz, und, und, und. Die Liste ist ja schon fast endlos. (Bundesrat Samt: Das ist eine Themenverfehlung, Frau Kollegin!) – Nein, das ist keine Themenverfehlung. Es geht um die Qualität der Gesetzgebung, und die ist Thema in diesem Bericht. Präsidentin Bierlein hat ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie genau diesen Wunsch und diese Erwartung an uns als Gesetzgeber hat, Herr Kol­lege Samt. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich den Bericht an, schauen Sie sich das Protokoll des Verfassungsaus­schusses an! Vielleicht nehmen Sie einmal Kontakt mit der Präsidentin auf, sie wird es Ihnen auch noch persönlich sagen (Bundesrat Samt: Es reicht mir schon, was ihr die letzten Jahre gemacht habt, Frau Kollegin!), und dann reden wir weiter. Bitte nehmen wir unsere Verantwortung als Gesetzgeber wirklich ernst! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Samt.) Dazu gehört es wirklich, Gesetze ausführlich zu prüfen, Meinun­gen einzuholen und entsprechend verantwortungsbewusst vorzugehen. Kein Weg kann es sein, wie ihn Ihr Innenminister Kickl vorschlägt (Bundesrat Samt: So wie ihr das immer gemacht habt, Frau Kollegin!), indem er meint, dass das Recht der Politik folgen soll und nicht umgekehrt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Bader: Na, wer macht denn die Gesetze?) – Ja, Sie kennen diese Aussage, die da getätigt wurde und die rechtsstaatlich ebenso äußerst bedenklich ist.

Hier sage ich: Bitte wehret den Anfängen! Wir leben in einem Rechtsstaat (Bundesrat Samt: Das ist ungeheuerlich, Frau Kollegin, eine Schande für die ...!) und diesen Rechtsstaat müssen wir alle gemeinsam verteidigen, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Uns fällt es nicht schwer, denn wir stehen auf dem Boden des Rechtsstaates und der Demokratie. (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ.)

In diesem Sinne: Nehmen Sie bitte diesen Bericht ernst, und ziehen wir die richtigen Schlüsse daraus! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile es ihm.