16.17

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat Weber, ich habe so eine schö­ne Anfragebeantwortung vorbereitet, aber mit Ihrer Rede haben Sie provoziert, dass ich, bevor ich dazu komme, doch ein paar grundsätzliche Feststellungen treffen möch­te und Ihnen auch gerne ein paar Fragen stellen würde, wenn ich darf.

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass jede Form radikaler Ideologie meiner Mei­nung nach in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Extremismus, egal von welcher Seite, egal ob von links, von rechts oder unter Missbrauch einer Religion, ist etwas, das ich ablehne und stets entschlossen und entschieden bekämpfen werde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jede Verbindung des Attentäters von Neuseeland zu Mitgliedern der Identitären Bewe­gung Österreich gehört restlos aufgeklärt, und ich bin froh, dass die unabhängige Jus­tiz nicht nur ermittelt, sondern alle erforderlichen Ressourcen zur Verfügung hat, um das auch erfolgreich abschließen zu können. Die Strafverfolgungsbehörden haben ihre Arbeit bereits aufgenommen, und der Nationale Sicherheitsrat hat vergangene Woche zu Recht einen Beschluss gefasst, um Strategien gegen rechts, links und islamistisch motivierten Extremismus zu erarbeiten.

Bevor ich jetzt aber Ihre Fragen beantworte, darf ich vielleicht noch die Möglichkeit nutzen, um kurz etwas zu hinterfragen. Meine Fraktion hat mir auf meine Frage, aus welchen Bundesland Sie kommen, zugeflüstert, dass Sie Steirer seien. (Bundesrat We­ber: Sicher! Das erkennt man auch! Das grüne Herz der Steiermark!) – Okay. Darf ich die Frage stellen: Gibt es in Ihrer Fraktion auch Oberösterreicher? (Bundesrat Stög­müller zeigt auf.) – Ja, aber fast, oder? Ja, okay. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Rufe: Das ist eh dasselbe!) Gibt es sozialdemokratische Oberösterreicher? Gibt es Oberösterreicher? Wer? (Die BundesrätInnen Lancaster und Reisinger zeigen auf.) – Sie, okay, eine, zwei. Gibt es wen aus dem Burgenland? (Bundesrat Schabhüttl zeigt auf.) – Einer. (Bundesrat Schabhüttl: Warum wollen Sie das wissen?) – Na, nur rein interessehalber. (Ruf bei der SPÖ: Kennen Sie die BundesrätInnen nicht?) – Nein, ich kenne nicht alle Mitglieder des Bundesrates. Das tut mir leid, aber ich werde mir alle, die aufgezeigt haben - - (Bundesrat Schennach: Momentan ist nur Nebelwerfen ange­sagt!) – Ja, lassen Sie mich ausreden! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ganz entspannt, es kommt nichts Schlimmes, es kommt nur die Wahrheit, nichts Drama­tisches!

Sie haben gesagt, ich verschließe die Augen vor dem Rechtsextremismus der FPÖ, gefragt, wie man überrascht sein könne, wenn es da diese Verbindungen gibt, dass es ja klar sein müsse, dass es Verbindungen der FPÖ zur rechtsextremen Szene gibt. Sie nicken noch immer eifrig. Ihre Parteivorsitzende sagt sogar, ich sei ein Türöffner für den Rechtsextremismus in diesem Land.

Da frage ich Sie schon: Wenn das alles so klar ist, wie ist es dann möglich und wie verantworten es Ihre Kollegen, die da ganz friedlich neben Ihnen sitzen, dass es im Burgenland eine Koalition mit den Freiheitlichen gibt? Wie geht sich das für Sie in der zweiten Reihe aus? Wie geht sich das für die Kollegin und den Kollegen aus Oberös­terreich, die gerade vorhin aufgezeigt haben, aus, dass genau dort, wo es diese räumli­che Verflechtung gegeben hat, in Linz, ein Bürgermeister regiert, der von Ihrer Fraktion ist? Wissen Sie, mit wem er in Koalition ist? – Mit der Freiheitlichen Partei! Das heißt, wenn Sie mir vorwerfen, dass ich die Augen verschließe, dann stellt sich für mich schon die Frage: Was ist dann bei Ihnen los? Werden dort die Augen auch verschlos­sen, oder war Ihnen allen das bewusst und koalieren Sie trotzdem mit der Freiheitli­chen Partei? (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Genau! Das ist ein Problem!)

Erlauben Sie mir insofern nur die kurze Gegenfrage: Ist die Koalition mit der Freiheitli­chen Partei immer Gift und des Teufels, wenn sie von der ÖVP eingegangen worden ist, oder gilt selbiges auch für Sozialdemokraten? (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) – In der ersten Reihe lacht schon einer, der kann sich gar nicht mehr z’samm­reißen. Wenn ich ein Türöffner für die Rechtsextremen auf Bundesebene bin, ist dann Herr Doskozil selbiges im Burgenland, oder nicht, ist dann der Linzer Bürgermeister selbiges in Oberösterreich, oder nicht? Lassen Sie sich diese Frage auf der Zunge zer­gehen, bevor ich zur Anfragebeantwortung komme, für die ich da bin! (Beifall und Bra­vorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Weber: Zum Thema!)

Nun zu Ihren Fragen - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Jetzt regen Sie sich nicht auf! Das war doch nichts Neues, oder? Dass es diese Koalitionen gibt, das ist Ihnen wohl bewusst. Es ist auch nichts, was Unruhe - - (Bundesrat Weber: Zum Thema! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Also wenn ihr eure Zwischenrufe ein bisschen zurückschrauben würdet, dann könnte der Herr Bundeskanzler die von euch gestellten Fragen beantworten. (Widerspruch bei der SPÖ.) – Jetzt beruhigen wir uns wieder und lassen den Herrn Bundeskanzler antworten! (Bundesrat Stögmüller: Dann soll er endlich zur Sache kommen! – Ruf bei der ÖVP: Hast du geschlafen, oder was?)

Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Ja, das war die Sache, um ehrlich zu sein. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und ÖVP sowie FPÖ.) – Zu den Fragen, oder? Das ist die angenehmere Kost.

Zu den Fragen 1, 9 und 10:

Die Bundesregierung kämpft gegen jegliche Form des Extremismus unabhängig davon, ob von links, von rechts oder islamistisch motiviert. Aufbauend auf die im Herbst 2018 präsentierte „Österreichische Strategie Extremismusprävention und Deradikalisierung“ wird gerade der Nationale Aktionsplan zu Extremismusprävention und Deradikalisie­rung erarbeitet. Daneben gibt es eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen, wie jährlich abgehaltene Präventionsgipfel, den Kampf gegen den politischen Islam oder auch ein Programm zum Ausstieg aus dem gewaltbereiten Extremismus.

Es ist uns darüber hinaus im Rahmen des Ratsvorsitzes in der Europäischen Union ebenfalls gelungen, den gemeinsamen Kampf gegen den Antisemitismus zu stärken und in der Ratssitzung im Dezember entsprechende Beschlüsse herbeizuführen. Als Regierungschef stehe ich gemeinsam mit meinem Team laufend mit einer Vielzahl von Vertretern der europäischen Institutionen beziehungsweise der Mitgliedstaaten in Kon­takt. Meine Ansprechpartner sind aber wenig überraschend Premierminister und Re­gierungschefs; mit den beiden von Ihnen genannten Personen habe ich daher zu die­ser Thematik keinen Kontakt gehabt.

Zur Frage 2:

Die Bundesregierung legt jährlich den Verfassungsschutzbericht vor, der alle staats­schutzrelevanten Aspekte umfasst und gemeinsam betrachtet. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass alle Formen von Extremismus entsprechend beleuchtet werden.

Zur Frage 3:

Bereits vergangene Woche wurde im Nationalen Sicherheitsrat der Beschluss gefasst, die personelle Ausstattung des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung zu evaluieren und notwendigenfalls auch zu stär­ken. Das werden wir auch im Zuge der anstehenden BVT-Reform berücksichtigen.

Zu den Fragen 4 und 5:

Das Regierungsprogramm hält die Berichtspflicht an Bundeskanzler und Vizekanzler fest, die konkrete Ausgestaltung dieser Maßnahmen befindet sich gerade in Ausarbei­tung. Darüber hinaus sind wir, sowohl der Vizekanzler als auch ich, selbstverständlich in ständigem Austausch mit den zuständigen Ministern der sicherheitsrelevanten Res­sorts.

Zur Frage 6:

Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinen Platz in Kabinetten oder Büros der Bundesregierung haben. Sollte uns jedoch eine solche Tatsache bekannt werden, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen.

Zur Frage 7:

Die Vergabe von Inseraten ist Entscheidung der einzelnen Ressorts. Schaltungen in rechts- wie auch linksextremen Publikationen lehne ich in aller Deutlichkeit ab.

Zur Frage 8:

Wir konnten gestern in Brüssel einen Hard Brexit verhindern, der am 12. April, also morgen stattgefunden hätte. Wir haben uns für eine Fristverlängerung ausgesprochen, und es ist der 31. Oktober geworden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.26

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grossmann. Ich erteile es ihr.